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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
gleichen Zugang zu den begrenzten Leistungen des Staates, zu medizinischer Grundversorgung und Bildung (BAMF 4.2023). In der Praxis sind ethnische Minderheiten aber im Universitätswesen und der Staatsverwaltung unterrepräsentiert. Die meisten Berufsausbilungszentren, Hochschulen und Gesundheitsstationen befinden sich in Asmara wie im Süden, wo vor allem die Tirginya leben. Gruppen wie die Saho, Afar, Nara, Beja/Hedareb oder Kunama sind tendenziell verwundbarer und ärmer, und sie leiden häufiger an Unterernährung (BS 23.2.2022). Jene Ethnien sind auch dadurch benachteiligt, dass sie nur wenige Verwandte in der Diaspora haben, die sie finanziell unterstützen können (BAMF 4.2023; vgl. BS 23.2.2022). Die Regierung diskriminiert ethnische Minderheiten Berichten zufolge weiterhin, vor allem die Afar, die Rashaida (USDOS 20.3.2023) und die Kunama, welche gemeinsam mit den Afar z.B. von den Armutsbekämpfungsprogrammen der Regierung ausgeschlossen werden (FH 2023). Die Afar, die in der Region Debubawi Kayih Bahri leben, sind seit etlichen Dekaden Diskriminierung, Schikanen, willkürlichen Verhaftungen, Verschwindenlassen, Gewalt sowie Verfolgung ausgesetzt. Sie wurden auch an der Ausübung ihres althergebrachten Lebensunterhalts, der Fischerei, gehindert (UNHRC 9.5.2023). Eine fundamentalistisch-nationalistische, anti-muslimische Bewegung namens Agazian kämpft aus dem Ausland heraus für einen eigenen Staat ein, der sowohl die Gebiete der Tigrinya in Eritrea als auch die äthiopische Region Tigray umfassen soll. Ebenjener Staat soll ausschließlich den Tigrinya offenstehen (AA 3.1.2022), weswegen dieser Bewegung radikale Ansprüche auf Indignität attestiert werden (IWGIA o.D.). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2066458/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Eritrea_%28Stand_November_2021%29%2C_03.01.202 2.pdf, Zugriff 23.11.2023 - BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (4.2023): Eritrea: Ethnische Minderheiten, https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/fetch/2000/702450/683266/693991/694906/694911/695096/24 091316/%2D/ Deutschland%2E_Bundesamt_f%FCr_Migration_und_Fl%FCchtlinge%2C_Eritrea_%2D_ethnisc he_Minderheiten%2C_01%2E04%2E2023%2E_%28Kurzinformation_%2D_%F6ffentlich%29%2 Epdf, Zugriff 23.11.2023 - BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report: Eritrea, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069696/country_report_2022_ERI.pdf, Zugriff 23.11.2023 - CIA - Central Intelligence Agency [USA] (18.11.2023): The World Factbook: Eritrea, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/eritrea/, Zugriff 23.11.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2022: Eritrea, https://freedomhouse.org/country/eritrea/freedom-world/2022, Zugriff 23.11.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 32 von 48

- IWGIA - International Work Group for Indigenous Affairs (o.D.): Indigenous peoples in Eritrea, https://www.iwgia.org/en/eritrea.html, Zugriff 23.11.2023 - SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (5.2023): Factsheet Eritrea. Stand: Mai 2023, https://www.ecoi.net/en/file/local/2094920/2305_ERI_Factsheet_d_web.pdf, Zugriff 23.11.2023 - UNHRC - United Nations Human Rights Council (9.5.2023): Situation of human rights in Eritrea. Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in Eritrea, Mohamed Abdelsalam Babiker, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093254/G2309208.pdf, Zugriff 23.11.2023 - USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Eritrea, https://www.ecoi.net/en/document/2089067.html, Zugriff 23.11.2023 17. Relevante Bevölkerungsgruppen 17.1. Frauen In der größtenteils ländlichen Bevölkerung Eritreas herrscht nach wie vor ein von traditionellen Wertvorstellungen geprägtes Rollenverständnis von Frauen vor (AA 3.1.2022; vgl. FH 2023). Viele unverheiratete Mütter sind, auch wenn die Schwangerschaft auf sexuelle Gewalt zurückzuführen ist, von gesellschaftlicher Ächtung, oft auch in der eigenen Familie, betroffen. Dies gilt sowohl für den islamischen als auch für die christlichen Teile der Bevölkerung (AA 3.1.2022). Vergewaltigung ist ein Straftatbestand, welcher mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft wird, in schweren Fällen mit bis zu 16 Jahren. Das Gesetz unterscheidet nicht zwischen dem Geschlecht des Täters wie des Opfers. Eine Vergewaltigung in der Ehe ist nur dann strafbar, wenn sich beide Ehegatten dauerhaft getrennt haben. Berichten zufolge wurde das Gesetz in einigen Fällen mittels Verhaftung der mutmaßlichen Täter durchgesetzt, über spätere Strafverfolgungen liegen allerdings keine Informationen vor (USDOS 20.3.2023). Vergewaltigungen von Frauen sind im Gefängnis und Militärdienst gängig. Sexuelle Übergriffe auf weibliche Wehrpflichtige sind ebenfalls weit verbreitet und werden von den Behörden nicht eingehend untersucht [siehe hierzu Kap. 9. Wehrdienst und Rekrutierungen, Anm.] (FH 2023; vgl. AA 3.1.2022). Häusliche Gewalt ist ex lege nicht ausdrücklich kriminalisiert, aber die Strafe für Körperverletzung variiert je nach Schwere des Verbrechens und wird mit neun Monaten bis 19 Jahren Haft bestraft. Die Behörden greifen in Fällen häuslicher Gewalt nur selten ein. Sexuelle Belästigung steht zudem nicht explizit unter Strafe (USDOS 20.3.2023). Grundsätzlich ist es schwierig, das Ausmaß geschlechtsspezifischer Gewalt in Eritrea zu ermitteln, weil die soziale Stigmatisierung die Opfer von einer Meldung der Tat abhaltet und die Regierung keine Statistiken veröffentlicht (USDOS 20.3.2023). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 33 von 48

Kein Gesetz schränkt die politische Partizipation von Frauen ein, und Frauen nehmen in Eritrea am politischen Prozess teil (USDOS 20.3.2023). Frauen sind zwar nominell in der PFDJ repräsentiert, sie können sich aber weder unabhängig organisieren noch ihre Interessen im politischen System vertreten (FH 2023). Die nationale Frauenorganisation - „National Union of Eritrean Women“ - wird durch die PFDJ kontrolliert (AA 3.1.2022; vgl. BS 23.2.2022) und agiert meist tatenlos. Frauen sind auch im Hochschulwesen und in der Verwaltung unterrepräsentiert (BS 23.2.2022). Familien-, Arbeits-, Eigentums-, Staatsangehörigkeits-, und Erbschaftsgesetze gewähren Männern und Frauen die gleichen Recht. Das Gesetz schreibt den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit vor, in der Praxis ist eine diskriminierende Entlohnungspolitik jedoch üblich. Frauen sind auch weiterhin sozioökonomischer Diskriminierung ausgesetzt, besonders auf dem Land (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023). Das defizitäre Justizwesen wahrt ihre Rechte nicht wirksam (FH 2023). Weibliche Genitalverstümmelung bzw. -beschneidung (FGM/C) ist rechtlich an sowohl Frauen als auch Mädchen verboten (USDOS 20.3.2023; vgl. AA 3.1.2022, FH 2023), in ländlichen Gebieten aber noch immer weit verbreitet (FH 2023). Eine genaue Zahl über die Prävalenzrate von FGM/C in Eritrea lässt sich nur schwer feststellen, die bis dato letzte Studie dazu fand 2010 statt. Damals waren 83 % der eritreischen