isra-lib-2020-07-02-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Staat ausschließt und inzwischen zunehmend offensiv Teilannexionen des Westjordanlands fordert (Lintl 3.2018). Unilaterale Maßnahmen ohne Einbindung der palästinensischen Seite prägen die israelische Politik gegenüber den Palästinensern - vor allem der Rückzug [nur am Boden] aus dem Gaza- Streifen im Jahr 2005 sowie die Errichtung der Sperranlage um die großen Siedlungen in der Westbank. Das gab jenen Stimmen auf palästinensischer Seite Auftrieb, die meinen, dass Israel nur durch Einsatz von Gewalt die besetzten Gebiete verlassen würde. Lintl sieht eine Entwicklung in Israel wie auch in den palästinensischen Gebieten, wonach moderate Ansätze sukzessive marginalisiert werden (Lintl 3.2018). Die neue Regierung plant, im Juli die Annexion von Siedlungen und des Jordantals zu diskutieren. Palästinensische Politiker warnen davor, dass eine de facto-Annektierung die beschränkte Kooperation [Anm.: zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde] gefährden könnte (TWP 13.5.2020). Die Palästinenser verurteilten eine mögliche Annexion von Teilen des Westjordanlands als "Ende der Zweistaatenlösung". Die Arabische Liga sprach von einem "neuen Kriegsverbrechen" gegen die Palästinenser (DS 13.5.2020). Gegner der Annexion warnen vor einer neue Welle von israelisch-palästinensischer Gewalt (NYT 12.5.2020). Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde (PNA – Palestinian National Authority) Mahmoud Abbas erklärte in Reaktion auf die Annexionspläne den Rücktritt der PNA von den Friedens- und Sicherheitsabkommen mit Israel und den USA - inklusive des Oslo-Abkommens von 1993. Wie sich dies auf die Sicherheitskooperation vor Ort auswirken würde, blieb vorerst unklar (TWP 20.5.2020). Das Aussetzen der Sicherheitsvereinbarung durch Abbas wurde mittlerweile von israelischer Seite bestätigt (DS 21.5.2020). Die USA sind bisher das einzige Land weltweit, das eine Annexion von Teilen des Westjordanlandes durch Israel offiziell unterstützt (DS 13.5.2020). Das Koalitionsabkommen der neuen israelischen Regierung sieht eine Abstimmung über die Annexion von bis zu 30 Prozent des Westjordanslands nach dem 1. Juli vor, vorausgesetzt die USA stimmen dem zu (TWP 20.5.2020). 2017 anerkannte die US-Regierung von Präsident Donald Trump Jerusalem als israelischer Hauptstadt. Die Entscheidung stellte einen Verstoß gegen das Völkerrecht dar (AI 22.2.2018). Inmitten steigender Spannungen wegen der Annexion wurden ein Soldat und ein fünfzehnjähriger Palästinenser im Westjordanland am 12., bzw. 13. Mai getötet (WP 13.5.2020). Benjamin Natanjahu soll zwar die „regionale Stabilität, den Schutz der bestehenden Friedensabkommen sowie die Streben nach weiteren Abkommen“ berücksichtigen, aber mit der Unterstützung von Präsident Trump wird Netanyahu laut Council on Foreign Relations sein Erbe durch Erreichen dieses weit zurück reichenden Ziels festigen wollen. Die Folgen für Israel und für „seine Fähigkeit, ein demokratischer, jüdischer Staat, nach Innen stabil und in Frieden mit seinen Nachbarn, zu bleiben,“ werden tiefgreifend sein (CFR 21.4.2020). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 13 von 57

