isra-lib-2020-07-02-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Im Oktober 2018 wurde eine Kirche des Beit Jamal Klosters bereits zum dritten Mal in den letzten Jahren Ziel von Vandalismus. Nach dem Angriff bot die israelische Regierung an, für die Reparaturen aufzukommen (USDOS 21.6.2019). Separate Schulsysteme – öffentliche wie halböffentliche resultierten in einer großen Bandbreite bei der Bildungsqualität. Arabische, druzische und ultra-orthodoxe StudentInnen schnitten bei den Matrikulationsexamen mit schlechteren Noten ab als SchülerInnen aus dem nicht-ultra-orthodoxen Teil der jüdischen Bevölkerung (USDOS 11.3.2020, vgl. Al-Monitor 28.10.2019). Arabische Schulen erhalten weniger Budget (Adalah o.D.). Für arabische StudentInnen gibt es weiterhin Bildungs- und Stipendienprogramme (USDOS 11.3.2020). Die Menschenrechtsorganisation Adalah sendete im Kontext der Covid-19-Massnahmen in Israel einen Folgebrief an die israelischen Bildungsbehörden im Namen des arabischen Nationalkomitees der Bürgermeister und des arabischen Follow-up-Ausschußes für Bildung und forderte den Zugang arabischer Studenten zum Fernunterricht. Im Schreiben wurden 46 arabische Städte und Wohnbezirke genannt, in denen die Schüler keinen Computer besitzen, sowie weitere 20 Städte und Wohnbezirke mit fehlendem Zugang zum Internet (Adalah 11.5.2020a). Insgesamt hält die Vernachlässigung der arabischen Bevölkerung fast ohne Ausnahme (Yitzhak Rabins zweite Amtszeit 1992-1995 als Premierminister) an. Die Orr-Untersuchungskommission zu den Unruhen von Oktober 2000, in welchen 13 arabische Bürger starben, ortete als tiefergehende Ursache die Disparitäten zwischen Juden und Araber, welche den Boden für Frustration und Polarisierung bereitete. Auch der Shin Bet [Anm.: Inlandsnachrichtendienst] vertritt die Auffassung, dass mehr Gleichheit zu weniger Gewalt führt. Der frühere Shin-Bet-Chef Yuval Diskin bezeichnete die Integration der arabischen Israelis als wichtiger als die Bedrohung durch den Iran (Al-Monitor 16.7.2018). In der von Adalahs stellvertretender Generaldirektorin gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu, das Innen-, Finanz- und Umweltministerium sowie das Zentrum für Kommunalverwaltung eingereichte Petition wird der Oberste Gerichtshof aufgefordert, gleiche Kriterien für die Budgetierung der lokalen Behörden festzulegen, und zwar so dass diese die charakteristischen Merkmale des Schadens berücksichtigt, der den arabischen Gemeinschaften während der Zeit des Coronavirus zugefügt wurde, hauptsächlich durch den Verlust von Einkünften aus Kommunalsteuern. Die bestehenden israelischen Kommunalsteuergesetze führen zu einer Budgetdiskriminierung der arabischen Gemeinden, da der Großteil der arabischen kommunalen Einnahmen nur aus Steuern auf Wohnimmobilien stammt. Vor dem Hintergrund eines anhaltenden Streiks in den arabischen Gemeinden wurde die Petition an den Obersten Gerichtshof eingereicht. Dieser begann am 5. Mai 2020, um gegen den diskriminierenden Charakter der von der israelischen Regierung durchgesetzten Sondergesetzgebung zum Coronavirus zu protestieren. Die Politik der israelischen Regierung .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 43 von 57

resultierte darin, dass die Zuteilung an Mitteln an arabische Kommunen nur 1,7 Prozent der landesweit an alle Kommunen geleisteten Hilfe betragen. Darüber hinaus führte diese Vorgehensweise zu schweren wirtschaftlichen Krisen in den arabischen Gemeinden und zu einem finanziellen Zusammenbruch, der die fortgesetzte Bereitstellung grundlegender öffentlicher Dienstleistungen für die Einwohner, Bürger Israels gefährdet (Adalah 11.5.2020b). Die israelische Staatsbürgerschaft ist nicht für PalästinenserInnen verfügbar, welche sich zwischen 1948 und 1952 in Gebieten aufhielten, welche Israel als Feindesland definiert. Dieser Ausschluss betrifft auch die PalästinenserInnen in der Westbank [Anm.: ohne Ost-Jerusalem] und den Gaza- Streifen wie auch die 6,6 Millionen palästinensischen