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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Angehörige des irakischen Militärs, die 2014 desertiert sind, können auf der Grundlage eines Beschlusses des Ministerrates vom Juni 2019 wieder der irakischen Armee beitreten und so einer Strafverfolgung auf der Grundlage des Militärstrafgesetzes entgehen. Regierungsangaben zufolge betrifft dies über 52.000 Soldaten und 2.000 Angehörige von Spezialeinheiten (AA 28.10.2022, S.11). Die Rekrutierung in die Volksmobilisierungskräfte (PMF) erfolgt ausschließlich auf freiwilliger Basis. Viele schließen sich den PMF aus wirtschaftlichen Gründen an (DIS/Landinfo 5.11.2018, S.22; vgl. UKHO 1.2021, S.21). Desertion von Kämpfern niederer Ränge hätte wahrscheinlich keine Konsequenzen oder Vergeltungsmaßnahmen zur Folge (DIS/Landinfo 5.11.2018, S.45). Auch in der Kurdistan Region Irak (KRI) herrscht keine Wehrpflicht (DIS 12.4.2016, S.41). Kur dische Männer und Frauen können sich freiwillig zu den Peshmerga melden (DIS 12.4.2016, S.124). Rekruten für die Peshmerga unterzeichnen einen Vertrag für eine bestimmte Dienstzeit, nach dessen Ablauf die Person freiwillig gehen kann (EUAA 6.2022, S.100). Mehrere Quellen haben festgestellt, dass es für hochrangige Peshmerga schwieriger sein kann, die Armee zu verlassen und dass dies Konsequenzen haben kann, nicht aber für Peshmerga niederen Ranges (EUAA 6.2022, S.100). Die Strafe für Desertion von den Peshmerga kann, je nach den Umständen, von der Auflösung des Vertrages bis zur Verurteilung zum Tode reichen (DIS 12.4.2016, S.42; vgl. EUAA 6.2022, S.100). Es wurden jedoch weder vor 2015 noch in neueren Berichten derartige Fälle bekannt (EUAA 6.2022, S.100). Es gibt keine Berichte darüber, dass das Verteidigungsministerium der föderalen Regierung Kin der für den Dienst in den Sicherheitsdiensten einberufen oder rekrutiert hat (USDOS 30.3.2021). Die Regierung und die religiösen schiitischen Führer haben ausdrücklich verboten, dass Kinder unter 18 Jahren im Kampf dienen. 2021 gab es einen verifizierten Bericht über die Rekrutierung und den Einsatz eines Kindersoldaten durch die PMF (USDOS 12.4.2022). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.10.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Oktober 2022), https://www.ecoi.net/e n/file/local/2082728/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_ Lage_in_der_Republik_Irak_(Stand_Oktober_2022),_28.10.2022.pdf , Zugriff 23.3.2023 [Login erforderlich] ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file /local/2057645/Deutschland___Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungs relevante_Lage_in_der_Republik_Irak_(Stand_Januar_2021),_22.01.2021.pdf , Zugriff 21.7.2023 [Login erforderlich] ■ CIA - Central Intelligence Agency [USA] (8.9.2023): The World Factbook – Iraq, https://www.cia.go v/the-world-factbook/countries/iraq/, Zugriff 14.9.2023 ■ DIS - Danish Immigration Service [Denmark] (12.4.2016): The Kurdistan Region of Iraq (KRI); Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation; Report from fact finding mission to Erbil, the Kurdistan Region of Iraq (KRI) and Beirut, Lebanon, 26 September to 6 October 2015, https://www.ecoi.net/en/file/local/1302021/1226_1460710389_factfindingreportkurdistanregionofira q11042016.pdf, Zugriff 27.4.2023 ■ DIS/Landinfo - Danish Immigration Service [Denmark], Referat für Länderinformationen der Ein wanderungsbehörde [Norwegen] (5.11.2018): Northern Iraq: Security situation and the situation for 142

