isra-lib-2020-07-02-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
besonders den Obersten Gerichtshof als „Verteidiger liberaler Prinzipien“. Der Protest dagegen erstreckte sich von Knesset-Abgeordneten bis hin ins Ausland: arabische und jüdischen Oppositionsparteien, viele NGOs sowie Staatspräsident Reuven Rivlin kritisierten das Gesetz als diskriminierend, unnötig und fehlerhaft. Aus dem Ausland kam Kritik von der Europäischen Union bis hin zum amerikanischen Reformjudentum. Israel wird in dem Gesetz in Paragraph 1 als „historisches Heimatland des jüdischen Volkes“ definiert, was in einem Großteil der arabischen Bevölkerung Ablehnung hervorruft, da sie in der weiteren Verrechtlichung des jüdischen Charakters des Staates eine diskriminierende Komponente und Zementierung der Trennung zwischen arabischen und jüdischen Bürgern sehen. So wird etwa in israelischen Geburtsurkunden zwischen jüdischen und arabischen Staatsbürgern differenziert. Dadurch wird der Charakter des Staates von der nationalen Mehrheit bestimmt, was den nichtjüdischen Minderheiten automatisch einen sekundären Status gibt, zumindest in grundlegenden Identitätsfragen des Staates (SWP 9.2018). In Paragraf 4 wird Arabisch vom Rang einer offiziellen Sprache Israels herabgestuft. In keinem israelischen Grundgesetz wurde bisher das Gleichheitsprinzip aufgenommen. Arabische Politiker fordern eine Definition Israels als „Staat für alle Bürger“, was jedoch von zahlreichen jüdischen Israelis als Negierung des Existenzrechts Israels ausgelegt wird (SWP 9.2018). Das Gesetz sieht zudem eine Bevorzugung der jüdischen Bevölkerung bei der Wohnraumplanung des Landes vor. Kerngedanke ist, dass es keine Region in Israel geben soll, die über eine arabische Mehrheit verfügt. Dies betrifft vor allem Gebiete mit einem niedrigeren jüdischen Bevölkerungsanteil wie Galiläa oder den Negev. Der verabschiedete Passus schließt aber auch die weitere Besiedlung des Westjordanlands nicht aus. Überhaupt fordert eine große Zahl der Parlamentarier, die das Nationalstaatsgesetz billigten, auch eine Annexion oder Teilannexion des Westjordanlands (SWP 9.2018). Das Nationalstaatsgesetz steht außerdem im Widerspruch zum Grundgesetz „Menschenwürde und Freiheit“ von 1992. Klagen gegen das Gesetz wurden bereits eingereicht. (SWP 9.2018). Eine Gruppe druzischer Israelis hat Klage beim Obersten Gerichtshof eingereicht. Daneben ersuchten auch Anführer der arabischen Bevölkerung inklusive der Beduinen, Bürgerrechtsgruppen, Akademiker und Oppositionsparteien ebenfalls das Gericht, das Gesetz aufzuheben (TI 16.8.2019). Die nächste Anhörung beim Obersten Gerichtshof zu Klagen gegen das Gesetz wurde im November 2019 für Juni 2020 festgesetzt (TJP 19.11.2019). Quellen: - AA – Auswärtiges Amt (5.11.2019b): Israel – Politisches Porträt, https://www.auswaertiges- amt.de/de/aussenpolitik/laender/israel-node/politisches-portrait/203848, Zugriff 22.4.2020 - SWP – (Lintl, Peter, Wolfrum, Stefan) (9.2018): Israels Nationalstaatsgesetz - Die Regierung Netanyahu schafft Grundlagen für ein majoritäres System, SWP-Aktuell Nr. 50, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2018A50_ltl_wlf.pdf, Zugriff 22.4.2020 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 15 von 57

- TJP – The Jerusalem Post (19.11.2019): High Court drops the ball on Jewish Nation-State Law – analysis, https://www.jpost.com/israel-news/high-court-drops-the-ball-on-jewish-nation-state- law-analysis-608296, Zugriff - TI – Times of Israel (16.8.2019): Nation-state law to be included in Israeli high school curriculum – report, https://www.timesofisrael.com/nation-state-law-to-be-included-in-israeli- high-school-curriculum-report/, Zugriff 14.5.2020 3. Sicherheitslage Das deutsche Auswärtige Amt warnt bei Reisen nach Israel vor Menschenansammlungen, mahnt zu erhöhter Vorsicht bei Bushaltestellen und Bahnhöfen, weil weiterhin Terroranschläge im öffentlichen Raum im Bereich des Möglichen liegen, auch wenn deren Zahl in den letzten Jahren zurückging. Israel