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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
hat bzw. dessen verdächtigt wird: Freundschaft oder voreheliche Beziehung mit einem Mann; Weigerung, einen von der Familie ausgewählten Mann zu heiraten; Heirat gegen den Willen der Familie; Ehebruch; Opfer einer Vergewaltigung oder Entführung geworden zu sein. Solche Ver letzungen der Ehre werden als unverzeihlich angesehen. In den meisten Fällen wird die Tötung der Frau, manchmal auch die des Mannes, als der einzige Weg gesehen, die Ehrverletzung zu sühnen (MRG 11.2015, S.26). Ehrenmorde bleiben weiterhin ein Problem und kommen in allen Landesteilen vor (USDOS 20.3.2023; vgl. AA 28.10.2022, S.12, DFAT 16.1.2023, S.30), ohne Beschränkung auf bestimm te ethnische oder religiöse Gruppen (EUAA 6.2022, S.110). Das Ausmaß der Ehrenmorde ist aufgrund einer hohen Dunkelziffer nicht bekannt (UKHO 3.2021, S.6). Die Mehrheit der Opfer sind jedoch Frauen (DFAT 16.1.2023, S.30). UNAMI berichtete 2018, dass jedes Jahr mehrere hundert Frauen durch Ehrenmorde sterben. Einige Familien sollen Ehrenmorde so arrangiert haben, dass sie wie Selbstmord aussehen (UKHO 3.2021, S.18; vgl. USDOS 20.3.2023, DFAT 16.1.2023, S.30). Obwohl einige Gemeinschaften Dekrete erlassen und Schritte unternommen haben, um Frauen von der vermeintlichen Schuld freizusprechen, die mit ihrer sexuellen Aus beutung durch Kämpfer des Islamischen Staats (IS) verbunden ist, bleiben Ehrenmorde ein Risiko (USDOS 20.3.2023). Das Strafgesetzbuch des Irak sieht für Gewalttaten aus „ ehrenhaften Motiven“, inklusive Ehren morde, milde, reduzierte Strafen vor (FH 24.2.2022; vgl. HRW 12.1.2023, STC 25.6.2021, S.14, AA 28.10.2022, S.12, AI 3.2.2023). In Fällen von Gewalt gegen Frauen erlaubt das irakische Recht zudem den Grund der „ Ehre“ als rechtmäßige Verteidigung. Wenn ein Mann des Mordes an einer Frau angeklagt wird, die er getötet haben soll, weil sie des Ehebruchs verdächtigt wor den war, begrenzt das Gesetz seine mögliche Strafe auf maximal drei Jahre Gefängnis (USDOS 20.3.2023; vgl. DFAT 16.1.2023, S.30). Strafen für Ehrenverbrechen sind selten (FH 24.2.2022; vgl. EASO 1.2021, S.81). In der Kurdistan Region Irak (KRI) wurdenEhrenmorde durch eine Abänderung des irakischen Strafrechts im Jahr 2015 anderen Morden strafrechtlich gleichgestellt. In einigen gesellschaftli chen Gruppen gilt der „ Ehrenmord“ aber immer noch als rechtfertigbar (AA 28.10.2022, S.12). Offizielle Daten der Kurdischen Regionalregierung (KRG) nennen in der KRI 50 Ehrenmorde im Jahr 2017, 46 im Jahr 2018 und 120 im Jahr 2019 (BS 23.2.2022, S.14). Die Generaldirektion für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen des Innenministeriums der KRG hat für das erste Halbjahr 2022 22 Fälle von Ehrenmord bestätigt (USDOS 20.3.2023). Im übrigen Irak werden Tötungen in der Familie von den Behörden nur unzureichend gemeldet, weshalb es keine ge nauen Daten über geschlechtsspezifische Gewalt gibt. Beobachter gehen jedoch davon aus, dass die Situation für Frauen im föderalen Irak schlechter ist als in der KRI (BS 23.2.2022, S.14). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.10.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Oktober 2022), https://www.ecoi.net/e n/file/local/2082728/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_ 212

Lage_in_der_Republik_Irak_(Stand_Oktober_2022),_28.10.2022.pdf , Zugriff 23.3.2023 [Login erforderlich] ■ AI - Amnesty International (3.2.2023): Iraq: Action must be taken on gender-based violence after murder of Tiba Ali by her father, https://www.ecoi.net/en/document/2086428.html, Zugriff 24.2.2023 ■ BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/l ocal/2069660/country_report_2022_IRQ.pdf, Zugriff 11.7.2023 ■ CPS - Crown Prosecution Service, The [UK] (9.2019): So-Called Honour-Based Abuse and Forced Marriage: Guidance on Identifying and Flagging cases, https://www.cps.gov.uk/legal-guidance/ so-called-honour-based-abuse-and-forced-marriage-guidance-identifying-and-flagging , Zugriff 19.1.2023 ■ DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (16.1.2023): DFAT Country Information Report Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2085737/country-information-report-iraq.pdf , Zugriff 2.2.2023 ■ EASO - European Asylum Support Office (1.2021): Country Guidance Iraq: Common analysis and guidance note, https://www.ecoi.net/en/file/local/2045437/Country_Guidance_Iraq_2021.pdf, Zugriff 25.8.2023 ■ EUAA - European Union Agency for Asylum (6.2022): Country Guidance: Iraq; Common analysis and guidance note, https://www.ecoi.net/en/file/local/2076349/2022_06_Country_Guidance_Iraq.pdf , Zugriff 16.8.2023 ■ FH - Freedom House (24.2.2022): Freedom in the World 2022 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2068634.html, Zugriff 11.7.2023 ■ HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Iraq, https://www.ecoi.net/en/docu ment/2085461.html, Zugriff 15.2.2023 ■ MRG - Minority Rights Group (11.2015): The Lost Women of Iraq: Family-based violence during armed conflict, https://minorityrights.org/wp-content/uploads/2015/11/MRG-report-A4_OCTOBE R-2015_WEB.pdf, Zugriff 17.8.2023 ■ STC - Save the Children (25.6.2021): Married by exception: Child marriage policies in the Middle East and North Africa, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/married_by_exception.pdf , Zugriff 17.8.2023 ■ TCF - The Century Foundation (7.11.2019): Tribal Justice in a Fragile Iraq, https://tcf.org/content/re port/tribal-justice-fragile-iraq/?agreed=1 , Zugriff 16.8.2023 ■ UKHO - United Kingdom Home Office [United Kingdom] (3.2021): Country Policy and Information Note Iraq: ‘Honour’ crimes, https://www.ecoi.net/en/file/local/2048206/Iraq_-_Honour_Crimes_-_ CPIN_-_v2.0_-_March_2021_-_EXT.pdf , Zugriff 17.8.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089064.html, Zugriff 11.7.2023 19.1.5 Genitalverstümmelung (FGM – Female Genital Mutilation) Letzte Änderung 2023-10-09 15:04 In Teilen des Nordirak kommt es immer noch zu Genitalverstümmelungen bei Frauen (FGM) (AA 28.10.2022, S.13). Sie ist in der Kurdistan Region Irak (KRI) weit verbreitet (BS 23.2.2022, S.15), wo sie insbesondere in den ländlichen Gebieten von Erbil und Sulaymaniyah vorkommt (USDOS 12.4.2022; vgl. DFAT 16.1.2023, S.31). Im föderalen Irak ist FGM nicht üblich (US DOS 20.3.2023; vgl. BS 23.2.2022, S.15), ist aber insbesondere im ländlichen Kirkuk (USDOS 12.4.2022; vgl. DFAT 16.1.2023, S.31), in der arabischen und turkmenischen Bevölkerung prä sent, wenn auch in geringerem Ausmaß (AA 28.10.2022, S.13). Seit 2011 stellt ein Gesetz in der KRI die FGM unter Strafe (AA 28.10.2022, S.13; vgl. UKHO 3.2021, S.14, KPI 21.6.2011, S1-2, DFAT 16.1.2023, S.31). Mutmaßlich als Folge dieses Ver bots ist FGM in der KRI zurückgegangen (USDOS 20.3.2023). Im föderalen Irak gibt es bisher keine staatlichen Anstrengungen zur Bekämpfung von FGM (AA 28.10.2022, S.13; vgl. DFAT 16.1.2023, S.31). 213

Das Thema der FGM von Mädchen und Frauen im Irak war lange Zeit ein Tabu, über das kaum gesprochen wurde (UKHO 2.2020, S.10; vgl. MRG 11.2015, S.31). Erst als durch Studien die alarmierend hohe FGM-Rate im kurdischen Norden aufgezeigt wurde, hat sich dies geändert (MRG 11.2015, S.31). Eine Umfrage aus dem Jahr 2016 ergab, dass fast 45 % der befragten Frauen in der KRI FGM ausgesetzt waren, (DFAT 17.8.2020, S.45). Einer Untersuchung aus 2018 zufolge wurden etwa 7,4 % der irakischen Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren einer FGM unterzogen. In der KRI waren es 37,5 %, im Zentral- und Südirak hingegen nur 0,4 %. Bei Mädchen im Alter von 0 bis 14 Jahren ist der Prozentsatz mittlerweile auf 1 % gesunken, bzw. auf 3 % in der KRI (UNICEF 6.12.2018, S.53). In Erbil waren 2018 etwa 50,1 % der Frauen vom FGM betroffen, in Sulaymaniyah waren es 45,1 %. In Dohuk hingegen nur etwa 3,1 % (BMCWH 1.4.2021). Auch unter Binnenvertriebenen (IDPs) wird FGM noch praktiziert (DFAT 17.8.2020, S.45). Allerdings geht die FGM-Rate kontinuierlich zurück (USDOS 20.3.2023; vgl. BMCWH 1.4.2021). Die UNO arbeitet mit Regierungsinstitutionen und lokalen NGOs zusammen, um FGM durch Sen sibilisierungskampagnen zu verhindern (UNICEF 6.2.2019). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.10.