Frauen zwischen 15 und 49 Jahren beschnitten, wobei ältere Frauen eher beschnitten waren als jüngere (BAMF 8.2023). Zu den Bemühungen der Regierung, FGM/C einzudämmen, gehören auch öffentliche Sensibilisierungskampagnen, welche sich an religiöse wie kommunale Führer auf lokaler Ebene richten. Gemäß den Behörden gelten bestimmte Regionen und Teilgebiete als frei von FGM/C. Lokale UN-Vertreter bestätigen, dass die Regierung FGM/C als Problem ernst nimmt und gegen diese Praxis glaubwürdig vorgeht. Der UN-Bevölkerungsfonds (UNFPA) arbeitet mit der Regierung und anderen Organisationen an Aufklärungsprogrammen, um FGM/C ganz zu eliminieren (USDOS 20.3.2023; vgl. BAMF 8.2023). Diese Programme haben u.a. zum Rückgang von FGM/C in Eritrea beigetragen (FH 2023; vgl. BAMF 8.2023). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2066458/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Eritrea_%28Stand_November_2021%29%2C_03.01.202 2.pdf, Zugriff 27.11.2023 - BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (8.2023): Länderreport 60: Eritrea. Weibliche Genitalverstümmelung, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098667/laenderreport-60-Eritrea.pdf, Zugriff 27.11.2023 - BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report: Eritrea, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069696/country_report_2022_ERI.pdf, Zugriff 27.11.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2022: Eritrea, https://freedomhouse.org/country/eritrea/freedom-world/2022, Zugriff 27.11.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 34 von 48

- USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Eritrea, https://www.ecoi.net/en/document/2089067.html, Zugriff 27.11.2023 17.2. Kinder Mädchen in ländlichen Gebieten sind nach wie vor von Früh- oder Zwangsheirat bedroht (FH 2023; vgl. AA 3.1.2022). Das vorgeschriebene Mindestalter für die Eheschließung beträgt für Männer wie Frauen 18 Jahre, es sei denn, die Frau ist schwanger oder hat bereits ein Kind bekommen; dann beträgt das Mindestalter für beide 16 Jahre. Die Behörden informieren die Öffentlichkeit über die Gefahren der Frühehe und kollaborieren hierfür mit UN-Organisationen (USDOS 20.3.2023). Kinderprostitution, Kinderpornografie und sexuelle Ausbeutung von Kindern sind allesamt rechtlich verboten (AA 3.1.2022; vgl. USDOS 20.3.2023). Weil die Regierung keine Kriminalitätsstatistiken veröffentlicht, ist es schwierig, das Ausmaß des Missbrauchs zu ermitteln oder festzustellen, ob die Regierung diese Gesetze wirksam durchsetzt. Das Mindestalter für einvernehmlichen Sex beträgt 18 Jahre (USDOS 20.3.2023). Es gibt keine Hinweise auf Kinderhandel (AA 3.1.2022). Kinderarbeit ist ex lege verboten. Das Mindestalter für eine Beschäftigung beträgt 18 Jahre. Des Weiteren sind gesundheitsgefährdende Arbeiten, etwa in der Chemie- oder Transportindustrie, für Kinder gesetzlich untersagt. Die Wirklichkeit sieht jedoch häufig anders aus: Auf dem Land müssen Kinder im Haus wie in der Landwirtschaft mitarbeiten, während sie in Asmara als Straßenverkäufer arbeiten (AA 3.1.2022; vgl. USDOL 26.9.2023). Die Regierung hat institutionelle Mechanismen, um die Rechtsvorschriften zur Kinderarbeit durchzusetzen, geschaffen. Jedoch gibt es Mängel bei der Durchsetzung (USDOL 26.9.2023), z.B. fehlende Inspektoren zur Durchführung von Kontrollen (AA 3.1.2022). Über den Einsatz von Kindersoldaten liegen keine Informationen vor. Zudem werden Kinder unter 14 Jahren nicht als Soldaten eingesetzt oder zum Wehrdienst eingezogen, die paramilitärische Ausbildung kann jedoch schon ab dem 16. Lebensjahr beginnen (AA 3.1.2022). Um die Oberstufe abzuschließen, müssen die Schüler ihr letztes Schuljahr, die 12. Klasse, an der „Warsay Yikealo Secondary School“ im Militärkomplex Sawa absolvieren. Jedes Jahr wird ebenjene von 11.000 bis 15.000 Schülern besucht, und obwohl viele dieser Schüler bei der Absolvierung der militärischen Ausbildung in der Regel bereits 18 Jahre alt sind, sind einige Berichten zufolge erst 16 Jahre alt (USDOL 26.9.2023; vgl. AI 27.3.2023, HRW 12.1.2023). Ohne Abschluss des Nationaldienstes inklusive offizieller Entlassung droht den Kindern eine Zukunft mit unbefristetem Nationaldienst (USDOL 26.9.2023). Sie müssen die harten Bedingungen und die Korruption in Sawa ertragen, einschließlich der Vorwürfe, dass Militärkommandeure Schülerinnen im Austausch für sexuelle Handlungen Essen und bessere Behandlung anbieten (USDOL 26.9.2023; vgl. AI 27.3.2023, HRW .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 35 von 48

12.1.2023). Die Schlafsäle sind überfüllt und die medizinischen Einrichtungen sehr eingeschränkt (HRW 12.1.2023). Außerdem sind Schüler, welche geringfügiger Vergehen beschuldigt werden, oft körperlichen Bestrafungen ausgesetzt, die nach Angaben von Amnesty International (AI) auf Folter und andere Misshandlungen hinauslaufen (AI 27.3.2023). Die Streitkräfte führen auch Razzien durch, die in Tigrinya als „Giffa“ bekannt sind und bei denen sie Jugendliche auf der Straße zum Militärdienst einberufen. Regierungsbeamte sollen Eltern partiell zwingen, ihre Kinder, die sich der Wehrpflicht entziehen, zur Musterung für den Nationaldienst zu bringen (AI 27.3.2023; vgl. USDOL 26.9.2023). Laut dem US-amerikanischen Arbeitsministerium sind diese Faktoren die Ursache für die anhaltende Abwanderung unbegleiteter Minderjähriger aus Eritrea (USDOL 26.9.2023). In letzter Zeit wurden vermehrt Kinder gesichtet, die auf der Straße leben (USDOS 20.3.2023). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2066458/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Eritrea_%28Stand_November_2021%29%2C_03.01.202 2.pdf, Zugriff 27.11.2023 - AI - Amnesty International (27.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; The State of the World’s Human Rights; Eritrea 2022, https://www.ecoi.net/en/document/2089488.html, Zugriff 27.11.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2022: Eritrea, https://freedomhouse.org/country/eritrea/freedom-world/2022, Zugriff 27.11.2023 - HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Eritrea, https://www.ecoi.net/en/document/2085412.html, Zugriff 27.11.2023 - USDOL - United States Department of Labor [USA] (26.9.2023): 2022 Findings on the Worst Forms of Child Labor: Eritrea, https://www.ecoi.net/en/document/2098498.html, Zugriff 27.11.2023 - USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Eritrea, https://www.ecoi.net/en/document/2089067.html, Zugriff 27.11.2023 17.3. Homosexuelle/Sexuelle Minderheiten Sexuelle Minderheiten treten nicht öffentlich in Erscheinung, da diese Lebensform in der eritreischen Gesellschaft allgemein abgelehnt (AA 3.1.2022) wie gemeinhin diskriminiert wird. Es gibt allerdings keine bekannten Fälle von Gewalt gegen sexuelle Minderheiten in jüngster Zeit. Das ist vermutlich auf die Repressionen zurückzuführen, die sexuelle Minderheiten abhält, sich gegen Gewalt zu stellen oder sich zu ihrer Identität zu bekennen, vor allem aus Angst vor den schwerwiegenden sozialen Auswirkungen sowie der Diskriminierung, welche sie erleiden würden, falls ihre sexuelle Identität preisgegeben würde, so das US-amerikanische Außenministerium (USDOS 20.3.2023). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 36 von 48