Quellen: - AI – Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Israel and the Occupied Palestinian Territories, https://www.ecoi.net/de/dokument/1444230.html, Zugriff 22.4.2020 - BBC News (26.4.2020): Israel country profile, https://www.bbc.com/news/world-middle-east- 14628835, Zugriff 14.5.2020, Zugriff 14.5.2020 - CFR – Council on Foreign Relations (21.4.2020): Israel’s Unusual Crisis Coalition: What to Expect, https://www.cfr.org/in-brief/israels-unusual-crisis-coalition-what-expect, Zugriff 14.5.2020 - DS – Der Standard (21.5.2020): Debatte über Kritik an Westbank-Annexion sorgt auch in Wien für Zwist, https://www.derstandard.at/story/2000117622417/debatte-um-kritik-an-westbank- annexion-sorgt-auch-in-wien, Zugriff 22.5.2020 - DS – Der Standard (20.5.2020): Abbas erklärt Ende aller Vereinbarungen mit Israel und USA, https://www.derstandard.at/story/2000117596111/abbas-erklaert-ende-aller-vereinbarungen- mit-israel-und-usa, Zugriff 20.5.2020 - DS – Der Standard (13.5.2020): Trumps Nahostplan im Koalitionsvertrag von Israels neuer Regierung, https://www.derstandard.at/story/2000117460015/trumps-nahost-plan-im- koalitionsvertrag-von-israels-neuer-regierung, Zugriff 14.5.2020 - Lintl, Peter (2.3.2018): Auswirkungen des ungelösten Konflikts auf israelische Machtkonstellationen und Akteursperspektiven. In: Lintl, Peter (Hrg.): Akteure des israelisch- palästinensischen Konflikts - Interessen, Narrative und die Wechselwirkungen der Besatzung, SWP-Studie 2018/S, S. 9-30, https://www.swp-berlin.org/publikation/akteure-des- israelischpalaestinensischen-konflikts/, Zugriff 22.4.2020 - NYT – The New York Times (12.5.2020): Israeli Soldier Is Killed in West Bank as Tensions Rise Over Annexation Push, https://www.nytimes.com/2020/05/12/world/middleeast/israel-soldier- killed-west-bank.html, Zugriff 14.5.2020 - TWP – The Washington Post (20.5.2020): Palestinian leader says he’s pulling out of peace agreements over annexation, https://www.washingtonpost.com/world/palestinian-leader-says- hes-pulling-out-of-peace-agreements-over-annexation/2020/05/19/fb7558a2-9a17-11ea-ad79- eef7cd734641_story.html, Zugriff 20.5.2020 - TWP – The Washington Post (13.5.2020): Clashes kill two in separate West Bank incidents, https://www.washingtonpost.com/world/middle_east/clashes-kill-two-in-separate-west-bank- incidents/2020/05/13/9e2b0fcc-94fc-11ea-87a3-22d324235636_story.html, Zugriff 14.5.2020 2.4. Nationalstaatsgesetz Das deutsche Auswärtige Amt beschreibt Israel als Demokratie, deren Innenpolitik zu einem großen Teil von der Heterogenität ihrer Bevölkerung bestimmt ist. Religiöse und säkulare Juden, israelische Araber, Drusen, Zuwanderer aus der früheren Sowjetunion und andere Gruppen prägen das Land (AA 5.11.2019b). Am 19. Juli 2018 wurde von der Knesset das Nationalstaatsgesetz beschlossen. Es ist innerhalb wie außerhalb des Landes umstritten, auch wenn nur ein Teil der Vorschriften neu ist. Diese werden nun jedoch de facto in den Verfassungsrang erhoben. Während die einen darin eine Darstellung der Wirklichkeit sehen, monieren Gegner, dass das Gesetz Minderheiten diskriminiere und demokratische Werte untergrabe. Es spiegelt auch Regierungsbemühungen zur Umgestaltung des israelischen Regierungssystems, hin zu einer „majoritären Demokratie“ wider, und trifft .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 14 von 57

besonders den Obersten Gerichtshof als „Verteidiger liberaler Prinzipien“. Der Protest dagegen erstreckte sich von Knesset-Abgeordneten bis hin ins Ausland: arabische und jüdischen Oppositionsparteien, viele NGOs sowie Staatspräsident Reuven Rivlin kritisierten das Gesetz als diskriminierend, unnötig und fehlerhaft. Aus dem Ausland kam Kritik von der Europäischen Union bis hin zum amerikanischen Reformjudentum. Israel wird in dem Gesetz in Paragraph 1 als „historisches Heimatland des jüdischen Volkes“ definiert, was in einem Großteil der arabischen Bevölkerung Ablehnung hervorruft, da sie in der weiteren Verrechtlichung des jüdischen Charakters des Staates eine diskriminierende Komponente und