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Oktober 2022), https://www.ecoi.net/e n/file/local/2082728/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_ Lage_in_der_Republik_Irak_(Stand_Oktober_2022),_28.10.2022.pdf , Zugriff 23.3.2023 [Login erforderlich] ■ BMCWH - BMC Women’s Health (1.4.2021): Changes in the prevalence and trends of female genital mutilation in Iraqi Kurdistan Region between 2011 and 2018, https://bmcwomenshealth.biomedcent ral.com/articles/10.1186/s12905-021-01282-9 , Zugriff 17.8.2023 ■ BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/l ocal/2069660/country_report_2022_IRQ.pdf, Zugriff 11.7.2023 ■ DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (16.1.2023): DFAT Country Information Report Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2085737/country-information-report-iraq.pdf , Zugriff 2.2.2023 ■ DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (17.8.2020): DFAT Country Information Report Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2036511/country-information-report-iraq.pdf , Zugriff 20.6.2023 ■ KPI - Kurdistan Parliament - Iraq [Irak] (21.6.2011): Act No. 8 from 2011, The Act of Combating Domestic Violence in Kurdistan Region-Iraq, http://www.ekrg.org/files/pdf/combat_domestic_viole nce_english.pdf, Zugriff 17.8.2023 ■ MRG - Minority Rights Group (11.2015): The Lost Women of Iraq: Family-based violence during armed conflict, https://minorityrights.org/wp-content/uploads/2015/11/MRG-report-A4_OCTOBE R-2015_WEB.pdf, Zugriff 17.8.2023 ■ UKHO - United Kingdom Home Office [United Kingdom] (3.2021): Country Policy and Information Note Iraq: ‘Honour’ crimes, https://www.ecoi.net/en/file/local/2048206/Iraq_-_Honour_Crimes_-_ CPIN_-_v2.0_-_March_2021_-_EXT.pdf , Zugriff 17.8.2023 ■ UKHO - United Kingdom Home Office [United Kingdom] (2.2020): Country Policy and Information Note Iraq: Blood feuds, https://www.ecoi.net/en/file/local/2025236/Iraq_-_Blood_Feuds_-_CPIN_v 2.0_-_Feb_2020_-_EXT__004_.pdf, Zugriff 16.8.2023 ■ UNICEF - United Nations International Children’s Emergency Fund (6.2.2019): Protecting Girls in Iraq from Female Genital Mutilation, https://www.unicef.org/iraq/press-releases/protecting-girls-ira q-female-genital-mutilation , Zugriff 17.8.2023 214

■ UNICEF - United Nations International Children’s Emergency Fund (6.12.2018): 2018 Muliple Indic ator Cluster Survey (MICS6) Briefing, https://www.unicef.org/iraq/media/481/file/MICS6.pdf, Zugriff 1.4.2021 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089064.html, Zugriff 11.7.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071125.html, Zugriff 24.8.2023 19.1.6 Weibliche Familienoberhäupter: Witwen, Geschiedene, alleinstehende Frauen Letzte Änderung 2023-10-09 15:10 Etwa 10 % aller irakischen Haushalte werden von einem weiblichen Haushaltsvorstand geführt (DFAT 16.1.2023, S.29; vgl. REACH 2.6.2021, S.1). Es handelt sich dabei um Witwen, Geschie dene und Frauen, die kranke oder behinderte Ehepartner betreuen. Diese Frauen sind in hohem Maße von Armut, Ernährungsunsicherheit, Vertreibung, Zwangsräumung sowie sexueller Be lästigung und Missbrauch bedroht. Alleinerziehende Mütter und Frauen, die allein leben, werden stigmatisiert (DFAT 16.1.2023, S.29-30). Einer Studie von IOM zufolge, bei der von Ende 2019 bis Anfang 2020 ca. 4.000 Haushalte befragt wurden, die 2014/2015 vertrieben wurden, bleiben Haushalte mit weiblichem Haushalts vorstand länger binnenvertrieben (IDPs) als Haushalte mit einem männlichen Haushaltsvorstand. Bei der Untersuchung waren fünf Jahre nach der ursprünglichen Vertreibung rund 70 % der weiblich geführten Haushalte nach wie vor IDPs (bei den männlich geführten Haushalten nur 62 %). (IOM 23.9.2020, S.5). Weiblich geführte Haushalte haben nicht unbedingt Zugang zu Fi nanzanlagen, Sozialleistungen oder dem öffentlichen Verteilungssystem (PDS) (FIS 22.5.2018, S.38). Laut der genannten Studie von IOM erhalten nur etwa 10 % der weiblich geführten IDP-Haushalte Unterstützung, bei männlich geführten IDP-Haushalten waren es nur 7 % (IOM 23.9.2020, S.5). Viele sind auf Unterstützung durch ihre Familien (FIS 22.5.2018, S.38; vgl. IOM 23.9.2020, S.5), Behörden und NGOs angewiesen (FIS 22.5.2018, S.38). Soziale Netzwerke, Familie, Nachbarn und Freunde sind für das Wohlergehen und Überleben entscheidend (IOM 23.9.2020, S.5). Bei