Einvernehmliche gleichgeschlechtliche Sexualakte und „andere unanständige Handlungen“ stehen in Eritrea unter Strafe. Im Falle einer Verurteilung beträgt das Strafmaß fünf bis sieben Jahre Haft (USDOS 20.3.2023; vgl. AA 3.1.2022, FH 2023, HRW 12.1.2023). Die Regierung setzt das Gesetz konsequent durch (USDOS 20.3.2023), wobei es prinzipiell schwierig ist, überprüfbare Daten über die Strafverfolgung Eritreas zu erhalten. Dennoch wird von zumindest drei Fällen zwischen 2002 und 2021 ausgegangen. In der Vergangenheit wurden auch schon Nicht-Staatsbürger wegen der Unterstellung, homosexuell zu sein, des Landes verwiesen (ILGA 12.2021). Sexuelle Minderheiten genießen des Weiteren keinen Rechtsschutz vor sozialer Diskriminierung (FH 2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Es gab keine sichtbaren LGBTQI-Organisationen im Land. Die Regierung schränkt das Recht auf freie Meinungsäußerung stark ein, auch in Bezug auf sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität oder Geschlechtsmerkmale. Sexuelle Minderheiten können sich aus Furcht vor Identitätsfeststellung, Verhaftung, Diskriminierung oder Gewalt nicht frei versammeln, assoziieren oder öffentlich äußern (USDOS 20.3.2023). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2066458/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Eritrea_%28Stand_November_2021%29%2C_03.01.202 2.pdf, Zugriff 29.11.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2022: Eritrea, https://freedomhouse.org/country/eritrea/freedom-world/2022, Zugriff 29.11.2023 - HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Eritrea, https://www.ecoi.net/en/document/2085412.html, Zugriff 29.11.2023 - ILGA - International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (12.2021): Our Identities Under Arrest. A global overview on the enforcement of laws criminalising consensual same-sex sexual acts between adults and diverse gender expressions, https://www.ecoi.net/en/file/local/2094645/Our_Identities_Under_Arrest_2021.pdf, Zugriff 29.11.2023 - USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Eritrea, https://www.ecoi.net/en/document/2089067.html, Zugriff 29.11.2023 18. Bewegungsfreiheit Die Bewegungsfreiheit ist stark eingeschränkt (FH 2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Das gilt für den Binnenverkehr, Auslandsreisen, Emigrationen wie Rückführungen (USDOS 20.3.2023). Für Reisen innerhalb des Landes benötigt man eine Genehmigung (FH 2023), insbesondere in abgelegene Regionen oder in Grenznähe. Hierbei verlangen die Behörden, dass an den Kontrollpunkten eine Rechtfertigung für die jeweilige Reise vorgelegt wird (USDOS 20.3.2023). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 37 von 48

Der Auslandsreiseverkehr ist in Eritrea eingeschränkt. Um das Land zu verlassen, braucht man ein Ausreisevisum, auch Doppelstaatsbürger. Die Bedingungen für den Erhalt eines Reisepasses oder eines Ausreisevisums sind uneinheitlich und intransparent. Die Regierung verweigert Bürgern oft Pässe und Ausreisevisa, wenn sie ihre Militär-, Wehrdienst- oder Milizpflichten nicht erfüllt oder die Einkommenssteuer nicht bezahlt haben, sowie aus willkürlichen, unbegründeten Motiven (USDOS 20.3.2023). Eritreer, die jung genug für den Nationaldienst sind, erhalten nur selten die Erlaubnis, ins Ausland zu reisen (FH 2023): Die Behörden erteilen Kindern, die älter als sieben Jahre sind, im Allgemeinen keine Ausreisevisa. Häufig verweigert werden letztere auch Männer unter 40 Jahren, unabhängig davon, ob sie den Wehrdienst abgeleistet