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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
25.8.2023; vgl. HRW 12.1.2023). Verweigerung aus Gewissensgründen wird nicht anerkannt, sondern bestraft. Wehrpflichtige sind häufig unmenschlichen und erniedrigenden Strafen, u.a. Folter, ausgesetzt, ohne dass dagegen Beschwerde eingereicht werden kann (HRW 12.1.2023; vgl. SFH 25.8.2023). Sexuelle Gewalt wird von hochrangigen Offizieren als Bestrafungsmethode gegen Wehrpflichtige genehmigt (GCR2P 31.8.2023; vgl. SFH 25.8.2023). Im Allgemeinen fehlt eine Rechenschaftspflicht bzgl. der im Rahmen des Nationaldienstes begangenen Übergriffe völlig (SFH 25.8.2023). Die Wehrpflicht beginnt im Militärlager Sawa, in dem Schüler, manche erst 16 Jahre alt, das letzte Oberstufenjahr absolvieren und gleichzeitig eine militärische Ausbildung durchlaufen [siehe Kapitel 16.2. Kinder, Anm.] (HRW 12.1.2023; vgl. AA 3.1.2022). Die Entlassung aus dem Nationaldienst erfolgt willkürlich und die diesbezüglichen Modalitäten sind unklar (HRW 12.1.2023). Frauen werden in der Regel bei Heirat oder Schwangerschaft aus dem Militär- bzw. Nationaldienst entlassen. In erster Linie betrifft das aber das Militär selbst, keineswegs ausgeschlossen bleibt eine zivile Weiterarbeit (AA 3.1.2022). Stand 2020 wurde der Frauenanteil des eritreischen Militärs auf bis zu 30 % geschätzt (CIA 6.12.2023). Jedes Jahr fliehen Tausende junge Eritreer aus dem Land, um sich dem Nationaldienst zu entziehen. Der Konflikt in Tigray hat diese Situation noch verschärft, da eritreische Männer, Frauen und Kinder versuchen, nicht an die Front in Äthiopien eingezogen zu werden (SFH 25.8.2023). Seit der Beteiligung Eritreas am Tigray-Konflikt wird regelmäßig über Massenverhaftungen von Deserteuren berichtet, die sich dem Dienst entzogen haben sollen, um die Reihen der Armee aufzufüllen, wobei nach Angaben des UN-Sonderberichterstatters auch Kinder rekrutiert wurden. Im August und September 2022 nahmen die Razzien zu, als die Kämpfe in Äthiopien wieder aufflammten; auch die Familien von Wehrdienstverweigerern waren mit Repressalien konfrontiert, darunter willkürliche Verhaftungen und Zwangsräumungen ihrer Häuser. Im September berichteten die Medien, dass auch Reservisten, d. h. Männer unter 55 Jahren, die aus der Armee entlassen worden waren, aber noch Wachdienst leisten sollten, einberufen wurden. Die Familien erhalten keine offiziellen Informationen über das Schicksal ihrer Angehörigen, die zum Kampf geschickt wurden (HRW 12.1.2023). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2066458/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Eritrea_%28Stand_November_2021%29%2C_03.01.202 2.pdf, Zugriff 11.12.2023 - CIA - Central Intelligence Agency [USA] (6.12.2023): The World Factbook: Eritrea, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/eritrea/, Zugriff 11.12.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 18 von 48

- FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2022: Eritrea, https://freedomhouse.org/country/eritrea/freedom-world/2022, Zugriff 11.12.2023 - GCR2P - Global Centre for the Responsibility to Protect (31.8.2023): Eritrea, https://www.globalr2p.org/countries/eritrea/, Zugriff 11.12.2023 - HO - Home Office [Vereinigtes Königreich] (9.2021): Country Policy and Information Note. Eritrea: National service and illegal exit, https://assets.publishing.service.gov.uk/media/614dec63d3bf7f7192d4bf0f/ ERI_CPIN_National_service_and_illegal_exit.pdf, Zugriff 11.12.2023 - HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Eritrea, https://www.ecoi.net/en/document/2085412.html, Zugriff 11.12.2023 - SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (25.8.2023): “Der Nationaldienst in seiner jetzigen Form ist untrennbar mit Zwangsarbeit und der Sklaverei ähnlichen Praktiken verbunden”, https://www.fluechtlingshilfe.ch/publikationen/news-und-stories/der-nationaldienst-in-seiner- jetzigen-form-ist-untrennbar-mit-zwangsarbeit-und-der-sklaverei-aehnlichen-praktiken-verbunden, Zugriff 11.12.2023 - UNHRC - United Nations Human Rights Council (9.5.2023): Situation of human rights in Eritrea. Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in Eritrea, Mohamed Abdelsalam Babiker, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093254/G2309208.pdf, Zugriff 11.12.2023 10. Allgemeine Menschenrechtslage In Eritrea kann es fallweise zu massiven Menschenrechtsverletzungen kommen, und in den letzten Jahren hat sich das nicht signifikant geändert. In der 1997 angenommenen Verfassung, welche bis heute nicht in Kraft getreten ist, sind in Art. 14 bis 24 die Grundrechte niedergelegt. Sie werden von staatlichen Organen allerdings nicht respektiert (AA 3.1.2022) - es gibt in Eritrea überhaupt keinen Schutz der Bürgerrechte (BS 23.2.2022). Folgende UN-Menschenrechtskonventionen respektive Fakultativprotokolle hat Asmara jedoch ratifiziert: •Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte •Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte •Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung •Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau •Fakultativprotokoll zum Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau •Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe •Übereinkommen über die Rechte des Kindes •Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten •Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie •Internationales Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen (AA 3.1.2022) .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 19 von 48

Eritrea verweigert grundsätzlich jede Zusammenarbeit mit UN- oder AU-Mechanismen im Bereich der Menschenrechte (HRW 12.1.2023). Ein Sonderberichterstatter zur Menschenrechtssituation in Eritrea wird seit 2012 vom UN-Menschenrechtsrat bestellt (AA 3.1.2022), wobei ihm eine Einreise von der eritreischen Regierung verwehrt wird (HRW 12.1.2023). Mohammed Abdelsalam Babiker übernahm das Amt im September 2020 (AA 3.1.2022). In seinem bis dato letzten Bericht an den UN-Menschenrechtsrat vom 9.5.2023 beschreibt er die Menschenrechtssituation in Eritrea mit Schwerpunkten auf der unbefristeten Wehrpflicht samt ihren Auswirkungen auf sozioökonomische sowie kulturelle Rechte, den Zustand der Rechtsstaatlichkeit und der Justizverwaltung, und Verletzungen der Bürgerrechte, einschließlich lang andauernder und willkürlicher Inhaftierungen wie gewaltsames Verschwindenlassen. Überdies hebt er die Situation indigener Afar-Gemeinschaften in Eritrea hervor, die nach wie vor Diskriminierung, Verfolgung und Eingriffen in ihre traditionellen Lebensgrundlagen ausgesetzt sind (UNHRC 9.5.2023). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2066458/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Eritrea_%28Stand_November_2021%29%2C_03.01.202 2.pdf, Zugriff 22.12.2023 - BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report: Eritrea, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069696/country_report_2022_ERI.pdf, Zugriff 22.12.2023 - HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Eritrea, https://www.ecoi.net/en/document/2085412.html, Zugriff 22.12.2023 - UNHRC - United Nations Human Rights Council (9.5.2023): Situation of human rights in Eritrea. Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in Eritrea, Mohamed Abdelsalam Babiker, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093254/G2309208.pdf, Zugriff 22.12.2023 11. Meinungs- und Pressefreiheit Meinungs- und Pressefreiheit sind in Eritrea noch immer nicht existent (UNHRC 9.5.2023; vgl. AA 3.1.2022; BS 23.2.2022) bzw. erheblich eingeschränkt (USDOS 20.3.2023; vgl. HRW 12.1.2023). Die Regierung begrenzt mittels Einschüchterungen durch die Sicherheitsorgane alle Möglichkeiten, sie öffentlich oder privat zu kritisieren (USDOS 20.3.2023). Freie Meinungsäußerungen und private Diskussionen werden durch die Angst vor Regierungsinformanten und die Wahrscheinlichkeit, bei jeder Äußerung einer abweichenden Meinung willkürlich verhaftet zu werden, stark beeinträchtigt (FH 2023; vgl. BS 23.2.2022), vor allem da die Überwachung permanent wie omnipräsent ist (RSF 2023a). Zwar gewährleistet die Verfassung von 1997 die Meinungs- sowie Pressefreiheit pro forma (RSF 2023a; vgl. USDOS 20.3.2023), aber sie ist immer noch nicht in Kraft getreten (AA 3.1.2022). Eine freie Presse existiert im Land nicht (AA 3.1.2022). Reporter ohne Grenzen (RSF) beschreibt die Regimekontrolle über Nachrichten und Informationen als total bzw. totalitär (RSF 2023a). In der .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 20 von 48

von RSF herausgegebenen Rangliste der Pressefreiheit nimmt Eritrea den 174. von 180 Plätzen ein, im Vorjahr belegte es noch den vorletzten (RSF 2023b) und im Jahr 2021 gar den letzten Platz (AA 3.1.2022). Journalismus ist daher de facto verboten (RSF 2023a). Journalisten müssen ex lege approbiert sein. Das Gesetz schränkt Veröffentlichungen durch alle, die keine Genehmigung haben, ein, und die Verbreitung illegaler ausländischer Publikationen steht unter Strafe. Die meisten unabhängigen Journalisten sitzen jedoch in Haft oder leben im Ausland (USDOS 20.3.2023). In den Gefängnissen befinden sich Stand 1.12.2022 16 Journalisten (CPJ 1.12.2022; vgl. FH 2023, USDOS 20.3.2023), welche, falls sie noch leben, seit mehr als 20 Jahren unter zum Teil „haarsträubenden“ Bedingungen, so die RSF, in Isolationshaft eingesperrt sind (RSF 2023a; vgl. RSF 27.7.2023). Sie sind bekannt als die „am längsten inhaftierten Journalisten der Welt“ (USDOS 20.3.2023; vgl. RSF 27.7.2023, UNHCR 9.5.2023). Aus Angst vor Repressalien übt die Mehrheit der Journalisten im Land Selbstzensur. Auch um Fotos zu schießen, braucht es eine Genehmigung seitens der Behörden (USDOS 20.3.2023). Im September 2001 hat die Regierung die damals im Entstehen begriffene private Presse aufgrund angeblicher Verstöße gegen das Pressegesetz verboten (AA 3.1.2022; vgl. FH 2023, RSF 2023a). Seither werden unabhängige Medien nicht mehr zugelassen, egal, ob ausländische oder nationale (RSF 2023a; vgl. UNHRC 9.5.2023). Überdies verbietet das Gesetz private Rundfunkanstalten und ausländisches Eigentum an Medien im Allgemeinen. Alle in Eritrea veröffentlichten Medien werden von der Regierung kontrolliert, darunter eine in vier Sprachen erscheinende Zeitung, drei Radio- und zwei Fernsehsender (USDOS 20.3.2023), von denen Eri TV der Bekanntere ist (RSF 2023a). Diese staatlichen Medien unterstehen direkt dem Informationsministerium (UNHRC 9.5.2023; vgl. FH 2023, USDOS 20.3.2023). Sie unterliegen einer strengen Aufsicht und müssen Propaganda für das Regime verbreiten (RSF 2023a), insbesondere über den angeblichen Fortschritt von Projekten und über Personen, die Unterstützung vom Staat erhalten (BS 23.2.2022). Mehrere Sender versorgen die Eritreer mit Informationen aus dem Ausland, darunter die BBC, das in Paris ansässige Radio Erena sowie der Satellitensender Asena TV (FH 2023), wobei das Signal von Radio Erena, ein unabhängiger und von Exiljournalisten betriebener Hörfunksender, in Eritrea häufig