erit-lib-2024-1-2-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Das gegenständliche Produkt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde gemäß den vom Staatendokumentationsbeirat beschlossenen Standards und der Methodologie der Staatendokumentation erstellt. Ein Länderinformationsblatt (LIB) der Staatendokumentation ist ein COI-Dokument, das beruhend auf den Bedürfnissen in Verfahren des Asyl- und Fremdenwesens (RD, EASt, ASt, BVwG) mittels Recherche von vorhandenen, vertrauenswürdigen und vorrangig öffentlichen Informationen gemäß den Standards der Staatendokumentation erstellt wird. Ein LIB gibt eine einzelfallunabhängige Darstellung über die Lage betreffend relevanter Tatsachen in Herkunftsländern bzw. in EU- Mitgliedsstaaten. Die LIB dienen den Bedarfsträgern der Instanzen des Asyl- und Fremdenwesens. Für sie gilt § 5 Abs. 5 letzter Satz BFA-G, d.h. sie sind als solche nicht Teil der allgemein zugänglichen, öffentlichen Staatendokumentation. Sie werden aber durch Verwendung im Verfahren (Parteiengehör, Verwendung im Bescheid) der jeweiligen Partei zugänglich und durch Verwendung im Bescheid öffentlich gemacht. Dieses Produkt ist als Arbeitsbehelf für österreichische Behörden und Gerichte entwickelt worden. In diesem Sinne stehen Lesbarkeit, flexible Nutzbarkeit und einfache Verwertbarkeit in Entscheidungen im Vordergrund. Grundsätzlich wird jede Information mit mindestens einer Quelle belegt; aus vorgenannten Gründen wird jedoch auf die Hervorhebung von Originalzitaten verzichtet – nicht zuletzt auch deshalb, weil sich daraus für die Entscheidungsfindung kein Mehrwert ergibt. Das gegenständliche Produkt erhebt bezüglich der zur Verfügung gestellten Informationen keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Aus dem vorliegenden Produkt ergeben sich keine Schlussfolgerungen für die rechtliche Beurteilung eines konkreten Verfahrens. Das LIB stellt keine allgemeine oder individuelle Entscheidungsvorgabe dar. Das vorliegende Dokument kann insbesondere auch nicht als politische Stellungnahme seitens der Staatendokumentation oder des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gewertet werden. Zugunsten der besseren Les- und Verwendbarkeit wird im vorliegenden Produkt auf eine genderneutrale Schreibweise verzichtet. So nicht explizit angemerkt, sind immer alle Geschlechter gemeint. Qualitäts- und Aktualisierungshinweis Das LIB beinhaltet Arbeitsübersetzungen fremdsprachiger Quellen. Auswahl, Verwertung und Verwendung von Informationen im vorliegenden Produkt unterliegen dem Qualitätsmanagement der Staatendokumentation. Eine Aktualisierung des LIB erfolgt bei gegebenem Bedarf auf Anfrage. Die Aktualität der verwendeten Quellen wird seitens der Staatendokumentation überprüft. Daher können auch im LIB verwendete Quellen älteren Datums als inhaltlich aktuell erachtet werden. .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 2 von 48

Länderspezifische Anmerkungen: Hinweis: COVID-19: Zur aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Websites der WHO: https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/situation-reports. Für historische Daten bis zum 10.3.2023 s. die Datenbank der Johns-Hopkins-Universität: https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd4029942 3467b48e9ecf6 . .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 3 von 48

Inhaltsverzeichnis 1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen................................................................6 2. Politische Lage..........................................................................................................................6 3. Sicherheitslage..........................................................................................................................9 4. Rechtsschutz / Justizwesen....................................................................................................11 5. Sicherheitsbehörden...............................................................................................................13 6. Folter und unmenschliche Behandlung...................................................................................14 7. Korruption................................................................................................................................15 8. NGOs und Menschenrechtsaktivisten.....................................................................................17 9. Wehrdienst und Rekrutierungen.............................................................................................18 10. Allgemeine Menschenrechtslage............................................................................................20 11. Meinungs- und Pressefreiheit.................................................................................................21 12. