2025-09-09-coi-cms-laenderinformationen-irak-version-8-99ad
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
18.5 Turkmenen Letzte Änderung 2024-03-28 08:35 Turkmenen stellen die drittgrößte Ethnie des Irak dar (MRG 11.2017b; vgl. DFAT 16.1.2023, S. 16). Angaben zur Bevölkerungszahl der Turkmenen unterscheiden sich massiv. Sie reichen von 400.000 (AA 28.10.2022, S. 17), über 600.000 bis zu 2 Millionen (MRG 11.2017b; vgl. DFAT 16.1.2023, S. 17). Die meisten irakischen Turkmenen leben im Norden des Landes, in einem Bogen, der sich von Tal ’Afar über Mossul, Erbil, Altun Kopru, Kirkuk, Tuz Khurmatu und Kifri nach Khanaqin erstreckt (MRG 11.2017b; vgl. DFAT 16.1.2023, S. 16, AA 28.10.2022, S. 17). Turkmenen nennen diese Gebiete Turkmen Eli (Land der Turkmenen). Kirkuk nimmt dabei eine besondere Stellung ein und wird von Turkmenen oft als ihre inoffizielle Hauptstadt betrachtet. Es finden sich auch turkmenische Gemeinden in größeren irakischen Städten, wie Bagdad und Basra (YRIS 6.2018). Etwa 60 % der Turkmenen sind Sunniten, der Rest Zwölfer-Schiiten bzw. Angehörige anderer schiitischer Konfessionen (MRG 11.2017b; vgl. DFAT 16.1.2023, S. 16). Turkmenen aus Ninewa sind traditionell Schiiten (MRG 21.1.2020, S. 7). Rund 30.000 Turkme nen sind Christen (OFPRA 14.11.2017, S. 8). Tal ’Afar wird von schiitischen und sunnitischen Turkmenen bewohnt (AA 28.10.2022, S. 17). Turkmenen im Irak sprechen einen südlichen Dialekt der aserbaidschanischen Sprache, der als Turkmenisch bezeichnet wird (YRIS 6.2018). Das Turkmenische ist in Gebieten, in denen Turkmenen die Bevölkerungsmehrheit bilden, als Amtssprache anerkannt (USDOS 2.6.2022; vgl. DFAT 17.8.2020, S. 25). Gleichermaßen räumt die Verfassung den Turkmenen das Recht ein, ihre Sprache im Bildungswesen zu verwenden (MRG 11.2017b; vgl. DFAT 17.8.2020, S. 25). Der schlechte Zustand des Bildungssystems des Landes verhindert in vielen Fällen den Zugang turkmenischer Kinder zu muttersprachlicher Bildung (MRG 11.2017b). In der Kurdistan Region Irak (KRI) existieren 18 turkmenische Schulen (USDOS 2.6.2022). Im Zuge des Vormarsches des Islamischen Staates (IS) kam es zu kollektiven Vertreibungen auch von Turkmenen (AA 28.10.2022, S. 16). Die Mehrheit der schiitischen Turkmenen floh vor dem IS (DFAT 17.8.2020, S. 26; vgl. MRG 11.2017b), während viele Sunniten geblieben sind. Die vertriebenen schiitischen Turkmenen aus Tal ’Afar und anderen Distrikten leben nun größtenteils im Süden des Irak. Die meisten von ihnen konnten noch nicht in ihre Häuser zurückkehren (Stand Mitte 2020) (DFAT 17.8.2020, S. 26). Tal ’Afar blieb bis 2017 unter IS-Kontrolle (AA 28.10.2022, S. 17). Insbesondere schiitische Turkmenen wurden zum Ziel von Angriffen des sog. IS, wie z. B. in seinen Kampagnen gegen die mehrheitlich schiitisch-turkmenischen Städte Tal ’Afar und Amerli (MRG 11.2017b). Etwa 1.300 Turkmenen wurden entführt, darunter 470 Frauen und 130 Kinder. Etwa 800 davon wurden getötet, während der Rest weiterhin verschollen ist (USDOS 12.4.2022). Nach anderen Angaben waren Ende 2021 noch immer 900 vom IS entführte schiitische und sunnitische Turkmenen vermisst (USDOS 2.6.2022). 2017 flohen viele sunnitische Turkmenen im Zuge der Rückeroberung des IS-Gebietes (MRG 11.2017b). Sunnitische Turkmenen wurden bei außergerichtlichen Hinrichtungen durch iraki sche Sicherheitskräfte ermordet (MRG 11.2017b; vgl. DFAT 16.1.2023, S. 16). Es gab auch Berichte über willkürliche und rechtswidrige Verhaftungen, Erpressungen und Entführungen 184

von Turkmenen in Ninewa (USDOS 20.3.2023). Turkmenen aus Kirkuk werfen der Verwaltung Diskriminierung vor (ICG 15.6.2020, S. 10-11). PMF-Milizen (Volksmobilisierungseinheiten) haben sunnitischen Turkmenen die Rückkehr in ihre Dörfer im Distrikt Tuz-Khurmato in Salah ad-Din verweigert, schiitischen Turkmenen jedoch gestattet. In Tal ’Afar schikanieren PMF sunnitische Turkmenen an Kontrollpunkten weiterhin verbal und verlangen von ihnen die Zustimmung des Geheimdienstes der PMF, um amtliche Dokumente zu erhalten (USDOS 2.6.2022). Etwa 400 Turkmenen aus Tal ’Afar haben sich im Lauf des Jahres 2020 für ein monatliches Ge halt der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) angeschlossen und wurden in Trainingslager geschickt (USDOS 12.5.2021). Im kurdischen Regionalparlament waren fünf Sitze für Turkmenen reserviert (AA 22.1.2021, S. 11). Die kurdische Quotenregelung für ethno-konfessionelle Minderheiten wurde nach einer Klage zweier PUK-Politiker und einer christlichen Partei aus Sulaymaniyah durch das irakische Höchstgericht als verfassungswidrig erklärt. Folglich sind Minderheitsparteien nun gezwungen, ihre Kandidaten gegen jene von finanziell besser ausgestatteten, etablierten kurdischen politi schen Parteien aufzustellen (Rudaw 25.2.