aeth-lib-2025-09-05-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Kampf gegen die Fano-Miliz, die OLA und Milizen in den Regionen Benishangul-Gumuz, Zentraläthiopien und Gambela werden fortgesetzt (USDOS 12.8.2025; vgl. SFH 5.2025). Bei den seit Anfang August 2023 andauernden Kampfhandlungen in Amhara und Oromia kommt es mitunter zum Einsatz schwerer Waffen (AA 20.8.2025). In der Folge eine Übersicht zu allen äthiopischen Regionen für das erste Halbjahr 2025 zur Gesamtzahl an Vorfällen mit Todesopfern sowie zur Subkategorie Violence against Civilians, in welcher auch „normale“ Morde inkludiert sind. Es bleibt zu berücksichtigen, dass es je nach Kontrolllage und Informationsbasis zu over- bzw. under-reporting kommen kann. (ACLED 18.7.2025) Reisewarnungen: Das deutsche Auswärtige Amt warnt eigene Staatsbürger vor Reisen in die Regionen Amhara, Benishangul-Gumuz, Gambela, Oromia (mit Ausnahme der Route von Addis Abeba nach Hawassa, von welcher abgeraten wird), Somali und den westlichen Teil der Region Tigray sowie ins Grenzgebiet zum Südsudan, zu Kenia und zu Eritrea (jeweils ca. 10km). Zudem wird generell von Reisen nach Äthiopien (Ausnahme: Addis Abeba) abgeraten (AA 20.8.2025). Das österreichische Außenministerium warnt hingegen vor Reisen nach Amhara, Tigray und in das Grenzgebiet von Afar zu Eritrea (Stufe 5). Für die Regionen Oromia, Gambela und Benishangul- Gumuz sowie die Grenzgebiete von Äthiopien zum Südsudan, Sudan und zu Somalia wird von einem hohen Sicherheitsrisiko berichtet (Stufe 3), für die restlichen Landesteile inkl. Addis Abeba von einem Sicherheitsrisiko (Stufe 2) (BMEIA 20.8.2025). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 8 von 44 Addis Abeba Afar Amhara Benishangul-Gumuz Dire Dawa Gambela Harar Oromia Sidama Somali Süd Südwest Tigray Zentral 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 Vorfälle mit Toten (Violence against Civilians) Vorfälle mit Toten (andere)

Demnach kommt es In Amhara und Tigray regelmäßig zu bewaffneten Auseinandersetzungen, im Grenzgebiet zwischen Äthiopien und Eritrea zu wachsenden Spannungen. Zudem können ethnisch oder religiös motivierte Unruhen jederzeit die Sicherheitslage verschärfen (BMEIA 20.8.2025). Es kann jederzeit zur Verhängung von Ausgangs- und Straßensperren und Einschränkung der Internetnutzung kommen. Auch Strom- und Internetabschaltungen kamen vor (AA 20.8.2025). Mit Demonstrationen und Ausschreitungen, unangekündigten Straßensperren und Gewaltanwendung muss im ganzen Land gerechnet werden (BMEIA 20.8.2025). Laut einer Quelle ist die Sicherheitslage außerhalb der Hauptstadt volatil. Demnach kommt es überall im Land regelmäßig zu Demonstrationen und Unruhen, oft mit Todesopfern, sowie zu Aktionen der äthiopischen Streitkräfte gegen bewaffnete Gruppen und zu Geiselnahmen bzw. Entführungen. In den Grenzgebieten zu den Nachbarländern ereignen sich immer wieder gewaltsame Zwischenfälle (AA 20.8.2025). Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Ethnien und religiösen Gruppen werden teilweise gewaltsam ausgetragen; weder die Bundesregierung noch lokale Behörden sind in allen Regionen in der Lage, Menschenrechte und demokratische Rechte beständig zu wahren (AA 19.7.2024). Addis Abeba: Laut einer Quelle ist in Addis Abeba, wo rund 3,5 Millionen Menschen aus allen ethnischen Gruppen leben, die Gewalt, welche die Provinzen erschüttert, kaum zu spüren (AI 6.1.2025). Amhara: Seit dem 4.8.2023 gilt hier der Ausnahmezustand. Die Lage bleibt volatil. An verschiedenen Orten der Region kommt es immer wieder zu Kampfhandlungen zwischen amharischen Fano-Milizen und äthiopischer Armee, auch in Städten. Es muss auch weiterhin jederzeit mit gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen lokalen Milizen