Zementierung der Trennung zwischen arabischen und jüdischen Bürgern sehen. So wird etwa in israelischen Geburtsurkunden zwischen jüdischen und arabischen Staatsbürgern differenziert. Dadurch wird der Charakter des Staates von der nationalen Mehrheit bestimmt, was den nichtjüdischen Minderheiten automatisch einen sekundären Status gibt, zumindest in grundlegenden Identitätsfragen des Staates (SWP 9.2018). In Paragraf 4 wird Arabisch vom Rang einer offiziellen Sprache Israels herabgestuft. In keinem israelischen Grundgesetz wurde bisher das Gleichheitsprinzip aufgenommen. Arabische Politiker fordern eine Definition Israels als „Staat für alle Bürger“, was jedoch von zahlreichen jüdischen Israelis als Negierung des Existenzrechts Israels ausgelegt wird (SWP 9.2018). Das Gesetz sieht zudem eine Bevorzugung der jüdischen Bevölkerung bei der Wohnraumplanung des Landes vor. Kerngedanke ist, dass es keine Region in Israel geben soll, die über eine arabische Mehrheit verfügt. Dies betrifft vor allem Gebiete mit einem niedrigeren jüdischen Bevölkerungsanteil wie Galiläa oder den Negev. Der verabschiedete Passus schließt aber auch die weitere Besiedlung des Westjordanlands nicht aus. Überhaupt fordert eine große Zahl der Parlamentarier, die das Nationalstaatsgesetz billigten, auch eine Annexion oder Teilannexion des Westjordanlands (SWP 9.2018). Das Nationalstaatsgesetz steht außerdem im Widerspruch zum Grundgesetz „Menschenwürde und Freiheit“ von 1992. Klagen gegen das Gesetz wurden bereits eingereicht. (SWP 9.2018). Eine Gruppe druzischer Israelis hat Klage beim Obersten Gerichtshof eingereicht. Daneben ersuchten auch Anführer der arabischen Bevölkerung inklusive der Beduinen, Bürgerrechtsgruppen, Akademiker und Oppositionsparteien ebenfalls das Gericht, das Gesetz aufzuheben (TI 16.8.2019). Die nächste Anhörung beim Obersten Gerichtshof zu Klagen gegen das Gesetz wurde im November 2019 für Juni 2020 festgesetzt (TJP 19.11.2019). Quellen: - AA – Auswärtiges Amt (5.11.2019b): Israel – Politisches Porträt, https://www.auswaertiges- amt.de/de/aussenpolitik/laender/israel-node/politisches-portrait/203848, Zugriff 22.4.2020 - SWP – (Lintl, Peter, Wolfrum, Stefan) (9.2018): Israels Nationalstaatsgesetz - Die Regierung Netanyahu schafft Grundlagen für ein majoritäres System, SWP-Aktuell Nr. 50, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2018A50_ltl_wlf.pdf, Zugriff 22.4.2020 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 15 von 57

- TJP – The Jerusalem Post (19.11.2019): High Court drops the ball on Jewish Nation-State Law – analysis, https://www.jpost.com/israel-news/high-court-drops-the-ball-on-jewish-nation-state- law-analysis-608296, Zugriff - TI – Times of Israel (16.8.2019): Nation-state law to be included in Israeli high school curriculum – report, https://www.timesofisrael.com/nation-state-law-to-be-included-in-israeli- high-school-curriculum-report/, Zugriff 14.5.2020 3. Sicherheitslage Das deutsche Auswärtige Amt warnt bei Reisen nach Israel vor Menschenansammlungen, mahnt zu erhöhter Vorsicht bei Bushaltestellen und Bahnhöfen, weil weiterhin Terroranschläge im öffentlichen Raum im Bereich des Möglichen liegen, auch wenn deren Zahl in den letzten Jahren zurückging. Israel gilt weiterhin als Angriffsziel islamistischer Terrorgruppen (AA 17.4.2020). Ähnlich warnt auch das österreichische Außenministerium (BMEIA) vor den Risiken von Anschlägen an Orten mit vielen Menschen wie z.B. religiöse Stätten, öffentliche Verkehrsmittel sowie Lokalen, Märkten etc. Das BMEIA geht davon aus, dass weiter mit „vereinzelten Anschlägen“ unter Verwendung von Messern oder Autos zu rechnen ist (BMEIA 1.7.2020). Freedom House geht von einem anhaltenden Risiko für israelische Sicherheitskräfte und ZivilistInnen bzgl. Terrorangriffen kleinen Maßstabs aus, wie etwa Messerangriffe und Niederfahren mit einem Fahrzeug (FH 4.3.2020). Von 1. Jänner 2015 um 17. September 2019 wurden der Datenbank des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UNOCHA) zufolge fünfzehn Israelis in Israel, davon 10 Siedler, getötet (OCHA o.D.a). 