fast 70% der untersuchten Haushalte handelt es sich um Witwen. Wenn der Tod des Ehemannes dokumentiert ist, kann die Familie die staatliche Sozialhilfe für Witwen und Waisen sowie, wenn dieser eine staatliche Stelle innehatte, die Rente des Ehemannes in Anspruch nehmen. Frauen mit niedrigem Bildungsniveau und funktionale Analphabeten (41 % der untersuchten Haushalte mit weiblichem Haushaltsvorstand) finden es eine Herausforderung, sich in bürokratischen Systemen zurechtzufinden, insbesondere im Fall von Vertreibung (IOM 23.9.2020, S.17). Es gibt unterschiedliche Angaben über den Anteil der berufstätigen weiblichen Haushaltsvor stände: Einer Quelle zufolge sind nur 2 %der weiblichen Haushaltsvorstände erwerbstätig und haben ein festes Gehalt, während weitere 6 %informell arbeiten und kein regelmäßiges Ein kommen haben (DFAT 17.8.2020, S.45). Der bereits genannten IOM-Studie zufolge, bei der 2014/2015 vertriebene Haushalte nach fünf Jahren befragt wurden, sind etwa 13,5 % der weib lichen Haushaltsvorstände berufstätig. Rund 12,8 % haben sich aus dem Berufsleben zurück gezogen. 67,7 % sind als Hausfrauen tätig. 1,4 % sind auf Arbeitssuche, weitere 4,6 % sind aus 215

diversen Gründen nicht berufstätig (Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer Krankheit, Studenten und Arbeitslose, die nicht auf Arbeitssuche sind) (IOM 23.9.2020, S.8). Um ihre Grundbedürfnisse decken zu können, reduzieren viele IDP-Haushalte laut der erwähn ten Studie Lebensmittel und andere Ausgaben. Außerdem leihen sie Geld von Familie und Freunden. Fast 70 % der weiblichen Haushaltsvorstände geben an, für ihre Grundbedürfnisse sorgen zu können, wenn sie bei den Lebensmitteln und anderen Ausgaben Abstriche machen (IOM 23.9.2020, S.10). Alleinstehende Frauen und Witwen haben oft Schwierigkeiten, ihre Kinder registrieren zu lassen, was dazu führt, dass den Kindern staatliche Leistungen, wie Bildung, Lebensmittelbeihilfen und der Zugang zum Gesundheitswesen verweigert werden, obwohl die Behörden in den meisten Fällen Geburtsurkunden nach der Registrierung der Geburt durch die Ministerien für Gesund heit und Inneres ausgestellt haben. Diese Registrierung ist Berichten zufolge ein langwieriger und bisweilen komplizierter Prozess (USDOS 20.3.2023). Berichten zufolge kam es zu Vorfällen, dass Frauen von Arbeitgebern durch Zwangsehen und die Androhung von Scheidungen zu unfreiwilliger Hausarbeit gezwungen wurden. Frauen, die aus solchen Ehen fliehen oder, deren Ehemänner sich von ihnen scheiden lassen, sind sozialer Stigmatisierung und einer erhöhten Anfälligkeit für neuerliche prekäre Arbeitssituationen, wie Zwangsarbeit ausgesetzt. Binnenvertriebene Frauen, alleinstehende Frauen und Witwen sind besonders anfällig für wirtschaftliche Ausbeutung und diskriminierende Arbeitsbedingungen (USDOS 20.3.2023). Das Personenstandsgesetz Nr. 188 aus dem Jahr 1959 bevorzugt Männer gegenüber Frauen (Jum 2.12.2022). Männer können sich aus nichtigen Gründen von ihren Ehefrauen scheiden lassen, während Frauen nach den Artikeln 40, 41 und 42 nur aus bestimmten Gründen Schei dungsverfahren einleiten können, wie z. B. die Inhaftierung des Mannes für mehr als drei Jah re (HRW 25.2.2018; vgl. Jum 2.12.2022), oder wenn ihr Mann sie verlassen hat (Jum 2.12.2022), nämlich für eine Dauer von über zwei Jahren, oder wenn der Ehemann für vier oder mehr Jahre als vermisst gilt (HRW 25.2.2018). Im Jahr 2021 wurden mehr als 73.000 Scheidungen von den Gerichten ausgesprochen, was in etwa der Zahl des Jahres 2018 entspricht. Es ist ein Anstieg gegenüber einem Durchschnitt von knapp 51.700 pro Jahr im Zeitraum von 2004 bis 2014, als eine von fünf Ehen in einer Scheidung endete. Als Scheidungsgründe werden z.B. Zusammenleben mit der Familie des Ehepartners und damit einhergehende Beeinflussungen der Beziehung genannt, die finanzielle Abhängigkeit des Ehepartners von seiner Familie, Untreue, häusliche Gewalt und Kinderehen. So wurden in den zwei Jahren bis Ende 2021 insgesamt 4.092 Mädchen im Teenageralter geschieden (FR24 19.10.2022). Es gibt zwar keine Statistiken über die Dauer von Scheidungsverfahren. Laut Informationen von sechs Rechtsanwälten, die sich mehrheitlich mit Scheidungen befassen, setzen etwa 20 % der scheidungswilligen Frauen ihre Trennungsklagen bis zu fünf Jahre lang vor den Personenstandsgerichten fort, wobei Einigungen oft erst nach dem Verzicht auf alle Rechte erreicht werden können, während Scheidungsklagen von Männern in etwa 90 % der Fälle innerhalb von 15 bis 30 Tagen abgeschlossen sind (Jum 2.12.2022). 216