und Sicherheitskräften gerechnet werden, einschließlich einer Ausweitung des Konflikts auf benachbarte Regionen (AA 20.8.2025). Die Fano sind eine ethno-nationalistische Gruppe, die vorgeben, alle Amharen zu repräsentieren (TNH 12.11.2024). Bei diesen Milizen handelt es sich um eine weitgehend autonome Gruppe, allerdings ohne zentrales Kommando (Al Arabiya 3.4.2025). Die Gruppe genießt bei den Amharen auch weitgehend Unterstützung (TNH 12.11.2024; vgl. AP 11.4.2025). Die Fano rekrutieren desillusionierte amharische Jugendliche und desertierte Soldaten (AP 11.4.2025). Im Krieg gegen die TPLF und Tigray kämpften die Fano auf der Seite anderer Kräften der Region Amhara und der Bundesarmee. Sie waren auch maßgeblich an der ethnischen Säuberung von West- und Südtigray beteiligt (TNH 12.11.2024; vgl. AP 11.4.2025). Der Ausschluss der amharischen Fano-Milizen von den Friedensverhandlungen zwischen Regierung und der TPLF hat die Beziehungen zwischen diesen Milizen und der Regierung verschärft (SFH 5.2025; vgl. TNH 12.11.2024; AP 11.4.2025). Die Amharen empfinden den Frieden als Verrat (AI 6.1.2025). Der im .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 9 von 44

April 2023 folgende Versuch der Regierung, die regionalen amharischen Spezialkräfte aufzulösen, hat dann endgültig zum Konflikt zwischen den Streitkräften der Bundesregierung und den Fano- Milizen geführt (UKHO 6.2025). Ein Großteil der regionalen amharischen Kräfte trat den Fano bei (TNH 12.11.2024). Zwischen den Milizen und der Armee kam es ab dann zu Zusammenstößen bzw. Scharmützeln in Amhara. Im August 2023 führten die Fano dann aber einen großangelegten Angriff, um die wichtigsten Städte der Region unter ihre Kontrolle zu bringen, was kurzzeitig auch gelungen ist (SFH 5.2025; vgl. UKHO 6.2025, AP 11.4.2025). Als Reaktion darauf erklärte die äthiopische Regierung am 4.8.2023 den Ausnahmezustand in Amhara. Trotz der offiziellen Aufhebung des Ausnahmezustands im Juni 2024 (SFH 5.2025; vgl. UKHO 6.2025) bleibt die Sicherheitslage instabil. Der Ausnahmezustand führte zu Menschenrechtsverletzungen gegen die Bevölkerung, darunter außergerichtliche Hinrichtungen, Vergewaltigungen, Folter und willkürliche Inhaftierungen durch Regierungssicherheitskräfte (SFH 5.2025). Quellen schätzen, dass es zwischen April 2023 und April 2025 in der Region Amhara mindestens 7.700 Todesopfer durch den Konflikt gegeben hat; dies entspricht 0,03 % der geschätzten 23 Millionen Einwohner. Sowohl die Regierungstruppen als auch die Fano haben Menschenrechtsverletzungen begangen (UKHO 6.2025). Es kommt auch im Jahr 2025 zu bewaffneten Zusammenstößen (SFH 5.2025; vgl. UKHO 6.2025) – v.a. in ländlichen Gebieten (SFH 5.2025). Dabei haben sich Kämpfe zwischen der Armee und den Fano-Milizen auf alle Gebiete der Region Amhara ausgeweitet. Die meisten Gefechte ereigneten sich in Nord-Shewa, Ost-Gojam, West-Gojam, Süd-Gondar, West-Gondar, Awi, der Oromo-Sonderzone und Nord-Wello (UKHO 6.2025). Insgesamt wird der Konflikt in Amhara derzeit zum großen Teil im ländlichen Raum geführt (TNH 12.11.2024) – als Guerillakrieg mit sogenannten Hit-and-Run-Angriffen, Checkpoints an wichtigen Straßen und fallweisem Eindringen in größere Stadtgebiete (AP 11.4.2025). Die Fano sind in ländlichen Gebieten konzentriert und kontrollieren diese (UKHO 6.2025; vgl. TNH 12.11.2024). Gemäß Fano kontrolliert die Gruppe rund 80% von Amhara, die Regierung hingegen die wichtigsten Städte und Straßen (TNH 12.11.2024). Die Regierung hat hingegen im April 2025 angegeben, mehr als die Hälfte Amharas „befreit“ zu haben (AP 11.4.2025). Die Milizen blockieren jedenfalls die Hauptstraßen und lähmen das Land (AI 6.1.2025). Es kommt aber häufig auch zu Gefechten mit der Armee um die Kontrolle über Städte (UKHO 6.2025; vgl. TNH 12.11.2024), sogar in Bahir Dar und Gonder (AI 6.1.2025). Dort führen die Milizen zudem opportunistische Angriffe durch, die sich insbesondere gegen Politiker und Beamte richten (UKHO 6.2025). Erst im April 2025 haben die Fano ihre Angriffe auf Sicherheitskräfte verstärkt, und es ist ihnen mehrmals gelungen, Städte in Amhara kurzzeitig einzunehmen (Al Arabiya 3.4.2025). Auf Vorstöße in Städte reagieren die Sicherheitskräfte mit Gewalt – auch gegen .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 10 von 44