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.10.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Oktober 2022), https://www.ecoi.net/e n/file/local/2082728/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_ Lage_in_der_Republik_Irak_(Stand_Oktober_2022),_28.10.2022.pdf , Zugriff 23.3.2023 [Login erforderlich] ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file /local/2057645/Deutschland___Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungs relevante_Lage_in_der_Republik_Irak_(Stand_Januar_2021),_22.01.2021.pdf , Zugriff 21.7.2023 [Login erforderlich] ■ DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (16.1.2023): DFAT Country Information Report Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2085737/country-information-report-iraq.pdf , Zugriff 2.2.2023 ■ DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (17.8.2020): DFAT Country Information Report Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2036511/country-information-report-iraq.pdf , Zugriff 20.6.2023 ■ ICG - International Crisis Group (15.6.2020): Iraq: Fixing Security in Kirkuk, https://www.ecoi.net/e n/file/local/2031663/215-iraq-fixing-security-in-kirkuk.pdf , Zugriff 15.5.2021 ■ MRG - Minority Rights Group (21.1.2020): Mosul after the Battle: Reparations for civilian harm and the future of Ninewa, https://www.ecoi.net/en/file/local/2023155/MRG_CFR_Iraq_EN_Jan201.pdf, Zugriff 17.8.2023 ■ MRG - Minority Rights Group (11.2017b): Iraq – Turkmen, http://minorityrights.org/minorities/turkme n/, Zugriff 21.7.2023 ■ OFPRA - Amt zum Schutz von Flüchtlingen und Staatenlosen [Frankreich] (14.11.2017): The Security situation of religious and ethnic minorities, https://www.ofpra.gouv.fr/libraries/pdf.js/web/viewer.html ?file=/sites/default/files/ofpra_flora/171011_irq_religious_and_ethnic_minorities_in_iraq.pdf, Zugriff 16.8.2023 [Login erforderlich] ■ Rudaw - Rudaw Media Network (25.2.2024): Christian parties blame KDP, PUK for losing quota seats in Iraq court ruling, https://www.rudaw.net/english/kurdistan/25022024, Zugriff 5.3.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089064.html, Zugriff 11.7.2023 185

■ USDOS - United States Department of State [USA] (2.6.2022): 2021 Report on International Religious Freedom: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2073956.html, Zugriff 21.7.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071125.html, Zugriff 24.8.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Reli gious Freedom: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2051589.html, Zugriff 21.7.2023 ■ YRIS - Yale Review of International Studies, The (6.2018): Caught between Baghdad and Erbil: The Political Struggle of Iraqi Turkmans, http://yris.yira.org/comments/2496, Zugriff 21.7.2023 18.6 Jesiden Letzte Änderung 2023-10-09 16:24 Die Glaubensgemeinschaft der Jesiden ist eine verfassungsmäßig anerkannte Religion, mit dem Recht auf freie Religionsausübung (USDOS 2.6.2022; vgl. AA 28.10.2022, S.5, DFAT 16.1.2023, S.21). Obwohl Jesiden als Religionsgemeinschaft per Personenstandsgesetz anerkannt sind, gibt es kein jesidisches Personenstandsgericht. Religiöse Angelegenheiten der Jesiden wer den durch das Amt (Diwan) für religiöse Stiftungen für Christen, Jesiden und Mandäer-Sabäer verwaltet (USDOS 2.6.2022). Den Jesiden steht im Irak ein Parlamentssitz zu (AA 22.1.2021, S.11). Jesiden sprechen den kurdischen Dialekt „ Kurmancî“ (BPB 2.7.2018; vgl. DFAT 16.1.2023, S.21), verwenden aber arabisch als liturgische Sprache (DFAT 16.1.2023, S.21). In der wissen schaftlichen Literatur werden die Jesiden aufgrund ihrer Sprache und Kultur überwiegend den Kurden zugeordnet (BPB 2.7.2018). Die Mehrheit der Jesiden definiert sich