schwer verzerrt ist (RSF 2023a). Obwohl internationale Medien im Land nicht operieren dürfen (UNHCR 9.5.2023), wurde in den Jahren vor der COVID-19-Pandemie mehrmals externen Journalisten - von der BBC, der ARD, dem ZDF, etc. - eine Einreise gestattet. Gleichzeitig gibt es keine Einschränkung des Satellitenempfangs, also internationaler Nachrichten, und keine Hinweise auf Sperrung ausländischer Webseiten für eritreische Internetnutzer (AA 3.1.2022). Es ist zudem möglich, die Internetseiten der Auslandsopposition ungehindert aufzurufen wie deren Exilsender zu .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 21 von 48

konsumieren (AA 3.1.2022; vgl. USDOS 20.3.2023), wobei einige Bürger befürchten, verhaftet zu werden, falls man sie beim Besuch von Oppositionsseiten erwische (USDOS 20.3.2023). Eritrea ist allerdings eines der Länder mit dem weltweit am stärksten beschränkten Internetzugang (UNHCR 9.5.2023); das Internet ist wenig ausgebaut und äußerst leistungsschwach (AA 3.1.2022). Laut dem US-amerikanischen Außenministerium ist die Internetdurchdringung sogar so schlecht und unzuverlässig, dass es im Land keine unabhängigen Online-Medien gibt (USDOS 20.3.2023). Die Internetkommunikation samt E-Mail-Verkehr wird staatlich überwacht (USDOS 20.3.2023; vgl. AA 3.1.2022), ebenso die telefonische Kommunikation (AA 3.1.2022). Es wird auch berichtet, dass Regierungsinformanten häufig Internetcafés aufsuchen (USDOS 20.3.2023), welche mitunter auch von den Behörden geschlossen werden. Der Zugang zu den sozialen Medien war auch regelmäßig blockiert (FH 2023), seit April 2019 permanent. Heute sind soziale Medien nur noch über VPNs zugänglich (AA 3.1.2022). Mitglieder der eritreischen Diaspora können ihre abweichenden Ansichten leichter online äußern. Aktivisten nutzen verschiedene Internetplattformen, um gegen die Regierung zu protestieren oder auf Missstände im Staat aufmerksam zu machen. Eritreer in der Diaspora werden jedoch auch von den Behörden überwacht und schikaniert (FH 2023). Trotzdem tauscht sich die Jugend inzwischen auch mit der Diaspora über Facebook aus (AA 3.1.2022). Die Regierung behauptet immer wieder, dass nationale Sicherheitsbedenken als Grundlage für die Einschränkung der Rede- und Meinungsfreiheit dienen (USDOS 20.3.2023). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2066458/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Eritrea_%28Stand_November_2021%29%2C_03.01.202 2.pdf, Zugriff 22.11.2023 - BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report: Eritrea, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069696/country_report_2022_ERI.pdf, Zugriff 22.11.2023 - CPJ - Committee to Protect Journalists (1.12.2022): 16 Journalists Imprisoned in Eritrea, https://cpj.org/data/imprisoned/2022/? status=Imprisoned&cc_fips%5B%5D=ER&start_year=2022&end_year=2022&group_by=location, Zugriff 22.11.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2022: Eritrea, https://freedomhouse.org/country/eritrea/freedom-world/2022, Zugriff 22.11.2023 - HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Eritrea, https://www.ecoi.net/en/document/2085412.html, Zugriff 22.11.2023 - RSF - Reporters sans frontières (27.7.2023): Eritrea: Seized by RSF and its partners, UN Working Group calls for the immediate release of journalist Dawit Isaak, detained for more than 20 years, https://www.ecoi.net/en/document/2095397.html, Zugriff 22.11.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 22 von 48

