aegy-lib-2025-04-03-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
schreibt strenge Berichterstattungspflichten und Überwachungssysteme vor. Die Strafen für Verstöße gegen das Gesetz sind hart (FH 2024). Unabhängige Organisationen und die Lobbyarbeit werden durch die drakonischen Einschränkungen dieses NGO-Gesetzes weiterhin stark eingeschränkt (HRW 16.1.2025). Unabhängige inländische Menschenrechts-NGOs haben aufgrund von Repressalien und Druck seitens der Regierung und der Sicherheitskräfte Schwierigkeiten, zu arbeiten. Staatliche und staatsnahe Medien stellen bisweilen NGOs, insbesondere solche, die Mittel aus internationalen Quellen erhalten, als subversive und sogar verräterische Aktivitäten dar. Lange Verzögerungen bei der Erteilung staatlicher Genehmigungen und ein restriktives rechtliches Umfeld schränken die Möglichkeiten inländischer und internationaler NGOs ein. Die Behörden gestatten manchmal zivilgesellschaftlichen Organisationen, die nicht als NGOs registriert waren, ihre Tätigkeit, aber diese Organisationen berichten über Schikanen und Überwachung sowie über Drohungen mit staatlicher Einmischung, Ermittlungen, Einfrieren von Vermögenswerten oder Schließung (USDOS 23.4.2024). Quellen: - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Egypt. https://www.ecoi.net/de/dokument/2105018.html, Zugriff 18.2.2025 - HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2120073.html, Zugriff 20.2.2025 - USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): Country Report on Human Rights Practices 2023 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107679.html, Zugriff 20.2.2025 9. Wehrdienst und Rekrutierungen Männer im Alter von 18-30 Jahren werden zum Wehrdienst verpflichtet. Die Dienstpflicht beträgt zwischen 14-36 Monate, gefolgt von einer neun-jährigen Reserveverpflichtung. Der freiwillige Militärdienst ist für Frauen ab 17 und Männer ab 16 Jahren (Stand 2023) möglich (CIA 12.2.2025). Es gibt keine belastbaren Erkenntnisse, dass die Heranziehung zum Militärdienst an gruppenbezogenen Merkmalen orientiert ist, sie erfolgt allerdings nach Kriterien der sozialen Zugehörigkeit. Wehrpflichtige Angehörige niedriger, insbesondere ländlicher, Bevölkerungsschichten werden häufig für (bereitschafts-)polizeiliche Aufgaben unter harten Bedingungen eingesetzt (AA 26.1.2022). Die Möglichkeit des Ersatzdienstes besteht formal nicht, gleichwohl gibt es für Wehrpflichtige, die den Dienst an der Waffe ablehnen, vielfältige Möglichkeiten eines waffenlosen Dienstes innerhalb der Streitkräfte (z. B. als Bausoldaten oder Hilfskräfte) oder in den vielen vom Militär betriebenen Wirtschaftsbetriebe. Die Möglichkeit eines Freikaufs vom Militärdienst existiert nach ägyptischem Recht nicht. Zu inoffiziellen Möglichkeiten des .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 13 von 38

Freikaufs bestehen keine Erkenntnisse. Amnestien im Bereich des Wehrdienstes sind nicht bekannt (AA 26.1.2022). Wehrdienstverweigerung (im Sinne einer Totalverweigerung) wird mit Haftstrafen von bis zu drei Jahren und / oder einer Geldstrafe bestraft. Sie zieht zudem den Entzug politischer Rechte und die Verpflichtung, den Wehrdienst nachträglich abzuleisten, nach sich. Bei einem entsprechenden Strafverfahren während des wehrpflichtigen Alters (d. h. in der Regel bis zum 30. oder 31. Lebensjahr) werden im Normalfall Gefängnisstrafen ausgesprochen, in Strafverfahren nach dem wehrpflichtigen Alter zumeist eine Geldstrafe. Die Straftatbestände verjähren mit dem Erreichen des 45. Lebensjahrs (AA 26.1.2022). Männer, die den Wehrdienst nicht abgeschlossen haben, dürfen nicht ins Ausland reisen oder auswandern (USDOS 23.4.2024). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCbe r_die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_Dezember_2021%29%2 C_26.01.2022.pdf, Zugriff 20.2.2025 - CIA - Central Intelligence Agency [USA] (12.2.2025): The World Factbook - Egypt, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/egypt/#military-and-security, Zugriff 19.2.2025 - USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): Country Report on Human Rights Practices 2023 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107679.html, Zugriff 20.2.2025 10. Allgemeine Menschenrechtslage Die am 18.1.2014 in Kraft getretene Verfassung bringt eine Stärkung der Menschenrechtsgarantien; die einfachgesetzliche Umsetzung bzw. behördliche Anwendungspraxis steht aber z.T. nicht im Einklang mit diesen verfassungsrechtlichen Bestimmungen. Die Menschenrechtspolitik der ägyptischen Regierung ist weiterhin stark autoritär geprägt, sowohl gegenüber islamistischer Opposition, als auch gegenüber Menschenrechtsverteidigern. Der Terrortatbestand nach dem Anti-Terrorgesetz vom 24.2.2015 ist so weit und unbestimmt, dass er unverhältnismäßige bis zur Willkür reichende staatliche Maßnahmen ermöglicht (ÖB 6.2024). Die Regierung von Präsident Abdel Fattah al-Sisi ist in ihr zweites Jahrzehnt an der Macht eingetreten, indem sie die Unterdrückung auf breiter Front fortsetzt, friedliche Kritiker und Aktivisten systematisch festnimmt und bestraft und friedliche Meinungsverschiedenheiten effektiv kriminalisiert (HRW 16.1.2025; vgl. USDOS 23.4.2024). Die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit werden massiv unterdrückt (AI 24.4.2024; vgl. USDOS 23.4.2024). Die Behörden nahmen Dutzende von Demonstranten und Aktivisten fest und verfolgten sie strafrechtlich, auch bei Demonstrationen zur Solidarität mit Palästina. Tausende von Gefangenen .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 14 von 38

bleiben unter katastrophalen Bedingungen in langwieriger Untersuchungshaft oder aufgrund von ungerechten Gerichtsverfahren verurteilt (HRW 16.1.2025; vgl. USDOS 23.4.2024). Fälle von Verschwindenlassen, Folter und anderen Misshandlungen waren weiterhin an der Tagesordnung. Gerichte verhängten Todesurteile nach grob unfairen Verfahren, die Zahl der Hinrichtungen ging jedoch zurück. Schwere Menschenrechtsverletzungen blieben weiterhin straflos, auch solche, die in den Vorjahren verübt worden waren (AI 24.4.2024; vgl. USDOS 23.4.2024). Quellen: - AI - Amnesty International (24.4.2024): Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Ägypten 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107876.html, Zugriff 18.2.2025 - HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2120073.html, Zugriff 20.2.2025 - ÖB - Österreichische Botschaft Kairo [Österreich] (6.2024): Asylländerbericht Ägypten, https://www.ecoi.net/en/file/local/2111305/AEGY_%C3%96B-Bericht_2024_06.pdf, Zugriff 18.2.2025 - USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): Country Report on Human Rights Practices 2023 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107679.html, Zugriff 20.2.2025 11. Meinungs- und Pressefreiheit Die Verfassung sieht das Recht auf freie Meinungsäußerung vor, auch für Mitglieder der Presse und anderer Medien, aber die Regierung respektiert dieses Recht häufig nicht. Menschenrechtsverteidiger, Journalisten, Aktivisten und andere werden regelmäßig strafrechtlich verfolgt und angeklagt, was Beobachter als Vergeltungsmaßnahme