gilt weiterhin als Angriffsziel islamistischer Terrorgruppen (AA 17.4.2020). Ähnlich warnt auch das österreichische Außenministerium (BMEIA) vor den Risiken von Anschlägen an Orten mit vielen Menschen wie z.B. religiöse Stätten, öffentliche Verkehrsmittel sowie Lokalen, Märkten etc. Das BMEIA geht davon aus, dass weiter mit „vereinzelten Anschlägen“ unter Verwendung von Messern oder Autos zu rechnen ist (BMEIA 1.7.2020). Freedom House geht von einem anhaltenden Risiko für israelische Sicherheitskräfte und ZivilistInnen bzgl. Terrorangriffen kleinen Maßstabs aus, wie etwa Messerangriffe und Niederfahren mit einem Fahrzeug (FH 4.3.2020). Von 1. Jänner 2015 um 17. September 2019 wurden der Datenbank des UN-Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UNOCHA) zufolge fünfzehn Israelis in Israel, davon 10 Siedler, getötet (OCHA o.D.a). 183 Israelis in Israel wurden im Zeitraum von 1. Jänner 2015 bis 22.4.2020 verletzt (OCHA o.D.b). Das BMEIA bewertet die derzeitige Sicherheitslage im Staat Israel im Zusammenhang mit der zunehmenden Ausbreitung des Coronavirus (COVID-19) und damit einhergehenden massiven Einschränkungen im Reiseverkehr als „hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 4)“ (BMEIA 14.4.2020). Quellen: - AA – Auswärtiges Amt (17.4.2020): Israel: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung Palästinensische Gebiete – Gaza-Streifen), https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/israelsicherheit/203814#content_0, Zugriff 22.4.2020 - BMEIA – Bundesministerium Europäische und internationale Angelegenheiten (1.7.2020): Israel Stand 01.07.2020 (Unverändert gültig seit: 08.06.2020), https://www.bmeia.gv.at/reise- aufenthalt/reiseinformation/land/israel/, Zugriff 1.7.2020 - OCHA – United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (o.D.a): Data on caualties – Israeli fatalities, https://www.ochaopt.org/data/casualties, Zugriff 14.5.2020 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 16 von 57

- OCHA – United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (o.D.b): Data on casualties – Israeli injuries, https://www.ochaopt.org/data/casualties, Zugriff 14.5.2020 3.1. Grundsätzliches zur Lage in den Grenzgebieten Es wird vom deutschen Auswärtigen Amt geraten, die Grenzgebieten zu Libanon, Syrien, Gazastreifen und Ägypten aus Sicherheitsgründen zu meiden (AA 17.4.2020). Die Kenntnis der Lage der Luftschutzkeller und über das Verhalten bei Raketenangriffen wird empfohlen – ebenso wie Anweisungen der Zivilschutzbehörden nachzukommen (BMEIA 1.7.2020). Israelische Gebiete in der Nähe des Gazastreifens: Trotz des Waffenstillstandsabkommens vom 26. August 2014, sind die Spannungen in diesen Gebieten hoch. Zeitweise finden dort militärische Operationen statt. Es kommt regelmäßig vor, dass Dörfer und Städte in der Nähe des Gazastreifens mit Raketen und Mörsern beschossen werden. Im gefährdeten Gebiet liegen u.a. Sderot, Ashqelon, Netivot, Qiryad Gat und Ofakim. Vereinzelt werden Raketen mit einer Reichweite von mehr als 100 km eingesetzt. Die Spannungen nehmen periodisch zu und führen zu einer Zunahme von Raketenbeschüssen auf israelische Gebiete in der Nähe des Gazastreifens, wie beispielsweise im November 2018 und März 2019. Auch im November und Mai 2019 sind israelische Gebiete in der Nähe des Gazastreifens mit zahlreichen Raketen beschossen worden, wie z.B. die städtischen Zentren von Ashqelon und Be’er Sheva (EDA 19.3.2020). Im Zuge von Raketenbeschuss aus Gaza auf israelische Bevölkerungszentren wurden im Mai 2019 vier israelische Zivilisten und zwei Palästinenser getötet und mehr als 123 Israelis verletzt. (HRW 14.1.2020). Israelische Gebiete entlang des Westjordanlands: In unmittelbarer Nähe der Sperranlage zwischen Israel und dem Westjordanland kommt es immer wieder zu Demonstrationen. Wegen der angespannten Situation wird in Jerusalem zu besonderer Vorsicht geraten (EDA 19.3.2020). Anlässlich der angekündigten Annexion von Teilen der Westbank können Zusammenstöße in den palästinensischen Gebieten und Jerusalem nicht ausgeschlossen werden (BmeiA 1.7.2020). Grenzgebiet zu Libanon und Syrien: Im libanesischen und im syrischen Grenzgebiet kann es immer wieder zu Zwischenfällen kommen (BmeiA 1.7.2020). Seit August 2006 gilt ein Waffenstillstand. Trotzdem sind die Spannungen im israelisch-libanesischen Grenzgebiet weiterhin sehr hoch. Grenzzwischenfälle und Raketenangriffe aus dem Südlibanon sind jederzeit möglich (EDA 19.3.2020). Grenzgebiet zum Sinai (Ägypten): .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 17 von 57