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition............................................................24 13. Haftbedingungen.....................................................................................................................26 14. Todesstrafe..............................................................................................................................28 15. Religionsfreiheit.......................................................................................................................29 16. Ethnische Minderheiten...........................................................................................................32 17. Relevante Bevölkerungsgruppen............................................................................................ 34 17.1. Frauen................................................................................................................................34 17.2. Kinder.................................................................................................................................35 17.3. Homosexuelle/Sexuelle Minderheiten................................................................................37 18. Bewegungsfreiheit...................................................................................................................38 18.1. Meldewesen....................................................................................................................... 39 19. IDPs und Flüchtlinge............................................................................................................... 40 20. Grundversorgung und Wirtschaft............................................................................................41 20.1. Sozialbeihilfen.................................................................................................................... 43 21. Medizinische Versorgung........................................................................................................ 44 22. Rückkehr................................................................................................................................. 45 23. Dokumente..............................................................................................................................48 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 4 von 48

1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen Keine aktuellen Kurzinformationen vorhanden. 2. Politische Lage Die Bertelsmann Stiftung (BS) beschreibt Eritrea als Überwachungsstaat samt Planwirtschaft wie autokratischem politischen System (BS 23.2.2022), das deutsche Auswärtige Amt spricht von einer „Einparteiendiktatur“ (AA 3.1.2022), und Freedom House (FH) von einem militarisierten autoritären Staat (FH 2023). Offiziell ist das Land eine Präsidialrepublik. Nachdem Eritrea, vormals italienische Kolonie, britisches Mandatsgebiet und autonome Region innerhalb des äthiopischen Kaiserreichs (CIA 6.12.2023), 1962 von Äthiopien annektiert wurde, entbrannte ein Unabhängigkeitskrieg für 30 Jahre, der am 24.5.1993 in die formelle sowie völkerrechtlich anerkannte Unabhängigkeit mündete (AA 3.1.2022; vgl. BS 23.2.2022, CIA 6.12.2023). Anschließend wurde Isayas Afewerki, damals der Generalsekretär der „Eritrea People’s Liberation Front“ (EPLF), die seit den frühen 1980er-Jahren den Freiheitskampf dominiert hatte (BS 23.2.2022), von einer Übergangsnationalversammlung, die nicht gewählt wurde, zum Präsidenten ernannt, offiziell bis zur Abhaltung von Wahlen in Nachgang der Verabschiedung