für Kritik an der Regierung werten (USDOS 23.4.2024). Die Meinungs- und Pressefreiheit ist jedoch stark eingeschränkt (ÖB 6.2024). Der ägyptische Mediensektor wird von regierungsfreundlichen Medien dominiert; die meisten kritischen oder oppositionellen Medien wurden nach dem Putsch 2013 geschlossen. Private Medien befinden sich im Besitz von Geschäftsleuten und Personen, die mit dem Militär und den Geheimdiensten verbunden sind. Unabhängige Berichterstattung wird durch restriktive Gesetze und Einschüchterung unterdrückt und ausländische Journalisten werden vom Staat behindert (FH 2024). Unter Präsident Abdel Fattah Al-Sisi ist Ägypten eines der Länder mit den meisten inhaftierten Journalisten geworden. Manche werden jahrelang ohne Urteil oder Anklage festgehalten, andere in Massenprozessen zu langen Haftstrafen verurteilt. Die Haftbedingungen sind in vielen Fällen nicht menschenwürdig. Kritische Journalisten werden als angebliche Unterstützer der verbotenen Muslimbruderschaft gebrandmarkt (RSF 2025). Neue Sicherheits-, Medien- und Internetgesetze legalisieren weitreichende Strafverfolgung und Zensur. Beispielsweise dürfen Journalisten nur amtliche Angaben zu Terroranschlägen veröffentlichen und müssen damit rechnen, für Berichte über Inflation oder Korruption verfolgt zu werden. Allenfalls im Internet gibt es noch begrenzte Freiräume für unabhängige Medien (RSF .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 15 von 38

2025; vgl. FH 2025), doch bis heute ist die Gesamtzahl der gesperrten Websites und Links auf 562 angestiegen, darunter mindestens 132 Links zu journalistischen Websites (FH 2024), nach anderen Angaben wurden seit 2017 mehr als 650 Websites von diversen nationalen und internationalen NGOs, Nachrichtenkanälen und Blogs gesperrt, darunter z.B. Al-Jazeera und Human Rights Watch (ÖB 6.2024). Das Gesetz enthält eine weit gefasste Definition von Terrorismus, die „jede Handlung, die der nationalen Einheit oder dem sozialen Frieden schadet“, einschließt. Menschenrechtsbeobachter stellen fest, dass die Behörden die zweideutige Definition regelmäßig nutzten, um gewaltfreie Äußerungen und gewaltfreie oppositionelle Aktivitäten durch strafrechtliche Ermittlungen und Verfolgungen zu unterdrücken (USDOS 23.4.2024). Problematisch sind die Medien treffende Bestimmung des Anti-Terrorgesetzes vom Juli 2015, wonach u.a. die Publikation von „falschen Informationen über Terroroperationen, die im Gegensatz zu offiziellen Erklärungen stehen“, mit zwei Jahren Haft bedroht ist. Es kommt immer wieder zu Verhaftungen, zu fortgesetzten Inhaftierungen ohne Rechtsgrundlage sowie auch zum „Verschwindenlassen“ von Journalisten (ÖB 6.2024). Quellen: - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Egypt. https://www.ecoi.net/de/dokument/2105018.html, Zugriff 18.2.2025 - ÖB - Österreichische Botschaft Kairo [Österreich] (6.2024): Asylländerbericht Ägypten, https://www.ecoi.net/en/file/local/2111305/AEGY_%C3%96B-Bericht_2024_06.pdf, Zugriff 18.2.2025 - RSF - Reporters sans frontières / Reporter ohne Grenzen (2025): Ägypten, https://www.reporter-ohne-grenzen.de/aegypten, Zugriff 26.2.2025 - USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): Country Report on Human Rights Practices 2023 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107679.html, Zugriff 20.2.2025 12. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition Die Verfassung garantiert Versammlungsfreiheit (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024). Das Demonstrationsgesetz enthält jedoch eine umfangreiche Liste verbotener Aktivitäten (USDOS 23.4.2024), die das Innenministerium ermächtigt, geplante Demonstrationen nach Vorlage eines offiziellen Vermerks (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024) nach Zustimmung eines Gerichts (FH 2024) zu verbieten oder einzuschränken (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024). Nicht genehmigte Versammlungen von zehn oder mehr Personen können gewaltsam aufgelöst werden. Seit Einführung des strengen Demonstrationsgesetzes im Jahr 2013 wurden Tausende von Demonstranten verhaftet, und einige inhaftierte Demonstranten wurden zum Tode verurteilt. Aufgrund dieses harten Durchgreifens sind Proteste selten (FH 2024). In den meisten Fällen setzt die Regierung das Gesetz zur Einschränkung von Demonstrationen rigoros durch und wendet in .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 16 von 38

einigen Fällen Gewalt an, auch bei kleinen Gruppen friedlicher Demonstranten (USDOS 23.4.2024). Die Verfassung garantiert Vereinigungsfreiheit (USDOS 23.4.2024), diese wird jedoch gesetzlich erheblich beschränkt (USDOS 23.4.2024; vgl. ÖB 6.2024). Quellen: - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Egypt. https://www.ecoi.net/de/dokument/2105018.html, Zugriff 18.2.2025 - ÖB - Österreichische Botschaft Kairo [Österreich] (6.2024): Asylländerbericht Ägypten, https://www.ecoi.net/en/file/local/2111305/AEGY_%C3%96B-Bericht_2024_06.pdf, Zugriff 18.2.2025 - USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): Country Report on Human Rights Practices 2023 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107679.html, Zugriff 20.2.2025 12.1. Opposition Rechtlich gesehen ist die Bildung politischer Parteien erlaubt und diese dürfen auch operieren (FH 2024; vgl. USDOS 23.4.2024). In der Praxis hingegen sind Aktivisten, Oppositionsparteien und politische Bewegungen, die das Regime kritisieren, mit Verhaftungen, harten Gefängnisstrafen, Todesurteilen, außergerichtlicher Gewalt und anderen Formen des Drucks (FH 2024) wie etwa Angriffe und Drohungen konfrontiert. Oppositionelle werden drangsaliert und eingeschüchtert (USDOS 23.4.2024). Im Februar 2024 verurteilte ein ägyptisches Gericht den prominenten Politiker Ahmed Tantawy sowie seinen Wahlkampfberater und 21 seiner inhaftierten Anhänger zu einem Jahr Haft wegen angeblicher Vergehen im Zusammenhang mit seiner Herausforderung von Präsident Sisi bei den Wahlen im Dezember 2023. Das Gericht untersagte Tantawy außerdem, fünf Jahre lang bei nationalen Wahlen zu kandidieren. Das Gerichtsurteil stützte sich ausschließlich auf Tantawys friedlichen politischen Aktivismus und die Bemühungen von Tantawys Kampagne, vor der Wahl Unterstützungserklärungen zu sammeln (HRW 16.1.2025). Parteien auf religiöser Basis sind verboten. Während einige islamistische Parteien nach wie vor in einer prekären Rechtslage agieren, wurde die Muslimbruderschaft 2013 als terroristische Organisation verboten, und ihre politische Partei wurde untersagt. Seitdem haben die Behörden ihre Mitglieder systematisch verfolgt (FH 2024). Die Menschenrechtspolitik der EG Regierung ist weiterhin stark autoritär geprägt, unter anderem gegenüber islamistischer Opposition (ÖB 6.2024) Quellen: - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Egypt. https://www.ecoi.net/de/dokument/2105018.html, Zugriff 18.2.2025 - HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2120073.html, Zugriff 20.2.2025 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 17 von 38

