aegy-lib-2025-04-03-ke
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zum Beginn eines Prozesses, sowie begrenzte Kommunikation mit ihren Anwälten während der Haft. Behörden verweigern Anwälten manchmal den Zugang zu inhaftierten Mandanten und gewähren ihnen nicht immer den erforderlichen Zugang zu Beweismaterial und Fallakten vor Beginn des Verfahrens (USDOS 23.4.2024). Das Recht auf ein faires Verfahren ist in der Praxis – v.a. bei Delikten, die die Staatssicherheit betreffen – oft nicht gewährleistet und wird u.a. durch folgende Praktiken beeinträchtigt: Verhaftungen ohne Haftbefehl, exzessive Anwendung von Präventiv- und Untersuchungshaft, Anwendung der Militärgerichtsbarkeit auf Zivilisten, Massenprozesse gegen eine große Anzahl von Beschuldigten mit mangelnder Beweisführung zum Einzelfall (ÖB Kairo 6.2024). Die Gerichte missachten in Fällen gegen politische Gegner der Regierung und alle Formen der unabhängigen Meinungsäußerung häufig ein ordnungsgemäßes Verfahren und andere grundlegende Garantien (FH 2024; vgl. AI 24.4.2024). Auffallend sind die teils unverhältnismäßigen Strafen, was nicht immer nur an den Rechtsnormen selbst, sondern oft auch an der Ermessensausübung durch die jeweiligen Richter liegt, sowie der Umstand, dass eine sehr dürftige Beweislage keineswegs einer Verurteilung entgegensteht (in dubio pro reo ist kein die Praxis bestimmendes Prinzip) (ÖB Kairo 6.2024). Quellen: - AI - Amnesty International (24.4.2024): Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Ägypten 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107876.html, Zugriff 18.2.2025 - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Egypt. https://www.ecoi.net/de/dokument/2105018.html, Zugriff 18.2.2025 - ÖB - Österreichische Botschaft Kairo [Österreich] (6.2024): Asylländerbericht Ägypten, https://www.ecoi.net/en/file/local/2111305/AEGY_%C3%96B-Bericht_2024_06.pdf, Zugriff 18.2.2025 - USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): Country Report on Human Rights Practices 2023 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107679.html, Zugriff 20.2.2025 5. Sicherheitsbehörden Die Polizei (Public Security Sector Police) ist landesweit für die Strafverfolgung zuständig. Die Zentralen Sicherheitskräfte (Central Security Force – CSF) sorgen für die Sicherheit der Infrastruktur und führen Einsätze bei Demonstrationen durch. Die Nationale Sicherheitsbehörde (National Security Agency) ist zusammen mit anderen Sicherheitsdiensten für Bedrohungen der inneren Sicherheit und Terrorismusbekämpfung zuständig. Zusätzlich zu ihren Aufgaben im Bereich der Außenverteidigung haben die ägyptischen Streitkräfte (Egyption Armed Forces – EAF) auch das Mandat, die Polizei beim Schutz lebenswichtiger Infrastrukturen im Ausnahmezustand zu unterstützen; das Militär erhielt 2011 die volle Befugnis zur Verhaftung, macht aber normalerweise nur im Ausnahmezustand und in „Zeiten erheblicher Unruhen“ von dieser Befugnis Gebrauch (CIA 12.2.2025). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 9 von 38

Militär und Sicherheitsbehörden nehmen im Staatsgefüge eine dominierende Position ein und verfügen über weitreichende Befugnisse und Einflussmöglichkeiten bei fehlender Transparenz oder Rechenschaftspflicht. Die reguläre Polizei ist formal von den Sicherheitsdiensten getrennt, in der Praxis beaufsichtigt der Staatssicherheitsdienst das Handeln der Polizei. Gerade auf dem Gebiet der begrifflich sehr weit verstandenen Terrorismusbekämpfung sind die Sicherheitsbehörden der Kontrolle durch die Justiz und andere Verfassungsorgane weitgehend entzogen. Terrorismusvorwürfe werden weit ausgelegt und regelmäßig zur Ahndung jeder Form von Kritik an Regierungshandeln eingesetzt. Die Sicherheitsdienste genießen de facto Straffreiheit. Sie agieren zunehmend außerhalb rechtlicher Vorgaben und entziehen sich der Kontrolle durch Justiz und Politik (AA 26.1.2022). Militär und Wirtschaft sind in Ägypten eng miteinander verknüpft. So befinden sich zahlreiche Großbetriebe gänzlich in der Hand von Angehörigen des Militärs. Die in zahlreichen