Die Stadt Eilat und deren nähere Umgebung waren in den letzten Jahren mehrere Male Ziele von Raketenangriffen. Weitere Ereignisse dieser Art können nicht ausgeschlossen werden (EDA 19.3.2020). Minenfelder in den Grenzregionen sind von Absperrungen umgeben und durch Schilder gekennzeichnet (EDA 19.3.2020). Quellen: - AA – Auswärtiges Amt (17.4.2020): Israel: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung Palästinensische Gebiete – Gaza-Streifen), https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/israelsicherheit/203814#content_0, Zugriff 22.4.2020 - BMEIA – Bundesministerium Europäische und internationale Angelegenheiten (1.7.2020): Israel Stand 01.07.2020 (Unverändert gültig seit: 08.06.2020),https://www.bmeia.gv.at/reise- aufenthalt/reiseinformation/land/israel/, Zugriff 1.7.2020 - EDA – Eidgenössische Department für auswärtige Angelegenheiten (19.3.2020): Reisehinweise für Israel, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und- reisehinweise/israel/reisehinweise-israel.html, Zugriff 22.4.2020 3.2. Zwischenstaatliche Faktoren für die israelische Sicherheitslage Die israelischen Streitkräfte flogen auch Luftschläge auf Stellungen der iranischen Streitkräfte und der Hisbollah in Syrien, dem Libanon und dem Irak (AI 18.2.2020). Den komplexen Verhältnissen in der Region muss laut Schweizer Außenministerium stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage in Israel auswirken (EDA 1.7.2020). Quellen: - AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Nahen Osten und in Nordafrika: 2019; Israel und besetzte Palästinensische Gebiete, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026067.html, Zugriff 22.4.2020 - EDA – Eidgenössische Department für auswärtige Angelegenheiten (1.7.2020): Reisehinweise für Israel - Gültig am: 01.07.2020, Publiziert am: 19.03.2020 , https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und- reisehinweise/israel/reisehinweise-israel.html, Zugriff 22.4.2020 4. Rechtsschutz / Justizwesen Die israelische Justiz wird als unabhängig beschrieben (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 11.3.2020), die regelmäßig gegen die Regierung entscheidet. Sie trifft auch Gerichtsbeschlüsse in Widerspruch gegen die Regierung. Der Oberste Gerichtshof hat über die Jahre eine zunehmend zentrale Rolle beim Schutz von Minderheiten und bei der Aufhebung von Regierungs- und Parlamentsbeschlüssen eingenommen, wenn diese sich gegen Menschenrechte richteten. Eingaben können sowohl von israelischen BürgerInnen wie auch von der palästinensischen .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 18 von 57

Bevölkerung der Westbank und des Gazastreifens eingebracht werden. Der Staat hält sich gewöhnlich an die Gerichtsbeschlüsse (FH 4.3.2020). Das Nationalstaatsgesetz [siehe auch Abschnitt „Politik“] zieht auch Änderungen beim Obersten Gerichtshof nach sich. Ergänzend gingen vier von sechs in der Legislaturperiode zu besetzende Richterposten an deklariert konservative Bewerber. Die Knesset kann nun auch durch eine sogenannte „Überstimmungsklausel“ Urteile des Obersten Gerichtshofs aufheben (SWP 9.2018). Das Gesetz verbietet willkürliche Verhaftungen und sieht die Möglichkeit des Einspruchs gegen Festnahmen vor. Im Allgemeinen wird dies eingehalten (USDOS 11.3.2020). Für illegal eingereiste MigrantInnen, unter anderem Asylsuchende [Anm. nicht aus den besetzten Gebieten], gelten eigene gesetzliche Bestimmungen für die Haftdauer auf Basis eines