ebenfalls ethnisch als Kurden. Ein Teil der Jesiden betrachtet sich dagegen als eigene, unabhängige ethnische Volksgruppe (BPB 2.7.2018; vgl. DFAT 16.1.2023, S.21). Diese Gruppe geht sogar so weit, dass sie jegliche ethnische Verbindung zu den Kurden und zum Kurdentum negiert (BPB 2.7.2018). Die Zahl der Jesiden im Irak lag nach eigenen Angaben vor 2014 bei etwa 450.000-500.000 (AA 28.10.2022, S.17; vgl. USDOS 2.6.2022, DFAT 16.1.2023, S.21). Der Großteil der Jesiden siedelt im Norden des Irak (AA 28.10.2022, S.17; vgl. USDOS 2.6.2022), vor allem im Gebiet um die Städte Sinjar (zwischen Tigris und der syrischen Grenze) und Shekhan (Gouvernement Ninewa) sowie im Gouvernement Dohuk (AA 28.10.2022, S.17). Für den Islamischen Staat (IS) sind Jesiden Apostaten und Teufelsanbeter (AA 28.10.2022, S.17). Jesiden waren durch den IS von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Genozid betroffen (BS 23.2.2022, S.5; vgl. USDOS 2.6.2022). Der Vormarsch des IS auf Sinjar im August 2014 führte zur Vertreibung fast der gesamten jesidischen Gemeinschaft und zur Gefangennahme, Ermordung und Versklavung von Tausenden (DFAT 16.1.2023, S.21). Der IS setzte Vergewalti gung, sexuelle Sklaverei und Zwangsheirat systematisch ein (HRW 13.1.2022). Das Vorgehen des IS gegen die Jesiden wird als Genozid deklariert (USCIRF 4.2021, S.2). Das Vorrücken des IS löste unter den Jesiden eine Flüchtlingswelle aus. Etwa 200.000 (AA 28.10.2022, S.17) bzw. 310.000 Jesiden wurden zu Flüchtlingen (USDOS 30.3.2021), wobei etwa 100.000 den Irak verlassen haben. Etwa 150.000 Jesiden sind nach wie vor Binnenvertriebene (IDPs) (US DOS 2.6.2022). Im Zuge des IS-Vormarsches wurden mehrere jesidische Pilgerstätten zerstört. Gewalttaten und Verbrechen wie gezielte Tötungen, Massaker an Jesiden, Verschleppungen 186

sowie Vergewaltigungen und Verstümmelungen jesidischer Frauen sind von der Mission der Vereinten Nationen im Irak (UNAMI) und des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte (OH CHR) untersucht und dokumentiert worden. Die Zahl der Todesopfer schwankt je nach Angaben zwischen 2.000 und 5.000 Personen (AA 28.10.2022, S.17). Die jesidische Religion verbietet eine Heirat außerhalb der Gemeinschaft und es ist nicht möglich, durch Konversion Jeside zu werden (DFAT 16.1.2023, S.21). Man kann nur als Kind jesidischer Eltern in die Gemeinschaft hineingeboren werden (USDOS 2.6.2022; vgl. AJ 24.3.2021). Jesidische Frauen und Mädchen, die während ihrer Gefangennahme in Zwangsehen oder zu Zwangsprostitution gezwungen wurden und von IS-Kämpfern gezeugte Kinder geboren haben, werden von ihren Familien und Gemeinschaften häufig aus Gründen der Tradition entweder verstoßen oder müssen diese Kinder zurücklassen (AA 28.10.2022, S.13; vgl. DFAT 16.1.2023, S.22, AJ 24.3.2021). Einer Rückkehr in ihre Familien gemeinsam mit diesen Kindern stehen die im jesidischen Glauben und in ihren Traditionen verankerten Normen entgegen (AA 28.10.2022, S.18). Einige Jesidinnen, die als Folge sexueller Gewalt Kinder geboren haben, seien laut jesidischen Quellen durch jesidische Anführer exkommuniziert worden (USDOS 2.6.2022). Der oberste geistliche Rat der Jesiden verkündete im April 2019, dass vom IS verschleppte Frauen und Kinder wieder in die jesidische Gemeinschaft zurückkehren dürfen (Spiegel 28.4.2019). Dies gilt aber nicht für Kinder, die mit IS-Kämpfern gezeugt wurden (Spiegel 28.4.2019; vgl. AJ 24.3.2021). Viele dieser Frauen halten sich derzeit versteckt im Raum Dohuk auf (AA 28.10.2022, S.18). Internationale NGOs vermittelten einigen jesidischen Frauen Unterkünfte und helfen in manchen Fällen den Müttern bei der Suche nach einem Zuhause für ihre zwangsweise ausgesetzten Kinder (USDOS 20.3.2023). Die Zahl der betroffenen Kinder wird auf mehrere Dutzende bis mehrere Hundert geschätzt. Die gesellschaftliche Stigmatisierung macht es schwierig, genaue Zahlen zu erhalten (USDOS 2.6.2022). Solche Frauen sind gezwungen diese Kinder als Muslime zu registrieren (USDOS 2.6.2022; vgl. AJ 24.3.2021) und selbst zum Islam zu konvertieren, um Ausweise, Pässe und andere staatliche Leistungen zu erhalten (USDOS 2.6.2022). Solche Kinder können von Ehren- und Vergeltungsmorden bedroht sein (USDOS 2.6.2022), ebenso wie ihre Mütter