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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
2. COVID-19 Brasilien hat am 21.5.2023 alle COVID-19 bedingten Einreiseregeln aufgehoben. Die Einreise ist für Reisende, Ausländer und Brasilianer, ohne jegliche Nachweise möglich (WKO 12.6.2023; vgl. BMEIA 22.6.2023). Es bestehen derzeit keine COVID-19-bedingten Beschränkungen für die Ausreise. In medizinischen Einrichtungen besteht weiterhin die Pflicht zum Tragen eines Mund- Nasen-Schutzes (AA 16.6.2023). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (16.6.2023): Brasilien: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/brasiliensicherheit/201092, Zugriff 12.7.2023 -BMEIA - Bundesministerium Europäische und internationale Angelegenheiten (22.6.2023): Brasilien (Föderative Republik Brasilien), https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/brasilien/, Zugriff 12.7.2023 -WKO - Wirtschaftskammer Österreich (12.6.2023): Coronavirus: Situation in Brasilien - Aktuelle Lage und Info-Update, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-situation-in- brasilien.html, Zugriff 12.7.2023 3. Politische Lage Brasilien ist eine präsidiale Bundesrepublik. Sie besteht aus Bund, Bundesstaaten und Kommunen. Die gesetzgebende Gewalt übt der Nationalkongress aus (Abgeordnetenkammer und Senat). Die 513 Abgeordneten werden für vier Jahre, die 81 Senatoren für acht Jahre gewählt. Der Präsident wird mit einer absoluten Mehrheit der Stimmen für vier Jahre direkt vom Volk gewählt (AA 26.5.2023; vgl. FH 2023). Brasilien ist eine Demokratie, in der von Wettbewerb geprägte Wahlen abgehalten werden, und die politische Arena ist, obwohl polarisiert, durch eine lebhafte öffentliche Debatte gekennzeichnet. Die brasilianischen Wahlgesetze werden im Allgemeinen gut durchgesetzt. Das TSE (The Superior Electoral Court – Oberstes Wahlgericht) hat den Vorsitz in Fällen von Verstößen gegen das Wahlrecht (FH 2023). Brasilien gliedert sich in 26 Bundesstaaten und den Bundesdistrikt Brasília. Die Bundesstaaten besitzen eigene Verfassungen und Gesetze. Die Regierungschefs der Bundesstaaten, die Gouverneure, werden für vier Jahre direkt gewählt. Die letzten Präsidentschafts-, Gouverneurs- und Parlamentswahlen fanden im Oktober 2022 statt (AA 26.5.2023). Der im Oktober 2022 neu gewählte Staatspräsident Luiz Inácio Lula da Silva (genannt: Lula) trat am 1.1.2023 sein Amt an (AA 26.5.2023; vgl. FH 2023). Nach zwei Amtszeiten von 2003-2011 ist er damit zum dritten Mal Staatspräsident Brasiliens (AA 26.5.2023). Brasilien stand 2022 im Bann des Präsidentenwahlkampfs zwischen Ex-Präsident Luis Inácio Lula da Silva und dem amtierenden Präsidenten Jair Bolsonaro, den Lula mit hauchdünnem Vorsprung in der Stichwahl .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 6 von 20

für sich entscheiden konnte. Bei den gleichzeitig abgehaltenen Kongress- und Gouverneurswahlen ist es jedoch zu einem deutlichen Rechtsruck gekommen, weshalb sich der linksgerichtete Lula für neue Gesetzesvorhaben Koalitionspartner suchen muss, wodurch sein Handlungsspielraum stark eingeschränkt ist (WKO 2.5.2023). Brasilien steht vor großen Herausforderungen: Das Land wurde von der COVID-19-Pandemie sehr schwer getroffen, mit Auswirkungen unter anderem im Bildungs- und Sozialsektor. Verbesserungen beim Umwelt- und Klimaschutz, Reformen im Bereich Steuer und Öffentlicher Dienst stehen ebenfalls an (AA 26.5.2023). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.5.2023): Brasilien: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/brasilien-node/politisches-portraet/ 213604, Zugriff 12.7.2023 -FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Brazil, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088496.html, Zugirff 12.7.2023 - WKO - Wirtschaftskammer Österreich (2.5.2023): Brasilien: Wirtschaftslage, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-brasilianische-wirtschaft.html, Zugriff 18.7.2023 4. Sicherheitslage Das Land kann als relativ stabil bezeichnet werden (EDA 27.6.2023). Die innenpolitische Lage ist jedoch stark polarisiert. Aufgrund sozialer, wirtschaftlicher und politischer Spannungen kommt es immer wieder zu Demonstrationen und Streiks, die zu Straßenblockaden und Behinderungen im Transportwesen führen können (AA 16.6.2023 vgl. EDA 27.6.2023). Demonstrationen verlaufen meist gewaltfrei. Dennoch können Sachbeschädigungen, Plünderungen und gewalttätigen Ausschreitungen nicht ausgeschlossen werden (BMEIA 22.6.2023). Die Kriminalitätsrate und die Gefahr, Opfer eines Raubüberfalls oder eines anderen Gewaltverbrechens zu werden, sind in Brasilien hoch (AA 16.6.2023; vgl. EDA 27.6.2023), besonders in den Großstädten wie Belém, Fortaleza, Maceio, Porto Alegre, Recife, Rio de Janeiro, Salvador, São Luiz und São Paulo. Dort wiederum sind Armensiedlungen (Favelas) besonders stark betroffen. Die Favelas von Rio de Janeiro waren zuletzt immer wieder von Gewaltakten, z. T. mit Todesfolge betroffen. Favelas werden teilweise von Kriminellen und Drogenbanden kontrolliert (AA 16.6.2023). Bewaffneten Auseinandersetzungen, auch mit der Polizei, fallen häufig auch Unbeteiligte zum Opfer (AA 16.6.2023; vgl. EDA 27.6.2023), und haben im ganzen Land stark zugenommen. Gewalttaten können von organisierten Banden oder von Einzelpersonen ausgehen (EDA 27.6.2023). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 7 von 20

Hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3) in den Grenzgebieten zu Venezuela. Es kann zu kurzfristigen Grenzschließungen kommen. Sicherheitsstufe 2 im Rest des Landes (BMEIA 22.6.2023). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (16.6.2023): Brasilien: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/brasiliensicherheit/201092, Zugriff 12.7.2023 - BMEIA - Bundesministerium Europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (22.6.2023): Brasilien (Föderative Republik Brasilien), https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/brasilien/, Zugriff 12.7.2023 -EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelgenheiten [Schweiz] (27.6.2023): Reisehinweise für Brasilien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und- reisehinweise/brasilien/reisehinweise-fuerbrasilien.html#edadb3cd3, Zugriff 12.7.2023 5. Rechtsschutz / Justizwesen Die Verfassung gewährleistet die Unabhängigkeit der Justiz, und die Regierung respektierte üblicherweise die richterliche Unabhängigkeit (USDOS 20.3.2023) bzw. ist die Justiz in vielen Teilen des Landes auch weitgehend unabhängig (FH 2023). Sie ist jedoch überlastet, ineffizient (FH 2023) und unterliegt häufig Einschüchterungen und ist anderen äußeren Einflüssen ausgesetzt, insbesondere in ländlichen Gebieten (FH 2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Ungeachtet dieser Mängel hat die fortschrittliche Verfassung des Landes zu einer aktiven Justiz geführt, die häufig zugunsten der Bürger und nicht zugunsten des Staates entscheidet (FH 2023). Die Justiz setzt sich im Allgemeinen für das Recht auf ein faires Verfahren ein. Allerdings sind die Bundes-, Staats- und Berufungsgerichte stark überlastet (FH 2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Der Zugang zur Justiz ist aufgrund der Einkommensungleichheit sehr unterschiedlich, und der Staat kämpft damit, Angeklagten und Gefangenen, die sich keinen Anwalt leisten können, einen Rechtsbeistand zur Verfügung zu stellen. Nach einem Gesetz aus dem Jahr 2017 können Angehörige der Streitkräfte und der Militärpolizei, die bestimmter schwerer Verbrechen gegen Zivilisten beschuldigt werden, vor Militärgerichten und nicht vor Zivilgerichten verhandelt werden. Bei der großen Mehrheit der Tötungsdelikte durch die Polizei gibt es kein ordentliches Verfahren (FH 2023). Der Oberste Gerichtshof dient als autonomes Gegengewicht zur Exekutive. Die Spannungen blieben auch im Jahr 2022 hoch, wobei [Anm.: Nunmehr Ex-Präsident] Bolsonaro häufig Drohungen gegen das Gericht aussprach. Bolsonaro hat eine feindselige Haltung gegenüber den Richtern des Obersten Gerichtshofs beibehalten (FH 2023). Quellen: .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 8 von 20

-FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Brazil, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088496.html, Zugirff 12.7.2023 -USDOS - U.S. Department of State (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Brazil, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089460.html, Zugriff 13.7.2023 6. Sicherheitsbehörden Die drei nationalen Polizeikräfte - die föderale Polizei, die föderale Autobahnpolizei und die föderale Eisenbahnpolizei - sind für die innere Sicherheit zuständig und unterstehen dem Ministerium für Justiz und öffentliche Sicherheit (Justizministerium). Innerhalb der staatlichen Polizeikräfte gibt es zwei verschiedene Einheiten: die Zivilpolizei, die Ermittlungsaufgaben wahrnimmt, und die Militärpolizei, die für die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung in den Bundesstaaten und im föderalen Bezirk zuständig ist. Die Militärpolizeikräfte unterstehen dem Justizministerium, nicht dem Verteidigungsministerium. Die Streitkräfte haben einige Aufgaben im Bereich der inneren Sicherheit und sind dem Verteidigungsministerium unterstellt (USDOS 20.3.2023; vgl. CIA 30.6.2023). Die zivilen Behörden üben zuweilen keine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte aus. Es gibt Berichte, dass Angehörige der Sicherheitskräfte zahlreiche Übergriffe begangen haben (USDOS 20.3.2023). Quellen: - CIA - Central Intelligence Agency (30.6.2023): The World Factbook, https://www.cia.gov/the- world-factbook/countries/brazil/, Zugriff 13.7.2023 - USDOS - U.S. Department of State (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Brazil, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089460.html, Zugriff 13.7.2023 7. Folter und unmenschliche Behandlung Die Verfassung verbietet Folter und unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, aber es gibt Berichte, dass Regierungsbeamte manchmal solche Praktiken anwenden. Das Gesetz schreibt vor, dass spezielle Polizeigerichte die Gerichtsbarkeit über die staatliche Militärpolizei ausüben, mit Ausnahme derjenigen, die wegen "vorsätzlicher Verbrechen gegen das Leben", vor allem Mord, angeklagt sind. Polizeibeamte sind häufig für die Untersuchung von Anklagen wegen Folter und übermäßiger Gewaltanwendung durch Kollegen zuständig. Die Verzögerungen bei den Sondergerichten der Militärpolizei ließen viele Fälle aufgrund von Verjährungsfristen verjähren (USDOS 20.3.2023). Es wird über Fälle von Folter in Gefängnissen berichtet (HRW 12.1.2023). Einem Bericht der Menschenrechtskommission der Legislativkammer des Bundesdistrikts Brasilia zufolge stiegen die Beschwerden über Folter und Misshandlung in den Gefängnissen des Bundesdistrikts von sechs Berichten über Gewalt im Jahr 2019 auf 46 im Jahr 2020 und 222 im Jahr 2021 (USDOS 20.3.2023). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 9 von 20

Die unverändert hohe Zahl von Todesopfern bei Polizeieinsätzen machte deutlich, dass der Staat seiner Verpflichtung zur externen Überwachung des Polizeiverhaltens nicht wirksam nachkommt. Ein Grund für das Fortbestehen und das Ausmaß der Tötungen durch die Polizei ist, dass die unmittelbar Beteiligten Straffreiheit genießen und auch die Verantwortlichen in der Befehlskette, welche die unverhältnismäßige Gewaltanwendung unterstützen oder dulden, nicht zur Rechenschaft gezogen werden (AI 28.3.2023). Quellen: -AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Brasilien 2022, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089425.html, Zugriff 