- ÖB - Österreichische Botschaft Kairo [Österreich] (6.2024): Asylländerbericht Ägypten, https://www.ecoi.net/en/file/local/2111305/AEGY_%C3%96B-Bericht_2024_06.pdf, Zugriff 18.2.2025 - USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): Country Report on Human Rights Practices 2023 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107679.html, Zugriff 20.2.2025 13. Haftbedingungen Die Bedingungen in den Gefängnissen und Haftanstalten sind hart und potenziell lebensbedrohlich, da die Gefängnisse überfüllt sind und es keinen angemessenen Zugang zu medizinischer Versorgung, angemessenen sanitären Einrichtungen und Belüftung, Nahrung und Trinkwasser gibt (USDOS 23.4.2024). Die Haftbedingungen verstießen weiterhin gegen das absolute Verbot von Folter und anderen Misshandlungen. So verweigerte man Inhaftierten die medizinische Versorgung, hielt sie lange Zeit in Isolationshaft, setzte sie grellem Licht aus, überwachte sie rund um die Uhr mit Kameras und verwehrte ihnen Familienbesuche (AI 24.4.2024). Tausende von Gefangenen bleiben unter katastrophalen Bedingungen in langwieriger Untersuchungshaft oder wurden aufgrund von ungerechten Gerichtsverfahren verurteilt (HRW 16.1.2025). Berichte über die Misshandlung von Gefangenen durch das Aufsichtspersonal, einschließlich Jugendlicher in Erwachseneneinrichtungen, sind weit verbreitet. Die Haftbedingungen für Frauen sind Berichten zufolge geringfügig besser als die für Männer. Lokale und internationale Menschenrechtsgruppen schätzen ein, dass die harten Bedingungen und die Überbelegung der Gefängnisse zur Zahl der Todesfälle in Gefängnissen und Haftanstalten beitragen und dass die Untersuchungshaft über die gesetzliche Höchstdauer von zwei Jahren hinaus zur Überbelegung der Gefängnisse beiträgt (USDOS 23.4.2024). Die Regierung lässt die Überwachung durch unabhängige nichtstaatliche Beobachter nur in begrenztem Umfang zu. Das Innenministerium organisierte im Jahr 2023 für ausländische Korrespondenten, Journalisten und Delegationen verschiedener Botschaften und internationaler Organisationen begrenzte Führungen durch die neuen Einrichtungen in Wadi al-Natroun und Badr, um die Haftanstalten zu besichtigen, aber Menschenrechtsgruppen kritisierten, dass diese Führungen die Erfahrungen der Gefangenen nicht realistisch wiedergeben (USDOS 23.4.2024). Quellen: - AI - Amnesty International (24.4.2024): Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Ägypten 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107876.html, Zugriff 18.2.2025 - HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2120073.html, Zugriff 20.2.2025 - USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): Country Report on Human Rights Practices 2023 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107679.html, Zugriff 20.2.2025 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 18 von 38

14. Todesstrafe Die Vollstreckung der Todesstrafe wurde im Juni 2014 nach einem seit 2011 bestehenden de-facto Moratorium wiederaufgenommen (AA 26.1.2022). Die Anwendung der Todesstrafe hat seit der Machtübernahme durch Al-Sisi drastisch zugenommen (FH 2024; vgl. AA 26.1.2022), obwohl es ernsthafte Bedenken wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit und politisch motivierter Strafverfolgung gibt (FH 2024). Ägyptische Gerichte verhängen die Todesstrafe für ein breites Spektrum von Verbrechen, einschließlich Fällen von angeblicher politischer Gewalt, Terrorismus, aber auch Drogendelikte, Einsatz von Sprengstoff mit Todesfolge, Spionage und diverse staatsgefährdende Straftaten gegen die äußere Sicherheit (AA 26.1.2022) Öffentlichkeitswirksam wurden zahlreiche Führungskader der