183 Israelis in Israel wurden im Zeitraum von 1. Jänner 2015 bis 22.4.2020 verletzt (OCHA o.D.b). Das BMEIA bewertet die derzeitige Sicherheitslage im Staat Israel im Zusammenhang mit der zunehmenden Ausbreitung des Coronavirus (COVID-19) und damit einhergehenden massiven Einschränkungen im Reiseverkehr als „hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 4)“ (BMEIA 14.4.2020). Quellen: - AA – Auswärtiges Amt (17.4.2020): Israel: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung Palästinensische Gebiete – Gaza-Streifen), https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/israelsicherheit/203814#content_0, Zugriff 22.4.2020 - BMEIA – Bundesministerium Europäische und internationale Angelegenheiten (1.7.2020): Israel Stand 01.07.2020 (Unverändert gültig seit: 08.06.2020), https://www.bmeia.gv.at/reise- aufenthalt/reiseinformation/land/israel/, Zugriff 1.7.2020 - OCHA – United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (o.D.a): Data on caualties – Israeli fatalities, https://www.ochaopt.org/data/casualties, Zugriff 14.5.2020 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 16 von 57

- OCHA – United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (o.D.b): Data on casualties – Israeli injuries, https://www.ochaopt.org/data/casualties, Zugriff 14.5.2020 3.1. Grundsätzliches zur Lage in den Grenzgebieten Es wird vom deutschen Auswärtigen Amt geraten, die Grenzgebieten zu Libanon, Syrien, Gazastreifen und Ägypten aus Sicherheitsgründen zu meiden (AA 17.4.2020). Die Kenntnis der Lage der Luftschutzkeller und über das Verhalten bei Raketenangriffen wird empfohlen – ebenso wie Anweisungen der Zivilschutzbehörden nachzukommen (BMEIA 1.7.2020). Israelische Gebiete in der Nähe des Gazastreifens: Trotz des Waffenstillstandsabkommens vom 26. August 2014, sind die Spannungen in diesen Gebieten hoch. Zeitweise finden dort militärische Operationen statt. Es kommt regelmäßig vor, dass Dörfer und Städte in der Nähe des Gazastreifens mit Raketen und Mörsern beschossen werden. Im gefährdeten Gebiet liegen u.a. Sderot, Ashqelon, Netivot, Qiryad Gat und Ofakim. Vereinzelt werden Raketen mit einer Reichweite von mehr als 100 km eingesetzt. Die Spannungen nehmen periodisch zu und führen zu einer Zunahme von Raketenbeschüssen auf israelische Gebiete in der Nähe des Gazastreifens, wie beispielsweise im November 2018 und März 2019. Auch im November und Mai 2019 sind israelische Gebiete in der Nähe des Gazastreifens mit zahlreichen Raketen beschossen worden, wie z.B. die städtischen Zentren von Ashqelon und Be’er Sheva (EDA 19.3.2020). Im Zuge von Raketenbeschuss aus Gaza auf israelische Bevölkerungszentren wurden im Mai 2019 vier israelische Zivilisten und zwei Palästinenser getötet und mehr als 123 Israelis verletzt. (HRW 14.1.2020). Israelische Gebiete entlang des Westjordanlands: In unmittelbarer Nähe der Sperranlage zwischen Israel und dem Westjordanland kommt es immer wieder zu Demonstrationen. Wegen der angespannten Situation wird in Jerusalem zu besonderer Vorsicht geraten (EDA 19.3.2020). Anlässlich der angekündigten Annexion von Teilen der Westbank können Zusammenstöße in den palästinensischen Gebieten und Jerusalem nicht ausgeschlossen werden (BmeiA 1.7.2020). Grenzgebiet zu Libanon und Syrien: Im libanesischen und im syrischen Grenzgebiet kann es immer wieder zu Zwischenfällen kommen (BmeiA 1.7.2020). Seit August 2006 gilt ein Waffenstillstand. Trotzdem sind die Spannungen im israelisch-libanesischen Grenzgebiet weiterhin sehr hoch. Grenzzwischenfälle und Raketenangriffe aus dem Südlibanon sind jederzeit möglich (EDA 19.3.2020). Grenzgebiet zum Sinai (Ägypten): .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 17 von 57