internally displaced persons (IDPs) in the disputed areas, incl. possibility to enter and access the Kurdistan Region of Iraq (KRI), https://www.ecoi.net/en/file/local/1450541/1226_1542182184_iraq-r eport-security-idps-and-access-nov2018.pdf , Zugriff 11.7.2023 ■ EUAA - European Union Agency for Asylum (6.2022): Country Guidance: Iraq; Common analysis and guidance note, https://www.ecoi.net/en/file/local/2076349/2022_06_Country_Guidance_Iraq.pdf , Zugriff 16.8.2023 ■ UKHO - United Kingdom Home Office [United Kingdom] (1.2021): Country Policy and Information Note Iraq: Sunni Arabs, https://www.ecoi.net/en/file/local/2043500/Iraq_-_Sunni_Arabs_-_CPIN_-_ v3.0_-_January_2021_-_ext.pdf, Zugriff 27.4.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071125.html, Zugriff 24.8.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048100.html, Zugriff 11.7.2023 12 Allgemeine Menschenrechtslage Letzte Änderung 2023-10-09 08:04 Die Verfassung vom 15.10.2005 garantiert demokratische Grundrechte wie Versammlungsfrei heit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit, Schutz von Minderheiten und Gleichberechtigung. Der Menschenrechtskatalog umfasst auch wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte wie das Recht auf Arbeit und das Recht auf Bildung (AA 28.10.2022, S.19). Der Irak hat wichtige internationale Abkommen zum Schutz der Menschenrechte ratifiziert (AA 28.10.2022, S.19), darunter das internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung, den internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, das Überein kommen über die Rechte des Kindes, sowie die Fakultativprotokolle betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten und betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinder prostitution und die Kinderpornografie, das internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor gewaltsamem Verschwindenlassen und das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (OHCHR 2022). Es kommt jedoch weiterhin zu Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei und andere Si cherheitskräfte. Das Menschenrechtsministerium wurde 2015 abgeschafft, und das Mandat für die unabhängige Menschenrechtskommission ist am 4.8.2021 ausgelaufen, wobei unklar ist, ob es erneuert wird (AA 28.10.2022, S.19). Zu den wesentlichsten Menschenrechtsfragen im Irak zählen unter anderem:Anschuldigungen bezüglich rechtswidriger Tötungen, Verschwindenlassen, Folter, harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen, willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen, willkürliche Eingriffe in die Pri vatsphäre, Sippenhaft, konfliktbedingte Übergriffe, einschließlich Angriffen, die zum Tod oder zur Verletzung von Zivilisten führen, Einschränkungen der Meinungsfreiheit, einschließlich der Pressefreiheit, Gewalt gegen Journalisten, Eingriffe in die Versammlungs- und Vereinigungsfrei heit, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Frauen, erzwungene Rückkehr von Binnen vertriebenen (IDPs), Korruption, Gewalt gegen LGBTIQ+-Personen (USDOS 20.3.2023). Auch Menschenhandel ist ein Problem, manchmal unter dem Schutz korrupter Beamter. Besonders 143

IDPs, Flüchtlinge, Wanderarbeiter und LGBTIQ+ Personen sind davon besonders gefährdet (FH 2023). Es fehlt an Rechenschaftspflicht für Gewalt gegen Frauen und Gewaltverbrechen, die sich gegen Angehörige ethnischer Minderheiten richten (USDOS 20.3.2023). Internationale und lokale NGOs geben an, dass die Regierung das Anti-Terror-Gesetz weiterhin als Vorwand nutzt, um Personen ohne zeitgerechten Zugang zu einem rechtmäßigen Verfah ren festzuhalten (USDOS 20.3.2023). Bewaffnete Akteure bedrohen weiterhin Aktivisten sowie Angehörige von toten oder verschwundenen Demonstranten und Aktivisten mit dem Tod, oder damit, sie verschwinden zu lassen (AI 27.3.2023). Die Verfassung und das Gesetz verbieten Enteignungen, außer diese erfolgen im öffentlichen Interesse(was jedoch nie eindeutig definiert wurde) und gegen eine gerechte Entschädigung (BS 23.2.2022, S.24; vgl. USDOS 20.3.2023). Seit den Offensiven des IS im Sommer 2014 sind föderalstaatliche und kurdische Sicherheitskräfte sowie paramilitärische bewaffnete Gruppen (IS und schiitische Milizen) für Angriffe auf Zivilisten verantwortlich, einschließlich der Beschlag nahme und Zerstörung von Privateigentum (BS 23.2.2022, S.24). In den vergangenen Jahren wurden Häuser und Eigentum von mutmaßlichen IS-Angehörigen sowie Mitgliedern religiöser und konfessioneller Minderheiten durch Regierungstruppen und PMF-Milizen konfisziert und besetzt, ohne Kompensationen für die Besitzer (USDOS 20.3.2023). Es herrscht weiterhin Straflosigkeit für verübte rechtswidrige Tötungen, für Folter und