Flüchtlinge im Exil (Badil 4.2014). Anm.: Zur Lage von Beduinen wird bei Bedarf eine Anfragebeantwortung erstellt. Quellen: - +972 - + 972 Magazine (15.5.2020): Seven decades on, internally displaced Palestinians wait to return home, https://www.972mag.com/nakba-return-refugees-displaced/, Zugriff 22.5.2020 - Adalah – The Legal Center for Arab Minority Rights (11.5.2020a): CORONAVIRUS: Latest updates on Adalah's COVID-19 legal work, https://www.adalah.org/en/content/view/9939, Zugriff 19.5.2020 - Adalah – The Legal Center of Arab Minority Rights (11.5.2020b): Adalah, Arab mayors petition Israeli Supreme Court to demand equitable budgets for Arab towns confronting COVID-19 financial damage, https://www.adalah.org/en/content/view/10007, Zugriff 19.5.2020 - Adalah – The Legal Center for Arab Minority Rights in Israel (o.D.a): Land and Planning Rights, https://www.adalah.org/en/content/index/2007, Zugriff 19.5.2020 - Adalah – The Legal Center for Arab Minority Rights in Israel (o.D.b): Economic, Social and Cultural Rights, https://www.adalah.org/en/content/index/2019, Zugriff 19.5.2020 - Adalah – The Legal Center for Arab Minority Rights in Israel (27.9.2017): The Discriminatory Laws Database, https://www.adalah.org/en/content/view/7771, Zugriff 22.4.2020 - Al-Monitor (28.10.2019): Why more Israeli-Arabs go to university, https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2019/10/israel-arabs-joint-list-party-university- higher-education.html, Zugriff 19.5.2020 - Al-Monitor (Mualem, Mazal) (16.7.2018): Knesset hears data on Israel’s Arab-Jewish health gap, https://www.al-monitor.com/pulse/originals/2018/07/israel-arabs-ahmed-tibi-public-health- weapons-education.html, Zugriff 22.4.2020 - BADIL – Resource Center for Palestinian Residency and Refugee Rights (4.2014): Forced Population Transfer: The Case of Palestine; Denial of Residency, http://www.badil.org/phocadownload/Badil_docs/publications/wp16-Residency.pdf, Zugriff 22.4.2020 - FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2019 – Israel, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2025929.html, Zugriff 22.4.2020 - DZ – Die Zeit (4.8.2018): Israelis demonstrieren gegen „Nationalgesetz“, https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-08/tel-aviv-israel-nationalitaetsgesetz-drusen- netanjahu, Zugriff 22.4.2020 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 44 von 57

- HSS – Hanns Seidel Stiftung (23.10.2018): Interview zum israelischen Nationalgesetz – Demokratie unter Beschluss, https://www.hss.de/news/detail/demokratie-unter-beschuss- news3759/, Zugriff 22.4.2020 - IBM – Israelische Botschaft Myanmar (o.D.): Israel – Gesellschaft: Minderheiten, https://embassies.gov.il/yangon/AboutIsrael/People/Pages/GESELLSCHAFT.aspx, Zugriff 22.4.2020 - USDOS – US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Israel, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026369.html, Zugriff 22.4.2020 - USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Israel and the Golan Heights, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430355.html, Zugriff 22.4.2020 - USDOS – US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: Isreal, 21. Juni 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011170.html, Zugriff 22.4.2020 16.2. Äthiopische Juden und Jüdinnen Ungefähr 130.000 bis 144.100 Juden und Jüdinnen sind weiterhin gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt, auch wenn AmtsträgerInnen und BürgerInnen diese Diskriminierungen öffentlich kritisieren. Sie sind trotz der Integrationsbemühungen der Regierung im wirtschaftlichen Rückstand im Vergleich zu der Allgemeinbevölkerung (USDOS 11.3.2020; vgl. FH 4.3.2020). Es gibt zwei Mitglieder der Knesset mit äthiopischer Herkunft (USDOS 11.3.2020) Die äthiopische Gemeinschaft kämpft seit ihrer Ankunft in Israel in den 1980er und 1990er Jahren um die Anerkennung ihrer religiösen und spirituellen Anführer (Kessim) durch das religiöse Establishment in Israel, um formal zum Ordnungssystem der religiösen Leistungen in Israel zu gehören. Ein Schritt dahingehend war die Erlaubnis, Zeremonien zu Feiertagen, Begräbnissen und Reinigungsritualen abhalten zu dürfen. Außerdem wurde den Kessim die Verwaltung von Synagogen erlaubt. Zur vollen religiösen Autorität fehlten jedoch noch Befugnisse wie die Erlaubnis zur Abhaltung von Hochzeiten (Al-Monitor 18.11.2018). 