Das gesellschaftliche Klima gegenüber geschiedenen Frauen ist nicht offen repressiv. Üblicher weise werden geschiedene Frauen in die eigene Familie reintegriert. Sie müssen jedoch damit rechnen, schlechter bezahlte Arbeitsstellen annehmen zu müssen oder als Zweit- oder Drittfrau in Mehrehen erneut verheiratet zu werden. Im Rahmen einer Ehescheidung wird das Sorgerecht für Kinder ganz überwiegend den Vätern (und ihren Familien) zugesprochen (AA 28.10.2022, S.12-13). Nach anderen Angaben bleibt eine Scheidung im Irak weiterhin mit starkem sozialem Stigma verbunden (FIS 22.5.2018, S.41). Manche Familien erlauben es geschiedenen Fami lienmitgliedern nicht, zu arbeiten oder auszugehen, aus Angst vor dem Stigma. Geschiedene Frauen sind außerdem häufig sexueller Belästigung ausgesetzt (FR24 19.10.2022). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.10.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Oktober 2022), https://www.ecoi.net/e n/file/local/2082728/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_ Lage_in_der_Republik_Irak_(Stand_Oktober_2022),_28.10.2022.pdf , Zugriff 23.3.2023 [Login erforderlich] ■ DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (16.1.2023): DFAT Country Information Report Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2085737/country-information-report-iraq.pdf , Zugriff 2.2.2023 ■ DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (17.8.2020): DFAT Country Information Report Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2036511/country-information-report-iraq.pdf , Zugriff 20.6.2023 ■ FIS - Finnische Einwanderungsbehörde [Finnland] (22.5.2018): Overview of the status of women living without a safety net in Iraq, https://coi.easo.europa.eu/administration/finland/Plib/Report_Wo men_Iraq_Migri_CIS.pdf, Zugriff 17.8.2023 ■ FR24 - France 24 (19.10.2022): In Iraq, divorce rates soar even as stigma persists for women, https://www.france24.com/en/live-news/20221019-in-iraq-divorce-rates-soar-even-as-stigma-persi sts-for-women, Zugriff 23.1.2023 ■ HRW - Human Rights Watch (25.2.2018): Iraq: Families of Alleged ISIS Members Denied IDs, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425202.html, Zugriff 17.8.2023 ■ IOM - International Organization for Migration (23.9.2020): IOM Iraq Access to Durable Solu tions Among IDPs in Iraq- Experiences of Female Headed-Households, https://iraqdtm.iom.int/ files/DurableSolutions/202011153051193_IOM Iraq Access to Durable Solutions Among IDPs in Iraq- Experiences Female-Headed Households.PDF, Zugriff 17.8.2023 ■ Jum - Jummar (2.12.2022): Wives lives are wasted waiting for divorce: Men have priority over women in Iraqi courts, https://jummar.media/en/2542, Zugriff 17.8.2023 ■ REACH - REACH Initiative (2.6.2021): Iraq: Multi-Cluster Needs Assessment - Key Findings for Iraq, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/REACH_IRQ_MCNA-Inter-sectoral-Factsheet _December2020.pdf, Zugriff 17.8.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089064.html, Zugriff 11.7.2023 19.1.7 Verwestlichung, westlicher bzw. nicht-konservativer Lebensstil Letzte Änderung 2023-10-09 15:10 Sowohl Männer als auch Frauen stehen unter Druck, sich an konservative Normen zu halten, was das persönliche Erscheinungsbild betrifft (FH 2023). Personen, die als nicht konform mit den lokalen sozialen und kulturellen Normen angesehen werden, weil sie ein „ westliches“ Verhal ten an den Tag legen, sind Drohungen und Angriffen von Einzelpersonen aus der Gesellschaft 217