Muslimbrüder erstinstanzlich zum Tode verurteilt (AA 26.1.2022). Bei den in jüngerer Zeit (seit 2013) international breit kritisierten Verhängungen von Todesurteilen in Massenverfahren gegen Anhänger der Muslimbrüder handelte es sich in den meisten Fällen um Urteile in Abwesenheit. Ist ein Angeklagter, dem ein mit der Todesstrafe bedrohtes Verhalten zur Last gelegt wird, flüchtig, kommt es in Ägypten zu einem Prozess in Abwesenheit, bei dem über den Betroffenen automatisch, aber provisorisch, die Todesstrafe verhängt wird. Wird der Betroffene später aufgegriffen, wird die Todesstrafe aufgehoben und das gesamte Verfahren in seiner Anwesenheit neu durchgeführt (ÖB 6.2024). Die tatsächliche Vollstreckung der Todesstrafe bleibt deutlich hinter der Anzahl der Urteile zurück. 2019 kam es zu einem besorgniserregenden Anstieg bei den Exekutionen (je nach Quelle 38 bis 46), wobei allein im Dezember 16 Urteile vollstreckt wurden. Dieser Trend setzt sich bis 2021 fort (ÖB 6.2024). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCbe r_die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_Dezember_2021%29%2 C_26.01.2022.pdf, Zugriff 20.2.2025 - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Egypt. https://www.ecoi.net/de/dokument/2105018.html, Zugriff 18.2.2025 - ÖB - Österreichische Botschaft Kairo [Österreich] (6.2024): Asylländerbericht Ägypten, https://www.ecoi.net/en/file/local/2111305/AEGY_%C3%96B-Bericht_2024_06.pdf, Zugriff 18.2.2025 15. Religionsfreiheit 90 % aller Ägypter sind Muslime, fast alle von ihnen Sunniten. Ca. 10 % der Bevölkerung sind Christen, 90 % davon gehören der orthodoxen ägyptischen koptischen Kirche und der Rest .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 19 von 38

anderen christlichen Konfessionen an. Andere christliche Gemeinschaften machen zusammen weniger als 2 % der Bevölkerung aus. Dazu gehören die armenisch-apostolische Kirche, die katholische Kirche (koptisch-katholisch, armenisch-katholisch, chaldäisch, melkitisch, maronitisch, lateinisch und syrisch), die orthodoxe Kirche (griechisch und syrisch), die anglikanische/episkopale Kirche und andere Protestanten (USDOS 26.6.2024). Nach Schätzungen von Gelehrten und NGOs machen schiitische Muslime etwa 1 % der Bevölkerung aus. Es gibt auch eine kleine Anzahl von Dawoodi Bohra Muslimen und Ahmadi Muslimen. Vertreter der Baha'i schätzen die Größe ihrer Gemeinschaft auf 1.000 bis 2.000 Personen (USDOS 26.6.2024). Während Artikel 2 der Verfassung 2014 den Islam zur offiziellen Staatsreligion erklärt, heißt es in Artikel 64: "Glaubensfreiheit ist absolut" (FH 2024; vgl. USDOS 26.6.2024). Die Verfassung nennt die Grundsätze der Scharia als Hauptquelle der Gesetzgebung, legt aber fest, dass die kanonischen Gesetze der Juden und Christen die Grundlage für die Gesetzgebung bilden, die ihren persönlichen Status, ihre religiösen Angelegenheiten und die Wahl ihrer geistlichen Führer regelt (USDOS 26.6.2024). Die Regierung erkennt den sunnitischen Islam, das Christentum und das Judentum offiziell an und erlaubt nur deren Anhängern die öffentliche Ausübung ihrer Religion und den Bau von Gotteshäusern. Die „Verachtung und Missachtung“ der drei abrahamitischen Religionen und die Unterstützung „extremistischer“ Ideologien sind Straftaten (USDOS 26.6.2024; vgl. ÖB 6.2024), Atheismus ist ebenso verboten (ÖB 6.2024). Die Regierung erkennt den Übertritt zum Islam an, nicht aber den Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion, es sei denn, es handelt sich um Personen, die nicht als Muslime geboren wurden, aber später zum