2019 wurde im Rahmen einer Konferenz jedoch ein Plan ausgearbeitet, der es bestimmten spirituellen Anführern der äthiopisch- jüdischen Gemeinschaft (die sich auch als Beta Israel nennen) erlauben würde, Eheschließungen mit traditionellen Elementen der Beta-Israel-Trauungszeremonie durchzuführen. Das ausgearbeitete Konzept befand sich im Oktober 2019 in der letzten Phase der Genehmigung und sollte danach dem Oberrabbinat zur Bewilligung vorgelegt werden (TJP 16.10.2019). Berichten im Jänner 2020 zufolge wurden die äthiopischen Juden vom israelischen Rat des Oberrabinats als jüdisch anerkannt. Die Anerkennungsentscheidung erfolgte bereits im November 2019, diese wurde damals jedoch nicht bekannt gegeben. Der Grund dafür wurde nicht genannt (TJP 20.1.2020; vgl. TTI 20.1.2020; MEMO 21.1.2020). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 45 von 57

Als erste von einer Reihe von Maßnahmen erfolgt die Anstellung von 28 Kessim bei den zentralen Religionsgerichten. Die ausschließliche Befugnis zur Ernennung von Kessim wird obersten religiösen Behörden der ähtiopischen Gemeinschaft übertragen. Das religiöse Erbe der Kessim, das 2.500 Jahre zurückreicht und mündlich weitergegeben wird, soll zudem mithilfe staatlicher Finanzierung verschriftlicht werden. (Al-Monitor 18.11.2018). Es gab Berichte über Anwendung übermäßiger Gewalt seitens der Polizei oder willkürliche Verhaftungen als Reaktion auf Proteste bestimmter Gruppen, unter anderem bei Israelis äthiopischer Abstammung. Israelische Bürger äthiopischer Herkunft wurden beispielsweise verhaftet, weil sie in der Nähe des Wohnsitzes des Generalstaatsanwalts gegen Polizeigewalt protestierten (USDOS 11.3.2020). Im Juli 2019 veranstalteten äthiopische Israelis mehrtägige Demonstrationen gegen die Polizeibrutalität, nachdem ein dienstfreier Polizeibeamter einen Teenager äthiopischer Abstammung erschossen hatte (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Im November wurde der Polizeibeamte wegen fahrlässiger Tötung, ein Delikt, das mit einer Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren geahndet wird, angeklagt. Im August 2019 wurden sieben Aktivisten verhaftet, die gegen die Ermordung eines äthiopisch-israelischen Polizeibeamten protestierten (USDOS 11.3.2020). Ebenfalls im August 2019 wurde von NGOs eine Petition beim Obersten Gerichtshof eingereicht, in deren Rahmen sie eine einstweilige Verfügung gegen eine auf äthiopisch-israelische und andere Minderheiten abzielende Polizeipraxis der rassistischen Profilierung beantragten. Die Polizei wandte diese Praxis trotz der Empfehlungen eines Berichts des Justizministeriums aus dem Jahr 2016 zur Bekämpfung des Rassismus gegen äthiopisch-israelische Staatsangehörige und entgegen einer Polizeidirektive vom März weiterhin an (USDOS 11.3.2020). Im November 2018 luden Präsidenten Rivlin und Justizminister Ayelet Shaked äthiopisch- israelische Staatsangehörige zur Beantragung der Löschung ihres Strafregisters ein. Dies bezog sich auf kleinerer Delikte wie Beamtenbeleidigung, für welche die Betreffenden nicht inhaftiert gewesen waren. Nach Angaben des Präsidentenbüros via Ha-Makom wurden bis März 2019 66 Anträge eingereicht. Davon erfüllten 15 die Voraussetzungen und fünf wurden begnadigt (USDOS 11.3.2020). Quellen: - Al-Monitor (Zaken, Danny) (18.11.2018): Ethiopian Jewish leaders make gains in Israel, https:// www.al-monitor.com/pulse/originals/2018/11/israel-ethiopia-kessim-chief-rabbinate-ultra- orthodox.html, Zugriff 22.4.2020 - FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2019 – Israel, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2025929.html, Zugriff 22.4.2020 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 46 von 57