Wirtschaftsbereichen existierende enge Verflechtung der Wirtschaft mit dem Militär stellt ein großes Problem für die Entwicklung des Landes dar. Rund 40 Prozent des militärisch-industriellen Komplexes entfallen auf die Produktion profitgenerierender Konsumgüter. Unter al-Sisi hat der wirtschaftliche Einfluss des Militärs zugenommen; Unternehmen in den Händen des ägyptischen Militärs sind wirtschaftlich besonders erfolgreich, vor allem durch ihre Beteiligung in politischen Mega-Projekten wie der Erweiterung des Suez-Kanals und dem Bau der neuen Hauptstadt. Dabei werden Wehrpflichtige als billige Arbeitskräfte eingesetzt und die Unternehmen zahlen keine Steuern. Auch die Tradition, pensionierte Offiziere als Gegenleistung für ihre Loyalität mit prestigeträchtigen Regierungsposten, staatlichen Unternehmen oder lokalen Behörden zu belohnen, wird unter al-Sisi fortgesetzt. Durch mangelnde Transparenz lassen sich kaum verlässliche Aussagen über das jährliche Einkommen der Militärwirtschaft treffen. Experten schätzen, dass das Militär rund ein Drittel der gesamten ägyptischen Wirtschaft kontrollieren könnte; konkrete Zahlen gibt es dazu jedoch nicht. Dies liegt daran, dass das wirtschaftliche Engagement der Armee in Ägypten nicht offengelegt werden muss. Die Militärs sind somit niemandem eine Abrechnung schuldig. Ihr Etat unterliegt somit keinerlei Kontrolle und bleibt weitestgehend autonom (bicc 12.2024). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCbe r_die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_Dezember_2021%29%2 C_26.01.2022.pdf, Zugriff 20.2.2025 - bicc - Bonn International Centre for Conflict Studies GmbH (12.2024): Ägypten Länderinformationen zu den Europäischen Kriterien für Rüstungsexporte, https://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/aegypten/2024_Aegypten.pdf, Zugriff 19.2.2025 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 10 von 38

- CIA - Central Intelligence Agency [USA] (12.2.2025): The World Factbook - Egypt, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/egypt/#military-and-security, Zugriff 19.2.2025 6. Folter und unmenschliche Behandlung Die Verfassung verbietet Folter und unmenschliche Behandlung „einer Person, deren Bewegungsfreiheit eingeschränkt war oder die von den Behörden festgenommen oder verhaftet wurde“. Das Gesetz verbietet Folter, um einen inhaftierten oder festgenommenen Verdächtigen zu einem Geständnis zu bewegen, berücksichtigt jedoch nicht die geistige oder psychologische Misshandlung von Personen oder die Misshandlung aus anderen Gründen als der Erlangung eines Geständnisses. Das Gesetz erlaubte den Gefängnisbeamten zwar die Anwendung von Gewalt gegen Gefangene, die sich den Anordnungen widersetzten, verbot jedoch allen Beamten, unter irgendwelchen Umständen „Grausamkeiten anzuwenden“ oder „körperliche Schäden zu verursachen“ (USDOS 23.4.2024). In Gefängnissen (AI 24.4.2024; vgl. USDOS 23.4.2024, FH 2024), Polizeistationen und Einrichtungen des NSA (National Security Agency – Geheimdienst) (AI 24.4.2024; vgl. USDOS 23.4.2024) sind Folter und andere Misshandlungen weiterhin an der Tagesordnung (AI 24.4.2024; vgl. USDOS 23.4.2024, FH 2024). Die Polizei des Innenministeriums und Beamte der Nationalen Sicherheitsbehörde (NSA) nehmen weiterhin willkürlich Kritiker und Dissidenten in offiziellen und inoffiziellen Haftanstalten fest, lassen sie gewaltsam verschwinden und foltern sie (HRW 16.1.2025). Lokale und internationale Menschenrechtsorganisationen berichten von systematischen Missbrauchspraktiken und behaupten, dass Polizei und Gefängniswärter regelmäßig Gefangene, darunter auch Kinder, misshandeln. Eine führende inländische Menschenrechtsgruppe, die sich auf Folter und Misshandlung von Gefangenen und Häftlingen konzentriert, dokumentierte in den ersten drei Quartalen des Jahres 2023 rund 2.700 Verletzungen der Rechte von Gefangenen, einschließlich Folter und vorsätzlicher medizinischer Vernachlässigung, in Gefängnissen, Polizeistationen und Haftanstalten (USDOS 23.4.2024). Es gibt zahlreiche Berichte über willkürliche