sowie von Milizen ausgesetzt. Volksmobilisierungskräfte (PMF) haben es auf Personen abge sehen, die Anzeichen für eine Abweichung von ihrer Auslegung der schiitischen Normen zeigen, manchmal mit Unterstützung der schiitischen Gemeinschaft (EUAA 6.2022, S.112). Vor allem im schiitisch geprägten Südirak werden auch nicht gesetzlich vorgeschriebene islamische Regeln, z. B. Kopftuchzwang an Schulen und Universitäten, stärker durchgesetzt. Frauen werden unter Druck gesetzt, ihre Freizügigkeit und Teilnahme am öffentlichen Leben einzuschränken (AA 28.10.2022, S.12). Es gibt Berichte über Angehörige religiöser Minderheiten, darunter Christen und Sabäer-Man däer, die bestimmte islamische Praktiken befolgen, wie das Tragen des Hijab oder das Fasten während des Ramadan, um Schikanen zu vermeiden (DFAT 16.1.2023, S.17-18). Dass Frauen außerhalb des Hauses arbeiten, wird in weiten Teilen der Gesellschaft als inak zeptabel angesehen. Berufe, wie die Arbeit in Geschäften, Restaurants oder in den Medien, wurden als etwas Schändliches angesehen. Gleiches gilt für die Teilnahme an lokaler und natio naler Politik (IWPR 8.3.2021). So wurden weibliche Aktivisten, die an den Protesten teilnahmen, in politischen Kampagnen als promiskuitiv verunglimpft (ICG 26.7.2021, S.9). Entsprechend sprach sich as-Sadr im Februar 2020 für eine Geschlechtertrennung auf den öffentlichen Plät zen aus (ICG 26.7.2021, S.9; vgl. AIIA 1.4.2020). Im Zuge des darauffolgenden Frauenmarsches am 13.2.2020 wurden weibliche Demonstranten mit Tränengas angegriffen, bedroht, attackiert, entführt und in einigen Fällen getötet (AIIA 1.4.2020). Im August 2020 verübten Unbekannte eine Reihe von Attentaten auf regierungskritische Demonstranten. Die gewalttätigsten Angriffe ereigneten sich im Gouvernement Basra und führten zur Tötung von drei Aktivisten und zwei Zivilisten (MEMO 17.9.2020). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (28.10.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Oktober 2022), https://www.ecoi.net/e n/file/local/2082728/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_ Lage_in_der_Republik_Irak_(Stand_Oktober_2022),_28.10.2022.pdf , Zugriff 23.3.2023 [Login erforderlich] ■ AIIA - Australian Institute of International Affairs (1.4.2020): The Pink and Purple Protest: Iraqi Women Invert the Gender Game, https://www.internationalaffairs.org.au/australianoutlook/the-pin k-and-purple-protest-iraqi-women-invert-the-gender-game/ , Zugriff 17.8.2023 ■ DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (16.1.2023): DFAT Country Information Report Iraq, https://www.ecoi.net/en/file/local/2085737/country-information-report-iraq.pdf , Zugriff 2.2.2023 ■ EUAA - European Union Agency for Asylum (6.2022): Country Guidance: Iraq; Common analysis and guidance note, https://www.ecoi.net/en/file/local/2076349/2022_06_Country_Guidance_Iraq.pdf , Zugriff 16.8.2023 ■ FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument /2090187.html, Zugriff 7.7.2023 ■ ICG - International Crisis Group (26.7.2021): Iraq’s Tishreen Uprising: From Barricades to Ballot Box, https://www.ecoi.net/en/file/local/2056850/223-iraq-tishreen.pdf, Zugriff 22.6.2023 ■ IWPR - Institute for War & Peace Reporting (8.3.2021): Iraq: Justice for Survivors as Activists Overturn Taboos, https://iwpr.net/global-voices/iraq-justice-survivors-activists-overturn-taboos , Zugriff 17.8.2023 218

■ MEMO - Middle East Monitor (17.9.2020): Iraq: Female activist and family slaughtered in Baghdad, https://www.middleeastmonitor.com/20200917-iraq-female-activist-and-family-slaughtered-in-bag hdad/, Zugriff 17.8.2023 19.2 Kinder Letzte Änderung 2024-03-28 08:37 Artikel 29 und 30 der irakischen Verfassung enthalten Kinderschutzrechte. Der Irak ist dem Zu satzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten beigetreten (AA 28.10.2022, S. 11). Das irakische Strafgesetzbuch gewährt Eltern das Recht, ihre Kinder innerhalb der durch Gesetz oder Gewohnheit vorgeschriebenen Grenzen zu diszi plinieren (USDOS 20.3.2023; vgl. HRW 12.1.2023). Kinder sind einerseits in überproportionaler Weise von der schwierigen humanitären Lage, andererseits durch Gewaltakte gegen sie selbst oder gegen Familienmitglieder stark betroffen (AA 28.10.2022, S. 11). Laut UNICEF machen Kinder fast die Hälfte der durch den Konflikt vertriebenen Iraker aus (USDOS 20.3.2023). Vor der COVID-19-Krise lebten laut UNICEF 22,1 % der Kinder in Armut. Eine der Auswirkungen der Pandemie ist, dass sich der Anteil der in Armut lebenden Kinder im Jahr 2021 auf 37,9 % erhöht hat (AA 