- MEMO – Middleeast Monitor (21.1.2020): Israeli rabbis declare Beta Israel Ethiopians to be „Jewish“, https://www.middleeastmonitor.com/20200121-israeli-rabbis-declare-beta-israel- ethiopians-to-be-jewish/, Zugriff - TJP – The Jerusalem Post (20.1.2020): Chief Rabbinate accepts position recognizing Beta Israel as Jewish, https://www.jpost.com/israel-news/chief-rabbinate-accepts-position- recognizing-beta-israel-as-jewish-614694, Zugriff - TJP – The Jerusalem Post (16.10.2019): Efforts underway to enable Ethiopian keisim to perform marriages, https://www.jpost.com/israel-news/efforts-underway-to-enable-ethiopian- keisim-to-perform-marriages-604842, Zugriff - TTI – The Times of Israel (20.1.2020): Top state rabbinical body reinforces ruling that Ethiopian Jews are Jewish, https://www.timesofisrael.com/top-state-rabbinical-body-reinforces-ruling- that-ethiopian-jews-are-jewish/, Zugriff - USDOS – US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Israel, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026369.html, Zugriff 22.4.2020 17. Relevante Bevölkerungsgruppen 17.1. Frauen Frauen verfügen über volle politische Rechte nach dem Gesetz wie auch in der Praxis, obgleich sie in Führungspositionen etwas unterrepräsentiert sind. Sie können in den Parteien und Gemeinden – jüdische wie arabische – mit zusätzlichen Hindernissen aufgrund von religiösem oder kulturellem Konservatismus konfrontiert sein. Frauen werden vor Straf- und Zivilgerichten gleich behandelt. In der israelischen Gesellschaft haben sie beträchtliche Parität erreicht, wenngleich wirtschaftliche und andere Diskriminierung besonders in den arabischen und religiösen jüdischen Gemeinschaften fortbesteht (FH 4.3.2020). Das Gesetz sieht für Frauen denselben rechtlichen Status und dieselben Rechte wie für Männer vor. Ministerien und Gemeinden müssen eine Beratung für die Förderung von Frauenrechten haben. Staatlich geförderte Kinderbetreuung soll die Berufstätigkeit von Müttern unterstützen. Es gibt auch Berufstraining für Alleinerziehende (USDOS 11.3.2020). Die Aussetzung des Gesetzes zu Frauenarbeit von 1954 durch Notstandsregelungen bezüglich der Covid-19-Pandemie führte zur Entlassung Tausender Frauen (Schwangere, in Karenz befindliche Frauen u.a.), bis die Regierung die Maßnahme nach 11 Tagen zurückzog - zwei Tage vor Ablauf der Frist für die Stellungnahme zu der beim Obersten Gerichtshofs anhängigen Beschwerde (Adalah 20.4.2020). Am Arbeitsmarkt gibt es trotz Verbot Diskriminierung bei Beschäftigung und Löhnen (USDOS 11.3.2020). Arabische Frauen gehen viel weniger oft einem Beruf nach als arabische Männer oder jüdische Frauen. Viele ultra-orthodoxe jüdische Gemeinden versuchen inoffizielle Regeln zur Trennung der Geschlechter und zur Bekleidung durchzusetzen (FH 4.3.2020). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 47 von 57

Vergewaltigung – auch in der Ehe – ist mit bis zu 16 Jahren Haft strafbar, bei erschwerenden Umständen bis zu 20 Jahre Haft. Darunter fällt auch die Vergewaltigung durch einen Familienangehörigen, bzw. Verwandten. 2018 wurden 1.534 Ermittlungen (2017: 1.443) wegen Verdacht auf Vergewaltigung eingeleitet. 91 Prozent der Fälle von Vergewaltigung wurden von den Behörden vor allem aufgrund fehlender Beweise ohne Anklage abgeschlossen (USDOS 11.3.2020). Im Laufe des Jahres 2018 wurden 13 Frauen und Mädchen getötet, die meisten von Familienmitgliedern oder von ihren männlichen Partnern (USDOS 11.3.2020; vgl. AI 18.2.2020). Die Hälfte aller ermordeten Frauen in Israel sind Araberinnen. Es gibt zwar Ähnlichkeiten zu sogenannten „Ehrenmorden“, aber AkitivistInnen lehnen diesen Vergleich ab, und verweisen auf verbreitete Gewalt in der Ehe im Umfeld der meisten Opfer, die von der Polizei ignoriert wird (TTI 26.7.2017). Am 1.1.2019 wurde ein Gesetz von der Knesset verabschiedet, mit den die Verjährungsfrist für schwere Sexualdelikte von 10 auf 15 