oder rechtswidrige Tötungen durch die Regierung oder ihre Vertreter bei Verhaftungen oder in Gewahrsam befindlichen Personen. Lokale und internationale Menschenrechtsgruppen berichten von Fällen, in denen Personen in Gefängnissen und Haftanstalten zu Tode gefoltert wurden (USDOS 23.4.2024). Quellen: - AI - Amnesty International (24.4.2024): Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Ägypten 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107876.html, Zugriff 18.2.2025 - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Egypt. https://www.ecoi.net/de/dokument/2105018.html, Zugriff 18.2.2025 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 11 von 38

- HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2120073.html, Zugriff 20.2.2025 - USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): Country Report on Human Rights Practices 2023 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107679.html, Zugriff 20.2.2025 7. Korruption Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption vor, aber die Regierung setzt das Gesetz nicht konsequent um, und Beamte üben manchmal ungestraft korrupte Praktiken aus. Viele Beobachter und Medienberichte weisen darauf hin, dass Korruption im gesamten öffentlichen Sektor ein großes Problem darstellt. Allerdings verurteilten Gerichte im Laufe des Jahres 2023 eine Reihe hochrangiger Beamter, Staatsbediensteter und ehemaliger Richter wegen Amtsmissbrauchs, Bestechung und anderer damit zusammenhängender Anschuldigungen. (USDOS 23.4.2024). Korruption ist auf allen Ebenen der Regierung weit verbreitet. Offizielle Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung korrupter Aktivitäten sind nach wie vor schwach und ineffektiv. Präsident Sisi kontrolliert die Verwaltungskontrollbehörde (Administrative Control Authority – ACA), die für die meisten Korruptionsbekämpfungsinitiativen zuständig ist. Ihr fehlt es an Glaubwürdigkeit, Transparenz und Unparteilichkeit, und sie kann die umfangreichen wirtschaftlichen Aktivitäten des Militärs nicht überwachen (FH 2024). Laut Corruption Perceptions Index 2024 befindet sich Ägypten auf Platz 130 von 180 Ländern (TI 2025). Quellen: - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Egypt. https://www.ecoi.net/de/dokument/2105018.html, Zugriff 18.2.2025 - TI - Transparency International (2025): Corruption Perceptions Index 2024, https://www.transparency.org/en/cpi/2024, Zugriff 20.2.2025 - USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): Country Report on Human Rights Practices 2023 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107679.html, Zugriff 20.2.2025 8. NGOs und Menschenrechtsaktivisten, Ombudsmann In den letzten Jahren waren NGOs mit Massenschließungen und Schikanen in Form von Bürodurchsuchungen, Verhaftungen von Mitgliedern, langwierigen Gerichtsverfahren und Reisebeschränkungen konfrontiert (FH 2024). Internationale und lokale Menschenrechtsorganisationen bestätigen, dass die Regierung weiterhin unkooperativ ist (USDOS 23.4.2024). Ein Gesetz aus dem Jahr 2019 schränkt die Aktivitäten von NGOs ein, die als Bedrohung für die nationale Sicherheit, die öffentliche Moral und die öffentliche Ordnung angesehen werden, und .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 12 von 38

schreibt strenge Berichterstattungspflichten und Überwachungssysteme vor. Die Strafen für Verstöße gegen das Gesetz sind hart (FH 2024). Unabhängige Organisationen und die Lobbyarbeit werden durch die drakonischen Einschränkungen dieses NGO-Gesetzes weiterhin stark eingeschränkt (HRW 16.1.2025). Unabhängige inländische Menschenrechts-NGOs haben aufgrund von Repressalien und Druck seitens der Regierung und der Sicherheitskräfte Schwierigkeiten, zu arbeiten. Staatliche und staatsnahe Medien stellen bisweilen NGOs, insbesondere solche, die Mittel aus internationalen Quellen erhalten, als subversive und sogar verräterische Aktivitäten dar. Lange Verzögerungen bei der Erteilung staatlicher Genehmigungen und ein restriktives rechtliches Umfeld schränken die Möglichkeiten inländischer und internationaler NGOs ein. Die