isra-lib-2020-07-02-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Hinweis: Im vorliegenden Länderinformationsblatt erfolgt keine Berücksichtigung der aktuellen CORONA-VIRUS-PANDEMIE (COVID-19), weil die zur Bekämpfung der Krankheit eingeleiteten oder noch einzuleitenden Maßnahmen ständigen Änderungen unterworfen sind und zu deren Auswirkungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt Informationen fehlen. Insbesondere können zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine seriösen Informationen zu den Auswirkungen der Pandemie auf das Gesundheitswesen, auf Versorgungslage sowie auf Bewegungs- und Reisefreiheit der Bürgerinnen und Bürger sowie generell zu politischen, wirtschaftlichen, sozialen und anderen Folgen zusammengestellt werden. Länderspezifische Anmerkungen Das LIB bezieht sich ausschließlich auf das Territorium des Staates Israel innerhalb der von Österreich anerkannten Grenzen. Erwähnungen von Umständen, welche sich auf Gebiete beziehen, über welche Israel über seine anerkannten Grenzen hinaus eine maßgebliche Kontrolle ausübt, sind nicht als Anerkennung zu verstehen, sondern als Hintergrundinformation für die Lage im von Österreich anerkannten Staatsgebiet Israels. Die betreffenden Gebiete außerhalb des Staates Israel sind: - die Golan-Höhen, - die Westbank, - Ost-Jerusalem, - der Gaza-Streifen. Ergo wird nicht auf die Lage der israelischen BürgerInnen in den international abgelehnten Siedlungen eingegangen. Entwicklungen in den genannten Gebie- ten können Einfluss auf die Sicherheitslage im Staat Israel haben. Völkerrechtliche und menschenrechtliche Fragestellungen ergeben sich vor allem aus der Lage und der israelischen Politik bzgl. der Golan-Höhen, Ost-Jerusalem, Westbank und Gaza-Streifen. Wo sich diese im Staat Israel manifestieren, werden sie in diesem LIB be- rücksichtigt. Ansonsten fallen diese in die Zuständigkeit der LIBs zu diesen Gebieten. .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 3von 57

Inhaltsverzeichnis 1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen...............................................................6 2. Politische Lage........................................................................................................................7 2.1. Definition des Staatsgebiets – israelische Eigendefinition versus internationaler Standpunkt..................................................................................................................................7 2.2. Staatsaufbau......................................................................................................................8 2.3. Der israelisch-palästinensische Konflikt als Faktor der israelischen Politik und Sicherheitslage..........................................................................................................................12 2.4. Nationalstaatsgesetz........................................................................................................14 3. Sicherheitslage......................................................................................................................16 3.1. Grundsätzliches zur Lage in den Grenzgebieten..............................................................17 3.2. Zwischenstaatliche Faktoren für die israelische Sicherheitslage......................................18 4. Rechtsschutz / Justizwesen..................................................................................................18 4.1. Justizielle Zuständigkeiten für die Bevölkerung der besetzten Gebiete............................19 5. Sicherheitsbehörden.............................................................................................................21 6. Folter und unmenschliche Behandlung.................................................................................22 7. Korruption.............................................................................................................................24 8. NGOs und Menschenrechtsaktivisten...................................................................................25 9. Wehrdienst und Rekrutierungen............................................................................................27 9.1. Wehrersatzdienst..............................................................................................................28 9.2. Wehrdienstverweigerung / Desertion................................................................................29 10. Allgemeine Menschenrechtslage...........................................................................................29 11. Meinungs- und Pressefreiheit................................................................................................30 12. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition...........................................................31 13. Haftbedingungen...................................................................................................................32 14. Todesstrafe............................................................................................................................34 15. Religionsfreiheit.....................................................................................................................35 16. Ethnische Minderheiten.........................................................................................................39 16.1. Arabische Bevölkerung (ChristInnen, MuslimInnen, exkl. DruzInnen)...............................40 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 4von 57

16.2. Äthiopische Juden und Jüdinnen......................................................................................45 17. Relevante Bevölkerungsgruppen..........................................................................................47 17.1. Frauen..............................................................................................................................47 18. Bewegungsfreiheit.................................................................................................................50 19. Grundversorgung und Wirtschaft...........................................................................................51 19.1. Die Lage der arabischen Bevölkerungsgruppe.................................................................54 20. Medizinische Versorgung......................................................................................................56 21. Rückkehr...............................................................................................................................57 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 5von 57

1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen Keine aktuellen Kurzinformationen vorhanden. .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 6von 57

2. Politische Lage 2.1. Definition des Staatsgebiets – israelische Eigendefinition versus internationaler Standpunkt Die israelische Regierung unterscheidet zwischen den Gebieten, die unter israelische Hoheitsgewalt fallen (Golan und Ost-Jerusalem, die nach israelischem Recht durch Annexion integraler Bestandteil Israels sind und unter dessen volle Souveränität fallen), und den nicht- annektierten Gebieten (Westjordanland und Gaza) (AA 5.11.2019a). Die Europäische Union (EU) erkennt hingegen Israels Souveränität über die besetzten Golanhöhen nicht an. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten betrachten israelische Siedlungen als völkerrechtswidrig, sehen sie als Hindernis für den Frieden und als Gefahr für die Umsetzbarkeit einer Zwei-Staaten-Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten werden keine Änderungen des Grenzverlaufs von vor 1967, einschließlich Ost- Jerusalems, anerkennen, solange diese Änderungen nicht von den Konfliktparteien vereinbart werden. Das Westjordanland und Ost-Jerusalem, der Gaza-Streifen sowie die Golan-Höhen sind Gebiete, die seit 1967 von Israel besetzt gehalten werden. Darüber hinaus sind die israelischen Siedlungen gemäß Völkerrecht auf besetztem Gebiet errichtet und werden nicht als legitime Teile des israelischen Staatsgebiets anerkannt. Desgleichen sollte möglichen Verletzungen des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte Rechnung getragen werden (ÖB o.D.; vgl. HB 