Gesetzes zur Verhinderung illegaler Einreisen („Infiltration Israels“) etc. (USDOS 20.4.2018; vgl. FH 4.3.2020; USDOS 11.3.2020). [Zu den Personenstandsgesetzgebung und Rechtspraxis der anerkannten Religionsgemeinschaften und allgemeinen Regelungen siehe Kapitel „Religionsfreiheit“.] Quellen: - FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2019 – Israel, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2025929.html, Zugriff 22.4.2020 - SWP – (Lintl, Peter, Wolfrum, Stefan) (9.2018): Israels Nationalstaatsgesetz - Die Regierung Netanyahu schafft Grundlagen für ein majoritäres System, SWP-Aktuell Nr. 50, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2018A50_ltl_wlf.pdf, Zugriff 22.4.2020 - USDOS – US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Israel, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026369.html, Zugriff 22.4.2020 - USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Israel and the Golan Heights, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430355.html, Zugriff 22.4.2020 4.1. Justizielle Zuständigkeiten für die Bevölkerung der besetzten Gebiete Für BewohnerInnen der Golan-Höhen, die nicht israelische StaatsbürgerInnen sind, gelten dieselben gesetzlichen Bestimmungen wie für israelische StaatsbürgerInnen (USDOS 20.4.2018). Die israelischen Behörden wandten auf alle Einwohner Jerusalems unabhängig von ihrem israelischen Staatsangehörigkeitsstatus dieselben Gesetze an. PalästinenserInnen aus Gaza und der West Bank, die wegen Sicherheitsdelikten verhaftet werden, fallen unter die Militärgerichtsbarkeit wie sie von Israel für die palästinensischen BewohnerInnen der Westbank und Gaza angewendet wird, selbst wenn die Personen im Staat Israel festgenommen werden (USDOS 11.3.2020). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 19 von 57

Während für normale Gerichtsverfahren faire Prozesse großteils garantiert sind, gelten für Vergehen im Sicherheitsbereich Sonderregelungen, nach denen Personen ohne Prozess für sechs Monate in Verwaltungshaft gehalten werden können, die verlängerbar ist. Nach dem Strafgesetzbuch können Verdächtige bei Sicherheitsdelikten unter gewissen Voraussetzungen bis zu 96 Stunden ohne Vorführung vor einen Richter festgehalten werden. Der Zugang zu einem Anwalt/Anwältin kann für bis zu 21 Tage verweigert werden (FH 4.3.2020). Die israelischen Behörden führten im Westjordanland Hunderte Razzien durch und nahmen PalästinenserInnen vor allem bei Nacht in ihren Häusern fest. Sie wurden in Gefängnissen in Israel inhaftiert, zusammen mit Tausenden weiterer PalästinenserInnen aus den besetzten Gebieten, die bereits in den vorangegangenen Jahren in Gewahrsam genommen worden waren. Dies stellt laut Amnesty International einen Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht dar, welches verbietet, Häftlinge in das Gebiet der Besatzungsmacht zu verlegen. Die israelischen Behörden nutzten Verwaltungshaftanordnungen, die beliebig oft verlängert werden konnten, um PalästinenserInnen ohne Anklageerhebung oder Gerichtsverfahren weiterhin in Haft zu halten. Nach Angaben der israelischen Justizvollzugsbehörde saßen mit Stand 31. Dezember 2019 rund 4.544 PalästinenserInnen aus den besetzten Gebieten, darunter 464 Verwaltungshäftlinge, in israelischen Gefängnissen. Viele Familien von palästinensischen Häftlingen in Israel, vor allem jene aus dem Gazastreifen, bekamen keine Einreiseerlaubnis nach Israel, um ihre Verwandten zu besuchen. Palästinensische Zivilpersonen, unter ihnen auch Minderjährige, aus den besetzten Gebieten mussten sich vor Militärgerichten verantworten, welche die Anforderungen für faire Gerichtsverfahren nicht erfüllen (AI 18.2.2020; vgl. HRW 14.1.2020). Seit 2009 gibt es ein spezielles Militärgericht für Verfahren gegen Minderjährige: Die israelischen Behörden hielten mit Stand 31. Dezember 2019 rund 186 palästinensische Kinder und Jugendliche (im Alter von 12 bis 17 Jahren) aus den besetzen Gebieten in israelischer Militärhaft fest, vier von ihnen befanden sich in