- RSF - Reporters sans frontières (2023a): Eritrea, https://rsf.org/en/country/eritrea, Zugriff 22.11.2023 - RSF - Reporters sans frontières (2023b): 2023 World Press Freedom Index, https://rsf.org/en/index, Zugriff 22.11.2023 - UNHRC - United Nations Human Rights Council (9.5.2023): Situation of human rights in Eritrea. Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in Eritrea, Mohamed Abdelsalam Babiker, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093254/G2309208.pdf, Zugriff 22.11.2023 - USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Eritrea, https://www.ecoi.net/en/document/2089067.html, Zugriff 22.11.2023 12. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition Die Regierung schränkt die friedliche Versammlungs- sowie die Vereinigungsfreiheit ein (USDOS 20.3.2023), wobei das Recht auf Versammlungsfreiheit von den Behörden generell nicht anerkannt wird (FH 2023; vgl. AA 3.1.2022). Öffentliche Versammlungen von - die Quellen unterscheiden sich hier - mehr als fünf (AA 3.1.2022) oder sieben Personen sind genehmigungspflichtig (FH 2023), mit Ausnahme von Familienfeiern (AA 3.1.2022), Versammlungen regierungsnaher Organisationen und religiösen Feierlichkeiten der vier offiziell anerkannten Gemeinschaften (USDOS 20.3.2023). In der Covid-19-Pandemie wurden große Veranstaltungen prinzipiell untersagt, außer sie waren staatlich organisiert (USDOS 20.3.2023; vgl. AA 3.1.2022). Nicht genehmigte Ansammlungen werden durch die Bank unterbunden (USDOS 20.3.2023), und den Protestierenden droht tödliche Gewalt durch staatliche Sicherheitskräfte oder willkürliche Inhaftierung (FH 2023). Nach dem Gesetz besitzen eritreische Staatsbürger das Recht, Vereine zu politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Zwecken zu gründen. Solche Organisationen müssen des Weiteren offen, transparent und von den Grundsätzen der nationalen Einheit sowie der Demokratie geleitet sein (USDOS 20.3.2023). Die Verfassung von 1997, die die Bürgerrechte garantiert und die Macht der Exekutive beschränkt, ist allerdings bis dato noch nicht in Kraft getreten (HRW 12.1.2023). Das Regime respektiert die Vereinigungsfreiheit zudem nicht. Während die Regierung Gründungen von NGOs grundsätzlich verboten hat, solche unter offizieller Schirmherrschaft ausgenommen [siehe Kapitel 8. NGOs und Menschenrechtsaktivisten, Anm.], ist es lokalen Organisationen nicht erlaubt, Finanzmittel oder andere Ressourcen von ausländischen sowie internationalen Organisationen zu erhalten oder sich mit ihnen zusammenzuschließen (USDOS 20.3.2023). Es gibt keine unabhängigen Gewerkschaften in Eritrea, weil der gewerkschaftliche Dachverband „National Confederation of Eritrean Workers“ (NCEW) mit der PFDJ verbandelt ist. Berichte an den UN-Menschenrechtsrat sagen aus, dass die Regierung Gründungen neuer Gewerkschaften aktiv verhindert (FH 2023; vgl. AA 3.1.2022, USDOS 20.3.2023). Auch die Frauenorganisation „National Union of Eritrean Women“ (NUEW) und die Jugendorganisation „National Union of Eritrean Youth and Students“ (NUEYS) werden von der Regierungspartei kontrolliert (AA 3.1.2022). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 23 von 48

Die weitverbreitete wie systematische Unterdrückung von Menschen- und politischen Rechten, u.a. der Rechte auf Vereinigungs-, Versammlungs-, Meinungs- und Redefreiheit und auf Teilnahme am öffentlichen Leben, hat nach wie vor eine abschreckende Wirkung, und erstickt alle Versuche von Organisierung oder Dissensäußerung im Keim (UNHRC 9.5.2023). Präsident Afewerki samt seiner PFDJ, die einzige gesetzlich anerkannte politische Partei, regieren seit der Unabhängigkeit 1993 ununterbrochen (FH 2023; vgl. UNHRC 9.5.2023). Eritrea ist ein Einparteienstaat, und die Bildung weiterer politischer Parteien ist nicht gestattet (USDOS 20.3.2023). Es gibt daher keinen Raum für zivilgesellschaftliche Partizipation, Artikulation