27.3.2019). Israel beansprucht ganz Jerusalem als seine unteilbare Hauptstadt. Die Palästinenser sehen in Ost-Jerusalem ihre künftige Hauptstadt eines möglichen Palästinenserstaates. International wurde jedoch kein Teil der Stadt als Hauptstadt Israels anerkannt (IN 28.6.2019; vgl. LPB o.D). Nur die USA haben Jerusalem als Hauptstadt Israels und die Golanhöhen als Teil Israels anerkannt (USDOS 11.3.2020). Der palästinensische Bevölkerungsanteil von ganz Jerusalem wurde mit Stand 2018 als 38 Prozent angegeben, aber wird bei Einbeziehung der PalästinenserInnen jenseits Trennbarriere mit 40 Prozent angegeben (Haaretz 13.5.2018). Quellen: - AA – Auswärtiges Amt (5.11.2019a): Naher und Mittlerer Osten, Maghreb – Besetzte Gebiete, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/regionaleschwerpunkte/nahermittlererosten/ besetzte-gebiete/2263564, Zugriff 22.4.2020 - Haaretz (13.5.2018): Palestinians Now Make Up Some 40 Percent of Jerusalem's Population, https://www.haaretz.com/israel-news/palestinians-now-make-up-some-40-percent-of- jerusalem-s-population-1.6077642, Zugriff 11.5.2020 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 7von 57

- HB – Handelsblatt (27.3.2019): EU erkennt Golanhöhen nicht als Staatsgebiet Israels an, https://www.handelsblatt.com/politik/international/nahost-eu-erkennt-golanhoehen-nicht-als- staatsgebiet-israels-an/24150860.html, Zugriff 22.4.2020 - IN – Israel Netz (28.6.2019): Jerusalem ist nicht Israels Hauptstadt, https://www.israelnetz.com/ politik-wirtschaft/politik/2019/06/28/jerusalem-ist-nicht-israels-hauptstadt/, Zugriff 22.4.2020 - LPB – Landeszentrale für Politische Bildung Baden-Würtenberg (o.D.): Der Nahostkonftlikt, https://www.lpb-bw.de/nahostkonflikt, Zugriff 22.4.2020 - ÖB – Österreichische Botschaft in Israel (o.D.): Wirtschaft, https://www.bmeia.gv.at/oeb-tel- aviv/oesterreich-in-israel/wirtschaft/, Zugriff 22.4.2020 2.2. Staatsaufbau Am 14. Mai 1948 erklärte Israel seine Unabhängigkeit (AA 5.11.2019b). Israel ist eine parlamentarische Demokratie mit gesetzgebender, ausführender und rechtsprechender Gewalt nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung, wodurch Kontrolle und Gleichgewicht innerhalb des Systems gewährleistet sind. Der Präsident, dessen Pflichten in weitem Umfang formeller Art sind, symbolisiert die Einheit des Staates. Er wird von der Knesset (Israels Parlament) für eine einmalige Amtszeit von sieben Jahren gewählt. Staatspräsident ist seit dem 24. Juli 2014 Reuven Rivlin (IBÖ o.D.; vgl. AA 5.11.2019c). Die Knesset, Israels gesetzgebendes Organ, ist ein Einkammer-Parlament mit 120 Mitgliedern, deren Arbeit in Plenarsitzungen und in 15 ständigen Ausschüssen erfolgt. Debatten und Abstimmungen über Politik und Aufgaben der Regierung sowie über Gesetzesvorlagen der Regierung oder eines Parlamentsmitglieds finden in Plenarsitzungen statt. Um Gesetzeskraft zu erlangen, muss ein Gesetzentwurf drei Lesungen in der Knesset durchlaufen. […] Die Debatten in der Knesset finden in Hebräisch statt, arabische und druzische Mitglieder können vor dem Parlament in Arabisch sprechen. Simultanübersetzungen in beiden Sprachen stehen zur Verfügung. Die Knessetabgeordneten, die ein breites Spektrum politischer Parteien repräsentieren, werden für eine Legislaturperiode von vier Jahren in landesweiten Wahlen gewählt; das gesamte Land gilt dabei als ein Wahlbezirk. Die Anzahl der Sitze, die jeder Partei in der Knesset zufallen, richtet sich proportional nach dem Stimmenanteil, den die jeweilige Partei am Gesamtwahlergebnis auf sich vereinigen konnte. Jeder Staatsbürger erhält mit Vollendung des 18. Lebensjahres das aktive, mit Vollendung des 21. Lebensjahres das passive Wahlrecht (IBÖ o.D.; vgl. AA 5.11.2019b). Mit der Verabschiedung des Nationalstaatsgesetzes im Juli 2018 verlor die arabische Sprache den Status einer Amtssprache und dem wird lediglich ein nicht näher definierter Sonderstatus zugeschrieben (FH 4.3.2020; vgl. HSS 23.10.2018; DZ 4.8.2018). Die Regierung (Exekutive) ist der Knesset gegenüber verantwortlich und unterliegt ihrem Vertrauen. Die politische Machtbefugnis der Regierung ist umfassend und bezieht sich auf alle wesentlichen Lebensaspekte in Israel. [...] Alle israelischen Regierungen seit 1948 sind aufgrund .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 8von 57