Islam übergetreten sind, wie es in einem Erlass des Innenministeriums aufgrund eines Gerichtsbeschlusses heißt. Der Übertritt zum Christentum erfordert die Vorlage eines Dokuments der aufnehmenden Kirche, eines Personalausweises und von Fingerabdrücken. Nachdem festgestellt wurde, dass die Absicht des Wechsels - der häufig auch eine Namensänderung mit sich bringt - nicht darin besteht, sich der Strafverfolgung für eine unter dem muslimischen Namen begangene Straftat zu entziehen, wird ein neues Ausweisdokument mit dem christlichen Namen und der Religionsbezeichnung ausgestellt. In Fällen, in denen Muslime, die nicht als Muslime geboren wurden, vom Islam konvertieren, werden ihre minderjährigen Kinder und in einigen Fällen auch erwachsene Kinder, die minderjährig waren, als ihre Eltern konvertierten, weiterhin als Muslime eingestuft. Wenn diese Kinder 18 Jahre alt werden, haben sie die Möglichkeit, zum Christentum zu konvertieren und dies in ihrem Personalausweis vermerken zu lassen (USDOS 26.6.2024). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 20 von 38

Ein besonderes Problem stellen Ehen zwischen Muslimen und Christen dar. Nach ägyptischem Recht ist die Ehe zwischen einer Christin und einem Muslim zulässig, nicht hingegen die Ehe zwischen einer Muslimin und einem Christen. Der männliche christliche Partner muss daher zwischen seiner Religion und seiner zukünftigen Ehefrau wählen. In der Praxis wählt er meist die Konversion zum Islam, deren Ernsthaftigkeit vom Staat auch nicht weiter überprüft wird. Eine Konversion seiner Ehefrau zum Christentum ist mangels staatlicher Anerkennung praktisch nicht möglich. Besteht also der christliche Ehemann sowohl auf die Beibehaltung seines Glaubens (Religionsfreiheit) als auch auf die Wahl seiner Ehefrau (Freiheit der Eheschließung), kann er das nur realisieren, wenn das Paar im Ausland lebt. Das seit mehr als einem Jahr in Begutachtung befindliche zivile Personenstandsgesetz, welches die Vorrangstellung der religiösen Rechtsprechung für Muslime und Christen durch ein Zivilrecht größtenteils beenden soll, wird v.a. von der koptischen Kirche blockiert, die auf das (kirchliche) Verbot der Scheidung nicht reformiert sehen möchte (ÖB 6.2024). Religiöse Minderheiten und Atheisten sind von Verfolgung und Gewalt betroffen. Religiöse Minderheiten werden häufig verfolgt, wenn sie ihren Glauben öffentlich zum Ausdruck bringen, und manchmal werden sie von den Behörden der Blasphemie beschuldigt (FH 2024). Quellen: - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Egypt. https://www.ecoi.net/de/dokument/2105018.html, Zugriff 18.2.2025 - ÖB - Österreichische Botschaft Kairo [Österreich] (6.2024): Asylländerbericht Ägypten, https://www.ecoi.net/en/file/local/2111305/AEGY_%C3%96B-Bericht_2024_06.pdf, Zugriff 18.2.2025 - USDOS - U.S. Department of State [USA] (26.6.2024): 2023 Report on International Religious Freedom: Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2074025.html, Zugriff 21.3.2025 15.1. Kopten Präsident El-Sisi versteht sich zwar als gläubiger Muslim, wendet sich aber entschieden gegen eine wörtliche und/oder Gewalt rechtfertigende Auslegung des Korans. Gegenüber Kopten ist der Präsident besonders offen. Regelmäßige Bewerbungen der Bedeutung des Christentums für die ägyptische Geschichte durch den Präsidenten selbst – u.a. auch zur Ankurbelung des Tourismus – machen diese Haltung deutlich. Die Koptische Kirche dankt es ihm mit Loyalität. Konfessionelle Konflikte, obwohl zurzeit nicht virulent, stellen eine permanente Bedrohung der Staatssicherheit dar und werden entsprechend genau beobachtet. Nicht alle Spannungen bzw. Übergriffe resultieren jedoch aus „konfessionellen“ Gründen, sondern auch sozialen Spannungen (ÖB 6.2024). Die koptischen Christen stellen eine erhebliche Minderheit dar. Kopten waren in den letzten Jahren zahlreichen Fällen von Zwangsumsiedlung, tätlichen Angriffen, Bomben- und Brandanschlägen .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 21 von 38