Behörden gestatten manchmal zivilgesellschaftlichen Organisationen, die nicht als NGOs registriert waren, ihre Tätigkeit, aber diese Organisationen berichten über Schikanen und Überwachung sowie über Drohungen mit staatlicher Einmischung, Ermittlungen, Einfrieren von Vermögenswerten oder Schließung (USDOS 23.4.2024). Quellen: - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Egypt. https://www.ecoi.net/de/dokument/2105018.html, Zugriff 18.2.2025 - HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2120073.html, Zugriff 20.2.2025 - USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): Country Report on Human Rights Practices 2023 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107679.html, Zugriff 20.2.2025 9. Wehrdienst und Rekrutierungen Männer im Alter von 18-30 Jahren werden zum Wehrdienst verpflichtet. Die Dienstpflicht beträgt zwischen 14-36 Monate, gefolgt von einer neun-jährigen Reserveverpflichtung. Der freiwillige Militärdienst ist für Frauen ab 17 und Männer ab 16 Jahren (Stand 2023) möglich (CIA 12.2.2025). Es gibt keine belastbaren Erkenntnisse, dass die Heranziehung zum Militärdienst an gruppenbezogenen Merkmalen orientiert ist, sie erfolgt allerdings nach Kriterien der sozialen Zugehörigkeit. Wehrpflichtige Angehörige niedriger, insbesondere ländlicher, Bevölkerungsschichten werden häufig für (bereitschafts-)polizeiliche Aufgaben unter harten Bedingungen eingesetzt (AA 26.1.2022). Die Möglichkeit des Ersatzdienstes besteht formal nicht, gleichwohl gibt es für Wehrpflichtige, die den Dienst an der Waffe ablehnen, vielfältige Möglichkeiten eines waffenlosen Dienstes innerhalb der Streitkräfte (z. B. als Bausoldaten oder Hilfskräfte) oder in den vielen vom Militär betriebenen Wirtschaftsbetriebe. Die Möglichkeit eines Freikaufs vom Militärdienst existiert nach ägyptischem Recht nicht. Zu inoffiziellen Möglichkeiten des .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 13 von 38

Freikaufs bestehen keine Erkenntnisse. Amnestien im Bereich des Wehrdienstes sind nicht bekannt (AA 26.1.2022). Wehrdienstverweigerung (im Sinne einer Totalverweigerung) wird mit Haftstrafen von bis zu drei Jahren und / oder einer Geldstrafe bestraft. Sie zieht zudem den Entzug politischer Rechte und die Verpflichtung, den Wehrdienst nachträglich abzuleisten, nach sich. Bei einem entsprechenden Strafverfahren während des wehrpflichtigen Alters (d. h. in der Regel bis zum 30. oder 31. Lebensjahr) werden im Normalfall Gefängnisstrafen ausgesprochen, in Strafverfahren nach dem wehrpflichtigen Alter zumeist eine Geldstrafe. Die Straftatbestände verjähren mit dem Erreichen des 45. Lebensjahrs (AA 26.1.2022). Männer, die den Wehrdienst nicht abgeschlossen haben, dürfen nicht ins Ausland reisen oder auswandern (USDOS 23.4.2024). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Ägypten (Stand: Dezember 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2067246/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCbe r_die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_%C3%84gypten_%28Stand_Dezember_2021%29%2 C_26.01.2022.pdf, Zugriff 20.2.2025 - CIA - Central Intelligence Agency [USA] (12.2.2025): The World Factbook - Egypt, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/egypt/#military-and-security, Zugriff 19.2.2025 - USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): Country Report on Human Rights Practices 2023 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107679.html, Zugriff 20.2.2025 10. Allgemeine Menschenrechtslage Die am 18.1.2014 in Kraft getretene Verfassung bringt eine Stärkung der Menschenrechtsgarantien; die einfachgesetzliche Umsetzung bzw. behördliche Anwendungspraxis steht aber z.T. nicht im Einklang mit diesen verfassungsrechtlichen Bestimmungen. Die Menschenrechtspolitik der ägyptischen Regierung ist weiterhin stark autoritär geprägt, sowohl gegenüber islamistischer Opposition, als auch gegenüber Menschenrechtsverteidigern. Der Terrortatbestand nach dem Anti-Terrorgesetz vom 24.2.2015 ist so weit und unbestimmt, dass er unverhältnismäßige bis zur Willkür