28.10.2022, S. 11). Einem Bericht für das Jahr 2021 zufolge leben 38 % aller irakischen Kinder in Armut (USDOS 12.4.2022). Über 1,16 Millionen Kinder im Alter von unter fünf Jahren waren unterernährt (AA 25.10.2021, S. 12). Im Jahr 2022 sind laut UNICEF 1,1 Millionen Kinder im Irak auf humanitäre Unterstützung angewiesen, ein deutlicher Rückgang zum Vorjahr (3,3 Mio. Kinder) (AA 28.10.2022, S. 11). Nach dem Gesetz ist der Vater der Vormund seiner Kinder. Einer geschiedenen Mutter kann das Sorgerecht für ihre Kinder bis zum Alter von zehn Jahren zugesprochen werden, verlängerbar durch ein Gericht bis zum Alter von 15 Jahren, wobei die Kinder zu diesem Zeitpunkt wählen können, bei welchem Elternteil sie leben möchten (USDOS 20.3.2023). Das irakische Famili enrecht unterscheidet zwischen zwei Arten der Vormundschaft (wilaya und wasiya), sowie der Pflege bzw. Sorge (hadana). Dem Vater kommt immer die Vormundschaft (wilaya) zu. Wenn dieser nicht mehr lebt, dem Großvater bzw. nach Entscheidung eines Shari‘a-Gerichts einem anderen männlichen Verwandten [Anm.: väterlicherseits]. Nur ein Mann kann demnach wali sein. Die Fürsorgeberechtigung (hadana), d. h. die Verantwortung für die Erziehung, Sicherheit und Betreuung eines Kindes, kommt im Falle einer Scheidung der Mutter zu. D. h. die Kinder leben bei der Mutter, im Falle von Knaben bis zum 13. Lebensjahr und im Falle von Mädchen bis zum 15. Lebensjahr (Migra/Landinfo 15.8.2018). Die Regierung setzte sich im Allgemeinen für die Rechte und das Wohlergehen der Kinder ein, verweigert jedoch Kindern, die nicht die Staatsbürgerschaft besitzen, staatliche Leistungen. Die Nichtregistrierung von Geburten hat zur Folge, dass dem betroffenen Kind staatliche Leistungen, wie Bildung, Lebensmittelbeihilfe und Gesundheitsversorgung vorenthalten sind. Alleinstehende Frauen und Witwen hatten oft Probleme, ihre Kinder registrieren zu lassen, obwohl die Behörden in den meisten Fällen nach der Registrierung der Geburt durch das Gesundheits- und das Innen ministerium Geburtsurkunden ausstellt. Diese Registrierung ist ein langwieriger und bisweilen komplizierter Prozess. Insbesondere bei Kindern, die von Angehörigen des Islamischen Staats 219

(IS) gezeugt oder in den vormals vom IS kontrollierten Gebieten geboren wurden, stellt man keine Geburtsurkunden aus. Etwa 12.000 vertriebene Kinder haben immer noch keine zivilen Dokumente, einschließlich Geburtsurkunden (USDOS 20.3.2023). Gewalt gegen Kinder/Minderjährige Gewalt gegen Kinder bleibt ein großes Problem, aber aktuelle, zuverlässige Statistiken über das Ausmaß des Problems sind nicht verfügbar (USDOS 20.3.2023). Berichten zufolge verkaufen Menschenhändlernetze irakische Kinder zur kommerziellen sexu ellen Ausbeutung. Letztere erfolgt im In- und Ausland (USDOS 1.7.2021). Verbrecherbanden sollen Kinder zwingen, im Irak zu betteln (USDOS 1.7.2021; vgl. FH 2023). Sie werden auch ge zwungen, Drogen zu verkaufen (USDOS 1.7.2021). Ebenso ist Kinderprostitution ein Problem, insbesondere unter Flüchtlingen. Aufgrund der Strafmündigkeit ab einem Alter von neun Jahren im Irak, bzw. elf Jahren in der Kurdistan Region Irak (KRI),behandeln die Behörden sexuell ausgebeutete Kinder oft wie Kriminelle und nicht wie Opfer (USDOS 20.3.2023). Kinderarbeit Die Verfassung und das Gesetz verbieten die schwersten Formen von Kinderarbeit (USDOS 12.4.2022; vgl. AA 28.10.2022, S. 11). Dennoch ist Kinderarbeit im gesamten Irak verbreitet, insbesondere unter Binnenvertriebenen und Flüchtlingskindern (DFAT 16.1.2023, S. 32). In den Gebieten, die unter die Zuständigkeit der föderalen Regierung fallen, beträgt das Mindest beschäftigungsalter 15 Jahre. Das Arbeitsgesetz begrenzt für Personen unter 18 Jahren die tägliche Arbeitszeit auf sieben Stunden und verbietet Arbeiten, die der Gesundheit, Sicherheit oder Moral schaden können. Dieses Gesetz gilt jedoch nicht für Jugendliche, die in Familien betrieben arbeiten, die ausschließlich Waren für den Hausgebrauch herstellen. Es gibt daher Berichte über Kinder, die in Familienbetrieben gefährliche Arbeiten verrichten. Kinderarbeit, auch in ihren schlimmsten Formen, wie erzwungenes Betteln und kommerzielle sexuelle Ausbeutung, manchmal als Folge von Menschenhandel, kommt im ganzen Land vor (USDOS 12.4.2022). Trotz des Verbotes der Kinderarbeit arbeiten etwa 500.000 Kinder vorrangig in der Landwirt schaft oder im Handel. Armut begünstigt Kindesentführungen und Kinderhandel (AA 28.10.2022, S. 11). Einer Umfrage aus dem Jahr 2023 zufolge gab 1 % aller Befragten mit Kindern im Alter von 15 und jünger an (n = 271), dass ihre Kinder in erheblichem Umfang arbeiten mussten, um das Haushaltseinkommen zu sichern (Mossul 2 %). Ebenso 1 % gab an, dass ihre Kinder ein wenig arbeiten würden, um zum Haushaltseinkommen beizutragen (Bagdad 1 %, Mossul 2 %). 