einer neuen Verfassung (FH 2023). Eine liberaldemokratische Verfassung wurde zwar von der provisorischen Nationalversammlung angenommen, sie ist aber bis dato nicht in Kraft getreten (AA 3.1.2022; vgl. BS 23.2.2022, FH 2023, HRW 12.1.2023, USDOS 20.3.2023). Indessen wurden seit dem Unabhängigkeitsreferendum von 1993 keine Wahlen mehr auf nationaler Ebene abgehalten (USDOS 20.3.2023; vgl. AA 3.1.2022, FH 2023). Seit dem Grenzkrieg mit Äthiopien (Mai 1998 bis Juni 2000) ist der demokratische Prozess Eritreas zum Stillstand gekommen (AA 3.1.2022). Nach diesem ging Afewerki gegen führende Reformisten der „People’s Front for Democracy and Justice“ (PFDJ), wie die EPLF seit 1994 genannt wird, vor (BS 23.2.2023). Elf Mitglieder dieser G-15 genannten Gruppe altgedienter Politiker wurden damals verhaftet, nachdem sie den Präsidenten in einem offenen Brief aufgefordert hatten, die Verfassung zu vollziehen und freie Wahlen abzuhalten (AI 27.3.2023). Über ihr Schicksal, die sich seit 2001 in Isolationshaft befinden, gibt es keine Informationen, wobei angenommen wird, dass mehrere von ihnen im Gefängnis verstorben sind (UNHRC 6.5.2022; vgl. UNHRC 9.5.2023). Präsident Afewerki ist daher bis heute ohne Wahlmandat im Amt (FH 2023; vgl. BS 23.2.2022), und seine Herrschaft, besonders seit 2001, ist durch ein sehr autokratisches und repressives Vorgehen gekennzeichnet (CIA 6.12.2023). Seitdem hat er seine Macht weiter gefestigt, indem er den ganzen Staatsapparat unter seine Kontrolle gebracht hat (BS 23.2.2022). Afewerki regiert ohne demokratische Kontrolle, gestützt auf die Sicherheitsbehörden und den Apparat der PFDJ (AA 3.1.2022), welche als einzige Partei zugelassen ist (FH 2023; vgl. AA 3.1.2022, USDOS 20.3.2023) und die gesamte politische Führung des Landes stellt. Andere politische Parteien sind verboten. Oppositionelle befinden sich, .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 5 von 48

soweit sie nicht ins Ausland fliehen konnten, ohne Gerichtsverfahren wie Kontakt zur Außenwelt an unbekannten Orten in Haft [siehe Kapitel 12. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition und 13. Haftbedingungen, Anm.] (AA 3.1.2022), auch, weil es der gut organisierten Exilopposition weitgehend nicht gelungen ist, das Regime in Eritrea selbst herauszufordern (C24 8.4.2022). Afewerki ist gleichzeitig Staats- wie Regierungschef, und steht dem Staatsrat, dessen Minister er ernennt, und der Nationalversammlung vor (CIA 6.12.2023). Allerdings regiert er Berichten zufolge nur mithilfe eines informellen Beraterzirkels, während der Staatsrat sowie die Sicherheitsbehörden seine Entscheidungen lediglich ausführen (FH 2023; vgl. BS 23.2.2022). Laut der BS verwandelte er Eritrea in eine autoritäre Alleinherrschaft, wie z.B. durch eine systematische Militarisierung der Gesellschaft, instabile persönliche Netzwerke, eine Teile-und-herrsche-Politik entlang ethnischer, regionaler Linien [Cleavages, Anm.] oder seinen harten autoritären Regierungsstil samt totalitären Tendenzen. Der handverlesene Staatsrat hat grundsätzlich nur sehr wenig Entscheidungsbefugnis und das Amt des Verteidigungsministers ist seit 2014 unbesetzt, aber das Militär verfügt weiterhin über erhebliche politische Macht [siehe Kapitel 5. Sicherheitsbehörden, Anm.] (BS 23.2.2022). Die stillgelegte Übergangsnationalversammlung ist seit 2022 nicht mehr zusammengekommen (BS 23.2.2022; vgl. AA 3.1.2022), ungeachtet dessen, dass die Verfassung von 1997 eine 150-köpfige Nationalversammlung vorsehen würde, welche den Präsidenten aus ihrer Mitte per Mehrheitswahl bestimmen sollte. Überdies würde sie einen Wahlausschuss verlangen, aber die Wahlgesetze sind ebenfalls noch nicht verabschiedet (FH 2023). Seit 1993 setzte die Regierung zweimal Wahlen an, sagte sie jedoch ohne Erklärung ab (USDOS 20.3.2023). Wahlen zur Nationalversammlung sind ob des Kriegs mit Äthiopien bis auf Weiteres verschoben (CIA 6.12.2023), Präsidentschaftswahlen wegen einer Gefährdung der nationalen Sicherheit (C24 8.4.2022). Kommunal- wie Wahlen zu den Regionalversammlungen finden regelmäßig statt (FH 2023). Gewählt werden hierbei Verwalter, Geschäftsführer und Dorfkoordinatoren. Alle Staatsbürger über 18 Jahren sind wahlberechtigt, und