eines Koalitionsvertrages zwischen mehreren Parteien gebildet worden, da bisher keine der Parteien mehr als die Hälfte der Knessetsitze auf sich vereinigen konnte. Die Amtszeit der Regierung beträgt vier Jahre, sie kann jedoch durch Rücktritt oder Tod des Ministerpräsidenten oder durch ein Misstrauensvotum in der Knesset früher beendet werden (IBÖ o.D.). Der Oberste Gerichtshof hat nicht die Autorität eines Verfassungsgerichts, denn Israel besitzt keine Verfassung, sondern nur Grundgesetze mit verfassungsmäßigem Rang. Als höchste juristische Instanz muss der Gerichtshof deshalb die Handlungsspielräume der Regierung immer wieder neu abstecken – und dabei seine Unabhängigkeit beweisen (DZ 3.5.2020). Dem Regierungschef Netanjahu war es nach den beiden Parlamentswahlen im April und September 2019 nicht gelungen, eine neue Regierungsmehrheit zu bilden. Netanjahus wichtigster Rivale Benny Gantz von der Mitte-rechts-Liste Blau-Weiß hatte nach der Wahl im September 2019 die Bildung einer Einheitsregierung wegen der Korruptionsvorwürfe gegen Netanjahu abgelehnt. Nach dem Scheitern von Koalitionsverhandlungen stimmte die Knesset Anfang Dezember 2019 für ihre Auflösung und eine Neuwahl am 2. März 2020. Netanjahu ist der erste amtierende Regierungschef in der Geschichte Israels, der unter Anklage steht. Ihm werden Betrug, Bestechlichkeit und Untreue vorgeworfen. Gemäß israelischem Recht muss der Ministerpräsident nur im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung zurücktreten (DZ 18.2.2020; vgl. DP 12.12.2019; DS 9.12.2019). Aus der dritten Parlamentswahl in Israel innerhalb eines Jahres geht der „Likud" von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu als stärkste Fraktion hervor: Nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmen kommt der „Likud" künftig auf 36 Sitze (September 2019: 32 Sitze). Die Partei „Kachol Lavan" von Herausforderer Benny Gantz erhält voraussichtlich 33 Sitze in der Knesset (September 2019: 33 Sitze). An dritter Stelle folgt mit 15 Sitzen erneut die „Vereinte Liste", einem Bündnis aus den vier hauptsächlich arabischen Parteien „Ta'al", „Chadasch", „Balad" und „Ra'am" (September 2019: 13 Sitze). Fünf weitere Parteien ziehen in das israelische Parlament ein: Im konservativen und religiösen Lager die Partei „Schas" (9 Sitze) sowie die Bündnisse „Vereinigtes Thora-Judentum" (7 Sitze) und „Jamina" (6 Sitze); im progressiven Spektrum das Bündnis „Awoda-Gescher-Meretz" (7 Sitze). Die nationalistische Partei „Jisra’el Beitenu" erhält 7 Sitze. Die Wahlbeteiligung lag bei 71 Prozent und damit etwas höher als bei den vergangenen zwei Parlamentswahlen im April und September 2019 (BPB 4.3.2020). Nach mehreren vergeblichen Versuchen bekam Israel Ende April 2020 eine neue Regierung. Eine „nationale Notstandsregierung" soll künftig Israel regieren. Darauf haben sich der amtierende Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und sein wichtigster politischer Rivale, der .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 9von 57

Oppositionspolitiker Benny Gantz, geeinigt. Zuvor waren mehrere Versuche, eine Regierung zu bilden, gescheitert. Ein zentraler Streitpunkt in den Koalitionsverhandlungen war laut Medienberichten die Forderung von Netanjahus Likud-Partei nach einem Vetorecht bei der Besetzung von Richtern. Netanjahu wollte sich demnach außerdem absichern, falls das höchste Gericht entscheidet, dass er wegen der Korruptionsanklage nicht als Ministerpräsident oder Vizeministerpräsident amtieren kann. Mit der Entscheidung vom Ende April ist das Ende einer Pattsituation in Sicht, die seit mehr als einem Jahr andauerte. So lange war es keinem der beiden Lager gelungen, eine mehrheitsfähige Regierung zu bilden. Die durch das Coronavirus ausgelöste Krise mache eine große Koalition nötig, erklärten beide Seiten. (DZ 20.4.2020). Nach Medienberichten wollen sich Netanjahu und Gantz an der Spitze des Landes abwechseln: In den ersten 18 Monaten der vorgesehenen dreijährigen Amtszeit wird Netanjahu weiterhin die