Zivilisten (TNH 12.11.2024). Bei Luftangriffen der äthiopischen Regierung auf die Fano-Milizen kommt es wiederholt zu Opfern unter Zivilisten (BAMF 31.12.2024). Darüber hinaus kam es entlang der Grenze von Amhara und Oromia sowie in Nord-Shoa in der Oromo-Sonderzone zu Zusammenstößen zwischen Fano-Milizen und der Oromo Liberation Army (OLA) (UKHO 6.2025). Benishangul: In der Region Benishangul finden seit Jahren bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen lokalen Milizen und äthiopischen Streitkräften statt (AA 20.8.2025). Gambela: In Gambela bleibt die Lage angespannt, es kommt immer wieder zu sicherheitsrelevanten Zwischenfällen (AA 20.8.2025). Oromia: In der Region kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Oromo Liberation Army (OLA) und den äthiopischen Streitkräften (AA 20.8.2025; vgl. SFH 5.2025). Im Frühjahr 2024 hat die Regierung ihre Militäraktion gegen die OLA wieder aufgenommen (SFH 5.2025). Immer wieder gibt es Straßensperren, Überfälle auf Fahrzeuge sowie Entführungen. Es besteht das Risiko einer Ausweitung des Konflikts in der Region Amhara auf die Region Oromia. 2025 ist es zu Kämpfen unter Beteiligung von Fano-Milizen in an Amhara angrenzenden Teilen von Oromia gekommen (AA 20.8.2025). In allen Teilen Oromias besteht ein Risiko von Überfällen und Entführungen. Im Westen sind einzelne Ortschaften und Straßenabschnitte unter Kontrolle bewaffneter Milizen. In den Grenzregionen zwischen Oromia und Amhara kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den zwei Ethnien (BMEIA 20.8.2025). Die Bevölkerung leidet unter Angriffen und Bedrohungen durch Regierungskräfte, Aufständische und kriminelle Gruppen (SFH 5.2025). Somali: Der bewaffnete Konflikt zwischen äthiopischen Streitkräften und bewaffneten Gruppen, der Zustrom somalischer Flüchtlinge sowie Infiltrationsversuche und Angriffe islamischer Fundamentalisten (u.a. al Shabaab) stellen erhebliche Risikofaktoren dar. Größere Truppenbewegungen erfolgen auch grenzüberschreitend (AA 20.8.2025). Tigray: Im Jahr 2020 brach ein militärischer Konflikt zwischen der TPLF und der äthiopischen Regierung aus. Der Konflikt war von Gräueltaten aller Parteien geprägt (CIA 13.8.2025). 2022 haben sich beide Seiten auf eine dauerhafte Waffenruhe zur Beilegung des Tigray-Konflikts geeinigt (AA 20.8.2025; vgl. CIA 13.8.2025). Die TPLF stellt die vertraglich vereinbarte Übergangsregierung in der Region Tigray (BBC 16.5.2025). Zwischen 2020 und 2022 sind in Tigray mindestens 600.000 Menschen getötet worden (Al Arabiya 3.4.2025). Verzögerungen bei der Umsetzung des Friedensvertrags und die Tatsache, dass über eine Million IDPs immer noch nicht in ihre Heimat zurückkehren konnten, geben Anlass zur Sorge vor neuerlicher Gewalt in Tigray (BBC 16.5.2025). Aktuell kommt es zu erhöhten Spannungen .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 11 von 44