jene Wahlen werden in geheimer Abstimmung durchgeführt (USDOS 20.3.2023). Sie werden aber von der PFDJ sorgfältig inszeniert und bieten den Wählern daher keine echte Wahlmöglichkeit (FH 2023). Die PDFJ ist innenpolitisch nur begrenzt gefordert, vornehmlich, da sie alle Formen des Dissenses unterdrückt (C24 14.4.2022). Eine Parteimitgliedschaft ist zwar nicht verpflichtend, wobei manche Personen, insbesondere diejenigen mit öffentlichen Ämtern, unter Druck gesetzt werden, der PDFJ beizutreten. Es wird berichtet, dass die Behörden Rekruten nach Beendigung des Wehrdienstes zu Hause aufsuchen und sie zuweilen zwingen, der Partei beizutreten, um die dann fälligen Gebühren einzutreiben. Ganz grundsätzlich sind eritreische Bürger verpflichtet, hin und wieder an politischen Indoktrinierungsveranstaltungen teilzunehmen, ansonsten werden ihnen Vergünstigungen, wie z.B. .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 6 von 48

Lebensmittelgutscheine entzogen. Auch an eritreischen Botschaften soll es solche Treffen geben, die u.a. Auswirkungen auf Reisepassausstellungen haben können (USDOS 20.3.2023). Die PDFJ bestimmt über Parteiunternehmen außerdem das gesamte wirtschaftliche Leben des Landes (AA 3.1.2022), eine andere Quelle spricht diesbezüglich von einer „Mafiawirtschaft“ (BS 23.2.2022). Das Algier-Friedensabkommen vom 12.12.2000 beendete offiziell den Krieg zwischen Eritrea und Äthiopien. Spannungen zwischen den beiden Nachbarn bestanden aber zunächst fort und führten von 2012 bis 2016 mehrmals zu bewaffneten Zusammenstößen an der gemeinsamen Grenze. Im Juli 2018 wurde diese Fehde durch die Unterzeichnung der „Gemeinsamen Erklärung über Frieden und Freundschaft“ praktisch beendet (AA 3.1.2022). Eine Umsetzung scheiterte erst einmal an der Regionalregierung von Tigray [eine äthiopische Region an der Grenze zu Eritrea, Anm.], die gegen eine Grenzfestlegung agitierte. Anstatt die Armee zu demobilisieren, trat Asmara somit 2020 an der Seite der äthiopischen Streitkräfte in den nicht deklarierten Bürgerkrieg gegen die „Tigray People’s Liberation Front“ (TPLF) ein (BS 23.2.2022). Zwar wurde im November 2022 ein Waffenstillstand zwischen Addis Abeba und der TPFL geschlossen (BAMF 25.9.2023), es kommt aber noch immer zu schweren Menschenrechtsverstößen in Tigray, für welche vor allem die amharische Fano-Miliz und die eritreische Armee verantwortlich sind. Berichtet wird u.a. von sexueller Gewalt, Tötungen, willkürlichen Festnahmen, Plünderungen und Vertreibungen (BAMF 25.9.2023; vgl. FH 2023, HRW 12.1.2023, WP 1.3.2023). Die eritreischen Truppen sind auch noch nicht aus Äthiopien abgezogen (BAMF 25.9.2023). Außerdem gibt es Stimmen, die vor einem neuen Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea warnen, trotz der gegenwärtigen Allianz (FP 7.11.2023). Grundsätzlich diente die Fixierung auf den äthiopisch-eritreischen Konflikt dem eritreischen Regime bisher als Rechtfertigung für die Beschränkungen im politischen und gesellschaftlichen Leben, aber auch für den Rückstand in der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes (AA 3.1.2022). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2066458/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Eritrea_%28Stand_November_2021%29%2C_03.01.202 2.pdf, Zugriff 13.12.2023 - AI - Amnesty International (27.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; The State of the World’s Human Rights; Eritrea 2022, https://www.ecoi.net/en/document/2089488.html, Zugriff 13.12.2023 - BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (25.9.2023): Briefing Notes KW 39/2023, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/ BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw39-2023.html, Zugriff 13.12.2023 - BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report: Eritrea, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069696/country_report_2022_ERI.pdf, Zugriff 13.12.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 7 von 48