haben, und Frauen unter 30 Jahren. Zudem erhalten verheiratete Frauen und solche mit Kindern eher ein Auslandsvisum (USDOS 20.3.2023). Diejenigen, die versuchen, das Land ohne Visum zu verlassen, müssen mit einer Gefängnisstrafe rechnen (FH 2023). Laut dem Auswärtigen Amt kann eine allgemeine staatliche Verfolgung allein aufgrund einer unerlaubten Ausreise nicht festgestellt werden (AA 3.1.2022). Reisebeschränkungen für Nicht-Staatsbürger, die sich rechtmäßig im Land aufhalten, sind in Kraft, u.a. für Diplomaten, humanitäre Helfer oder UN-Mitarbeiter. Sie müssen mindestens zehn Tage im Voraus eine Genehmigung für Reisen außerhalb von Asmara beantragen (USDOS 20.3.2023). Die Landgrenze zum Sudan ist offen, die anderen weiterhin nicht. Reisen auf dem Landweg sind daher für die meisten Eritreer nicht möglich. Angehörige einiger grenzüberschreitender ethnischer Gruppen wie die Afar im Osten und die Beja/Hedareb im Westen sind berechtigt, die Grenzen zu überschreiten (USDOS 20.3.2023). In der COVID-19-Pandemie rief die Regierung zwar nicht den Notstand aus, da sie behauptete, so gut wie keine Todesfälle durch das Virus im Land zu haben, aber schränkte die Bewegungsfreiheit noch drastischer ein als zuvor (BS 23.2.2022). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2066458/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Eritrea_%28Stand_November_2021%29%2C_03.01.202 2.pdf, Zugriff 29.11.2023 - BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report: Eritrea, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069696/country_report_2022_ERI.pdf, Zugriff 29.11.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2022: Eritrea, https://freedomhouse.org/country/eritrea/freedom-world/2022, Zugriff 29.11.2023 - USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Eritrea, https://www.ecoi.net/en/document/2089067.html, Zugriff 29.11.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 38 von 48

18.1. Meldewesen In Asmara sind Adressen bestehend aus Straßenname und Hausnummer üblich, ansonsten nicht. Jede Person ist verpflichtet, sich bei der untersten Verwaltungsebene (Memehedar) des Wohnorts anzumelden, und erhält als Bestätigung eine neben dem Personalausweis (Menenet) permanent mitzuführende Einwohnerkarte (Nebarinet), die als Bezugsausweis für verbilligte Lebensmittel und andere staatliche Leistungen dient (AA 3.1.2022). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2066458/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Eritrea_%28Stand_November_2021%29%2C_03.01.202 2.pdf, Zugriff 29.11.2023 19. IDPs und Flüchtlinge Die eritreische Regierung arbeitet in der Flüchtlingsfrage nicht mit dem UNHCR zusammen, und definiert den Flüchtlingsstatus nicht im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 bzw. dem zugehörigen Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1967 (USDOS 20.3.2023). Auch die Afrikanische Flüchtlingskonvention von 1969 hat Asmara nicht ratifiziert (HRW 12.1.2023). Nach dem Gesetz wird kein Asyl- oder Flüchtlingsstatus gewährt. Überdies gibt es in Eritrea kein Schutzsystem für Geflüchtete. Äthiopier, Süd- und Sudanesen werden von den Behörden nicht als Flüchtlinge anerkannt, sondern als Wirtschaftsmigranten betrachten. Allerdings ist es ihnen erlaubt, im Land zu bleiben und unter der lokalen Bevölkerung zu leben, falls sie einen Bürgen stellen und stets eine Gebühr zur Aufenthaltsverlängerung entrichten, andernfalls droht ihnen das Gefängnis (USDOS 20.3.2023). Stand November 2021 lebten 138 Flüchtlinge aus Äthiopien, dem Sudan wie dem Südsudan in Eritrea (AA 3.1.2022), Stand 30.9.2023 sind