jeglicher Form von politischer Opposition, kritische Meinungsäußerung oder freien Ideenaustausch (UNHRC 9.5.2023). Da keine Mehrparteienwahlen bzw. Wahlen seit 1993 abgehalten wurden (HRW 12.1.2023; vgl. USDOS 20.3.2023), konnten die Oppositionsgruppen bis dato weder konkurrieren noch an der Regierung teilnehmen (FH 2023). Demzufolge ist die Opposition gezwungen, aus der Diaspora heraus zu operieren (FH 2023). Dort engagieren sich Auslandseritreer nach wie vor, prangern den Status quo an und sprechen sich für Menschenrechte und Demokratie in Eritrea aus (UNHRC 9.5.2023), jedoch ohne Erfolg. Zudem ist die politische Opposition im Ausland zersplittert und weist keine klare Agenda für einen politischen Wandel auf (BS 23.2.2022). Neben diesen oppositionellen Diaspora-Bewegungen gibt es ethnisch oder islamisch ausgerichtete Oppositionsgruppen im Land. Ethnisch ausgerichtet sind vor allem das „Democratic Movement for the Liberation of the Eritrean Kunama“ (DMLEK) und die „Red Sea Afar Democratic Organization“ (RSADO), zu den islamischen Gruppen hingegen gehören das „Eritrean Islamic Islah Movement“ (Islah) und die „Eritrean Islamic Party for Justice and Development“ (Alkhalas). Weder ethnisch noch islamisch orientiert sind die „Eritrean Liberation Front“ (ELF) und die „Eritrean People’s Democratic Front“ (Sagem) (AA 3.1.2022). Ob die im Land operierende Bewegung „Arbi Harnet“ („Freedom Friday“), die innerhalb der Diaspora gegründet wurde, weiterhin existiert, ist unklar (BS 23.2.2022). In der Vergangenheit wurden einige dieser Oppositionsgruppen von Äthiopien finanziell sowie logistisch unterstützt (AA 3.1.2022), aber auch beherbergt. Allerdings ordnete die dortige Regierung 2018, im Rahmen der Annäherung zwischen Addis Abeba und Asmara, die Einstellung ihrer Tätigkeiten an (FH 2023; vgl. BS 23.2.2022). Die Unduldsamkeit der Behörden gegenüber Andersdenkenden und fehlende Oppositionsparteien bzw. Wahlen haben zur Folge, dass den Staatsbürgern keine politischen Optionen außer Loyalität zur PFDJ, der Inhaftierung oder der illegalen Emigration bleiben (FH 2023). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 24 von 48

Familienmitglieder von Dissidenten erfahren manchmal massive Repressionen, in anderen Fällen werden sie aber nicht behelligt oder machen sogar Karriere im Staat (AA 3.1.2022). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2066458/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Eritrea_%28Stand_November_2021%29%2C_03.01.202 2.pdf, Zugriff 12.12.2023 - BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report: Eritrea, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069696/country_report_2022_ERI.pdf, Zugriff 12.12.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2022: Eritrea, https://freedomhouse.org/country/eritrea/freedom-world/2022, Zugriff 12.12.2023 - HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Eritrea, https://www.ecoi.net/en/document/2085412.html, Zugriff 12.12.2023 - UNHRC - United Nations Human Rights Council (9.5.2023): Situation of human rights in Eritrea. Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in Eritrea, Mohamed Abdelsalam Babiker, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093254/G2309208.pdf, Zugriff 12.12.2023 - USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Eritrea, https://www.ecoi.net/en/document/2089067.html, Zugriff 12.12.2023 13. Haftbedingungen Zahlreiche Gefangene befinden sich im dichten formellen wie informellen Strafvollzugsnetz Eritreas (HRW 12.1.2023), inklusive Tausender politischer Häftlinge und Gesinnungsgefangenen (FH 2023; vgl. UNHRC 9.5.2023). Einige Gefangene, u.a. hochrangige Regierungsvertreter und Journalisten, werden