98 % gaben an, dass keines ihrer Kinder arbeiten oder zum Haushaltseinkommen beitragen musste (Bagdad 99 %, Basra 100 %, Mossul 96 %) (STDOK 2023, S. 58-60). Die Regierung unternimmt einige Anstrengungen, um gegen Kinderarbeit vorzugehen, erzielt aber nur geringe Fortschritte, bei der Beseitigung der schlimmsten Formen von Kinderarbeit, einschließlich kommerzieller sexueller Ausbeutung und Zwangsbettelei (DFAT 16.1.2023, S. 32). 220

Das Ministerium für Arbeit und Soziales der Kurdischen Regionalregierung (KRG) schätzt, dass mehrere Hundert Kinder in der KRI arbeiten, oft als Straßenverkäufer oder Bettler, was sie be sonders gefährdet. Das Ministerium betrieb eine 24-Stunden-Hotline zur Meldung von Arbeits missbrauch, einschließlich Kinderarbeit, bei der monatlich etwa 200 Anrufe eingingen (USDOS 12.4.2022). Strafverfolgung von Kindern/Minderjährigen Die Strafmündigkeit im Irak in den Gebieten unter der Verwaltung der föderalen Regierung beträgt neun Jahre und elf Jahre in der KRI (USDOS 12.4.2022; vgl. HRW 13.1.2022). Laut Berichten der Vereinten Nationen sind zahlreiche Jugendliche wegen Terrorismusvorwür fen angeklagt oder verurteilt (AA 28.10.2022, S. 11; vgl. HRW 13.1.2022). Föderal-irakische und KRG-Behörden verfolgen Minderjährige wegen mutmaßlicher IS-Verbindungen strafrechtlich ohne Rechtsbeistand und setzen diese bisweilen auch missbräuchlichen Verhörtechniken und Folter aus, um Geständnisse zu erlangen. Bei einigen von ihnen handelt es sich um ehemalige Opfer von Zwangsrekrutierungen (USDOS 15.6.2023). Es mangelt nach wie vor an Jugend strafanstalten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) berichtet jedoch, dass jugendliche Häftlinge mittlerweile vorwiegend von erwachsenen Straftätern getrennt inhaftiert werden, ihnen wird aber oft der regelmäßige Kontakt zu ihren Familien verwehrt (AA 28.10.2022, S. 11). Einem Bericht des Irakischen Hochkommissariats für Menschenrechte (IHRCKR) zufolge sind außerdem bspw. über 50 Minderjährige gemeinsam mit ihren Müttern in der Erziehungs anstalt für Frauen und Kinder in Erbil untergebracht (USDOS 30.3.2021). Kindersoldaten, Rekrutierung von Kindern/Minderjährigen Die Regierung und schiitische religiöse Führer verbieten Kindern unter 18 Jahren ausdrücklich den Kriegsdienst. Es gibt keine Berichte, wonach Kinder von staatlicher Seite zum Dienst in den Sicherheitskräften einberufen oder rekrutiert werden (USDOS 12.4.2022). Rekrutierung von Kindern ist ein Problem (FH 2023). Kinder sind nach wie vor anfällig für Zwangsrekrutierung und den Einsatz durch diverse bewaffnete Gruppen, die im Irak operie ren. Dazu zählen der IS, Milizen der Volksmobilisierungskräfte (PMF), Stammesmilizen, die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) und andere vom Iran unterstützte Milizen (USDOS 15.6.2023). Das Büro des Sonderbeauftragten des Generalsekretärs für Kinder und bewaffnete Konflikte der Vereinten Nationen verzeichnete im Zeitraum 2021-22 keine Fälle von Kinderrekrutierung durch Milizen (DFAT 16.1.2023, S. 32). Der letzte bestätigte Bericht über die Rekrutierung von Soldaten unter 18 Jahren durch PMF stammt aus dem Jahr 2019 (USDOS 15.6.2023). Es gibt Berichte, wonach der IS in den vergangenen Jahren Kinder als Soldaten eingesetzt hat (AA 28.10.2022, S. 11; vgl. USDOS 12.4.2022), ebenso als menschliche Schutzschilde, Infor manten, Bombenbauer, Henker und Selbstmordattentäter (USDOS 1.7.2021). Unter anderem aufgrund der territorialen Niederlage des IS liegen für das Jahr 2021 nur wenige Informationen über den Einsatz von Kindern durch den IS vor (USDOS 12.4.2022). 221