andere Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitskräfte (AI 28.3.2023). Im Zuge der im Oktober 2019 begonnenen Proteste kam es zu Hunderten rechtswidrigen Tötungen (AI 28.3.2023). Die unabhängige Menschenrechtskommission versucht, sich unabhängig ein Bild von der Lage zu machen und die Zahlen von Toten und Verletzten zu sammeln, zu verifizieren und zu veröffent lichen (AA 22.1.2021, S.20), da sich die Regierung einer Veröffentlichung der Erkenntnisse von Untersuchungsausschüssen verweigert (AA 22.1.2021, S.20; vgl. AI 28.3.2023). Viele hoch rangige Regierungsbeamte und Angehörige der Sicherheitskräfte, einschließlich der irakischen Sicherheitskräfte, der Bundespolizei, der Volksmobilisierungskräfte (PMF) und auch Einheiten der kurdischen Asayish (interne Sicherheitsdienste der Kurdischen Regionalregierung), agieren ungestraft. Die Regierung, einschließlich des Büros des Premierministers, untersucht Vorwürfe über Missbräuche und Gräueltaten, die durch die Irakischen Sicherheitskräfte (ISF) begangen wurden, bestraft die Verantwortlichen jedoch selten (USDOS 20.3.2023). So sind Hunderte rechtswidrige Tötungen, die sich während der Proteste von 2019 ereigneten, nach wie vor ungestraft (AI 28.3.2023). Der IS begeht weiterhin schwere Gräueltaten, darunter Tötungen durch Selbstmordattentate und improvisierte Sprengsätze (IEDs). Die Behörden untersuchen IS-Handlungen und verfolgen IS-Mitglieder nach dem Anti-Terrorgesetz (USDOS 20.3.2023). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.10.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Oktober 2022), https://www.ecoi.net/e n/file/local/2082728/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_ 144

Lage_in_der_Republik_Irak_(Stand_Oktober_2022),_28.10.2022.pdf , Zugriff 23.3.2023 [Login erforderlich] ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file /local/2057645/Deutschland___Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungs relevante_Lage_in_der_Republik_Irak_(Stand_Januar_2021),_22.01.2021.pdf , Zugriff 21.7.2023 [Login erforderlich] ■ AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Irak 2022, https://www.ecoi.net/en/document/2094485.html, Zugriff 21.7.2023 ■ AI - Amnesty International (27.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; The State of the World’s Human Rights; Iraq 2022, https://www.ecoi.net/en/document/2089537.html , Zugriff 18.8.2023 ■ BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/l ocal/2069660/country_report_2022_IRQ.pdf, Zugriff 11.7.2023 ■ FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument /2090187.html, Zugriff 7.7.2023 ■ OHCHR - Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (2022): Ratification of 18 International Human Rights Treaties, https://indicators.ohchr.org/, Zugriff 12.12.2022 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089064.html, Zugriff 11.7.2023 12.1 Allgemeine Menschenrechtslage in der Kurdistan Region Irak (KRI) Letzte Änderung 2023-10-09 08:04 Es gibt eine unabhängige kurdische Menschenrechtskommission, die sich aber auf die Doku mentation von Menschenrechtsverletzungen beschränkt. Sie kann selten eine volle Aufklärung oder gar Ahndung von Menschenrechtsverletzungen gewährleisten (AA 28.10.2022, S.19). Sicherheitskräfte der Kurdischen Regionalregierung (KRG) wie Peshmerga und Asayish versto ßen bisweilen gegen die Gesetze (USDOS 20.3.2023). Es gibt Vorwürfe von willkürlichen Verhaftungen sowie von Missbrauch und Folter von Gefange nen und Häftlingen durch kurdische Sicherheitskräfte. Es liegen keine zuverlässigen Statistiken über die Anzahl solcher Vorfälle vor (USDOS 20.3.2023). Den kurdischen Sicherheitskräften werden auch Gewalt, Drohungen und willkürliche Inhaftierung von Journalisten und Medienver tretern vorgeworfen (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023). Peshmerga und Asayish sollen außer dem Vorschriften selektiv umsetzen, unter anderem auch aus ethno-konfessionellen Gründen. Andere Vorwürfe umfassen auch Erpressung und die Verweigerung einer Rückkehr von Zivilis ten in ihre Heimat, insbesondere sunnitischer Araber sowie Angehöriger ethno-konfessioneller Minderheiten (USDOS 20.3.2023). Sicherheitskräfte sind auch an der Unterdrückung der freien Meinungsäußerung und des Rechts auf friedliche Versammlung beteiligt (AI 28.3.2023). Es besteht quasi Straffreiheit für Regierungsbeamte und Sicherheitskräfte, einschließlich be stimmter Einheiten der kurdischen Sicherheitsdienste, wie der Asayish (USDOS 20.3.2023). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.10.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Oktober 2022), https://www.ecoi.net/e n/file/local/2082728/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_ 145