reichende staatliche Maßnahmen ermöglicht (ÖB 6.2024). Die Regierung von Präsident Abdel Fattah al-Sisi ist in ihr zweites Jahrzehnt an der Macht eingetreten, indem sie die Unterdrückung auf breiter Front fortsetzt, friedliche Kritiker und Aktivisten systematisch festnimmt und bestraft und friedliche Meinungsverschiedenheiten effektiv kriminalisiert (HRW 16.1.2025; vgl. USDOS 23.4.2024). Die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit werden massiv unterdrückt (AI 24.4.2024; vgl. USDOS 23.4.2024). Die Behörden nahmen Dutzende von Demonstranten und Aktivisten fest und verfolgten sie strafrechtlich, auch bei Demonstrationen zur Solidarität mit Palästina. Tausende von Gefangenen .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 14 von 38

bleiben unter katastrophalen Bedingungen in langwieriger Untersuchungshaft oder aufgrund von ungerechten Gerichtsverfahren verurteilt (HRW 16.1.2025; vgl. USDOS 23.4.2024). Fälle von Verschwindenlassen, Folter und anderen Misshandlungen waren weiterhin an der Tagesordnung. Gerichte verhängten Todesurteile nach grob unfairen Verfahren, die Zahl der Hinrichtungen ging jedoch zurück. Schwere Menschenrechtsverletzungen blieben weiterhin straflos, auch solche, die in den Vorjahren verübt worden waren (AI 24.4.2024; vgl. USDOS 23.4.2024). Quellen: - AI - Amnesty International (24.4.2024): Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Ägypten 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107876.html, Zugriff 18.2.2025 - HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2120073.html, Zugriff 20.2.2025 - ÖB - Österreichische Botschaft Kairo [Österreich] (6.2024): Asylländerbericht Ägypten, https://www.ecoi.net/en/file/local/2111305/AEGY_%C3%96B-Bericht_2024_06.pdf, Zugriff 18.2.2025 - USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): Country Report on Human Rights Practices 2023 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107679.html, Zugriff 20.2.2025 11. Meinungs- und Pressefreiheit Die Verfassung sieht das Recht auf freie Meinungsäußerung vor, auch für Mitglieder der Presse und anderer Medien, aber die Regierung respektiert dieses Recht häufig nicht. Menschenrechtsverteidiger, Journalisten, Aktivisten und andere werden regelmäßig strafrechtlich verfolgt und angeklagt, was Beobachter als Vergeltungsmaßnahme für Kritik an der Regierung werten (USDOS 23.4.2024). Die Meinungs- und Pressefreiheit ist jedoch stark eingeschränkt (ÖB 6.2024). Der ägyptische Mediensektor wird von regierungsfreundlichen Medien dominiert; die meisten kritischen oder oppositionellen Medien wurden nach dem Putsch 2013 geschlossen. Private Medien befinden sich im Besitz von Geschäftsleuten und Personen, die mit dem Militär und den Geheimdiensten verbunden sind. Unabhängige Berichterstattung wird durch restriktive Gesetze und Einschüchterung unterdrückt und ausländische Journalisten werden vom Staat behindert (FH 2024). Unter Präsident Abdel Fattah Al-Sisi ist Ägypten eines der Länder mit den meisten inhaftierten Journalisten geworden. Manche werden jahrelang ohne Urteil oder Anklage festgehalten, andere in Massenprozessen zu langen Haftstrafen verurteilt. Die Haftbedingungen sind in vielen Fällen nicht menschenwürdig. Kritische Journalisten werden als angebliche Unterstützer der verbotenen Muslimbruderschaft gebrandmarkt (RSF 2025). Neue Sicherheits-, Medien- und Internetgesetze legalisieren weitreichende Strafverfolgung und Zensur. Beispielsweise dürfen Journalisten nur amtliche Angaben zu Terroranschlägen veröffentlichen und müssen damit rechnen, für Berichte über Inflation oder Korruption verfolgt zu werden. Allenfalls im Internet gibt es noch begrenzte Freiräume für unabhängige Medien (RSF .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 15 von 38