seit 2001 in Isolationshaft gehalten, nachdem sie damals den Führungsanspruch Afewerkis [innerhalb der PFDJ, Anm.] kritisiert hatten und daraufhin verhaftet wurden. Es wird angenommen, dass mehrere von ihnen mittlerweile in Haft gestorben (HRW 12.1.2023; vgl. BS 23.2.2022) oder in schlechter gesundheitlicher Verfassung sind (BS 23.2.2022). Gefangene, auch Kinder, werden per se oftmals ohne Anklage oder Gerichtsverfahren auf unbestimmte Zeit in Isolationshaft verwahrt (FH 2023; vgl. USDOS 20.3.2023), bisweilen ohne den Angehörigen mitzuteilen, ob sie noch leben (FH 2023). Willkürliche Verhaftungen kommen häufig vor (USDOS 20.3.2023). Es gibt in Eritrea etliche offizielle, aber auch inoffizielle Haftanstalten, die zum Teil in Militärlagern untergebracht sind (USDOS 20.3.2023; vgl. SFH 16.2.2023). Zudem sollen sog. „Villen“ existieren, geheime Gefängnisse inmitten von Städten, welche nicht sofort als solche erkennbar sind (UNHRC 6.5.2022). In den „berüchtigten“ Haftzentren, u.a. in Adi Abeto, Eiraero, Adi Qala, Barentu, Gedem, Ghatelay, ai Daga, Me'eter, Prima country und Wi'a, werden die Haftbedingungen ausnahmslos als unmenschlich und erniedrigend beschrieben (SFH 16.2.2023; vgl. UNHRC 6.5.2022). Es wird auch vermutet, dass die Behörden mitunter Häftlinge in Metallcontainern und unterirdischen Zellen ohne .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 25 von 48

Toiletten und Betten gefangen halten. Obwohl das Gesetz verlangt, dass Jugendliche getrennt von Erwachsenen untergebracht sind, werden einige, vor allem Teenager, mit Volljährigen zusammen festgehalten. Nach Angaben des US-amerikanischen Außenministeriums gibt es in Asmara ein oft überfülltes Jugendgefängnis (USDOS 20.3.2023; vgl. SFH 16.2.2023), gemäß einer Quelle vor Ort gibt es jedoch keine Jugendgefängnisse im gesamten Land (SFH 16.2.2023). Die Haftbedingungen in Eritrea sind Berichten zufolge nach wie vor hart und teils lebensbedrohlich (USDOS 20.3.2023; vgl. AA 3.1.2022). Sie verstoßen gegen sowohl Menschenrechtsstandards als auch die Menschenwürde, so der UN-Sonderberichterstatter im Land (UNHRC 9.5.2023). In den Haftanstalten und Straflagern sind die hygienischen Zustände sowie die medizinische Versorgung völlig ungenügend (AA 3.1.2022; vgl. HRW 12.1.2023, UNHRC 9.5.2023). Sie sind auch notorisch überfüllt, und es mangelt an Medikamenten, ausreichend Nahrung und Wasser (UNHRC 9.5.2023; vgl. HRW 12.1.2023, USDOS 20.3.2023). Trinkwasser ist zuweilen nur gegen Bezahlung erhältlich, Belüftung und Beleuchtung sind inadäquat (USDOS 20.3.2023; vgl. SFH 16.2.2023). Gefangene werden häufig gefoltert bzw. unmenschlich, erniedrigend behandelt (UNHRC 9.5.2023), besonders politische Gefangene (SFH 16.2.2023). Die Haftbedingungen führten in der Vergangenheit bereits zu schweren Gesundheitsschädigungen und in einigen Fällen zum Tod, ein Informationsmangel verunmöglicht jedoch eine genauere Berichterstattung (USDOS 20.3.2023). Insassen können keine Beschwerden bei den Justizbehörden einreichen, und es gibt auch keine Ombudsmänner in Haftanstalten, die auf Beschwerden reagieren könnten (USDOS 20.3.2023; vgl. SFH 16.2.2023). Ferner wird die Überwachung der Haftbedingungen durch unabhängige staatliche oder nichtstaatliche Beobachter oder durch internationale Organisationen von der Regierung nicht zugelassen (SFH 16.2.2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2066458/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Eritrea_%28Stand_November_2021%29%2C_03.01.202 2.pdf, Zugriff 5.12.2023 - BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report: Eritrea, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069696/country_report_2022_ERI.pdf, Zugriff 5.12.