es insgesamt 118 Flüchtlinge bzw. Asylwerber (UNHCR 30.9.2023), nur einer weniger als im Vorjahr (WB o.D.). Der UNHCR ist nicht imstande, ihnen grundlegende Hilfe zu leisten, auch, weil er nur einen einzigen Mitarbeiter im Land hat (USDOS 20.3.2023). IDPs gibt es in Eritrea keine (IOM 25.9.2023). Seit Juni 2019 sind die rund 2.500 somalischen Flüchtlinge, die vom UNHCR betreut wurden und in einem Lager nahe Massaua untergebracht waren, bis auf wenige Ausnahmen, ca. 75 Personen, nach Äthiopien abgewandert, nachdem die Regierung die Lagerschließung angekündigt hatte. Die restlichen Bewohner wurden Ende 2020 nach Somalia rückgeführt (AA 3.1.2022). Wegen des Tigray-Konflikts besteht die Gefahr, dass Äthiopier nach Eritrea fliehen (AA 3.1.2022). Quellen: .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 39 von 48

- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2066458/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Eritrea_%28Stand_November_2021%29%2C_03.01.202 2.pdf, Zugriff 30.11.2023 - HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Eritrea, https://www.ecoi.net/en/document/2085412.html, Zugriff 30.11.2023 - IOM - International Organization for Migration (25.9.2023): A Region on the Move: East and Horn of Africa, https://reliefweb.int/attachments/5c9a7002-b58b-4b7d-81e4-7d6562929cc5/ pub2023-044-r-on-the-move-2022-eha.pdf, Zugriff 30.11.2023 - UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (30.9.2023): Regional Bureau for East, Horn of Africa, and the Great Lakes; Refugees and asylum-seekers by country of asylum as of 30 Sep 2023, https://www.ecoi.net/en/document/2100033.html, Zugriff 30.11.2023 - USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Eritrea, https://www.ecoi.net/en/document/2089067.html, Zugriff 30.11.2023 - WB - World Bank, The (o.D.): Refugee population by country or territory of asylum - Eritrea, https://data.worldbank.org/indicator/SM.POP .REFG?locations=ER, Zugriff 30.11.2023 20. Grundversorgung und Wirtschaft Eritrea ist nach wie vor eines der ärmsten Länder der Welt, und die Armut ist allgegenwärtig (BS 23.2.2023; vgl. C24 8.4.2022). Der Welthunger-Index 2023 nahm das Land wegen fehlender Daten nicht auf (GHI 10.2023), UNICEF berichtet allerdings von einer steigenden Mangelernährung bei Kindern (UNICEF 2023). Statistische Daten sind aufgrund der grassierenden Intransparenz seitens des Staates prinzipiell weder verfügbar noch zuverlässig, es gibt z.B. keine aktuelle Armutsquote (BS 23.2.2022). Laut der bisher letzten offiziellen Veröffentlichung aus dem Jahr 2004 waren 66 % der Bevölkerung arm, von denen 37 % unterhalb der Armutsgrenze lebten (IJSRM 1.2022), die CIA hingegen spricht von 50 % der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze in 2004 (CIA 28.11.2023). Im Human Development Index (HDI) des UNDP nimmt Eritrea den 176. Rang von insgesamt 191 Ländern ein, gleichbedeutend mit einer niedrigen Klassifizierung menschlicher Entwicklung (UNDP 8.9.2022; vgl. USAID 8.2023). Internationale Organisationen wie die FAO haben nicht immer Zugang zu ländlichen Gebieten, weil sie nicht jederzeit eine Reisegenehmigung erhalten. Folglich gibt es keine genauen Informationen über die Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung, Hinweise auf Nahrungsmittelengpässe aber schon (AA 3.1.2022). Verschärft wurden diese durch den Russisch-Ukrainischen Krieg, da die zwei Kriegsparteien gemeinsam fast 100 % der Weizeneinfuhren Eritreas abdecken. Die Auswirkungen auf Energie-, Düngemittel- und Lebensmittelpreise trugen ebenfalls dazu bei, dass sich das reale BIP-Wachstum von 2,5 % im Jahr 2021 auf schätzungsweise 2,3 % in 2022 verlangsamte. Weitere Faktoren sind die Folgen der COVID-19-Pandemie auf die Wertschöpfungsketten, Klimaschocks und der Konflikt in Nordäthiopien (AfDB 2023). Die im November 2021 verhängten US-Sanktionen gegen Eritrea führten zudem zu Preissteigerungen (AA 3.1.2022), welche gemeinsam mit höheren .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 40 von 48