und Blockaden von Kirchenbauten ausgesetzt. In informellen Versöhnungssitzungen nach sektiererischen Konflikten wurde den Kopten die Gerechtigkeit für die gegen sie verübten Gewalttaten verweigert (FH 2024). Die koptisch-orthodoxe Kirche schließt die Teilnahme an den von der Regierung geförderten Versöhnungssitzungen zwar nicht aus, ein Sprecher der Kirche sagte jedoch, Versöhnungssitzungen sollten nicht anstelle der Anwendung des Gesetzes eingesetzt werden und sich darauf beschränken, nach konfessionellen Streitigkeiten oder Gewalttaten „reinen Tisch zu machen und Wiedergutmachung zu leisten“. Mindestens eine koptisch-orthodoxe Diözese in Oberägypten weigerte sich im Jahr 2023 weiterhin, an Versöhnungssitzungen teilzunehmen, und kritisierte sie als Ersatz für Strafverfahren und nicht als Mittel, um Angriffe auf Christen und ihre Kirchen zu bekämpfen. Andere christliche Konfessionen berichteten, dass sie weiterhin an den üblichen Versöhnungssitzungen teilnehmen (USDOS 26.6.2024). In Ägypten kommt es gelegentlich zu Gewalttaten gegen Kopten, die entweder von Terroristen oder aber von der Lokalbevölkerung im Zuge von konfessionellen Spannungen ausgehen (ÖB 6.2024; vgl. USDOS 26.6.2024). Anschläge richten sich vorwiegend gegen koptische Klöster oder Kirchen und sind somit potenziell überall möglich. Im Nord-Sinai kam es im Jahr 2017 zur Ermordung einzelner Kopten durch Terroristen mit dem Ziel, die dortige koptische Bevölkerung so zu verunsichern, dass sie den Sinai verlassen. Dies ist z.T. auch gelungen, hunderte Kopten ergriffen die Flucht in andere Teile Ägyptens, wo sie von den Behörden vorübergehend in sicheren Unterkünften untergebracht wurden. Dieser Trend hat sich seither – wohl auch angesichts einer großangelegten Anti-Terroroperation der ägyptischen Sicherheitskräfte (Operation Sinai 2018) - nicht fortgesetzt. Die staatlichen Sicherheitsbehörden sind bemüht, die Kopten vor Anschlägen zu schützen. So werden etwa wichtige Kirchen an religiösen Feiertagen polizeilich bewacht, zahlreiche Verhaftungen in der einschlägigen gewaltbereiten Islamistenszene wurden vorgenommen, es ist auch zu Anschlagsvereitelungen gekommen. Terroristische Anschläge gegen Kopten sind seit 2018 deutlich rückläufig. Im Falle einer jüngsten Ermordung eines koptischen Priesters in Alexandria (am 7.4.2022) wurde der wegen islamistisch-extremistischen Aktivitäten bereits vorbestrafte Täter – mit der gesetzlich vorgesehenen Zustimmung des Großmuftis – jedoch innerhalb eines Monats zum Tode verurteilt (ÖB 6.2024). Insgesamt ist das Zusammenleben zwischen Muslimen und Kopten weitgehend friedlich – auch wenn es gelegentlich zu Gewalt kommt. So etwa kam es 2016 in Zusammenhang mit tatsächlich oder gerüchteweise geplantem Bau von Kirchen bzw. der Nutzung von Privathäusern für Gottesdienste zu lokalen Ausschreitungen seitens der muslimischen Bevölkerung gegen koptische Mitbürger, was zu Sachschaden und vereinzelt Todesfällen führte. Das islamistisch motivierte Phänomen der Zerstörung von Kirchen durch aufgebrachte Mobs nach dem Sturz von Morsi hat .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 22 von 38