2025; vgl. FH 2025), doch bis heute ist die Gesamtzahl der gesperrten Websites und Links auf 562 angestiegen, darunter mindestens 132 Links zu journalistischen Websites (FH 2024), nach anderen Angaben wurden seit 2017 mehr als 650 Websites von diversen nationalen und internationalen NGOs, Nachrichtenkanälen und Blogs gesperrt, darunter z.B. Al-Jazeera und Human Rights Watch (ÖB 6.2024). Das Gesetz enthält eine weit gefasste Definition von Terrorismus, die „jede Handlung, die der nationalen Einheit oder dem sozialen Frieden schadet“, einschließt. Menschenrechtsbeobachter stellen fest, dass die Behörden die zweideutige Definition regelmäßig nutzten, um gewaltfreie Äußerungen und gewaltfreie oppositionelle Aktivitäten durch strafrechtliche Ermittlungen und Verfolgungen zu unterdrücken (USDOS 23.4.2024). Problematisch sind die Medien treffende Bestimmung des Anti-Terrorgesetzes vom Juli 2015, wonach u.a. die Publikation von „falschen Informationen über Terroroperationen, die im Gegensatz zu offiziellen Erklärungen stehen“, mit zwei Jahren Haft bedroht ist. Es kommt immer wieder zu Verhaftungen, zu fortgesetzten Inhaftierungen ohne Rechtsgrundlage sowie auch zum „Verschwindenlassen“ von Journalisten (ÖB 6.2024). Quellen: - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Egypt. https://www.ecoi.net/de/dokument/2105018.html, Zugriff 18.2.2025 - ÖB - Österreichische Botschaft Kairo [Österreich] (6.2024): Asylländerbericht Ägypten, https://www.ecoi.net/en/file/local/2111305/AEGY_%C3%96B-Bericht_2024_06.pdf, Zugriff 18.2.2025 - RSF - Reporters sans frontières / Reporter ohne Grenzen (2025): Ägypten, https://www.reporter-ohne-grenzen.de/aegypten, Zugriff 26.2.2025 - USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): Country Report on Human Rights Practices 2023 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107679.html, Zugriff 20.2.2025 12. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition Die Verfassung garantiert Versammlungsfreiheit (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024). Das Demonstrationsgesetz enthält jedoch eine umfangreiche Liste verbotener Aktivitäten (USDOS 23.4.2024), die das Innenministerium ermächtigt, geplante Demonstrationen nach Vorlage eines offiziellen Vermerks (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024) nach Zustimmung eines Gerichts (FH 2024) zu verbieten oder einzuschränken (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024). Nicht genehmigte Versammlungen von zehn oder mehr Personen können gewaltsam aufgelöst werden. Seit Einführung des strengen Demonstrationsgesetzes im Jahr 2013 wurden Tausende von Demonstranten verhaftet, und einige inhaftierte Demonstranten wurden zum Tode verurteilt. Aufgrund dieses harten Durchgreifens sind Proteste selten (FH 2024). In den meisten Fällen setzt die Regierung das Gesetz zur Einschränkung von Demonstrationen rigoros durch und wendet in .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 16 von 38

einigen Fällen Gewalt an, auch bei kleinen Gruppen friedlicher Demonstranten (USDOS 23.4.2024). Die Verfassung garantiert Vereinigungsfreiheit (USDOS 23.4.2024), diese wird jedoch gesetzlich erheblich beschränkt (USDOS 23.4.2024; vgl. ÖB 6.2024). Quellen: - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Egypt. https://www.ecoi.net/de/dokument/2105018.html, Zugriff 18.2.2025 - ÖB - Österreichische Botschaft Kairo [Österreich] (6.2024): Asylländerbericht Ägypten, https://www.ecoi.net/en/file/local/2111305/AEGY_%C3%96B-Bericht_2024_06.pdf, Zugriff 18.2.2025 - USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): Country Report on Human Rights Practices 2023 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107679.html, Zugriff 20.2.2025 12.1. Opposition Rechtlich gesehen ist die Bildung politischer Parteien erlaubt und diese dürfen auch operieren (FH 2024; vgl. USDOS 23.4.2024). In der Praxis hingegen sind Aktivisten, Oppositionsparteien und politische Bewegungen, die das Regime kritisieren, mit Verhaftungen, harten Gefängnisstrafen, Todesurteilen, außergerichtlicher Gewalt und anderen Formen des Drucks (FH 2024) wie etwa Angriffe und Drohungen konfrontiert. Oppositionelle werden drangsaliert und eingeschüchtert (USDOS 23.4.2024). Im Februar 2024 verurteilte ein ägyptisches Gericht den prominenten Politiker Ahmed Tantawy sowie seinen Wahlkampfberater und 21 seiner inhaftierten Anhänger