anfällig für Ehrverbrechen von Verwandten und anderen Mitgliedern ihrer Gemeinschaften sind. Es soll eine Reihe von Fällen inszenierter oder erzwungener Selbstmorde jesidischer Frauen gegeben haben, wobei solche Fälle oft nicht gemeldet werden (DFAT 16.1.2023, S.22) Viele jesidische Frauen, die sexuell versklavt wurden, bleiben verschollen (FH 24.2.2022). Nach Angaben des Direktorats für jesidische Angelegenheiten des Ministeriums für Stiftungen und re ligiöse Angelegenheiten der Kurdischen Regionalregierung (KRG) wurden von schätzungsweise 6.417 entführten Jesiden 3.543 Personen (1.204 Frauen, 1.044 Mädchen, 956 Buben und 339 Männer) gerettet (UNSC 30.3.2021, S.13). Am 1.8.2022 erklärte das KRG-Büro für die Rettung entführter Jesiden, dass 2.717 (1.273 Frauen und 1.444 Männer) weiterhin vermisst werden (USDOS 20.3.2023). Die jesidische Gemeinde im Distrikt Sinjar berichtete im August 2020, dass die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in den Jahren seit der Niederlage des IS Hunderte jesidische Kinder entführt habe, um sie zu rekrutieren (USDOS 2.6.2022). 187

Jesiden stellen nach wie vor den großen Großteil der IDPs in den Flüchtlingslagern des Gouver nements Dohuk (AA 28.10.2022, S.17). Nur ein sehr kleiner Teil der 400.000 bis 500.000 Jesiden des Landes ist in seine Heimat zurückgekehrt, wobei die Rückkehrquote nach Sinjar bei nur etwa 35 % liegt (USDOS 20.3.2023). Auch die volatile Sicherheitslage und die schlechte Versorgungs lage in ihren Herkunftsgebieten (kein fließendes Trinkwasser, keine geregelte Stromversorgung) hält viele der IDPs von einer Rückkehr ab (AA 28.10.2022, S.17; vgl. USDOS 20.3.2023). In und um Sinjar und in der Ninewa-Ebene anwesende PMF-Milizen (Volksmobilisierungskräfte) behindern Minderheiten an der Rückkehr. Sie verlangen an Kontrollpunkten, insbesondere von religiösen Minderheiten, überhöhte Geldbeträge für die Weiterreise(USCIRF 4.2021, S.2). Im Gegensatz dazu gibt es in der Stadt Dohuk, nahe des jesidischen Heiligtums Lalesh, sehr viele ortsansässige Jesiden, die dort weitgehend ohne Unterdrückung oder Verfolgung leben (AA 28.10.2022, S.18). Jesiden berichten, so wie andere Minderheiten auch, von anhaltenden verbalen Belästigungen und körperlichen Misshandlungen durch Mitglieder der PMF (USDOS 2.6.2022). Es existieren allerdings auch jesidische Milizen (AA 22.1.2021, S.16), wie die Sinjar-Wider standseinheiten (YBS), die im Jahr 2017 in Sinjar eine selbstverwaltete lokale Verwaltung und einen Bürgermeister gewählt haben, der weder von der Kurdischen Regionalregierung (KRG) noch von der föderalen Regierung offiziell anerkannt wird (HRW 6.6.2023). Sie haben angeblich Verbindungen zur PKK in der Türkei (Clingendael 6.2018, S.3-4; vgl. HRW 6.6.2023) sowie zu den Volksverteidigungseinheiten (YPG) in Syrien (Clingendael 6.2018, S.3-4). Ihre Präsenz in Sinjar setzt das Gebiet daher türkischen Luftangriffen aus (HRW 6.6.2023). Auch in der Kurdistan Region Irak (KRI) ist das Jesidentum als Religionsgemeinschaft anerkannt. Das Ministerium für Stiftungen und religiöse Angelegenheiten (MERA) der KRG bezahlt für Jesiden die Gehälter ihrer Geistlichen und für die Instandhaltung ihrer religiösen Stätten. Jesiden berichten weiterhin über Diskriminierung in der KRI, so sie sich weigern, sich als Kurden zu identifizieren. Jesiden, die sich öffentlich als Kurden bekennen, können höhere Positionen in der KRI erlagen (USDOS 2.6.2022). Am 1.3.2021 wurde das Gesetz für überlebende Jesidinnen (Yazidi [Women] Survivors Law - YSL) verabschiedet (UN News 30.9.2021; vgl. Rudaw 1.3.2021; USDOS 12.4.2022). Mit diesem Gesetz erkennt auch die Regierung des föderalen Irak die IS-Verbrechen gegen die Jesiden als Völkermord an (UN News 30.9.2021; vgl. Rudaw 1.3.2021). Die KRG hat dies schon zuvor getan (Rudaw 1.3.2021). Das Gesetz schafft einen Rahmen für finanzielle und andere konkrete Entschädigungen und bietet Wiedergutmachung (UN News 30.9.2021; vgl. USDOS 2.6.2022). Überlebenden des IS werden Arbeitsmöglichkeiten garantiert, indem ihnen 2 % der Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor des Irak zugewiesen werden, zusammen mit einem festen Gehalt und Land (Rudaw 1.3.2021). Im Dezember 2022 wurde per Dekret den jesidischen Einwohnern von elf Wohnsiedlungen in Sinjar das Eigentum an Grundstücken und Häusern zugesprochen (DFAT 16.1.2023, S.22). Erst im Juni 2022 wurden 25 Mrd. Dinar (17 Mio. USD) für die Finanzierung des Gesetzes bereitgestellt. Im August 2022 eröffnete die Regierung in Zusammenarbeit mit 188