Lage_in_der_Republik_Irak_(Stand_Oktober_2022),_28.10.2022.pdf , Zugriff 23.3.2023 [Login erforderlich] ■ AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Irak 2022, https://www.ecoi.net/en/document/2094485.html, Zugriff 21.7.2023 ■ FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument /2090187.html, Zugriff 7.7.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089064.html, Zugriff 11.7.2023 13 Meinungs- und Pressefreiheit Letzte Änderung 2023-10-09 16:25 Die Verfassung garantiert Meinungs- und Pressefreiheit, solange diese nicht die öffentliche Ordnung und Moral verletzt (AA 28.10.2022, S.8; vgl. FH 24.2.2022, USDOS 20.3.2023, DFAT 16.1.2023, S.27) oder Unterstützung für die verbotene Ba‘ath-Partei zum Ausdruck bringt (US DOS 20.3.2023; vgl. DFAT 16.1.2023, S.27). Allgemeine Meinungsfreiheit: Kommentare zu kontroversen Themen, auch in den sozialen Medien, gelten als tabu und führen mitunter zu Verhaftungen, Gehaltskürzungen, Folter und Strafverfahren (FH 2023). Einzelpersonen und Medien betreiben Selbstzensur aufgrund der begründeten Furcht vor Repressalien durch die Regierung, politische Parteien, ethnische und konfessionelle Kräfte, terroristische und extremistische Gruppen oder kriminelle Banden (US DOS 20.3.2023). Whistleblower, Ermittler, Journalisten und auch Privatpersonen, die Korrup tionsvorwürfe erheben, werden verhaftet, sind Einschüchterung oder Gewalt ausgesetzt und werden wegen Verleumdung angeklagt (FH 2023). Kontrolle und Zensur der föderalen Regie rung und der Kurdischen Regionalregierung (KRG) behindern manchmal den Medienbetrieb, was mitunter die Schließung von Medien, Einschränkungen der Berichterstattung und Behin derung von Internetdiensten zur Folge hat (USDOS 20.3.2023). Einzelpersonen können die Regierung weder öffentlich noch privat kritisieren, ohne Repressalien befürchten zu müssen. Paramilitärische Milizen schikanieren Aktivisten und reformorientierte politische Bewegungen sowohl online als auch direkt und versuchen, sie durch Online-Desinformation mittels Drohungen und unter Einsatz von Gewalt zum Schweigen zu bringen und ihre Aktivitäten zu stoppen (USDOS 20.3.2023). Pressefreiheit: Im Irak existiert eine lebendige, aber wenig professionelle, zumeist die eth nisch-religiösen Lagerbildungen nachzeichnende Medienlandschaft (AA 28.10.2022, S.9; vgl. DFAT 16.1.2023, S.27). Es gibt nur wenige politisch unabhängige Medien (FH 2023; vgl. DFAT 16.1.2023, S.27), denn die meisten befinden sich weitgehend in ökonomischer Abhängigkeit von Personen oder Parteien, die regelmäßig direkten Einfluss auf die Berichterstattung nehmen (AA 28.10.2022, S.9; vgl. FH 3.3.2021a, RSF 2023). Die meisten der mehreren Hundert Printmedien, die im Irak täglich oder wöchentlich erscheinen, sowie Dutzende Radio- und Fernsehsender, wer den von politischen Parteien stark beeinflusst oder vollständig kontrolliert (USDOS 20.3.2023). Auch die „ Journalistenvereinigung“ ist tendenziell staatsnah (AA 28.10.2022, S.9). Die extreme Polarisierung aufgrund der politischen Einflussnahme auf die Medien macht es fast unmöglich, ausgewogene und unabhängige Informationen zu erhalten. Journalisten haben 146