Verwaltungshaft. Gelegentlich wurden auch jüngere Kinder festgehalten, obwohl dies gegen israelisches Recht verstößt. Die Verurteilungen betrafen meist den Einsatz von Wurfgeschossen wie Steine gegen israelische Truppen in der Westbank. Freisprüche sind selten, und den Militärgerichten wurde ein Mangel an fairem Verfahrensschutz vorgeworfen. Die NGO Defence for Children International – Palestine berichtete, dass die Minderjährigen in Abwesenheit ihrer Eltern verhört wurden und zusammen mit Erwachsenen inhaftiert sind. Darüber hinaus wurde über unnötige Gewaltanwendung durch die israelischen Sicherheitskräfte bei der Verhaftung und physischer Missbrauch in der Haft gemeldet. Das Völkerrecht sieht eine Inhaftierung von Kindern nur als letztmögliches Mittel und für den kürzest möglichen Zeitraum vor (AI 18.2.2020; vgl. FH 4.3.2020; HRW 14.1.2020). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 20 von 57

Palästinensische Minderjährige aus Ostjerusalem fallen in die Zuständigkeit israelischer, ziviler Jugendgerichte (FH 4.3.2020). Quellen: - AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Nahen Osten und in Nordafrika: 2019; Israel und besetzte Palästinensische Gebiete, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026067.html, Zugriff 22.4.2020 - FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2019 – Israel, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2025929.html, Zugriff 22.4.2020 - HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Israel and Palestine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022793.html, Zugriff 22.4.2020 - USDOS – US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Israel, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026369.html, Zugriff 22.4.2020 - USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Israel and the Golan Heights, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430355.html , Zugriff 22.4.2020 5. Sicherheitsbehörden Die Israeli Security Agency (ISA) unter der Autorität des Premierministers ist für die Bekämpfung von Terrorismus und Spionage im Staat Israel und den besetzten Gebieten zuständig. Die Polizei, einschließlich der Grenzpolizei und der Einwanderungspolizei, unterstehen dem Ministerium für Innere Sicherheit (USDOS 11.3.2020). Die Israeli Defense Force (IDF) [israelische Streitkräfte] sind für die äußere Sicherheit zuständig. Diese haben aber auch einige Zuständigkeiten im Bereich der inneren Sicherheit und unterstehen dem Verteidigungsministerium. Bei Einsätzen in den besetzten Gebieten im Westjordanland und Ostjerusalem untersteht die ISA den Streitkräften (USDOS 11.3.2020). In Ermittlungen zu Vorfällen, in welchen die Polizei den Streitkräften unterstand, werden die Ermittlungen zwischen dem Justizministerium und der IDF aufgeteilt (USDOS 3.3.2017). Die zivilen Behörden üben die effektive Kontrolle über die Sicherheitskräfte aus. Die Regierung ergriff Maßnahmen, um Beamte unabhängig von ihrem Rang oder Dienstalter, die in Israel Missbräuche begangen haben, zu verfolgen und zu bestrafen (USDOS 11.3.2020). Das Department for Investigation of Police Officers (DIPO) ermittelt bei Beschwerden gegen die ISA, bei Polizei- und Grenzpolizeieinsätzen auf israelischem Gebiet, in Jerusalem sowie in den besetzten Gebieten, wenn in die Vorfälle kein Waffengebrauch involviert war. Im im April 2017 vom Rechnungshof veröffentlichten Bericht war das DIPO Kritik ausgesetzt, weil es Beschwerden nur nach den Kriterien einzelner strafrechtlicher oder disziplinarischer Verstöße und nicht nach den .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 21 von 57