- C24 - Crisis 24 (14.4.2022): Eritrea Country Report. Political, https://crisis24.garda.com/insights-intelligence/intelligence/country-reports/eritrea? origin=de_riskalert, Zugriff 13.12.2023 - C24 - Crisis 24 (8.4.2022): Eritrea Country Report, https://crisis24.garda.com/insights- intelligence/intelligence/country-reports/eritrea?origin=de_riskalert, Zugriff 13.12.2023 - CIA - Central Intelligence Agency [USA] (6.12.2023): The World Factbook: Eritrea, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/eritrea/, Zugriff 13.12.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2022: Eritrea, https://freedomhouse.org/country/eritrea/freedom-world/2022, Zugriff 13.12.2023 - FP - Foreign Policy (7.11.2023): Are Ethiopia and Eritrea on the Path to War?, https://foreignpolicy.com/2023/11/07/ethiopia-eritrea-war-tplf/, Zugriff 13.12.2023 - HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Eritrea, https://www.ecoi.net/en/document/2085412.html, Zugriff 13.12.2023 - UNHRC - United Nations Human Rights Council (9.5.2023): Situation of human rights in Eritrea. Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in Eritrea, Mohamed Abdelsalam Babiker, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093254/G2309208.pdf, Zugriff 13.12.2023 - UNHRC - United Nations Human Rights Council (6.5.2022): Situation of human rights in Eritrea. Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in Eritrea, https://documents-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/G22/336/87/PDF/G2233687.pdf? OpenElement, Zugriff 13.12.2023 - USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Eritrea, https://www.ecoi.net/en/document/2089067.html, Zugriff 13.12.2023 - WP - Washington Post, The (1.3.2023): Hundreds massacred in Ethiopia even as peace deal was being reached, https://www.washingtonpost.com/world/2023/02/28/ethiopia-massacre-tigray- eritrea/, Zugriff 13.12.2023 3. Sicherheitslage Grundsätzlich verfügt der Staat in Eritrea über das Gewaltmonopol. Seit der äthiopisch-eritreischen Annäherung 2018 sind die einst in Äthiopien ansässigen militanten Oppositionsgruppen nicht mehr aktiv (BS 23.2.2022). Trotz des im November 2022 vereinbarten Waffenstillstandes zwischen der äthiopischen Regierung sowie der TPLF bleibt die Sicherheitslage in den Regionen Äthiopiens, die an Eritrea grenzen, angespannt (AA 14.12.2023). Aufgrund der repressiven Regierungspolitik sind Unruhen selten. Der allgegenwärtige Sicherheitsapparat ist stets bereit, aggressiv auf alle Formen von Protest zu reagieren (C24 22.4.2022). In Asmara ist die Lage stabil und ruhig (AA 14.12.2023). Es hat in Eritrea in jüngerer Zeit keine Terroranschläge gegeben, auszuschließen sind sie laut dem Außenministerium des Vereinigten Königreichs dennoch nicht (FCDO 19.12.2023). Die Grenzregionen des Landes sind instabil, und Eritrea ist in der Vergangenheit immer wieder ob territorialer Streitigkeiten mit seinen Nachbarn kollidiert (C24 8.4.2022; vgl. EDA 29.6.2023). Daher hat Asmara keine stabilen Beziehungen zu seinen Nachbarländern, darunter der Sudan, Dschibuti, Saudi-Arabien oder Ägypten. Laut der BS hängen diese nämlich von den Launen Afewerkis ab, der der internationalen Staatengemeinschaft misstraut (BS 23.2.2022). Alle Grenzübergange zwischen Dschibuti und Eritrea sind zurzeit geschlossen. 2008 kam es zu Scharmützel zwischen den beiden, nachdem eritreische Streitkräfte in die umstrittene Grenzregion von Dschibuti eingedrungen waren. .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 8 von 48

Obgleich sich die Beziehungen inzwischen verbessert haben, bleibt die Situation ungelöst (FCDO 19.12.2023; vgl. AA 14.12.2023, EDA 29.6.2023). Auch an der äthiopisch-eritreischen Grenze sind alle Übergänge gegenwärtig geschlossen, besonders aufgrund militärischer Aktivitäten auf beiden Seiten (FCDO 19.12.2023). Die Kampfzonen des vormaligen äthiopisch-eritreischen Grenzkonflikts sind stark vermint (EDA 29.6.2023; vgl. BMEIA 27.6.2023, FCDO 19.12.2023). Akute Minengefahr besteht auch in den Grenzbereichen zu sowohl Dschibuti als auch zum Sudan (BMEIA 27.6.2023). Nach Ausbruch des sudanesischen Bürgerkrieges am 15.4.2023 wurde die Grenze zwischen den zwei Staaten geschlossen (AA 14.12.2023; vgl. EDA 29.6.2023). Auf sudanesischer Seite kommt es zu Kampfhandlungen (AA 14.12.2023; vgl. FCDO 19.12.2023), während die Seite Eritreas durch zusätzliche Militäreinheiten gesichert ist. Die Lage ist dort angespannt (AA 14.12.2023). Eritreische Häfen ziehen gegenwärtig regionales sowie globales Interesse auf sich, vornehmlich in Anbetracht des andauernden Kriegs in Gaza - die Huthi-Rebellen attackieren momentan vermehrt Handels- und Marineschiffe im Roten Meer. Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) unterhalten einen Stützpunkt in Eritrea, von dem aus seit Längerem Militärschläge gegen die jemenitische Miliz durchgeführt werden (TNA 11.12.2023). Die Hanisch-Inseln befinden sich überdies in unmittelbarer Nähe zum Jemen und somit zum dortigen Bürgerkrieg, weshalb die eritreischen Behörden keinen Zugang gewähren. In den vergangenen drei Jahren wurden Seeleute, die auf diesen Inseln ohne Genehmigung an Land gegangen waren, immer wieder festgenommen (FCDO 19.12.2023). Auch Moskau - Asmara vertritt auf internationalem Parkett stets russlandfreundliche Positionen, obwohl es keine nennenswerten sicherheitspolitischen oder wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Eritrea und dem Kreml gibt (WINEP 13.4.2022) - kündigte 2018 an, ein Logistikzentrum im Land zu bauen (TNA 11.12.2023). Zusätzlich wurde im September 2023 berichtet, dass Massaua in Zukunft einen russischen Militärstützpunkt am Roten Meer aufnehmen könnte (ADF 5.9.2023; vgl. JF 6.11.2023). Ähnliche Ideen werden Peking nachgesagt (ADF 5.9.2023). Ende Juli 2023 kündigte Abiy Ahmed, Äthiopiens Premierminister, an, dass Addis Abeba alle Optionen prüft, um dem Land einen eigenen Hafen zu sichern, notfalls auch mit Gewalt. Man befinde sich zurzeit in Verhandlungen mit Eritrea, Dschibuti und Somaliland. Hierzu ist anzumerken, dass Äthiopien seit der Unabhängigkeit Eritreas ein Binnenstaat ist (BAMF 31.7.2023). Östlich von Eritrea, besonders Richtung Süden entlang der somalischen Küste, besteht die Gefahr von Piratenüberfällen (AA 14.12.2023). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (14.12.2023): Eritrea: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/eritrea-node/eritreasicherheit/226176, Zugriff 20.12.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 9 von 48

- ADF - Africa Defense Forum (5.9.2023): In Eritrea, China and Russia Seek Red Sea Dominance, https://adf-magazine.com/2023/09/in-eritrea-china-and-russia-seek-red-sea- dominance/, Zugriff 20.12.2023 - BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (31.7.2023): Briefings Notes KW 31/2023, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/ BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw31-2023.pdf?__blob=publicationFile&v=7, Zugriff 20.12.2023 - BMEIA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (27.6.2023): Eritrea (Staat Eritrea), https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/eritrea, Zugriff 20.12.2023 - BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report: Eritrea, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069696/country_report_2022_ERI.pdf, Zugriff 20.12.2023 - C24 - Crisis 24 (22.4.2022): Eritrea Country Report. Security, https://crisis24.garda.com/insights-intelligence/intelligence/country-reports/eritrea? origin=de_riskalert, Zugriff 20.12.2023 - C24 - Crisis 24 (8.4.2022): Eritrea Country Report, https://crisis24.garda.com/insights- intelligence/intelligence/country-reports/eritrea?origin=de_riskalert, Zugriff 20.12.2023 - EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (29.6.2023): Reisehinweise für Eritrea, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und- reisehinweise/eritrea/reisehinweise-fuereritrea.html#edaa512fb, Zugriff 20.12.2023 - FCDO - Foreign, Commonwealth and Development Office [Vereinigtes Königreich] (19.12.2023): Foreign travel advice: Eritrea, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/eritrea, Zugriff 20.12.2023 - JF - Jamestown Foundation (6.11.2023): Russia in the Red Sea: Port Options in Eritrea (Part Two), https://jamestown.org/program/russia-in-the-red-sea-port-options-in-eritrea-part-two/, Zugriff 20.12.2023 - TNA - The New Arab (11.12.2023): Red Sea geopolitics: Rising conflict, more competition, https://www.newarab.com/analysis/red-sea-geopolitics-rising-conflict-more-competition, Zugriff 20.12.2023 - WINEP - Washington Institute for Near East Policy (13.4.2022): Eritrea: Supporting Russia to Stay in