es schwer, ihre Rechte zu verteidigen, und die meisten sind seit 2019 ständigen Drohungen ausgesetzt (RSF 2023). Das „ Gesetz zum Schutz von Journalisten“ von 2011 hält unter anderem mehrere Kategorien des Straftatbestands der Verleumdung aufrecht, die in ihrem Strafmaß zum Teil unverhältnismäßig hoch sind. Klagen gegen das Gesetz sind anhängig (AA 28.10.2022, S.10). Journalisten sind weiterhin Drohungen, Einschüchterungen und Angriffen durch Milizen oder Sicherheitskräfte ausgesetzt (USDOS 20.3.2023). Journalisten werden häufig wegen investi gativer Berichterstattung von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wegen Verleumdung verklagt (RSF 2023; vgl. DFAT 16.1.2023, S.27, FH 2023), beziehungsweise auch wegen der Beleidigung öffentlicher Einrichtungen angeklagt (FH 2023). Investigative Berichterstattung, sowie Kritik an religiösen Führern, kann lebensgefährlich sein (AA 28.10.2022, S.9). Berichte über heikle Themen wie Korruption, die Tätigkeit von Milizen und Milizführern (AA 28.10.2022, S.9; vgl. DFAT 16.1.2023, S.27), organisierte Kriminalität und aus ländische Einflussnahme können Drohungen, Entführungen und Gewalt (DFAT 16.1.2023, S.27), einschließlich Folter (DFAT 16.1.2023, S.27; vgl. FH 2023) und Mord nach sich ziehen (DFAT 16.1.2023, S.27; vgl. FH 2023, RSF 2023). Kritisch berichtende weibliche Journalisten sind häufig rufschädigenden Kampagnen ausgesetzt (AA 28.10.2022, S.9). Der Staat kommt sei ner Verpflichtung zum Schutz von Journalisten nicht nach. Solche Morde führen nur selten zu Ermittlungen, und die Verantwortlichen werden nicht bestraft (RSF 2023). Auch Medienorganisationen sehen sich als Reaktion auf ihre Berichterstattung Einschränkungen und Behinderungen ausgesetzt (FH 2023). Medien werden manchmal wegen kritischer Bericht erstattung mit Sanktionen wie einer Suspendierung ihrer Lizenz belegt (DFAT 16.1.2023, S.27; vgl. RSF 2023), beispielsweise für Untersuchungen zu Korruptionsfällen, an denen hohe Beam te beteiligt sind. Die Vorwürfe umfassen Verstöße gegen die Medienvorschriften oder „ Symbole des Staates zu beschädigen“ (RSF 2023). Nach Angaben von Reporter ohne Grenzen ist der Irak für Journalisten eines der gefährlichsten Länder der Welt (AA 28.10.2022, S.9). Auf ihrem Index für Pressefreiheit kommt der Irak im Jahr 2023 auf Platz 167 von 180, eine Verbesserung um fünf Plätze im Vergleich zum Vorjahr, mit einer Verbesserung von 28,59 Index-Punkten auf 32,94 (RSF 2023). Das Land nimmt im Straflosigkeitsindex (Zeitraum 2011-2021) des „ Committee to Protect Journalists“ zudem den weltweit dritten Platz in Bezug auf nicht aufgeklärte Journalistenmorde ein (CPJ 28.10.2021). Die Press Freedom Advocacy Association (PFAA) verzeichnete zwischen Mai 2021 und Mai 2022 landesweit 280 Fälle von Übergriffen auf Journalisten, wobei die meisten Fälle in Bagdad und Erbil auftraten. Im selben Zeitraum verzeichnete das irakische Journalistinnenforum 100 Fälle, in denen Journalisten und Medieneinrichtungen Ziel von Gewalt oder Einschüchterung waren, darunter 26 Fälle von Drohungen, elektronischer Erpressung, Belästigung und Mobbing von Journalistinnen (USDOS 20.3.2023). 147

Akademische Freiheit: Auch Lehrer sind im Irak seit Langem mit der Gefahr von Gewalt oder anderen Auswirkungen konfrontiert, wenn sie Themen unterrichten oder besprechen, die mäch tige staatliche oder nicht-staatliche Akteure für verwerflich halten. Politischer Aktivismus von Universitätsstudenten kann zu Schikane oder Einschüchterung führen (FH 2023). Akademi sche Freiheit wird durch die Regierung eingeschränkt. Sozialer, religiöser und politischer Druck schränken die Entscheidungsfreiheit in akademischen und kulturellen Angelegenheiten ein. In al len Regionen des Landes versuchen verschiedene Gruppen die Ausübung der formalen Bildung und die Vergabe von akademischen Positionen zu kontrollieren (USDOS 20.3.2023). Internet, Soziale Medien, Blogger: Ein Gesetzentwurf zur Cyberkriminalität, der immer wieder vorgelegt wird, sieht Gefängnisstrafen (einschließlich lebenslanger Haft) für Online-Postings vor, die „ die Unabhängigkeit, Einheit oder Integrität des Landes oder seine wirtschaftlichen, politischen, militärischen oder Sicherheitsinteressen“ gefährden (RSF 2022). Hinsichtlich des Internetzugangs gibt es offene staatliche Einschränkungen und Berichte (jedoch kein offizielles Eingeständnis), dass die Regierung E-Mail- und Internetkommunikation ohne entsprechende rechtliche Befugnisse überwacht (USDOS 20.3.2023). Aktivisten berichten von einem Klima der Angst, das sie zur Selbstzensur veranlasst. Die Behörden verhaften Personen, einige von ihnen einfache Bürger ohne aktivistischen Hintergrund, kurz nachdem sie behördenkritische Nachrichten in sozialen Medien gepostet haben, was darauf hindeutet, dass die irakischen und kurdischen Behörden Online-Plattformen ständig überwachen (FH 2023). Milizen setzen „ elektronische Armeen“ ein, um soziale Medien zu überwachen (DFAT 16.1.2023, S.28; vgl. FH 2023), verwenden Bots und Desinformationskampagnen, um Aktivisten, politische Gegner anzugreifen und zu diffamieren (USDOS 20.3.2023) und um Aktivisten explizit zu drohen (FH 2023). Es gibt Fälle von Vergeltungsmaßnahmen gegen Einzelpersonen aufgrund von Aussagen und Beiträgen in sozialen Medien. Nutzer sozialer Medien sowie Blogger wurden wegen Kritik an Behörden mit Verleumdungsklagen konfrontiert. Bestimmte Themen wie Korruption, Kritik an Iran oder ausländische Einmischung in die irakische Politik (DFAT 16.1.2023, S.28; vgl. FH 2023), aber auch LGBTIQ+-Themen oder Kritik an Milizen können Drohungen und in manchen Fällen auch Gewalt nach sich ziehen (DFAT 16.1.2023, S.28). Beispielsweise verurteilte im Dezember 2022 ein Gericht in Bagdad den Aktivisten Hayder Hamid al-Zaidi gemäß Paragraf 226 des Strafgesetzbuchs zu drei Jahren Haft, weil er sich in einem Tweet über ein verstorbenes Mitglied der PMF lustig gemacht haben soll (AI 28.3.2023). Der öffentliche Diskurs hat sich zum großen Teil in die sozialen Medien verlagert (insb. Facebook, Twitter, Instagram). Selbstzensur ist jedoch auch dort weit verbreitet (AA 28.10.2022, S.9). Trotz Einschränkungen nutzen politische Persönlichkeiten und Aktivisten das Internet, um korrupte und ineffektive Politiker zu kritisieren, Demonstranten zu mobilisieren und sich über soziale Medien für Kandidaten zu engagieren bzw. Wahlkampf zu betreiben (USDOS 20.3.2023). Die Regierung räumt ein, in manchen Gebieten den Internetzugang beschränkt zu haben, an geblich aufgrund von Sicherheitsfragen, wie der Nutzung von Social Media-Plattformen durch den Islamischen Staat (IS) (USDOS 30.3.2021). Auch zu Beginn der Demonstrationen im Ok tober 2019 wurden der Internetzugang tagelang blockiert. Soziale Medien blieben für mehrere 148

Wochen, bis in den November hinein, gesperrt, bzw. eingeschränkt nutzbar (AA 2.3.2020, S.12; vgl. USDOS 30.3.2021, DFAT 16.1.2023, S.28). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.10.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Oktober 2022), https://www.ecoi.net/e n/file/local/2082728/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_ Lage_in_der_Republik_Irak_(Stand_Oktober_2022),_28.10.2022.pdf , Zugriff 23.3.2023 [Login erforderlich] ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (2.3.2020): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: März 2020), https://www.ecoi.net/en/file/loc al/2027997/Deutschland___Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrele vante_Lage_in_der_Republik_Irak_(Stand_März_2020),_02.03.2020.pdf , Zugriff 3.3.2021 [Login erforderlich] ■ AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Irak 2022, https://www.ecoi.net/en/document/2094485.html, Zugriff 21.7.2023 ■ CPJ - Committee to Protect Journalists (28.10.2021): Killers of journalists still get away with murder, https://cpj.org/reports/2021/10/killers-of-journalists-still-get-away-with-murder/#index , Zugriff 3.12.2021 ■ DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (16.1.2023): DFAT Country Information Report Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2085737/country-information-report-iraq.pdf , Zugriff 2.2.2023 ■ FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument /2090187.html, Zugriff 7.7.2023 ■ FH - Freedom House (24.2.2022): Freedom in the World 2022 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2068634.html, Zugriff 11.7.2023 ■ FH - Freedom House (3.3.2021a): Freedom in the World 2021 – Iraq, https://www.ecoi.net/en/docu ment/2046520.html, Zugriff 11.7.2023 ■ RSF - Reporter ohne Grenzen (2023): Iraq, https://rsf.org/en/country/iraq, Zugriff 18.8.2023 ■ RSF - Reporter ohne Grenzen (2022): Iraq, https://rsf.org/en/iraq, Zugriff 18.8.