17.7.2023 -HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 – Brazil, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085394.html, Zugriff 13.7.2023 - USDOS - U.S. Department of State (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Brazil, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089460.html, Zugriff 13.7.2023 8. Korruption Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für die Verurteilung von Beamten wegen Korruption vor und sieht zivilrechtliche Sanktionen für Korruption vor, die von brasilianischen Bürgern oder Einrichtungen im Ausland begangen wird. Es gibt zahlreiche Berichte über Korruption auf verschiedenen Regierungsebenen, und es kommt häufig zu Verzögerungen bei Gerichtsverfahren gegen Personen, die der Korruption beschuldigt werden, was häufig auf den verfassungsmäßigen Schutz gewählter Amtsträger vor Strafverfolgung zurückzuführen ist. Dies führt häufig zu einer faktischen Straffreiheit für die Verantwortlichen (USDOS 20.3.2023). Die weitverbreitete Korruption untergräbt die Fähigkeit der Regierung, Politik ohne ungebührlichen Einfluss privater oder krimineller Interessen zu machen und umzusetzen. Korruption und Bestechung sind in Brasilien weit verbreitet, insbesondere bei gewählten Amtsträgern (FH 2023). Brasilien belegte auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International für das Jahr 2022 den 94. von insgesamt 180 Plätzen (TI 2023). Quellen: -FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Brazil, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088496.html, Zugirff 12.7.2023 - TI - Transparency International (2023): Our work in Brazil, https://www.transparency.org/en/countries/brazil, Zugriff 13.7.2023 - USDOS - U.S. Department of State (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Brazil, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089460.html, Zugriff 13.7.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 10 von 20

9. Wehrdienst und Rekrutierungen Von 18-45 Jahren besteht Wehrpflicht, von 17-45 Jahren gibt es auch die Möglichkeit, einen freiwilligen Militärdienst abzuleisten; im Jahr 2020 machten Frauen etwa 9 Prozent des Personals der Streitkräfte aus (CIA 30.6.2023). Quellen: - CIA - Central Intelligence Agency (30.6.2023): The World Factbook, https://www.cia.gov/the- world-factbook/countries/brazil/, Zugriff 13.7.2023 10. Allgemeine Menschenrechtslage Brasilien verfügt über ein uneingeschränktes Mehrparteiensystem, das durch einen starken Wettbewerb zwischen den konkurrierenden Parteien gekennzeichnet ist. Die Rahmenbedingungen für die Wahlen begünstigen die Verbreitung von Parteien. Die Abgeordneten wechseln häufig die Partei, was die Wahlkoalitionen brüchig macht. Die Exekutive muss aufgrund der großen Zahl von Parteien unterschiedliche und oft ideologisch inkohärente Koalitionen zusammenstellen, um Gesetze zu verabschieden. Politische Parteien arbeiten mit wenig Transparenz und ohne Regeln für die Regierungsführung und sind häufig Ziel von Ermittlungen wegen der missbräuchlichen Verwendung von öffentlichen Geldern (FH 2023). Die Verfassung garantiert das Recht auf freie Meinungsäußerung (FH 2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Die Menschen können im Allgemeinen ihre persönlichen Ansichten in der Öffentlichkeit äußern, ohne institutionelle Überwachung oder Vergeltungsmaßnahmen befürchten zu müssen. Die Medienlandschaft des Landes ist dynamisch (FH 2023). Investigative Journalisten, insbesondere solche, die über Korruption und Kriminalität berichten, sind jedoch Drohungen, Schikanen, Behinderungen und manchmal tödlicher Gewalt ausgesetzt. Das Recht auf freie Meinungsäußerung wird durch den rechtlichen Rahmen nur unzureichend geschützt. Verleumdung wird strafrechtlich geahndet (FH 2023; vgl. USDOS 20.3.2023, HRW 12.1.2023). Während die Versammlungsfreiheit im Allgemeinen respektiert wird (FH 2023; vgl. USDOS 20.3.2023), gehen die Polizei und andere Sicherheitskräfte manchmal mit übermäßiger Gewalt gegen Demonstrationen vor (FH 2023). Nichtregierungsorganisationen können in einer Vielzahl von Bereichen frei arbeiten. Aktivisten, die sich für Landrechte und Umweltschutz einsetzen, waren in den letzten Jahren jedoch mit Schikanen, Drohungen und Gewalt konfrontiert und wurden von Bolsonaro und anderen Regierungsvertretern verbal angefeindet (FH 2023). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 11 von 20