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2022: Eritrea, https://freedomhouse.org/country/eritrea/freedom-world/2022, Zugriff 5.12.2023 - HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Eritrea, https://www.ecoi.net/en/document/2085412.html, Zugriff 5.12.2023 - SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (16.2.2023): Eritrea: Situation von Schulabbrecher*innen, https://www.ecoi.net/en/file/local/2091277/230216_ERI_School_Dropouts.pdf, Zugriff 5.12.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 26 von 48

- UNHRC - United Nations Human Rights Council (9.5.2023): Situation of human rights in Eritrea. Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in Eritrea, Mohamed Abdelsalam Babiker, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093254/G2309208.pdf, Zugriff 5.12.2023 - UNHRC - United Nations Human Rights Council (6.5.2022): Situation of human rights in Eritrea. Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in Eritrea, https://documents-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/G22/336/87/PDF/G2233687.pdf? OpenElement, Zugriff 5.12.2023 - USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Eritrea, https://www.ecoi.net/en/document/2089067.html, Zugriff 5.12.2023 14. Todesstrafe Eritrea wird von Amnesty International (AI) zu denjenigen Ländern, welche die Todesstrafe faktisch abgeschafft haben, gezählt. Faktisch abgeschafft heißt, dass die Todesstrafe zwar für gewöhnliche Verbrechen wie Mord beibehalten wird, aber in den letzten zehn Jahren nicht angewandt wurde. AI nimmt zudem an, dass diese Staaten auch in Zukunft keine Exekutionen mehr durchführen werden (AI 5.2023). Seit der Unabhängigkeit ist nach offiziellen Angaben, die zwar nicht überprüft werden können, aber von Menschenrechtsorganisationen als gegeben übernommen werden, im Rahmen eines de facto Moratoriums noch kein Todesurteil verhängt oder vollstreckt worden (AA 3.1.2022). Auf die Frage, wann genau die letzte Person in Eritrea hingerichtet wurde, antworten die Quellen unterschiedlich, 1989 (WCADP 23.5.2023) oder 1993 (NTC 2023). Zurzeit gibt es keine zum Tode verurteilten Personen im Land (WCADP 23.5.2023; vgl. NTC 2023, WCADP 11.10.2023). Dennoch hat Eritrea weder die Todesstrafe offiziell abgeschafft noch ein offizielles Moratorium verhängt. Die Regierung erklärt dies mit einem fehlenden Konsens im Land (WCADP 11.10.2023). Im neuen Strafgesetzbuch von 2015, das noch nicht in Kraft getreten ist, wird die Todesstrafe für einige Delikte beibehalten, für andere wie etwa Fahnenflucht, Befehlsverweigerung oder Feigheit vor dem Feind aber abgeschafft (AA 3.1.2022). Das eritreische Recht schreibt die Todesstrafe im Allgemeinen nicht vor, sondern definiert sie als eine von mehreren Optionen der Strafzumessung. Das Spektrum von Delikten, auf die die Todesstrafe verhängbar ist, umfasst gewisse Verbrechen, die nicht dem Tatbestand der „schwersten Verbrechen“ im Sinne des Art. 6 des Zivilpakts (ICCPR) entsprechen, besonders Verbrechen wie Piraterie, Hochverrat oder schwerwiegende Bestechung eines Amtsträgers, urteilt die World Coalition Againt the Death Penalty (WCADP). Die Behörden dürfen nach dem Gesetz schwangere Frauen, solche mit Kindern unter drei Jahren, „geistig oder körperlich kranke“ Menschen und Personen, die noch nicht alle Rechtsmittel ausgeschöpft haben, nicht hinrichten. Eine Exekution darf zusätzlich nicht ausgeführt werden, falls seit der Veruteilung durch ein Gericht 30 Jahre vergangen sind (WCADP 11.10.2023). Die in Eritrea vorgesehenen Hinrichtungsmethoden sind das Erschießen und das Erhängen (WCADP 23.5.2023). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 27 von 48