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089064.html, Zugriff 11.7.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048100.html, Zugriff 11.7.2023 13.1 Meinungs und Pressefreiheit in der Kurdistan Region Irak (KRI) Letzte Änderung 2023-10-09 16:25 Allgemeine Meinungsfreiheit: Eine systematische Einschränkung der freien Meinungsäuße rung oder Zensur in digitalen Medien ist in der Kurdistan Region Irak (KRI) nicht bekannt (AA 28.10.2022, S.9). Jedoch kann politische Meinungsäußerung gegen lokale Behörden in der KRI willkürliche Verhaftung oder andere Repressalien von staatlicher Seite oder durch Partei-Kräfte auslösen (FH 24.2.2022). Behörden der Kurdischen Regionalregierung (KRG) greifen etwa auf vage formulierte Gesetze zurück, um Kritiker wegen der Äußerung von Kritik und Meinungen, die sie ablehnen, strafrechtlich zu verfolgen (HRW 12.1.2023). So werden etwa der Strafbestand der Verleumdung und andere Gesetze herangezogen, um Kritiker zum Schweigen zu bringen oder zu schikanieren (DFAT 16.1.2023, S.27). Kritische Journalisten wurden sowohl der Spionage beschuldigt und inhaftiert (RSF 2023) als auch wegen des Vorwurfs der „ Destabilisierung der Sicherheit und Stabilität der Region Kurdistan“ eingesperrt (DFAT 16.1.2023, S.27). 149

Pressefreiheit: Die meisten Fernsehsender und Radiostationen in der KRI sind parteipolitisch beeinflusst (AA 28.10.2022, S.9). Die Demokratische Partei Kurdistans (KDP) und die Patrioti sche Union Kurdistans (PUK) gewähren Sendern, die ihnen gehören oder nahestehen, privile gierten Zugang zu Informationen. In den KDP-Hochburgen (Erbil und Dohuk) sind dies Kurdistan Television, Rudaw und K24, im von der PUK dominierten Gouvernement Sulaymaniyah sind es Kurdsat News und GK Television. Sender von Oppositionsparteien oder solche, die unabhän gig sind, erhalten im Gegenzug nur begrenzen Zugang zu Informationen (USDOS 20.3.2023). Oppositionelle Medien werden in ihrer Tätigkeit beeinträchtigt, und es kommt wiederholt auch zu Verhaftungen von kritischen Journalisten, teilweise mit unverhältnismäßigen Freiheitsstrafen, auch wenn Angeklagte im Kontext der sogenannten „ Badinan“-Prozesse gegen Journalisten in der KRI zum Teil milder bestraft bzw. amnestiert wurden (AA 28.10.2022, S.9). Im Jahr 2020 kam es zu einer Verschärfung des Vorgehens der Behörden der KRG gegen Medien und Journalisten, insbesondere gegen solche, die über Proteste gegen die KRG im Zusammenhang mit wirtschaftlicher Not und Korruption berichteten (FH 3.3.2021a). So wurden Journalisten, die über die regierungsfeindlichen Proteste in der Region Kurdistan berichteten, von den Behörden behindert, bedroht und gefährdet. Auch Demonstranten und Organisatoren von Protesten, sowie Blogger, die COVID-19-Maßnahmen, Korruption und die Nichtauszahlung von Staatsgehältern kritisiert haben, wurden verhaftet (FH 3.3.2021a). In einigen Fällen trugen die Angreifer Militär- oder Polizeiuniformen der KRG (USDOS 12.4.2022). Mit Stand April 2022 verbüßten drei Journalisten, die von den Behörden der KRG verurteilt worden waren, Haftstrafen wegen ihrer Arbeit (FH 2023). Im Jahr 2020 wurden mehrere Büros des Medienunternehmens Nalia Radio und Fernsehen (NRT) geschlossen und durchsucht (FH 3.3.2021a). Im Dezember 2020 wurde die Sendelizenz des Senders ausgesetzt (FH 3.3.2021a; vgl. AA 22.1.2021, S.11). NRT hat zuvor über Gewalt während regierungsfeindlicher Proteste berichtet (FH 3.3.2021a). Während dieser Proteste hat die KRG die Internetdienste in der KRI für acht Stunden abgeschaltet (DFAT 16.1.2023, S.28). Seit August 2020 wurden schätzungsweise 76 Journalisten, Aktivisten und Lehrer aus der Re gion Badinan von Sicherheitskräften festgenommen und in Erbil inhaftiert. Den sogenannten „ Badinan-Gefangenen“ wird vorgeworfen, die nationale Sicherheit gefährdet und Spionage be trieben zu haben, da sie Kontakt zu den Konsulaten der USA, Deutschlands und Frankreichs, der Vertretung der Europäischen Union in Bagdad und der irakischen Bundesregierung