Regierungsgeschäfte leiten. Dann soll im Rahmen einer Rotation Gantz übernehmen. Bis dahin wird der frühere Armeechef Verteidigungsminister sein, der wohl wichtigste Posten in der künftigen Regierung. Mit 32 Ministern und einem Dutzend stellvertretenden Ministern handelt es sich um die größte Regierung in der Geschichte Israels. Wenn die Corona-Krise vorbei ist, soll das Kabinett um vier Posten auf 36 erweitert werden. Die Zahl der Ministerposten wird zwischen den beiden Parteienblöcken gleich verteilt. Der Blau-Weiß-Block erhält das Außenamt für die halbe Zeit und zudem die Ministerien für Justiz, Einwanderung, Eingliederung, Kultur, Sport, Wirtschaft, Wohlfahrt, Kommunikation, Landwirtschaft, strategische Angelegenheiten, Tourismus, soziale Gleichheit und Diaspora. Dem Likud-Block verbleibt das Außenministerium für die halbe Zeit, außerdem das Ministerium für Finanzen, Öffentliche Sicherheit, Verkehr, Wohnungsbau, Erziehung, Bildung, Umwelt, Energie, Jerusalem und weitere weniger wichtige Posten. Dafür stellt die Likud-Partei den zukünftigen Knessetsprecher; für den Posten ist der derzeitige Tourismusminister Jariv Levin vorgesehen. Übergangsweise hat Gantz das Amt derzeit inne (IN 21.4.2020). Die neue Regierung, seit dem 17. Mai 2020 im Amt, hat die Teilannexion des Westjordanlandes erstmals in ihrem Koalitionsvertrag schriftlich fixiert. Laut der Koalitionsvereinbarung, die Benjamin Netanjahu mit seinem Rivalen Benny Gantz geschlossen hat, könnte Premier Netanjahu ab dem 1. Juli 2020 Schritte zur "Ausweitung der Souveränität" - die in Israel gebräuchliche Bezeichnung für Annexion - einleiten. Eine israelische Annexion von Gebieten im Westjordanland wäre hoch umstritten und würde international vielfach missbilligt werden (SZ 20.5.2020; vgl. SZ 17.5.2020; DS 20.4.2020, Details zu den Annexionsplänen siehe Abschnitt 2.3). Eine der Hauptsorgen Netanjahus ist die Möglichkeit einer Verurteilung wegen Bestechung und Korruption. Deshalb behält er sich das Vetorecht zur Ernennung des nächsten Generalstaatsanwaltes und Staatsanklägers vor. Beide spielen eine entscheidende Rolle bei der .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 10 von 57

Anklage gegen ihn. Derzeit ist Dan Eldad übergangsweise Staatsankläger, die Amtszeit von Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit läuft noch bis 2022. Während der sechsmonatigen Periode einer Notstandsregierung soll es keine Ernennungen derartiger Schlüsselposten geben. Der Beginn des Prozesses gegen Netanjahu ist für den 24. Mai 2020 angesetzt (DS 20.4.2020). Gantz' Parteienbündnis Blau-Weiß hatte im Wahlkampf stets betont, man werde alles daransetzen, einen Regierungschef Netanjahu zu verhindern. Dass er dieses Versprechen nach der Wahl brach, hat ihn sein Wahlbündnis gekostet. Empörte Fraktionskollegen kehrten ihm den Rücken. Nun hat Gantz nicht einmal halb so viele Abgeordnete im Parlament auf seiner Seite (DS 20.4.2020). Am 19. April 2020 fanden sich mehrere Tausend Demonstranten am Tel Aviver Rabin-Platz ein, um unter Einhaltung des gebotenen Zwei-Meter-Abstands für den Erhalt der Demokratie zu protestieren. Wiederkehrende Demonstrationen (siehe auch DZ 3.5.2020, TI 29.6.2020) richten sich gegen Netanjahus Übergangskabinett, Attacken auf die Justiz und Überwachung sowie gegen Premierminister Netanjahu selbst wegen des Korruptionsprozesses (TI 29.6.2020) demonstriert. Netanjahus Kabinett hatte die Corona-Krise genutzt, um den Geheimdienst mit umfassenden Überwachungsbefugnissen auszustatten. (DS 20.4.2020). Quellen: - AA – Auswärtiges Amt (5.11.2019b): Israel – Politisches Porträt, https://www.auswaertiges- amt.de/de/aussenpolitik/laender/israel-node/politisches-portrait/203848, Zugriff 22.4.2020 - AA – Auswärtiges Amt (5.11.2019c): Israel – Steckbrief, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/israel-node/steckbrief/203560, Zugriff 22.4.2020 - BPB – Bundeszentrale für politische Bildung (4.3.2020): Israel: Netanjahu gewinnt Wahl, https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/306164/israel-netanjahu-gewinnt-wahl, Zugriff 22.4.2020 - DP – Die Presse (12.12.2019): Parlament aufgelöst – Israel wählt ein Drittes