Quellen: -FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Brazil, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088496.html, Zugirff 12.7.2023 - HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 – Brazil, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085394.html, Zugriff 13.7.2023 - USDOS - U.S. Department of State (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Brazil, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089460.html, Zugriff 13.7.2023 11. Haftbedingungen Die Haftbedingungen sind schlecht und manchmal lebensbedrohlich, vor allem wegen der Überbelegung der Gefängnisse (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023). Auf nationaler Ebene war das Gefängnissystem im Jahr 2021 zu 45 Prozent ausgelastet, ein Rückgang gegenüber den 67,5 Prozent im Jahr 2020. Ein Großteil der Überbelegung ist auf die Inhaftierung von Untersuchungshäftlingen zurückzuführen. Im Jahr 2021 warteten 27.622 Häftlinge auf ein Verfahren, was 27,2 Prozent der Gesamtzahl der Inhaftierten entsprach. Die Misshandlungen durch Gefängniswärter halten an, und die schlechten Arbeitsbedingungen und die geringe Bezahlung der Gefängniswärter fördert die Korruption (USDOS 20.3.2023). Die Bedingungen in stark überfüllten Gefängnissen sind gekennzeichnet durch Krankheiten, unzureichende Ernährung und tödliche Gewalt durch Banden. Von der Gewalt sind eher arme, schwarze Gefangene betroffen (FH 2023). Die Häftlinge haben oft keinen Zugang zu Trinkwasser, angemessener Ernährung, Kleidung und Hygieneartikeln. Viele Zellen sind von Ratten und Kakerlaken befallen. Im Gefängnissystem des Bundesdistrikts gibt es unter anderem Probleme mit der schlechten Qualität der Lebensmittel und den hygienischen Bedingungen, dem fehlenden Zugang zur Gesundheitsversorgung und der unzureichenden Infrastruktur (USDOS 20.3.2023). Die Behörden gewähren unabhängigen NGOs die Möglichkeit, Insassen zu besuchen (USDOS 20.3.2023). Quellen: -FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Brazil, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088496.html, Zugirff 12.7.2023 - USDOS - U.S. Department of State (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Brazil, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089460.html, Zugriff 13.7.2023 12. Todesstrafe Laut Amnesty International ist Brasilien „Abolitionist for Ordinary Crimes“, d.h. die Todesstrafe ist für gewöhnliche Verbrechen abgeschafft (AI 2023; vgl. FD 10.2022). Für schwerwiegende Verbrechen, wie etwa in Kriegszeiten, kann die Todesstrafe weiterhin verhängt werden (AI 2023). Quellen: .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 12 von 20

-AI - Amnesty International (2023): Brazil, https://www.amnesty.org/en/location/americas/south- america/brazil/, Zugriff 17.7.2023 -FD - France Diplomatie (10.2022): Abschaffung der Todesstrafe, https://www.diplomatie.gouv.fr/de/aussenpolitik-frankreichs/menschenrechte-und-humanitare- hilfe/abschaffung-der-todesstrafe/, Zugriff 17.7.2023 13. Religionsfreiheit Die Bevölkerung besteht offiziell zu 65 Prozent aus Katholiken, 22,2 Prozent Protestanten, 9,7 Prozent andere Christen, 2,2 Prozent Spiritisten, 1,4 Prozent andere, 8 Prozent haben kein Religionsbekenntnis (CIA 30.6.2023). Die Verfassung besagt, dass die Gewissens- und Glaubensfreiheit unantastbar