Kriterien systematischer oder organisatorischer Probleme untersucht. Dem im Februar 2019 veröffentlichen Jahresbericht des DIPO zufolge wurden 2017 in 249 Fällen eine strafrechtliche Anklage erhoben. 85 Prozent der Anzeigen führten zu Verurteilung (USDOS 13.3.2019). Das Military Police Criminal Investigations Department im Verteidigungsministerium ist für Vorwürfe gegen die IDF sowie gegen Polizeieinheiten, die unter der IDF im Einsatz in den besetzten Gebieten waren, zuständig (USDOS 13.3.2019). Sowohl die israelischen Sicherheitskräfte als auch die Zivilbevölkerung sehen sich der ständigen Bedrohung durch Terroranschläge in kleinem Maßstab ausgesetzt, die meist Angriffe unter Einsatz von Messern oder Fahrzeugen erfolgen. Menschenrechtsgruppen warfen der Polizei vor, manchmal gegen Steinewerfer oder Täter von Messerstechereien und Fahrzeugangriffen tödliche Gewalt anzuwenden, auch wenn diese keine tödliche Bedrohung darstellten (FH 4.3.2020). Quellen: - FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2019 – Israel, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2025929.html, Zugriff 22.4.2020 - USDOS – US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Israel, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026369.html, Zugriff 22.4.2020 - USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Israel, Golan Heights, West Bank, and Gaza - Israel and the Golan Heights, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004252.html, Zugriff 22.4.2020 - USDOS – US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Israel and The Occupied Territories - Israel, https://www.ecoi.net/de/dokument/1394612.html, Zugriff 22.4.2020 6. Folter und unmenschliche Behandlung Das Gesetz verbietet Folter, die Anwendung von physischen oder psychischen Schmerzen sowie Übergriffe oder Druck durch MitarbeiterInnen des öffentlichen Dienstes. Obwohl Folter im Jahr 1999 vom Obersten Gerichtshof verboten wurde, können Vernehmer der Israelischen Sicherheitsagentur (ISA) von der Strafverfolgung ausgenommen werden, wenn sie in Ausnahmefällen, die eine unmittelbare Bedrohung darstellen, sogenannte außergewöhnliche Methoden anwenden, solange diese nicht auf Folter hinauslaufen. Menschenrechtsorganisationen zufolge unterzogen israelische SoldatInnen, PolizeibeamtInnen und Angehörige des israelischen Geheimdienstes (Israel Security Agency – ISA) weiterhin palästinensische Gefangene, darunter auch Minderjährige, der Folter oder anderweitigen Misshandlungen und gingen straffrei aus. Die berichteten Foltermethoden umfassten Schläge, Schlafentzug, Ohrfeigen, schmerzhafte Fesselungen, Verharren in schmerzhaften Positionen und Drohungen. Lange Phasen von Einzelhaft, manchmal über mehrere Monate hinweg, wurden üblicherweise als Strafmaßnahmen angewendet (USDOS 11.3.2020; vgl. AI 18.2.2020; FH 4.2.2020). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 22 von 57

Die Regierung beschloss 2018, dass die Bestimmungen, Verfahren und Verhörmethoden des ISA aus Sicherheitsgründen vertraulich sind, es jedoch interner und externer staatlicher Aufsicht unterliegt. Das unabhängige Büro des Inspektors für Beschwerden gegen ISA-Verhörer im Justizministerium bearbeitete Beschwerden über Fehlverhalten und Missbrauch beim Verhören. Die Entscheidung, eine Untersuchung gegen einen ISA-Beamten einzuleiten, liegt im Ermessen des Generalstaatsanwalts. In von der Polizei untersuchten Kriminalfällen, bei denen es um Verbrechen mit einer Höchststrafe von 10 Jahren oder mehr geht, wird die Aufzeichnung von Verhören vorgeschrieben. Ein erweitertes zeitweiliges Gesetz befreit jedoch die ISA von der Verpflichtung zur Audio- und Videoaufzeichnung bei Verhören von Verdächtigen im Zusammenhang mit sogenannten Sicherheitsdelikten. In nicht sicherheitsrelevanten Fällen sind die ISA-Verhörräume mit Kameras mit geschlossenem Kreislauf ausgestattet, und nur vom Justizministerium ernannte Aufsichtsbeamte haben Zugang zu den audiovisuellen Echtzeit- Aufnahmen. Aufsichtspersonen sind verpflichtet, alle Unregelmäßigkeiten zu melden, die sie während der Verhören beobachten. Die NGO Public Committee Against Torture in Israel (PCATI) kritisierte diesen Mechanismus als unzureichend, um Folter zu verhindern und zu identifizieren, da es keine Aufnahme der Verhöre für eine spätere gerichtliche Überprüfung und Rechenschaftspflicht gibt. Laut PCATI gab die Regierung in einigen Fällen die Anwendung sogenannter