zwischen verschiedenen politischen Fraktionen in Tigray (AA 20.8.2025; vgl. BMEIA 20.8.2025). Seit einem internen Machtkampf in der TPLF ab März 2025 sind bewaffnete Zusammenstöße, Morde, Warteschlangen vor Banken und eine Atmosphäre der Angst in Tigray alltäglich (SFH 5.2025). Im Mai 2025 hat die Bundesregierung die TPLF aus dem Parteienregister entfernt und damit von der Teilnahme an Wahlen ausgeschlossen, vorgeblich, weil diese keine Generalversammlung abgehalten hat (BBC 16.5.2025). Gewaltsame Zusammenstöße können nicht ausgeschlossen werden (AA 20.8.2025; vgl. BMEIA 20.8.2025). Die Lage ist sehr volatil. Das westliche Gebiet von Tigray ist zwischen Amhara und Tigray umstritten und wird derzeit von amharischen Milizen kontrolliert (AA 20.8.2025; vgl. SFH 5.2025). Obwohl der Vertrag Westtigray bei Tigray belässt, sind die Armee und v.a. amharische Fano-Milizen im westlichen Teil des Bundesstaats immer noch präsent. Die Amharen wollen Westtigray ihrem Bundesstaat hinzufügen (AI 6.1.2025). Im Norden von Tigray sind eritreische Truppen präsent und begehen Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt gegen Frauen und Mädchen, Entführungen und Plünderungen von zivilem Eigentum (SFH 5.2025). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (20.8.2025): Äthiopien: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/aethiopien-node/ aethiopiensicherheit-209504?isLocal=false&isPreview=false, Zugriff 20.8.2025 - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (19.7.2024): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien (Stand:März 2024), https://www.ecoi.net/en/file/local/2113360/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Äthiopien,_19.07.2024.pdf, Zugriff 20.8.2025 - ACLED - Armed Conflict Location and Event Data (18.7.2025): Curated Data - Africa (18 July 2025), https://acleddata.com/curated-data-files/, Zugriff 20.7.2025 [Login erforderlich] - ADA - Austrian Development Agency [Österreich] (2.2025): Länderinformation – Äthiopien, https://www.entwicklung.at/fileadmin/user_upload/Dokumente/Laenderinformationen/ Aethiopien_2025.pdf, Zugriff 20.8.2025 - AI - Amnesty International (6.1.2025): Frieden ist anderswo, https://www.amnesty.de/aethiopien-tigray-bewaffneter-konflikt-vertreibung-kaempfe-repression- frieden-ist-anderswo, Zugriff 1.9.2025 - Al Arabiya (3.4.2025): ‘Many killed’ in restive central Ethiopia: Local official, https://english.alarabiya.net/News/world/2025/04/03/-many-killed-in-restive-central-ethiopia- local-official, Zugriff 2.9.2025 - AP - Associated Press (11.4.2025): Is Ethiopia at war again? A look at the rebellion in one of its most powerful regions, https://apnews.com/article/ethiopia-amhara-fano-insurgency- rebels-6108686ebbffee1458f71269380346fc, Zugriff 2.9.2025 - BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (31.12.2024): Briefing Notes Zusammenfassung – Äthiopien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2120368/ETH_Juli- Dezember2024_de.pdf, Zugriff 20.8.2025 - BBC News (16.5.2025): Tigray party says ban threatens Ethiopia peace deal, https://www.bbc.com/news/articles/czxykqdlkego, Zugriff 2.9.2025 - BMEIA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (20.8.2025): Reiseinformation – Äthiopien, https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/aethiopien/, Zugriff 20.8.2025 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 12 von 44

- CIA - Central Intelligence Agency [USA] (13.8.2025): The World Factbook – Ethiopia, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/ethiopia/#transnational-issues, Zugriff 20.8.2025 - SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (5.2025): Factsheet Äthiopien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2127599/250513_ETH_Factsheet_DE_Web.pdf, Zugriff 2.9.2025 - TNH - The New Humanitarian / Simon Vera (12.11.2024): Who is Fano? Inside Ethiopia’s Amhara rebellion, https://www.thenewhumanitarian.org/news-feature/2024/11/12/who-fano- inside-ethiopia-amhara-rebellion, Zugriff 1.9.2025 - UKHO - UK Home Office [Großbritannien] (6.2025): Country Policy and Information Note