Jahre verlängert wurde, wobei die Strafe sieben Jahre Gefängnis betrug. Darüber hinaus stimmte die Knesset auch eine Änderung des Strafgesetzbuchs in Bezug auf Mordanklage und Verurteilung zu, die am 10.7.2019 in Kraft trat. Demnach sollen Männer, die ihre Partnerinnen nach einem Missbrauch töten, wegen „Mordes unter erschwerten Umständen“ mit lebenslanger Haftstrafe angeklagt werden. Frauen, die einen missbrauchenden Partner töten, sollen wegen „Mordes unter erschwerten Umständen“ mit einer Höchststrafe von 15 Jahren Gefängnis bestraft werden (USDOS 11.3.2020). Das Ministerium für Arbeit, soziale Angelegenheiten und soziale Dienste unterhält 14 Schutzhäuser für Opfer häuslicher Gewalt, davon zwei für die arabische Gemeinschaft, zwei jüdisch-arabische Schutzhäuser, zwei für ultra-orthodoxe Opfer und acht für jüdische Gemeinschaften, die nicht ultra- orthodox sind. Es gibt zudem eine Hotline (USDOS 11.3.2020). Die Regierung verlautbarte, dass Polizeibeamte eine Ausbildung erhalten, um mit Personen unterschiedlicher Kulturen und Herkunft mit besonderem Fokus auf Minderheitsgemeinschaften zu interagieren. Frauen aus bestimmten jüdisch-orthodoxen, muslimischen, beduinischen und drusischen Gemeinschaften sind mit bedeutendem gesellschaftlichen Druck konfrontiert, Vergewaltigungen oder häusliche Gewalt nicht zu melden (USDOS 11.3.2020). Sexuelle Belästigung ist illegal. Die Strafen richten sich nach der Schwere der Tat und ob Erpressung involviert war. Die Polizei informiert alle Opfer über das Recht auf Hilfe durch die Association of Rape Crisis Centers in Israel (USDOS 20.4.2018). Das Gesetz sieht vor, dass sich Opfer über ein computerisiertes System und eine Hotline über den Fortschritt ihrer Fälle informieren können. 2018 reichten Staatsanwälte 168 Anklagen (2017: 129) wegen sexueller Belästigung ein. Nach Angaben des Zentralamts für Statistik vom 2018 meldeten 95 Prozent der .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 48 von 57

Opfer sexueller Belästigung, die älter als 20 Jahre waren, den Vorfall nicht bei der Polizei. Opfer von Sexualstraftaten äußerten ihre Unzufriedenheit betreffend der Reaktion der Strafverfolgungsbehörden auf solche Fälle durch die sogenannte #WhyIDidn‘tComplain- Kampagne. Im März 2018 wurde von der Obersten Richterin des obersten Gerichtshofes ein Ausschuss eingerichtet, der die Behandlung der Opfer von Sexualstraftaten durch das Justizsystem untersuchen soll. Obwohl in einem Bericht vom Dezember 2019 die Fortschritte bei der Behandlung von Opfern von Sexualstraftaten anerkannt wurden, wurde festgestellt, dass die Opfer in jeder Phase des Gerichtsverfahrens mit Schwierigkeiten konfrontiert waren. Im September 2019 wurde der ehemalige Polizeichef Jerusalems wegen sexueller Belästigung von Beamten unter seinem Kommando verurteilt. Damit wurde ein Urteil des Amtsgerichts von 2018 aufgehoben. Das Urteil stand am Jahresende 2019 noch aus (USDOS 11.3.2020). Die Scheidungs- oder Trennungsformalitäten unterscheiden sich je nach Religion und Konfession und beinhalten oft mehr Rechte für die Ehemänner (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 11.3.2020). Vor religiösen Gerichten, die für Familiengesetze, inklusive Eheschließung und Scheidung, zuständig sind, sind die Rechte von jüdischen, christlichen, muslimischen und drusischen Frauen eingeschränkt (USDOS 11.3.2020). Im Gesetz über die Gleichheit von Frauen sind explizit die Bereiche Ehe, Scheidung und Ernennung für religiöse Positionen ausgenommen (USDOS 21.6.2019). Bei Scheidungen nach jüdischen Recht müssen beide Ehepartner ihre Zustimmung zur Scheidung geben. Manchmal macht der Ehemann dies von Bedingungen wie etwa bzgl. Besitz oder Vormundschaft für Kinder abhängig. Das führt dazu, dass Tausende jüdische Frauen nicht wieder heiraten dürfen oder keine weiteren legitime Kinder haben können. Manchmal verhängen die rabbinischen Gerichte Sanktionen gegen Ehemänner, welche der Ehefrau die Scheidung verweigern, während sie gleichzeitig