Energiepreisen - Erdöl macht 71 % des gesamten Energieverbrauchs aus - wiederum die Inflation anheizten (AfDB 2023). Stand 2022 betrug sie 7,5 % (AfDB 2023; vgl. WKO 10.2023). Außerdem führten die Wirtschaftssanktionen zu einem Rückgang der Geldüberweisungen von Angehörigen in der Diaspora (UNICEF 2023), auf die viele Eritreer angewiesen sind (BS 23.2.2022) und die seit der Unabhängigkeit 30 % des BIPs ausmachen (CIA 28.11.2023). Ergo ist die Versorgungslage für weite Teile der Bevölkerung schwierig. Die Nahrungsmittelpreise, vor allem die der Grundnahrungsmittel, sind seit 2008 massiv angestiegen. Die Regierung bemüht sich, die Versorgung mit Nahrungsmitteln durch Rationierung und Bezugsscheine sicherzustellen (AA 3.1.2022). Auf dem Papier haben alle sozialen Gruppen in Eritrea den gleichen Zugang zu den Lebensmittelgutscheinen, sie werden jedoch oftmals aus politischen Gründen zurückgehalten (BS 23.2.2022). Problematisch ist hingegen die Behinderung des Zugangs zu humanitärer Hilfe bzw. zu Hilfsorganisationen durch die Regierung, weswegen über die genauen Zahlen von Betroffenen und Ernährungsindikatoren nur gemutmaßt werden kann (AA 3.1.2022). Eritrea gilt, laut der Volkswirtschaftseinordnung der Weltbank, als Land mit niedrigem Einkommen (USAID 8.2023). 2022 betrug die Erwerbsquote 77,6 % der Bevölkerung, die Arbeitslosenquote 6,6 % (WKO 10.2023; vgl. CIA 28.11.2023) und die Jugendarbeitslosenquote 11,1 % (WKO 10.2023; vgl. USAID 8.2023). Ungefähr ein Fünftel der Erwerbsbevölkerung arbeitet in der Industrie, ca. vier Fünftel in der Landwirtschaft. Hergestellt werden hauptsächlich verarbeitete Lebensmittel, Textilien, Salz wie Zement bzw. Getreide (Gerste, Hirse, Weizen), Milch, (Wurzel-)Gemüse, Hülsenfrüchte und Rindfleisch (CIA 28.11.2023). Da Ackerbau, Viehzucht und Fischerei die Lebensgrundlage für rund 65 bis 70 % der eritreischen Bevölkerung darstellen, haben die klimatischen Bedingungen die Bewältigungskapazitäten des Staates sowie der Bürger in den vergangenen zwei Jahren auf die Probe gestellt (UNICEF 2023; vgl. AfDB 2023). Auf den kleinen Bergbausektor entfallen ganze 20 % der Wirtschaftsleistung, weshalb die Weltbank ihn mit seinen neuen Aktivitäten als potenzielles Zugpferd der mittelfristig günstigen Konjunkturaussichten ansieht. Die Erholung der Landwirtschaft wird sich aber voraussichtlich verlangsamen, so die Weltbank, und Eritrea befindet sich weiterhin in einer schwierigen makroökonomischen Lage, einschließlich einer untragbaren Schuldenlast und einem anfälligen Finanz- und Außensektor (WB 7.10.2021; vgl. CIA 28.11.2023). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.1.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea (Stand: November 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2066458/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_ die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Eritrea_%28Stand_November_2021%29%2C_03.01.202 2.pdf, Zugriff 1.12.2023 - AfDB - African Development Bank Group (2023): Eritrea Economic Outlook, https://www.afdb.org/en/countries/east-africa/eritrea/eritrea-economic-outlook, Zugriff 1.12.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 41 von 48