NGOs eine Zweigstelle des Survivors’ Directorate in Sinjar als Teil des YSL. Das Direktorat hat bereits mit der Entgegennahme von Anträgen nach dem YSL begonnen (USDOS 20.3.2023). Ursprünglich war das Gesetz nur für jesidische Frauen gedacht, die in unverhältnismäßig hohem Maße unter dem IS gelitten haben. Inzwischen gilt es jedoch auch für andere ethnische und reli giöse Minderheiten, insbesondere Turkmenen, Shabak und Christen beiderlei Geschlechts. Um vom Gesetz profitieren zu können, müssen Personen von einem Ausschuss zugelassen werden, der sich aus Mitgliedern des Justiz- und des Innenministeriums sowie der KRG zusammensetzt und von einem Richter des Obersten Justizrats geleitet wird (Rudaw 1.3.2021). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.10.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Oktober 2022), https://www.ecoi.net/e n/file/local/2082728/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_ Lage_in_der_Republik_Irak_(Stand_Oktober_2022),_28.10.2022.pdf , Zugriff 23.3.2023 [Login erforderlich] ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.1.2021): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Januar 2021), https://www.ecoi.net/en/file /local/2057645/Deutschland___Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungs relevante_Lage_in_der_Republik_Irak_(Stand_Januar_2021),_22.01.2021.pdf , Zugriff 21.7.2023 [Login erforderlich] ■ AJ - Al Jazeera (24.3.2021): ‘We do not accept those children’: Yazidis forbid ISIL offspring, https: //www.aljazeera.com/features/2021/3/24/wrenching-choice-yazidi-mothers-to-choose-children-or-c ommunity, Zugriff 15.5.2021 ■ BPB - Bundeszentrale für politische Bildung [Deutschland] (2.7.2018): Die Jesiden: Religion, Ge sellschaft und Kultur, http://www.bpb.de/gesellschaft/bildung/filmbildung/270902/die-jesiden, Zugriff 21.7.2023 ■ BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/l ocal/2069660/country_report_2022_IRQ.pdf, Zugriff 11.7.2023 ■ Clingendael - Clingendael - The Netherlands Institute of International Relations (6.2018): Power in perspective:Four key insights into Iraq’s Al-Hashd al-Sha’abi, https://www.clingendael.org/sites/defa ult/files/2018-06/PB_Power_in_perspective.pdf, Zugriff 11.7.2023 ■ DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (16.1.2023): DFAT Country Information Report Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2085737/country-information-report-iraq.pdf , Zugriff 2.2.2023 ■ FH - Freedom House (24.2.2022): Freedom in the World 2022 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2068634.html, Zugriff 11.7.2023 ■ HRW - Human Rights Watch (6.6.2023): Iraq: Political Infighting Blocking Reconstruction of Sinjar, https://www.ecoi.net/en/document/2092983.html, Zugriff 24.8.2023 ■ HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/docu ment/2066472.html, Zugriff 13.7.2023 ■ Rudaw - Rudaw Media Network (1.3.2021): Iraqi parliament passes Yazidi survivor bill after years of delays, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/010320214, Zugriff 11.7.2023 ■ Spiegel - Spiegel, Der (28.4.2019): Irak- Jesiden verweigern Kindern von IS-Überlebenden die Aufnahme, https://www.spiegel.de/politik/ausland/islamischer-staat-jesiden-verweigern-kindern-v on-is-ueberlebenden-die-rueckkehr-a-1264828.html , Zugriff 15.5.2021 ■ UN News - United Nations News (30.9.2021): Iraq: ‘Moral obligation’ to ensure justice for Yazidi and other survivors of ISIL crimes, https://news.un.org/en/story/2021/09/1101852, Zugriff 11.7.2023 ■ UNSC - United Nations Security Council (30.3.2021): Conflict-related sexual violence; Report of the Secretary-General [S/2021/312], https://www.ecoi.net/en/file/local/2049397/S_2021_312_E.pdf , Zugriff 1.4.2021 189

■ USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom [USA] (4.2021): United States Commission on International Religious Freedom 2021 Annual Report; USCIRF – Recommen ded for Special Watchlist: Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2052974/Iraq Chapter AR2021.pdf, Zugriff 21.7.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089064.html, Zugriff 11.7.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (2.6.2022): 2021 Report on International Religious Freedom: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2073956.html, Zugriff 21.7.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071125.html, Zugriff 24.8.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (30.3.2021): 2020 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048100.html, Zugriff 11.7.2023 18.7 Mandäer-Sabäer Letzte Änderung 2023-10-09 14:07 Die Glaubensgemeinschaft der Mandäer-Sabäer ist eine verfassungsmäßig anerkannte Religion, mit dem Recht auf freie Religionsausübung. Die Religion der Mandäer-Sabäer ist per Perso nenstandsgesetz anerkannt und hat eigene Personenstandsgerichte, die für Heirats-, Schei dungs- und Erbschaftsangelegenheiten zuständig sind. Außerdem kann sie auf den nationalen Identitätsausweisen ausgewiesen werden. Religiöse Angelegenheiten der Mandäer-Sabäer wer den durch das Amt (Diwan) für religiöse Stiftungen für Christen, Jesiden und Mandäer-Sabäer verwaltet (USDOS 15.5.2023). Sie sind eine ethno-religiöse-Minderheit mit eigener Sprache, einem Dialekt des Aramäischen (ManU 26.4.2016). Von vormals etwa 30.0000 (DFAT 16.1.2023, S.20) bis 60.000 Mandäern-Sabäern leben nur noch etwa 5.000 (AA 28.10.2022, S.18) bis 10.000 Personen im Irak (DFAT 16.1.2023, S.20). Nach eigenen Angaben sind 10.000 bis 15.000 im Land verblieben (USDOS 15.5.2023). Ihr Hauptsiedlungsgebiet liegt im Südirak (AA 28.10.2022, S.18; vgl. USDOS 15.5.2023), besonders in den südlichen Sümpfen und an den Flüssen des Euphrat und Tigris, in al-Amara, Qal’at-Salih, Nasiriya, Suq al-Shuyukh und Qurna (DFAT 16.1.2023, S.20). Etwa 450 bis 1.000 Mandäer- Sabäer leben in Bagdad und der Kurdistan Region Irak (KRI) (USDOS 15.5.2023). Mandäer-Sabäer werden von radikalen islamistischen Kreisen als Ungläubige angesehen, ge gen die die Anwendung von Gewalt und Entführungen, teils mit dem Ziel der Zwangsbekehrung, als legitim angesehen werden (AA 28.10.2022, S.18). Da sie traditionell oft als Goldschmiede ar beiten, sind sie häufig Opfer finanziell motivierter Entführungen mit zum Teil tödlichem Ausgang (AA 28.10.2022, S.18; vgl. DFAT 16.1.2023, S.21). Mandäer-Sabäer erleben Diskriminierung und negative Stereotypisierung in allen Bereichen des öffentlichen Lebens (MRG 11.2017cc; vgl. DFAT 16.1.2023, S.21). Mandäer-Sabäer in den Gouvernements Basra, Dhi-Qar und Mis san vermeiden es, ihre religiösen Feste zu feiern, wenn diese mit schiitischen islamischen Trauerfeiern wie Ashura zusammenfallen. Neben Frauen anderer Minderheiten werden auch Mandäer-Sabäer von der muslimischen Mehrheitsbevölkerung unter Druck gesetzt, bestimmte islamische Praktiken, wie das Tragen des Hijab oder das Fasten während des Ramadan, zu befolgen. Mandäer-Sabäer (wie auch Jesiden und Christen) berichten, dass sie trotz Vorliegen entsprechender Genehmigungen Angst haben, Alkohol zu importieren und damit zu handeln (USDOS 2.6.2022). 190

Repräsentanten von Minderheitsgruppen, wie auch der Mandäer-Sabäer, wollen selbst für ihre Sicherheit sorgen und haben bei der Regierung um Unterstützung bei der Bildung bewaffneter Einheiten, die sich aus Angehörigen ihrer Gemeinschaften zusammensetzen, gebeten (USDOS 2.6.2022). Das Wahlgesetz sieht einen Parlamentssitz für einen Vertreter der mandäisch-sabäischen Ge meinschaft vor (DFAT 16.1.2023, S.20; vgl. USDOS 20.3.2023). Außerdem gibt es sabäisch- mandäische Vertreter in den Stadträten von Bagdad und Basra (DFAT 16.1.2023, S.20). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.10.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Oktober 2022), https://www.ecoi.net/e n/file/local/2082728/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_ Lage_in_der_Republik_Irak_(Stand_Oktober_2022),_28.10.2022.pdf , Zugriff 23.3.2023 [Login erforderlich] ■ DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (16.1.2023): DFAT Country Information Report Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2085737/country-information-report-iraq.pdf , Zugriff 2.2.2023 ■ ManU - Mandaean Union (26.4.2016): Submission on behalf of the Mandaean Human Rights Group to the Human Rights Committee’s Periodic Review of Iraq in October 2015, http://www.mandaean union.com/mhrg/item/1850-mandaean-human-rights , Zugriff 21.7.2023 ■ MRG - Minority Rights Group (11.2017c): Iraq – Sabian Mandaeans, http://minorityrights.org/minorit ies/sabian-mandaeans/, Zugriff 17.8.