aufgenom men hatten. Am 12. und 13.7.2021 fanden Gerichtsverhandlungen zu neun Badinan-Aktivisten statt, nachdem sie etwa ein Jahr lang auf ihren Prozess warten mussten. Die Gerichtsverfah ren werden als Teil eines Versuchs der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP) gesehen, die Meinungsfreiheit in der KRI zu unterdrücken (CPT 3.8.2021). Auch im Jahr 2021 haben die kurdischen Behörden die Verfolgung von Journalisten verschärft, die über Misswirtschaft, Korruption und regierungsfeindliche Proteste in der Region berichtet haben. Die kurdischen Behörden nehmen routinemäßig Journalisten rechtswidrig fest und inhaf tieren sie. Rechtsbeistand wird verhindert und Verurteilungen erfolgen aufgrund fadenscheiniger Anschuldigungen ohne rechtmäßige Verfahren. Im Februar 2021 verurteilte ein Gericht im von 150

der KDP kontrollierten Erbil drei Journalisten und zwei Aktivisten zu sechs Jahren Gefängnis, weil sie die Behörden in den sozialen Medien kritisiert hatten. KRG-Premierminister Barzani (ein KDP-Führer) behauptete ohne Beweise in einer Pressekonferenz, dass die Inhaftierten keine Journalisten, sondern Spione seien, was die Entscheidung des Richters, sie wegen „ De stabilisierung der Sicherheit“ in der Region zu verurteilen, beeinflusst haben könnte. Auch in den Gebieten unter der Kontrolle der PUK, wie Sulaymaniyah, werden Journalisten verfolgt und verhaftet (FH 24.2.2022). Im Jahr 2021 hat ein Gericht in Erbil drei Journalisten und zwei Aktivisten zu sechs Jahren Haft verurteilt wegen „ Gefährdung der nationalen Sicherheit der KRI“ (HRW 13.1.2022; vgl. MEI 24.2.2021). Vier weitere Aktivisten und Journalisten, die 2020 verhaftet wurden, warteten im Oktober 2021 noch auf ihre Anklagen (HRW 13.1.2022). Im Oktober 2022 haben Terrorismusbekämpfungseinheiten der PUK zwei Journalisten von der in Erbil ansässigen Bwar-Online-Nachrichtenagentur verhaftet, ohne dass sie über die gegen sie erhobenen Vorwürfe informiert wurden (USDOS 20.3.2023). Einige KRG-Gerichte wendeten bei Prozessen gegen Journalisten das strengere irakische Straf gesetzbuch anstelle des Pressegesetzes der KRI an. Letzteres schützt das Recht auf freie Mei nungsäußerung stärker und untersagt die Inhaftierung von Journalisten aufgrund ihrer Arbeit (USDOS 20.3.2023). KRG-Behörden wenden z.B. das Gesetz über den Missbrauch elektroni scher Geräte anstelle des Pressegesetzes der KRI gegen Journalisten an (USDOS 30.3.2021). Im Zuge der Verhaftung der beiden Journalisten von Bwar Online erklärte ein Abgeordneter des kurdischen Parlaments, dass die Journalisten nur im Rahmen des Pressegesetzes der KRI vor Gericht gestellt werden sollten (USDOS 20.3.2023). Internet, Soziale Medien, Blogger: Die Erörterung eines Gesetzentwurfs zur Cyberkriminalität wurde im Februar 2021 vom Repräsentantenrat ausgesetzt, nachdem Kritiker behauptet hatten, der Entwurf sei zu weit gefasst und würde die Meinungsfreiheit einschränken (DFAT 16.1.2023, S.28). Behörden verwenden jedoch vage formulierte Gesetze und Strafgesetze, um Online-Ak tivitäten zu kriminalisieren (USDOS 20.3.2023). Aktivisten berichten in Folge von einem Klima der Angst, das sie zur Selbstzensur veranlasst (FH 2023). So berichten etwa zivilgesellschaftli che Organisationen, dass Social-Media-Seiten ihrer Aktivisten von Regierungs- und Milizkräften überwacht werden und dass Aktivisten aufgrund ihrer Beiträge auf Facebook und anderen So cial-Media-Plattformen schikaniert oder strafrechtlich verfolgt werden (USDOS 20.3.2023). Die Behörden verhaften etwa Personen, einige von ihnen einfache Bürger ohne aktivistischen Hin tergrund, kurz nachdem sie behördenkritische Nachrichten in sozialen Medien gepostet haben, was darauf hindeutet, dass die irakischen und kurdischen Behörden Online-Plattformen ständig überwachen (FH 2023). KRG-Behörden haben während Protesten den Internetzugang unterbrochen (USDOS 20.3.2023). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.10.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Oktober 2022), https://www.ecoi.net/e n/file/local/2082728/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_ 151