außergewöhnlichen Methoden (wie Schläge, Androhung von Vergewaltigung physische Gewalt, Schlafentzug, Drohungen gegen die Familie des Gefangenen usw.) zu. Weiters wurde von PCATI festgestellt, dass das Prozedere der Regierung zur Untersuchung von Misshandlungsvorwürfen von Gefangenen komplex und fragmentiert sei (USDOS 11.3.2020). Laut PCATI und Physicians for Human Rights Israel (PHRI) wurden Prellungen und Verletzungen von Ärzten und Sanitätern ignoriert, die aus den gewaltsamen Verhaftungen und Verhören resultierten. Als Reaktion auf eine der Empfehlungen des UN-Ausschusses gegen Folter, laut der unabhängige medizinische Untersuchungen für alle Gefangenen vorgesehen werden sollten, erklärte die Regierung, dass Anträge von Gefangenen auf unabhängige Untersuchungen auf Kosten des Insassen von einem medizinischen Team der Israeli Prison Service (IPS) geprüft werden können (USDOS 11.3.2020). Quellen: - AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Nahen Osten und in Nordafrika: 2019; Israel und besetzte Palästinensische Gebiete, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026067.html, Zugriff 22.4.2020 - FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2019 – Israel, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2025929.html, Zugriff 22.4.2020 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 23 von 57

- USDOS – US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Israel, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026369.html, Zugriff 22.4.2020 7. Korruption Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption von Beamten vor, und die Regierung hat dieses Gesetz generell wirksam umgesetzt. Es gab Berichte über Korruption in der Regierung, obwohl Straffreiheit kein Problem darstellte (USDOS 11.3.2020). Korruptionsermittlungen gegen hochrangige Persönlichkeiten sind in den letzten Jahren relativ häufig, die in mehreren Skandale und Kriminalfälle verwickelt waren. Betroffene sind z.B. Premierminister Benjamin Netanjahu, einige seiner engsten Mitarbeiter sowie seine Ehefrau. Netanjahu wurde im November 2019 formell in drei getrennten Fällen wegen Korruption angeklagt, aber er weigerte sich, seinen Rücktritt zu erklären und strebte weiterhin eine Wiederwahl an. Weiters bemühte er sich aktiv um die legislative Verabschiedung eines Immunitätsgesetzes, das ihn und andere Gesetzgeber während seiner Amtszeit vor Strafverfolgung schützen sollte, obwohl die Maßnahme im Laufe des Jahres 2019 nicht erlassen wurde (FH 4.3.2020; vgl. DZ 21.11.2019). 2017 wurde ein Gesetz verabschiedet, das die Bedingungen für Anklageempfehlungen durch die Polizei bei gewählten Amtspersonen und höheren Angestellten des öffentlichen Dienstes einschränkt, was den Vorwurf der Opposition nach sich zog, dass die politische Führung dadurch geschützt würde, auch wenn bereits laufende Ermittlungen nicht rückwirkend von dem Gesetz betroffen waren (FH 4.3.2020; vgl. FH 1.2018; vgl. USDOS 11.3.2020). Israels Gesetze, die politische Praxis, Gruppen der Zivilgesellschaft und unabhängige Medien sorgen für ein substantielles Ausmaß an Transparenz in der Regierung. Die aktuellen Korruptionsfälle illustrieren anhaltende Schwächen, zeigen aber auch, dass das System schlussendlich Fehlverhalten offenlegt (FH 4.3.2020). Im Korruption Perceptions Index 2019 von Transparency International wird Israel mit 60 (von 100) Punkten (0=highly corrupt, 100=very clean) bewertet (TI 23.1.2020). Quellen: - DZ – Die Zeit (21.11.2019): Benjamin Netanjahu wegen Korruption angeklagt, https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-11/israel-benjamin-netanjahu-wird-wegen-korruption- angeklagt, Zugriff 22.4.2020 - FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2019 – Israel, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2025929.html, Zugriff 22.4.2020 - FH – Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 – Israel, https://www.ecoi.net/de/dokument/1426305.html, Zugriff 22.4.2020 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 24 von 57