Ethiopia: Amhara and Amhara opposition groups [Version 1.0], https://www.ecoi.net/en/file/local/2127107/ETH_CPIN_Amhara_and_Amhara_opposition_group s.pdf, Zugriff 20.8.2025 - USDOS - US Department of State (12.8.2025): 2024 Country Reports on Human Rights Practices: Ethiopia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2128504.html, Zugriff 20.8.2025 4. Rechtsschutz / Justizwesen Die Verfassung und das Gesetz sehen eine unabhängige Justiz vor (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2025). Das demokratische Gleichgewicht zwischen Legislative, Exekutive und Judikative ist in Äthiopien allerdings wenig ausgeglichen (ADA 2.2025). Die Regierung achtet die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz nicht immer (USDOS 23.4.2024; vgl. AA 19.7.2024). Die Gerichte sind politischen Eingriffen ausgesetzt und verfügen in der Praxis nicht über die ihnen zustehende Autonomie. Richter, die versuchen, ihre Unabhängigkeit zu wahren, müssen mit der Entfernung aus ihren Verfahren oder sogar mit einer Verhaftung rechnen. Auch Staatsanwälte stehen unter dem Druck der Politik (FH 2025). Zudem hält sich die Exekutive oft nicht an Gerichtsurteile (AA 19.7.2024). Während die Zivilgerichte weitgehend unabhängig arbeiten, sind die Strafgerichte schwach und überlastet (USDOS 23.4.2024). Jüngste Reformen haben strukturelle Mängel und institutionelle Vorurteile weiter verschärft, beispielsweise die ausschließliche Zuständigkeit von Militärgerichten für Verbrechen, an denen Militärangehörige beteiligt sind. Dies widerspricht internationalen Standards und untergräbt die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft. Dabei tragen schon die ordentlichen Gerichte zur Straflosigkeit der Sicherheitskräfte bei, insbesondere im Zusammenhang mit der Behandlung politischer Gefangener (FH 2025). Struktur, traditionelles und religiöses Recht: Es gibt Bundeshöchstgerichte und Bundesgerichte erster Instanz; zwei Instanzen in jedem Regionalstaat; Schariagerichte; und traditionelle Gerichte (CIA 13.8.2025). Die Verfassung erkannte sowohl religiöse als auch traditionelle Gerichte an (USDOS 23.4.2024). Das Gesetz gestattet es Schariagerichten, über Personenstandsfälle zu entscheiden, sofern beide Parteien Muslime sind und der Zuständigkeit des Gerichts zustimmen (USDOS 26.6.2024). Viele Landbewohner haben kaum Zugang zu formellen Justizsystemen und verlassen sich i.d.F. zur Konfliktlösung auf traditionelle Mechanismen. Laut Gesetz müssen alle Streitparteien der .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 13 von 44

Anrufung eines traditionellen oder religiösen Gerichts zustimmen, bevor ein solches Gericht einen Fall verhandeln kann. Jede Partei kann jederzeit Berufung bei einem regulären Gericht einlegen. Schariagerichte werden v.a. in den überwiegend muslimischen Regionen Somali und Afar herangezogen. Andere traditionelle Rechtssysteme wie Ältestenräte arbeiten überwiegend in ländlichen Gebieten (USDOS 23.4.2024). Verfahrensrechte in der Praxis: Das Recht auf ein faires Verfahren wird im Allgemeinen nicht geachtet (FH 2025). Die Polizei hat wiederholt faire öffentliche Gerichtsverfahren verhindert, u.a. durch Schikanen und Inhaftierungen von Verteidigern (USDOS 23.4.2024). Menschen in den Konfliktgebieten genießen generell de facto kaum Rechtsschutz (FH 2025). Vielerorts werden Menschen ohne Haftbefehl festgenommen. Derart Inhaftierte dürfen mitunter ihre Rechte nicht wahrnehmen, z.B. die Rechte auf Zugang zu rechtlicher Vertretung und auf eine Anhörung vor Gericht (AI 29.4.2025). Tausenden von Verdächtigen, insbesondere denjenigen, die im Konfliktgebieten inhaftiert worden sind, wird grundlegender Rechtsschutz vorenthalten. Sie werden unrechtmäßig und über lange Zeiträume ohne ordnungsgemäßes