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (15.5.2023): 2022 Report on International Reli gious Freedom: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2091863.html, Zugriff 12.7.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089064.html, Zugriff 11.7.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (2.6.2022): 2021 Report on International Religious Freedom: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2073956.html, Zugriff 21.7.2023 18.8 Shabak Letzte Änderung 2023-10-09 14:08 Die Shabak sind sowohl eine heterodoxe Glaubensgemeinschaft (AA 28.10.2022, S.18) als auch eine ethnisch-linguistische Minderheit (MRG 11.2017dd; vgl. DFAT 16.1.2023, S.16). Schätzun gen zur Bevölkerungszahl der Shabak variieren stark. Gemäß einer Schätzung umfasst die Ge meinschaft der Shabak heute ca. 100.000 (AA 28.10.2022, S.18), 250.000 (MRG 11.2017dd; vgl. DFAT 16.1.2023, S.16) oder auch zwischen 350.000 und 400.000 Personen (USDOS 2.6.2022). Ihr Siedlungsgebiet liegt im Norden des Irak, in Dörfern der Ninewa-Ebene östlich von Mossul sowie in Mossul selbst (AA 28.10.2022, S.18; vgl. MRG 11.2017dd, DFAT 16.1.2023, S.16, US DOS 2.6.2022). Shabak sind im Irak seit 1952 als eigene ethnische Minderheit anerkannt (OHCHR 9.1.2017, S.11), obwohl sie weder in der irakischen noch der kurdischen Verfassung als solche erwähnt werden (MRG 11.2017d). Im Parlament ist ein Minderheitensitz für sie reserviert (USDOS 20.3.2023). Die meisten Shabak betrachten sich als eine eigene ethnische Gruppe, weder als Araber noch als Kurden (MRG 11.2017d). Kurdische Behörden sehen sie als Kurden (OH CHR 9.1.2017, S.11; vgl. USDOS 20.3.2023). Entsprechend ist für sie kein Sitz im kurdischen 191

Parlament reserviert (USDOS 20.3.2023). Die Shabak verfügen über eine eigene Sprache (AA 28.10.2022, S.18). Etwa 75 % der Shabak identifizieren sich als Schiiten, der Rest als Sunniten (USDOS 2.6.2022). Unter dem Islamischen Staat (IS) wurde Shabak-Eigentum in Mossul mit einem „ R“ für „ Rafi da“ markiert – ein Begriff mit dem der IS Schiiten und andere, die ihre Auslegung des Islams ablehnen, bezeichnet (OHCHR 9.1.2017, S.11). 233 Shabak, die 2014 vom IS entführt worden waren, sind noch immer verschollen (USDOS 2.6.2022). Die Verbrechen des IS gegen die Shabak werden per Gesetz als Völkermord anerkannt (USDOS 2.6.2022; vgl. Rudaw 1.3.2021). Ein am 1.3.2021 erlassenes Gesetz räumt, neben anderen Überlebenden des IS, auch den Shabak Rechte zur Wiedergutmachung und Zugang zu sozialen und medizinischen Diensten, einschließlich Diensten zur Rehabilitation und Integration der Opfer in die Gesellschaft ein (USDOS 2.6.2022). Shabak werden wiederholt Opfer von gezielten Angriffen, bisher aber nur außerhalb der Kur distan Region Irak (KRI) (AA 28.10.2022, S.18). Shabak in der KRI berichten, dass sie unter Druck gesetzt werden, kurdische politische Ziele zu unterstützen (DFAT 16.1.2023, S.16). In den „ umstrittenen Gebieten“ sind Shabak Diskriminierung durch die kurdischen Behörden ausgesetzt (USDOS 12.5.2021). Berichten zufolge haben sich viele Shabak unterschiedlichen Milizen angeschlossen. Es gibt reine Shabak-Einheiten bei den Peschmerga. Es gibt ebenso Shabak, die sich der Quwat- Sahel-Ninewa-Miliz angeschlossen haben (DFAT 16.1.2023, S.16). Der schiitischen Shabak- Miliz der Volksverteidigungskräfte (PMF), der 30. Brigade, wird vorgeworfen in der Ninewa- Ebene an Schikanen gegen und Misshandlungen von Christen an Kontrollpunkten beteiligt zu sein, ebenso wie an erzwungenen demografischen Änderungen. Der Zuzug schiitischer Shabak in ursprünglich christliche Gebiete wird gefördert, während Christen aus Furcht vor der Anwesenheit der Shabak- und anderer schiitischer Milizen nicht in ihre Heimat zurückkehren wollen (USDOS 2.6.2022). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.10.