Die Stadt Eilat und deren nähere Umgebung waren in den letzten Jahren mehrere Male Ziele von Raketenangriffen. Weitere Ereignisse dieser Art können nicht ausgeschlossen werden (EDA 19.3.2020). Minenfelder in den Grenzregionen sind von Absperrungen umgeben und durch Schilder gekennzeichnet (EDA 19.3.2020). Quellen: - AA – Auswärtiges Amt (17.4.2020): Israel: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung Palästinensische Gebiete – Gaza-Streifen), https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/israelsicherheit/203814#content_0, Zugriff 22.4.2020 - BMEIA – Bundesministerium Europäische und internationale Angelegenheiten (1.7.2020): Israel Stand 01.07.2020 (Unverändert gültig seit: 08.06.2020),https://www.bmeia.gv.at/reise- aufenthalt/reiseinformation/land/israel/, Zugriff 1.7.2020 - EDA – Eidgenössische Department für auswärtige Angelegenheiten (19.3.2020): Reisehinweise für Israel, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und- reisehinweise/israel/reisehinweise-israel.html, Zugriff 22.4.2020 3.2. Zwischenstaatliche Faktoren für die israelische Sicherheitslage Die israelischen Streitkräfte flogen auch Luftschläge auf Stellungen der iranischen Streitkräfte und der Hisbollah in Syrien, dem Libanon und dem Irak (AI 18.2.2020). Den komplexen Verhältnissen in der Region muss laut Schweizer Außenministerium stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage in Israel auswirken (EDA 1.7.2020). Quellen: - AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Nahen Osten und in Nordafrika: 2019; Israel und besetzte Palästinensische Gebiete, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026067.html, Zugriff 22.4.2020 - EDA – Eidgenössische Department für auswärtige Angelegenheiten (1.7.2020): Reisehinweise für Israel - Gültig am: 01.07.2020, Publiziert am: 19.03.2020 , https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und- reisehinweise/israel/reisehinweise-israel.html, Zugriff 22.4.2020 4. Rechtsschutz / Justizwesen Die israelische Justiz wird als unabhängig beschrieben (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 11.3.2020), die regelmäßig gegen die Regierung entscheidet. Sie trifft auch Gerichtsbeschlüsse in Widerspruch gegen die Regierung. Der Oberste Gerichtshof hat über die Jahre eine zunehmend zentrale Rolle beim Schutz von Minderheiten und bei der Aufhebung von Regierungs- und Parlamentsbeschlüssen eingenommen, wenn diese sich gegen Menschenrechte richteten. Eingaben können sowohl von israelischen BürgerInnen wie auch von der palästinensischen .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 18 von 57