Mal, https://www.diepresse.com/5737239/parlament-aufgelost-israel-wahlt-ein-drittes-mal, Zugriff 22.4.2020 - DS – Der Standard (20.4.2020): Israel bekommt seine Corona-Regierung, https://www.derstandard.at/story/2000116998058/israel-bekommt-seine-corona-regierung, Zugriff 22.4.2020 - DS – Der Standard (9.12.2019): Israels Pareien einigen sich auf dritte Neuwahl innerhalb eines Jahres, https://www.derstandard.at/story/2000112042416/parteien-in-israel-einigen-sich-auf- neuwahlen-am-2-maerz, Zugriff 22.4.2020 - DZ – Die Zeit (20.4.2020): Gantz und Netanjahu einigen sich auf große Koalition, https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-04/israel-gantz-und-netanjahu-einigen-sich-auf-grosse- koalition, Zugriff 22.4.2020 - DZ – Die Zeit (3.5.2020): "Wir sind die Demokratie", https://www.zeit.de/politik/ausland/2020- 05/israel-demonstrationen-benjamin-netanjahu-demokratie, Zugriff 14.5.2020 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 11 von 57

- DZ – Die Zeit (18.2.2020): Prozess gegen Benjamin Netanjahu beginnt im März, https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-02/israel-benjamin-netanjahu-prozessbeginn- korruption, Zugriff 22.4.2020 - DZ – Die Zeit (4.8.2018): Israelis demonstrieren gegen „Nationalgesetz“, https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-08/tel-aviv-israel-nationalitaetsgesetz-drusen- netanjahu, Zugriff 8.6.2020 - FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2019 – Israel, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2025929.html, Zugriff 22.4.2020 - HSS – Hanns Seidel Stiftung (23.10.2018): Interview zum israelischen Nationalgesetz – Demokratie unter Beschluss, https://www.hss.de/news/detail/demokratie-unter-beschuss- news3759/, Zugriff 22.4.2020 - IBÖ – Israelische Botschaft in Österreich (o.D.): Das politische System, https://embassies.gov.il/vienna/AboutIsrael/Pages/Politisches%20System.aspx, Zugriff 22.4.2020 - SZ – Süddeutsche Zeitung (20.5.2020): Palästinenser kündigen alle Abkommen mit Israel und USA auf, https://www.sueddeutsche.de/politik/israel-palaestinenser-westjordanland- annexionsplaene-1.4913404, Zugriff 28.5.2020 - SZ – Süddeutsche Zeitung (17.5.2020): Politischer Stillstand in Israel beendet, https://www.sueddeutsche.de/politik/israel-regierung-benjamin-netanjahu-1.4910388, Zugriff 28.5.2020 - TI – Times of Israel (29.6.2020): A quiet Israeli ex-general emerges as new hero for anti- Netanyahu camp, https://www.timesofisrael.com/a-quiet-israeli-ex-general-emerges-as-new- hero-for-anti-netanyahu-camp/, Zugriff 1.7.2020 2.3. Der israelisch-palästinensische Konflikt als Faktor der israelischen Politik und Sicherheitslage Die Beziehungen zu den Palästinensern stellen einen wichtigen Faktor in der Außen- und Sicherheitspolitik Israels dar. Die PalästinenserInnen in der Westbank und Ostjerusalem leben seit 1967 unter israelischer Besatzung. Die von Israel gebauten Siedlungen mit beinahe 500 000 Menschen gelten nach internationalem Recht als illegal, was von Israel bestritten wird. Die israelischen Siedler in Gaza wurden von Israel sowie auch seine Truppen im Jahr 2005 abgezogen. Israel kontrolliert weiterhin den Luftraum und die Küste von Gaza, weshalb der Gaza- Streifen weiterhin international als besetztes Gebiet betrachtet wird (BBC Israel Country Profile 27.4.2020) Gewalt zwischen beiden Bevölkerungsgruppen bleibt Realität. Ein Durchbruch zu einer Lösung des Konflikts unter der Formel „Zwei Staaten für zwei Völker“ schien in den 1990er Jahren möglich. Im Jahr 2018 gab es in Israel weiterhin eine Mehrheit, die diese Formel unterstützte. Gleichzeitig glaubte aber auch eine Mehrheit nicht mehr daran, dass die Palästinenser ein Partner im Friedensprozess sein können und sprach sich daher dafür aus, im Interesse der Sicherheit die Besatzungssituation aufrechtzuerhalten (Lintl 3.2018). Mit scheiternden Friedensgesprächen gewannen militärische Maßnahmen die Oberhand und veränderten die israelische Politik: Das linke „Friedenslager“ entfernt sich immer stärker von der Forderung nach Endstatusverhandlungen, während das rechte Lager einen palästinensischen .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 12 von 57