Power, https://www.washingtoninstitute.org/policy-analysis/eritrea-supporting-russia-stay- power, Zugriff 20.12.2023 4. Rechtsschutz / Justizwesen Die Gewaltenteilung mitsamt der gegenseitigen Kontrolle ist sowohl de jure als auch de facto nicht vorhanden, da Eritrea über keine in Kraft gesetzte Verfassung verfügt. Präsident Afewerki, welcher per Dekret regiert, kontrolliert die Judikative. Folglich unterliegt die Staatsgewalt nicht dem Gesetz (BS 23.2.2022; vgl. UNHRC 9.5.2023), Rechtsstaatlichkeit ist nicht gewährleistet (AA 3.1.2022; vgl. UNHRC 9.5.2023), und die Rechte auf ein faires wie öffentliches Verfahren werden nicht beachtet (USDOS 20.3.2023). Es gibt kein funktionierendes System von Pflichtverteidigern (FH 2023). Der UN-Sonderberichterstatter zur Menschenrechtssituation in Eritrea spricht in puncto Rechtsschutz von einer „andauerenden Menschenrechtskrise“ im Land (UNHRC 9.5.2023). Eritrea besitzt keine institutionelle Mindestinfrastruktur für die Rechtsprechung (UNHRC 9.5.2023). Die formelle Justiz ist schlecht organisiert sowie von der Regierung abhängig, gleichbedeutend mit häufigen Interventionen durch den Präsidenten (BS 23.2.2022; vgl. UNHRC 9.5.2023). Berufungen gegen Urteile sind nicht möglich, es gibt keine Beschränkungen des Strafmaßes (AA 3.1.2022), die Rechte auf ein ordnungsgemäßes Verfahren werden systematisch verletzt, und Straflosigkeit bei .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 10 von 48

Menschenrechtsverletzungen ist üblich, wenn nicht gewollt (UNHRC 9.5.2023). Seit 2002 ist der Oberste Gerichtshof stillgelegt (BS 23.2.2022; vgl. FH 2023), ebenso die Justizkommission, die für die Ernennung der Richter zuständig wäre. Alle Richter werden hingegen vom Präsidenten ernannt wie entlassen, und selbst nominell gewählte Richter werden durch das Justizministerium bestimmt (FH 2023). Hinzu kommt, dass es seit der Schließung der Universität Asmara 2006, nach der viele ehemalige Richter das Land verlassen haben, keine Möglichkeit mehr gibt, Rechtswissenschaften in Eritrea zu studieren (BS 23.2.2022). Informelle, traditionelle Institutionen bilden das Rückgrat der juristischen Praxis in Zivilsachen und, in gewissem Maße, auch in Strafsachen. Sie entscheiden Fälle auf Basis des Gewohnheitsrechts, das sich stark auf Schlichtung und Versöhnung zwischen den Konfliktparteien stützt. Daneben gibt es auch staatliche Kommunalgerichte, welche ebenfalls Gewohnheitsrecht sprechen, aber weniger Vertrauen in der Bevölkerung genießen (BS 23.2.2022). Zur Strafverfolgungspraxis - Tatbestände, Strafmaß - liegen keine Informationen vor (AA 3.1.2022). Das Präsidialamt dient als Clearingstelle für Bürgerpetitionen an bestimmte Gerichte. Zudem fungiert es bei einigen Gerichten als Mediator in Zivilsachen (USDOS 20.3.2023). Neben der allgemeinen zivilen Gerichtsbarkeit gibt es Militärgerichte, die jedes Verfahren an sich ziehen können und vor welchen keine Rechtsanwälte zugelassen sind (AA 3.1.2022). Andererseits sollen die bis dato Recht sprechenden Sondergerichte, die von Militärs geleitet wurde, nicht mehr existieren - gemäß der BS regieren die Mächtigen des Landes noch informeller wie willkürlicher als zuvor (BS 23.2.2022). Verhaftungen ohne Haftbefehl und Angabe von Gründen sind üblich, wobei Häftlinge umgekehrt auch ohne Angabe von Gründen freigelassen werden (AA 3.1.2022; vgl. BS 23.2.2022). Folglich werden eritreische Bürger manchmal für mehrere Monate oder gar Jahre ohne formale Anklage gefangengehalten. Da die Grenzen zwischen ziviler und militärischer Herrschaft in Eritrea fließend sind, erfüllen hochrangige Offiziere juristische Funktionen gegenüber den Rekruten (BS 23.2.2022). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2066458/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Eritrea_%28Stand_November_2021%29%2C_03.01.202 2.pdf, Zugriff 6.12.2023 - BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report: Eritrea, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069696/country_report_2022_ERI.pdf, Zugriff 6.12.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2022: Eritrea, https://freedomhouse.org/country/eritrea/freedom-world/2022, Zugriff 6.12.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 11 von 48