Bevölkerung der Westbank und des Gazastreifens eingebracht werden. Der Staat hält sich gewöhnlich an die Gerichtsbeschlüsse (FH 4.3.2020). Das Nationalstaatsgesetz [siehe auch Abschnitt „Politik“] zieht auch Änderungen beim Obersten Gerichtshof nach sich. Ergänzend gingen vier von sechs in der Legislaturperiode zu besetzende Richterposten an deklariert konservative Bewerber. Die Knesset kann nun auch durch eine sogenannte „Überstimmungsklausel“ Urteile des Obersten Gerichtshofs aufheben (SWP 9.2018). Das Gesetz verbietet willkürliche Verhaftungen und sieht die Möglichkeit des Einspruchs gegen Festnahmen vor. Im Allgemeinen wird dies eingehalten (USDOS 11.3.2020). Für illegal eingereiste MigrantInnen, unter anderem Asylsuchende [Anm. nicht aus den besetzten Gebieten], gelten eigene gesetzliche Bestimmungen für die Haftdauer auf Basis eines Gesetzes zur Verhinderung illegaler Einreisen („Infiltration Israels“) etc. (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 4.3.2020; USDOS 11.3.2020). [Zu den Personenstandsgesetzgebung und Rechtspraxis der anerkannten Religionsgemeinschaften und allgemeinen Regelungen siehe Kapitel „Religionsfreiheit“.] Quellen: - FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2019 – Israel, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2025929.html, Zugriff 22.4.2020 - SWP – (Lintl, Peter, Wolfrum, Stefan) (9.2018): Israels Nationalstaatsgesetz - Die Regierung Netanyahu schafft Grundlagen für ein majoritäres System, SWP-Aktuell Nr. 50, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2018A50_ltl_wlf.pdf, Zugriff 22.4.2020 - USDOS – US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Israel, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026369.html, Zugriff 22.4.2020 - USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Israel and the Golan Heights, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430355.html, Zugriff 22.4.2020 4.1. Justizielle Zuständigkeiten für die Bevölkerung der besetzten Gebiete Für BewohnerInnen der Golan-Höhen, die nicht israelische StaatsbürgerInnen sind, gelten dieselben gesetzlichen Bestimmungen wie für israelische StaatsbürgerInnen (USDOS 20.4.2018). Die israelischen Behörden wandten auf alle Einwohner Jerusalems unabhängig von ihrem israelischen Staatsangehörigkeitsstatus dieselben Gesetze an. PalästinenserInnen aus Gaza und der West Bank, die wegen Sicherheitsdelikten verhaftet werden, fallen unter die Militärgerichtsbarkeit wie sie von Israel für die palästinensischen BewohnerInnen der Westbank und Gaza angewendet wird, selbst wenn die Personen im Staat Israel festgenommen werden (USDOS 11.3.2020). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 19 von 57

Während für normale Gerichtsverfahren faire Prozesse großteils garantiert sind, gelten für Vergehen im Sicherheitsbereich Sonderregelungen, nach denen Personen ohne Prozess für sechs Monate in Verwaltungshaft gehalten werden können, die verlängerbar ist. Nach dem Strafgesetzbuch können Verdächtige bei Sicherheitsdelikten unter gewissen Voraussetzungen bis zu 96 Stunden ohne Vorführung vor einen Richter festgehalten werden. Der Zugang zu einem Anwalt/Anwältin kann für bis zu 21 Tage verweigert werden (FH 4.3.2020). Die israelischen Behörden führten im Westjordanland Hunderte Razzien durch und nahmen PalästinenserInnen vor allem bei Nacht in ihren Häusern fest. Sie wurden in Gefängnissen in Israel inhaftiert, zusammen mit Tausenden weiterer PalästinenserInnen aus den besetzten Gebieten, die bereits in den vorangegangenen Jahren in Gewahrsam genommen worden waren. Dies stellt laut Amnesty International einen Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht dar, welches verbietet, Häftlinge in das Gebiet der Besatzungsmacht zu verlegen. Die israelischen Behörden nutzten Verwaltungshaftanordnungen, die beliebig oft verlängert werden konnten, um PalästinenserInnen ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren weiterhin in Haft zu halten. Nach Angaben der israelischen Justizvollzugsbehörde saßen mit Stand 31. Dezember 2019 rund 4.544 PalästinenserInnen aus den besetzten Gebieten, darunter 464 Verwaltungshäftlinge, in