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Oktober 2022), https://www.ecoi.net/e n/file/local/2082728/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_ Lage_in_der_Republik_Irak_(Stand_Oktober_2022),_28.10.2022.pdf , Zugriff 23.3.2023 [Login erforderlich] ■ DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (16.1.2023): DFAT Country Information Report Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2085737/country-information-report-iraq.pdf , Zugriff 2.2.2023 ■ MRG - Minority Rights Group (11.2017d): Iraq – Shabak, https://minorityrights.org/minorities/shabak/, Zugriff 21.7.2023 ■ OHCHR - Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (9.1.2017): Report of the Special Rapporteur on minority issues on her mission to Iraq, https://documents-dds-ny.un.org /doc/UNDOC/GEN/G17/002/44/pdf/G1700244.pdf?OpenElement, Zugriff 21.7.2023 ■ Rudaw - Rudaw Media Network (1.3.2021): Iraqi parliament passes Yazidi survivor bill after years of delays, https://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/010320214, Zugriff 11.7.2023 192

■ USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089064.html, Zugriff 11.7.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (2.6.2022): 2021 Report on International Religious Freedom: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2073956.html, Zugriff 21.7.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Reli gious Freedom: Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2051589.html, Zugriff 21.7.2023 18.9 Palästinenser Letzte Änderung 2023-10-09 14:10 Die Palästinenser kamen in drei großen Wellen in den Irak. Die erste Flüchtlingswelle fand 1948 in Folge des Krieges rund um die Gründung Israels statt. Die zweite Welle folgte 1967, als Israel im Sechstagekrieg das Westjordanland und den Gazastreifen einnahm. Die dritte Welle kam, da sich Saddam Hussein als Verteidiger der Palästinenser positionierte, in den 1990er-Jahren mit der Vertreibung von Palästinensern aus diversen Golfstaaten, die mit Husseins Regime im Konflikt lagen (DFAT 16.1.2023, S.15). Bis zur Invasion der Vereinigten Staaten von Amerika lebten rund 45.000 Palästinenser im Irak. Die sich verschlechternden Bedingungen haben dazu geführt, dass viele von ihnen seither den Irak verlassen haben (DFAT 16.1.2023, S.14). Einem Bericht zufolge leben etwa 7.000 paläs tinensische Flüchtlinge im Irak (JPOST 17.7.2019). Nach anderen Schätzungen sind es etwa 8.000 bis 9.500 staatenlose Palästinenser (FIS 17.6.2019, S.8). Zum 31.3.2019 waren 8.119 palästinensische Flüchtlinge im Irak bei UNHCR registriert (UNHCR 5.2019, S.109). Ein Groß teil der palästinensischen Flüchtlinge im Irak lebt in Bagdad, speziell im Stadtteil Al-Baladiyat (UNHCR 27.4.2018, S.3). Es handelt sich dabei um 6.282 (UNHCR 5.2019, S.109) bis rund 7.000 Personen (FIS 17.6.2019, S.8). Die Mehrheit der Palästinenser im Irak sind Sunniten (DFAT 16.1.2023, S.15). Der Schutz der Palästinenser im Irak fällt nicht unter das Mandat des UN-Hilfswerks für Palästi naflüchtlinge (UNRWA), sondern unter die irakische Gesetzgebung und das UNHCR (EWS/ISI 11.2019, S.15; vgl. GCO/RSCAS 5.2021, S.6). Palästinensische Flüchtlinge, die vor allem zwischen 1948 und 1991 in den Irak kamen sowie deren Nachkommen, wurden von der irakischen Regierung nie offiziell als Flüchtlinge anerkannt. Entsprechend verschiedener Übereinkommen kommt ihnen aber ein Aufenthaltsrecht zu. Sie sind in sozioökonomischer Hinsicht irakischen Staatsbürgern nahezu gleichgestellt (UNHCR 27.4.2018, S.1; vgl. FIS 17.6.2019, S.8). Ein 2017 verabschiedetes Gesetz stuft Palästinenser als Ausländer ein und hebt frühere Gesetze auf, die ihnen die gleichen Rechte und Privilegi en wie irakischen Bürgern zugestanden hatten. Das neue Gesetz beendet den dauerhaften Aufenthaltsstatus von Palästinensern im Irak. Ihr aktueller Rechtsstatus ist unklar. Manche Pa lästinenser erhalten Berichten zufolge eine einmonatige Aufenthaltsgenehmigung, andere eine Genehmigung für zwei bis drei Monate (DFAT 16.1.2023, S.15). Laut dem Premierminister der palästinensischen Autonomiebehörde hat der Irak zugesagt, den palästinensischen Flüchtlin gen gleiche Rechte wie irakischen Bürgern zu gewähren (JPOST 17.7.2019). Gemäß Artikel 6 Absatz II des irakischen Staatsbürgerschaftsgesetzes Nr. 26 (2006) erhalten Palästinenser nicht 193