Verfahren in Haft gehalten und sind dort Folter sowie anderen grausamen und unmenschlichen Behandlungen und Strafen ausgesetzt (OMCT 4.2024). Der Staat stellt mittellosen Angeklagten einen Rechtsbeistand bei, Berichten zufolge sind aber Umfang und Qualität der Leistungen aufgrund des herrschenden Anwaltsmangels unzureichend. Daneben gibt es zahlreiche kostenlose Rechtsberatungsstellen, v.a. an Universitäten (USDOS 23.4.2024). Langwierige Gerichtsverfahren, eine große Zahl von Inhaftierten, Ineffizienz in der Justiz und Personalmangel führten häufig zu Prozessverzögerungen, die sich in manchen Fällen über Jahre hinzogen (USDOS 12.8.2025). Das in der Verfassung verankerte Recht, nach der Verhaftung innerhalb von 48 Stunden einem Richter vorgeführt zu werden, wird u.a. wegen Überlastung der Justiz häufig nicht umgesetzt (AA 19.7.2024). Die Polizei missachtet seit langem gerichtliche Anordnungen zur Freilassung gegen Kaution, insbesondere bei prominenten Häftlingen (HRW 12.6.2025; vgl. OMCT 4.2024, USDOS 12.8.2025). Gerade politischen Gefangenen wird oftmals seitens der Exekutive ihr von Gerichten zugestandenes Recht auf Kaution verweigert (OMCT 4.2024). So werden z.B. die Journalisten Dawit Begashaw und Genet Asmamaw weiter in Haft gehalten, obwohl Gerichte ihnen wiederholt Kaution zugestanden haben (USDOS 12.8.2025). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (19.7.2024): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien (Stand:März 2024), https://www.ecoi.net/en/file/local/2113360/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Äthiopien,_19.07.2024.pdf, Zugriff 20.8.2025 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 14 von 44

- ADA - Austrian Development Agency [Österreich] (2.2025): Länderinformation – Äthiopien, https://www.entwicklung.at/fileadmin/user_upload/Dokumente/Laenderinformationen/ Aethiopien_2025.pdf, Zugriff 20.8.2025 - AI - Amnesty International (29.4.2025): Amnesty Report 2024/25: Zur Lage der Menschenrechte weltweit; Äthiopien 2024, https://www.ecoi.net/de/dokument/2124777.html, Zugriff 20.8.2025 - CIA - Central Intelligence Agency [USA] (13.8.2025): The World Factbook – Ethiopia, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/ethiopia/#transnational-issues, Zugriff 20.8.2025 - FH - Freedom House (2025): Freedom in the World 2025 – Ethiopia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2129041.html, Zugriff 4.9.2025 - HRW - Human Rights Watch (12.6.2025): Ethiopia Should Immediately Release Prominent Journalist, https://www.ecoi.net/de/dokument/2126241.html, Zugriff am 1.9.2025 - HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 – Ethiopia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2120077.html, Zugriff 20.8.2025 - OMCT - World Organisation Against Torture (4.2024): Broken promises: escalating human rights violations in Ethiopia, https://www.omct.org/site-resources/files/OMCT-EHRCO- UPR47_ETHIOPIA.pdf, Zugriff 1.9.2025 - USDOS - US Department of State (12.8.2025): 2024 Country Reports on Human Rights Practices: Ethiopia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2128504.html, Zugriff 20.8.2025 - USDOS - US Department of State [USA] (26.6.2024): 2023 Report on International Religious Freedom: Ethiopia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2111862.html, Zugriff 20.8.2025 - USDOS - US Department of State (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Ethiopia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107690.html, Zugriff 4.9.2025 5. Sicherheitsbehörden Sowohl Bundes- als auch regionale Polizeikräfte sind als Exekutive für die Strafverfolgung zuständig. Die Bundespolizei ist dem Büro des Premierministers gegenüber verantwortlich. 