israelischen Gefängnissen. Viele Familien von palästinensischen Häftlingen in Israel, vor allem jene aus dem Gazastreifen, bekamen keine Einreiseerlaubnis nach Israel, um ihre Verwandten zu besuchen. Palästinensische Zivilpersonen, unter ihnen auch Minderjährige, aus den besetzten Gebieten mussten sich vor Militärgerichten verantworten, welche die Anforderungen für faire Gerichtsverfahren nicht erfüllen (AI 18.2.2020; vgl. HRW 14.1.2020). Seit 2009 gibt es ein spezielles Militärgericht für Verfahren gegen Minderjährige: Die israelischen Behörden hielten mit Stand 31. Dezember 2019 rund 186 palästinensische Kinder und Jugendliche (im Alter von 12 bis 17 Jahren) aus den besetzen Gebieten in israelischer Militärhaft fest, vier von ihnen befanden sich in Verwaltungshaft. Gelegentlich wurden auch jüngere Kinder festgehalten, obwohl dies gegen israelisches Recht verstößt. Die Verurteilungen betrafen meist den Einsatz von Wurfgeschossen wie Steine gegen israelische Truppen in der Westbank. Freisprüche sind selten, und den Militärgerichten wurde ein Mangel an fairem Verfahrensschutz vorgeworfen. Die NGO Defence for Children International – Palestine berichtete, dass die Minderjährigen in Abwesenheit ihrer Eltern verhört wurden und zusammen mit Erwachsenen inhaftiert sind. Darüber hinaus wurde über unnötige Gewaltanwendung durch die israelischen Sicherheitskräfte bei der Verhaftung und physischer Missbrauch in der Haft gemeldet. Das Völkerrecht sieht eine Inhaftierung von Kindern nur als letztmögliches Mittel und für den kürzest möglichen Zeitraum vor (AI 18.2.2020; vgl. FH 4.3.2020; HRW 14.1.2020). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 20 von 57

Palästinensische Minderjährige aus Ostjerusalem fallen in die Zuständigkeit israelischer, ziviler Jugendgerichte (FH 4.3.2020). Quellen: - AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Nahen Osten und in Nordafrika: 2019; Israel und besetzte Palästinensische Gebiete, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026067.html, Zugriff 22.4.2020 - FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2019 – Israel, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2025929.html, Zugriff 22.4.2020 - HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Israel and Palestine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022793.html, Zugriff 22.4.2020 - USDOS – US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Israel, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026369.html, Zugriff 22.4.2020 - USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Israel and the Golan Heights, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430355.html , Zugriff 22.4.2020 5. Sicherheitsbehörden Die Israeli Security Agency (ISA) unter der Autorität des Premierministers ist für die Bekämpfung von Terrorismus und Spionage im Staat Israel und den besetzten Gebieten zuständig. Die Polizei, einschließlich der Grenzpolizei und der Einwanderungspolizei, unterstehen dem Ministerium für Innere Sicherheit (USDOS 11.3.2020). Die Israeli Defense Force (IDF) [israelische Streitkräfte] sind für die äußere Sicherheit zuständig. Diese haben aber auch einige Zuständigkeiten im Bereich der inneren Sicherheit und unterstehen dem Verteidigungsministerium. Bei Einsätzen in den besetzten Gebieten im Westjordanland und Ostjerusalem untersteht die ISA den Streitkräften (USDOS 11.3.2020). In Ermittlungen zu Vorfällen, in welchen die Polizei den Streitkräften unterstand, werden die Ermittlungen zwischen dem Justizministerium und der IDF aufgeteilt (USDOS 3.3.2017). Die zivilen Behörden üben die effektive Kontrolle über die