zu einem Jahr Haft wegen angeblicher Vergehen im Zusammenhang mit seiner Herausforderung von Präsident Sisi bei den Wahlen im Dezember 2023. Das Gericht untersagte Tantawy außerdem, fünf Jahre lang bei nationalen Wahlen zu kandidieren. Das Gerichtsurteil stützte sich ausschließlich auf Tantawys friedlichen politischen Aktivismus und die Bemühungen von Tantawys Kampagne, vor der Wahl Unterstützungserklärungen zu sammeln (HRW 16.1.2025). Parteien auf religiöser Basis sind verboten. Während einige islamistische Parteien nach wie vor in einer prekären Rechtslage agieren, wurde die Muslimbruderschaft 2013 als terroristische Organisation verboten, und ihre politische Partei wurde untersagt. Seitdem haben die Behörden ihre Mitglieder systematisch verfolgt (FH 2024). Die Menschenrechtspolitik der EG Regierung ist weiterhin stark autoritär geprägt, unter anderem gegenüber islamistischer Opposition (ÖB 6.2024) Quellen: - FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Egypt. https://www.ecoi.net/de/dokument/2105018.html, Zugriff 18.2.2025 - HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2120073.html, Zugriff 20.2.2025 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 17 von 38

- ÖB - Österreichische Botschaft Kairo [Österreich] (6.2024): Asylländerbericht Ägypten, https://www.ecoi.net/en/file/local/2111305/AEGY_%C3%96B-Bericht_2024_06.pdf, Zugriff 18.2.2025 - USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): Country Report on Human Rights Practices 2023 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107679.html, Zugriff 20.2.2025 13. Haftbedingungen Die Bedingungen in den Gefängnissen und Haftanstalten sind hart und potenziell lebensbedrohlich, da die Gefängnisse überfüllt sind und es keinen angemessenen Zugang zu medizinischer Versorgung, angemessenen sanitären Einrichtungen und Belüftung, Nahrung und Trinkwasser gibt (USDOS 23.4.2024). Die Haftbedingungen verstießen weiterhin gegen das absolute Verbot von Folter und anderen Misshandlungen. So verweigerte man Inhaftierten die medizinische Versorgung, hielt sie lange Zeit in Isolationshaft, setzte sie grellem Licht aus, überwachte sie rund um die Uhr mit Kameras und verwehrte ihnen Familienbesuche (AI 24.4.2024). Tausende von Gefangenen bleiben unter katastrophalen Bedingungen in langwieriger Untersuchungshaft oder wurden aufgrund von ungerechten Gerichtsverfahren verurteilt (HRW 16.1.2025). Berichte über die Misshandlung von Gefangenen durch das Aufsichtspersonal, einschließlich Jugendlicher in Erwachseneneinrichtungen, sind weit verbreitet. Die Haftbedingungen für Frauen sind Berichten zufolge geringfügig besser als die für Männer. Lokale und internationale Menschenrechtsgruppen schätzen ein, dass die harten Bedingungen und die Überbelegung der Gefängnisse zur Zahl der Todesfälle in Gefängnissen und Haftanstalten beitragen und dass die Untersuchungshaft über die gesetzliche Höchstdauer von zwei Jahren hinaus zur Überbelegung der Gefängnisse beiträgt (USDOS 23.4.2024). Die Regierung lässt die Überwachung durch unabhängige nichtstaatliche Beobachter nur in begrenztem Umfang zu. Das Innenministerium organisierte im Jahr 2023 für ausländische Korrespondenten, Journalisten und Delegationen verschiedener Botschaften und internationaler Organisationen begrenzte Führungen durch die neuen Einrichtungen in Wadi al-Natroun und Badr, um die Haftanstalten zu besichtigen, aber Menschenrechtsgruppen kritisierten, dass diese Führungen die Erfahrungen der Gefangenen nicht realistisch wiedergeben (USDOS 23.4.2024). Quellen: - AI - Amnesty International (24.4.2024): Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Ägypten 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107876.html, Zugriff 18.2.2025 - HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2120073.html, Zugriff 20.2.2025 - USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): Country Report on Human Rights Practices 2023 - Egypt, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107679.html, Zugriff 20.2.2025 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 18 von 38