2018 wurde die Republikanischen Garde als eigenständige Militäreinheit eingerichtet Sie ist operativ dem Büro des Premierministers unterstellt, administrativ dem Verteidigungsministerium. Sie ist für den Schutz hochrangiger Beamter und Regierungsinstitutionen sowie für die Durchführung einiger Militäroperationen zuständig (CIA 13.8.2025). Der äthiopische Geheimdienst NISS (National Intelligence and Security Service) ist als Sicherheits- und Abwehrbehörde gut aufgestellt und verfügt über ein funktionierendes Netz an Zuträgern in allen Bereichen des privaten und öffentlichen Lebens (AA 19.7.2024). Auch die Armee leistet fallweise Unterstützung bei der inneren Sicherheit (CIA 13.8.2025). Die Streitkräfte wurden in den letzten Jahren u.a. mit dem Ziel umstrukturiert, sie von Aufgaben der inneren Sicherheit, die der Polizei obliegen und für die die Streitkräfte nicht ausgebildet sind, zu entbinden. Dies ist noch nicht landesweit umgesetzt. In einigen Regionen (Oromia, Somali Region/Ogaden, Gambela, Sidamo) werden weiterhin auch Militäreinheiten bei Unruhen oder der Bekämpfung krimineller Handlungen oder terroristischer Banden eingesetzt (AA 19.7.2024). Regionalregierungen haben vormals regionale Sicherheitskräfte unterhalten (u.a. paramilitärische Spezialkräfte), die i.d.R. unabhängig von der Bundesregierung agiert haben. Im April 2023 hat die Bundesregierung dann die Integration dieser Regionalkräfte in die Bundespolizei bzw. in die .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 15 von 44

Bundesarmee angeordnet. In einigen Fällen haben sich Regionalregierungen ehemalige Angehörige der Spezialkräfte als sogenannte „crowd control“ (Adma Bitena), als separate Einheit innerhalb ihrer Sicherheitsstrukturen beibehalten (CIA 13.8.2025). Neben den staatlichen bzw. regionalen Polizeibehörden gibt es in vielen Regionen staatliche Milizen. Dies sind von Gemeindevertretern ausgewählte bewaffnete Personen, die ehrenamtlich militärische und Polizeidienste leisten und Polizeiaufgaben in (teilweise sehr entlegenen) ländlichen Gebieten erfüllen. In manchen Fällen wurden Milizen auch im Kampf gegen bewaffnete Rebellen eingesetzt (AA 19.7.2024). Zudem operieren lokale Milizen landesweit lose oder in unterschiedlich gut ausgeprägter Abstimmung mit regionalen Sicherheits- und Polizeikräften, der Armee oder der Polizei (CIA 13.8.2025). Die Sicherheitsbehörden nehmen in Äthiopien eine starke Position ein. Gleichzeitig sind sie in Menschenrechtsfragen oftmals schlecht ausgebildet, schlecht ausgerüstet und besitzen ungenügende Kenntnis der gesetzlichen Vorschriften. Gewalt wird teilweise unverhältnismäßig eingesetzt (AA 19.7.2024). Die Behörden unternehmen keine nennenswerten Anstrengungen, um Sicherheitskräfte, die für Verbrechen unter dem Völkerrecht verantwortlich gemacht werden, zur Rechenschaft zu ziehen. Sie leugnen Verbrechen, die von Menschenrechtsorganisationen dokumentiert worden sind (AI 29.4.2025). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (19.7.2024): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Äthiopien (Stand:März 2024), https://www.ecoi.net/en/file/local/2113360/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Äthiopien,_19.07.2024.pdf, Zugriff 20.8.2025 - AI - Amnesty International (29.4.2025): Amnesty Report 2024/25: Zur Lage der Menschenrechte weltweit; Äthiopien 2024, https://www.ecoi.net/de/dokument/2124777.html, Zugriff 20.8.2025 - CIA - Central Intelligence Agency [USA] (13.8.2025): The World Factbook – Ethiopia, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/ethiopia/#transnational-issues, Zugriff 20.8.2025 6. Folter und unmenschliche Behandlung Gesetzeslage: Äthiopien hat diverse internationale Abkommen ratifiziert, die sich gegen Folter und unmenschliche oder erniedrigende Behandlung richten (BAMF 2.1.2025; vgl. AA 19.7.2024). Allerdings ist Folter im äthiopischen Gesetz immer noch nicht definiert und entsprechend auch nicht ordentlich kriminalisiert (OMCT 4.2024). Nach anderen Angaben verbietet die Verfassung Folter (AA 19.7.2024; vgl. USDOS 12.8.2025). Verbreitung, Täter, Opfer: Die Verbreitung von Folter durch die Regierung und andere Akteure wird von glaubwürdigen Quellen bestätigt. Die äthiopische Menschenrechtskommission hat in ihren Berichten die Allgegenwärtigkeit von Folter im Land dargelegt (OMCT 4.2024). Es handelt sich .