Sicherheitskräfte aus. Die Regierung ergriff Maßnahmen, um Beamte unabhängig von ihrem Rang oder Dienstalter, die in Israel Missbräuche begangen haben, zu verfolgen und zu bestrafen (USDOS 11.3.2020). Das Department for Investigation of Police Officers (DIPO) ermittelt bei Beschwerden gegen die ISA, bei Polizei- und Grenzpolizeieinsätzen auf israelischem Gebiet, in Jerusalem sowie in den besetzten Gebieten, wenn in die Vorfälle kein Waffengebrauch involviert war. Im im April 2017 vom Rechnungshof veröffentlichten Bericht war das DIPO Kritik ausgesetzt, weil es Beschwerden nur nach den Kriterien einzelner strafrechtlicher oder disziplinarischer Verstöße und nicht nach den .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 21 von 57

Kriterien systematischer oder organisatorischer Probleme untersucht. Dem im Februar 2019 veröffentlichen Jahresbericht des DIPO zufolge wurden 2017 in 249 Fällen eine strafrechtliche Anklage erhoben. 85 Prozent der Anzeigen führten zu Verurteilung (USDOS 13.3.2019). Das Military Police Criminal Investigations Department im Verteidigungsministerium ist für Vorwürfe gegen die IDF sowie gegen Polizeieinheiten, die unter der IDF im Einsatz in den besetzten Gebieten waren, zuständig (USDOS 13.3.2019). Sowohl die israelischen Sicherheitskräfte als auch die Zivilbevölkerung sehen sich der ständigen Bedrohung durch Terroranschläge in kleinem Maßstab ausgesetzt, die meist Angriffe unter Einsatz von Messern oder Fahrzeugen erfolgen. Menschenrechtsgruppen warfen der Polizei vor, manchmal gegen Steinewerfer oder Täter von Messerstechereien und Fahrzeugangriffen tödliche Gewalt anzuwenden, auch wenn diese keine tödliche Bedrohung darstellten (FH 4.3.2020). Quellen: - FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2019 – Israel, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2025929.html, Zugriff 22.4.2020 - USDOS – US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Israel, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026369.html, Zugriff 22.4.2020 - USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Israel, Golan Heights, West Bank, and Gaza - Israel and the Golan Heights, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004252.html, Zugriff 22.4.2020 - USDOS – US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Israel and The Occupied Territories - Israel, https://www.ecoi.net/de/dokument/1394612.html, Zugriff 22.4.2020 6. Folter und unmenschliche Behandlung Das Gesetz verbietet Folter, die Anwendung von physischen oder psychischen Schmerzen sowie Übergriffe oder Druck durch MitarbeiterInnen des öffentlichen Dienstes. Obwohl Folter im Jahr 1999 vom Obersten Gerichtshof verboten wurde, können Vernehmer der Israelischen Sicherheitsagentur (ISA) von der Strafverfolgung ausgenommen werden, wenn sie in Ausnahmefällen, die eine unmittelbare Bedrohung darstellen, sogenannte außergewöhnliche Methoden anwenden, solange diese nicht auf Folter hinauslaufen. Menschenrechtsorganisationen zufolge unterzogen israelische SoldatInnen, PolizeibeamtInnen und Angehörige des israelischen Geheimdienstes (Israel Security Agency – ISA) weiterhin palästinensische Gefangene, darunter auch Minderjährige, der Folter oder anderweitigen Misshandlungen und gingen straffrei aus. Die berichteten Foltermethoden umfassten Schläge, Schlafentzug, Ohrfeigen, schmerzhafte Fesselungen, Verharren in schmerzhaften Positionen und Drohungen. Lange Phasen von Einzelhaft, manchmal über mehrere Monate hinweg, wurden üblicherweise als Strafmaßnahmen angewendet (USDOS 11.3.2020; vgl. AI 18.2.2020; FH 4.2.2020). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 22 von 57