ist, sieht die freie Ausübung religiöser Überzeugungen vor und verbietet es den Regierungen auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene, eine Religion zu unterstützen oder zu behindern. Das Gesetz sieht Strafen für Handlungen der religiösen Intoleranz und Diskriminierung vor (USDOS 15.5.2023). Quellen: - CIA - Central Intelligence Agency (11.7.2023): The World Factbook, https://www.cia.gov/the- world-factbook/countries/brazil/, Zugriff 17.7.2023 - USDOS - U.S. Department of State (15.5.2023): 2022 Report on International Religious Freedom: Brazil, https://www.ecoi.net/de/dokument/2092190.html, Zugriff 17.7.2023 14. Minderheiten Die Verfassung garantiert gleiche Rechte ohne Vorurteile, aber einige Gruppen sind politisch stärker vertreten als andere, und es gibt große Ungleichheiten bei der Ausübung der faktischen politischen Rechte. Afrobrasilianer und ihre Interessen sind bei Wahlen und in der Regierung weiterhin unterrepräsentiert. Die Vertretung der Afrobrasilianer hat sich 2022 allerdings verbessert. Im Dezember kündigte der neue Präsident Lula ein Kabinett an, das eine größere ethnische und geschlechtliche Vielfalt aufweist (FH 2023). Das Gesetz verbietet Rassendiskriminierung, insbesondere die Verweigerung des Zugangs zu öffentlichen oder privaten Einrichtungen, von Arbeitsplätzen oder von Wohnraum. Das Gesetz verbietet auch die Aufstachelung zu Rassendiskriminierung oder Vorurteilen sowie die Verbreitung rassistisch beleidigender Symbole und Epitheta und sieht für solche Handlungen Gefängnisstrafen vor (USDOS 20.3.2023). Im Jahr 2021 gaben etwa 57 Prozent der Bevölkerung an, einer anderen Kategorie als Weiß anzugehören. Trotz dieses hohen Anteils an der Gesamtbevölkerung waren schwarze und braune Bürger, insbesondere Afrobrasilianer, Diskriminierungen ausgesetzt. Sie waren häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen und verdienten im Durchschnitt weniger als Weiße in vergleichbaren .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 13 von 20

Positionen. Außerdem bestand ein erhebliches Bildungsgefälle. Afrobrasilianer waren überproportional häufig von Kriminalität und Gewalt betroffen (USDOS 20.3.2023). Viele indigene Gemeinschaften - die etwa ein Prozent der Bevölkerung ausmachen - leiden unter Armut und verfügen nicht über angemessene sanitäre Einrichtungen und Bildungsangebote. Die indigene Bevölkerung wird erheblich diskriminiert, und ihr Land war unter [Anm. Ex-Präsident] Bolsonaro einem verstärkten Druck ausgesetzt, der durch seine Rhetorik und seine Unterstützung für eine Lockerung der Umweltgesetze gefördert wird. Die Nationale Indianerstiftung, eine Regierungsbehörde für indigene Angelegenheiten, wurde während der Regierung Bolsonaro geschwächt (FH 2023). Quellen: -FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Brazil, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088496.html, Zugirff 12.7.2023 - USDOS - U.S. Department of State (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Brazil, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089460.html, Zugriff 13.7.2023 15. Relevante Bevölkerungsgruppen 15.1. Frauen Die Verfassung garantiert gleiche Rechte von Frauen und Männern (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023), aber einige Gruppen sind politisch stärker vertreten als andere, und es gibt große Ungleichheiten bei der Ausübung der faktischen politischen Rechte. Frauen und ihre Interessen sind bei Wahlen und in der Regierung weiterhin unterrepräsentiert. Bei den Wahlen 2022 errangen Frauen 17,8 Prozent der Sitze in der Abgeordnetenkammer, was eine leichte Verbesserung gegenüber dem Wert von 15 Prozent im Jahr 2018 darstellt. Im Dezember 2022 kündigte der neue Präsident Lula ein Kabinett an, das eine größere geschlechtliche Vielfalt aufweist (FH 2023). Das Gesetz schreibt keinen gleichen Lohn für gleiche Arbeit vor. Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation verdienten Frauen nicht nur weniger als Männer, sondern hatten auch Schwierigkeiten beim Einstieg in die Arbeitswelt: 78 Prozent der Männer hatten einen bezahlten Job, aber nur 56 Prozent der Frauen. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist illegal, aber das Gesetz wird nicht wirksam durchgesetzt (USDOS 20.3.2023). Das Gesetz stellt die Vergewaltigung von Männern oder Frauen, einschließlich der Vergewaltigung in der Ehe, unter Strafe. Darüber hinaus stellt das Gesetz physische, psychische und sexuelle Gewalt gegen Frauen sowie Verleumdung und Schädigung von Eigentum oder Finanzen durch eine Person, mit der die Geschädigte eine Ehe-, Familien- oder intime Beziehung hat, unter Strafe (USDOS 20.3.2023). Die Umsetzung des Gesetzes "Maria da Penha" aus dem Jahr 2006 gegen .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 14 von 20

geschlechtsspezifische Gewalt lässt auf sich warten. Die Behörden teilten Human Rights Watch im September 2022 mit, dass in einem Land mit mehr als 215 Millionen Einwohnern nur 77 Schutzeinrichtungen für Überlebende geschlechtsspezifischer Gewalt in Betrieb seien. Die Regierung Bolsonaro hat den Bundeshaushalt zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen bis 2022 um 90 Prozent gegenüber 2020 gekürzt (HRW 12.2.2023). Das Gesetz definiert Femizid als Tötung einer Frau aufgrund ihres Geschlechts, einschließlich, aber nicht beschränkt auf Tötung, die aus anderen Formen der häuslichen Gewalt, Diskriminierung oder Verachtung von Frauen eskaliert ist. Das Gesetz sieht ein Strafmaß von 12 bis 30 Jahren vor. Laut einer vom brasilianischen Forum für öffentliche Sicherheit veröffentlichten Studie wurden im Jahr 2021 mehr als 1.300 Frauen Opfer von Femizid. Die Daten zeigten auch, dass 98 Prozent der Opfer von einem aktuellen oder ehemaligen Partner oder einem Verwandten getötet wurden, 67 Prozent der Opfer waren Schwarze Frauen, und mehr als 70 Prozent der Opfer waren zwischen 18 und 44 Jahre alt. Jedes Staatssekretariat für öffentliche Sicherheit verfügt über Polizeistationen, die sich ausschließlich mit Verbrechen gegen Frauen befassen. Bundesstaatliche und lokale Regierungen unterhalten außerdem Referenzzentren und vorübergehende Frauenhäuser, und viele Bundesstaaten unterhalten Hotlines für häusliche Gewalt (USDOS 20.3.2023). Quellen: -FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Brazil, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088496.html, Zugirff 12.7.2023 -HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 – Brazil, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085394.html, Zugriff 13.7.2023 - USDOS - U.S. Department of State (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Brazil, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089460.html, Zugriff 13.7.2023 15.2. Kinder Die Staatsbürgerschaft wird durch die Geburt im Land erworben oder durch die Geburt von einem brasilianischen Elternteil abgeleitet. Das Gesetz verbietet Kindesmissbrauch und Vernachlässigung, aber die Durchsetzung ist oft unwirksam, und Missbrauch ist weit verbreitet. Die Berichte über sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche haben sich im Vergleich zum Beginn der COVID-19-Pandemie mehr als verdoppelt (USDOS 20.3.2023). Das gesetzliche Mindestalter für die Eheschließung beträgt 18 Jahre (oder 16 Jahre mit Zustimmung der Eltern oder des gesetzlichen Vertreters). Die Praxis der Frühverheiratung ist weit verbreitet (USDOS 20.3.2023). Brasilien ist – demografisch gesehen – ein sehr junges Land; ca. 25 Prozent der Bewohner des Landes sind jünger als 15 Jahre. In den Regionen mit einer hohen Arbeitslosenquote laufen Kinder häufig Gefahr, in einer unsicheren häuslichen Umgebung aufzuwachsen. Die Kinderarmut ist vor .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 15 von 20