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 16 von 44

dabei um ein systematisches und weit verbreitetes Problem. Gefoltert wird nicht nur aber insbesondere während der Untersuchungshaft (AA 19.7.2024). Es gibt zahlreiche, anhaltende und übereinstimmende Behauptungen über die routinemäßige Anwendung von Folter durch Polizei, Gefängnispersonal und Armee (AA 19.7.2024; vgl. USDOS 12.8.2025). Neben Regierungskräften beteiligen sich in den Regionen Amhara, Oromia und Tigray auch Milizen an Folter und der Misshandlung von Zivilisten und gefangenen Kombattanten (USDOS 12.8.2025). Von Folter betroffen sind insbesondere politische Dissidenten und Mitglieder von Oppositionsparteien, Studenten, mutmaßliche Terrorismusverdächtige und aufständische Gruppen (AA 19.7.2024). Von Folter durch nicht-staatliche Akteure betroffen sind u.a. Zivilisten im Westen Tigrays, die hauptsächlich aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit gefoltert und misshandelt werden. Andernorts werden gefangene Soldaten und Kämpfer sowie zivile Familienangehörige von Kombattanten oder Regierungsbeamten und Personen, die verdächtigt werden, Kombattanten oder Regierungsbeamte zu unterstützen, gefoltert. Auch andernorts setzen Armee und regionale Polizei im Rahmen von Konflikten exzessiv tödliche Gewalt gegen Zivilisten ein, so z.B. in Oromia, wo von außergerichtlicher Tötung, Folter und willkürlicher Verhaftung berichtet wird. Aus Westtigray kommen Berichte über weitverbreitete Tötungen von Zivilisten, Massenvertreibungen, ethnische Säuberungen, Vergewaltigungen und andere Formen der Gewalt gegen Frauen und Mädchen durch Milizen der Amharen und mit ihnen verbündeten Gruppen. Es gibt auch Berichte über weitverbreitete rechtswidrige Tötungen von Zivilisten und Regierungsbeamten in den Regionen Amhara und Oromia und anderswo, u.a. durch die OLA und die Fano-Miliz der Amharen. Lokale Milizen in den Regionen Afar, Amhara, Oromia, Gambela und Somali verüben Angriffe und Tötungen von Zivilisten und haben Tausende vertrieben (USDOS 12.8.2025). Praxis: Zu dieser von den Sicherheitskräften verübten Gewalt gehören auch Vergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt. Zudem kommt es zu anderen Formen von Folter und Misshandlung sowie zu Hinrichtungen (AA 19.7.2024). So sind etwa seit 2018 immer wieder Oromo-Aktivisten und -Politiker ermordet worden, als möglicher Täter gilt die Regierung (AI 6.1.2025). Aber gerade auch hinsichtlich des anhaltenden bewaffneten Konflikts in Amhara gibt es Berichte über Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und internationale Menschenrechtsnormen. Dort wurden Tötungen von Zivilisten dokumentiert, darunter auch außergerichtliche Hinrichtungen. So wurden z.B. nach bewaffneten Zusammenstößen zwischen der Armee und amharischen Fano-Milizen in der Stadt Merawi am 29.1.2024 – nachdem sich die Fano aus der Stadt zurückgezogen hatte – Zivilisten von Soldaten aus Häusern, Geschäften und von der Straße geholt und zu Dutzenden erschossen (AI 29.4.2025). Es gibt auch Berichte zu Auspeitschung oder zum Bedecken von Köpfen mit mit Pfefferpulver gefüllten Plastiksäcken, was .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 17 von 44