der Ehefrau die Scheidung ohne Zustimmung ihres Ehemannes verweigern (USDOS 11.3.2020). Quellen: - Adalah (20.4.2020), Adalah returns to Israeli Supreme Court: Gov’t cancelled coronavirus regulations allowing employers to dismiss pregnant women, but thousands already lost their jobs, https://www.adalah.org/en/content/view/9990, Zugriff 19.5.2020 - AI – Amnesty International (18.2.2020): Menschenrechte im Nahen Osten und in Nordafrika: 2019; Israel und besetzte Palästinensische Gebiete, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026067.html, Zugriff 22.4.2020 - FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2019 – Israel, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2025929.html, Zugriff 22.4.2020 - TTI – The Times of Israel (26.7.2017): Father charged with murdering daughter over affair with Muslim, https://www.timesofisrael.com/father-charged-with-murdering-daughter-over-affair-with- muslim/, Zugriff 22.4.2020 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 49 von 57

- USDOS – US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Israel, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026369.html, Zugriff 22.4.2020 - USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Israel and the Golan Heights, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430355.html, Zugriff 22.4.2020 - USDOS – US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: Isreal, 21. Juni 2019, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011170.html, Zugriff 22.4.2020 18. Bewegungsfreiheit Anm.: betrifft nur das international anerkannte Staatsgebiet Israels und nicht israelische SiedlerInnen. Das Gesetz sieht das Recht auf Bewegungsfreiheit im Land, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung vor, und die Regierung respektiert generell diese Rechte. Israelische BürgerInnen können grundsätzlich frei ins Ausland reisen, sofern keine Verpflichtungen dem Militär gegenüber und keine Verwaltungseinschränkungen vorliegen. Reisehindernisse können sein: Sicherheitsbedenken seitens der Regierung, ausstehende Schulden und die Verweigerung der Einwilligung eines jüdischen Ehemannes zur Scheidung. Reisen in Staaten, welche sich offiziell mit Israel im Kriegszustand befinden, sind ohne Regierungsbewilligung verboten. Dies schließt Reisen in den Iran, Irak, Libanon, Saudi-Arabien, Syrien und Jemen ein (USDOS 11.3.2020). Aufgrund von Sicherheitsmaßnahmen können manchmal Hindernisse bei der Bewegungsfreiheit auftreten. Checkpoints des Militärs gibt es jedoch nur in der Westbank. Informelle lokale Regeln können das Fahren am Schabbat und an jüdischen Feiertagen einschränken (FH 4.3.2020). Das Gesetz über Staatsangehörigkeit und Einreise verbietet es nicht-jüdischen Bürgern des Iran, Irak, Syrien und Libanon sowie Palästinensern aus dem Westjordanland oder dem Gazastreifen, einschließlich der Ehepartner von israelischen Einwohnern oder Bürgern, einen Aufenthaltsstatus zu erhalten, es sei denn, das Innenministerium trifft aus besonderen, in der Regel aus humanitären, Gründen eine andere Entscheidung. Laut Berichten von HaMoked vom 2018 lebten etwa 10.000 Palästinenser aus dem Westjordanland oder dem Gazastreifen mit einer befristeten Aufenthaltsgenehmigung in Israel, einschließlich Jerusalem. Amnesty International (AI) und andere NGOs forderten die Regierung auf, dieses Gesetz aufzuheben und die Bearbeitung von Anträgen auf Familienzusammenführung wieder aufzunehmen. Das Gesetz erlaubt eine Aufenthaltsgenehmigung für EhepartnerInnen von Israelis, wenn der männliche Ehepartner ohne israelische Staatsbürgerschaft mindestens 35 Jahre, bzw. die Ehefrau ohne israelische Staatsbürgerschaft mindestens 25 Jahre ist. Sie dürfen jedoch keinen Aufenthalt aufgrund ihrer Ehe erhalten und können nicht die israelische Staatsbürgerschaft beantragen (USDOS 11.3.2020). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 50 von 57

Laut HaMoked haben Personen aus dem Gazastreifen gar keinen Zugang zur Familienzusammenführung. Für Familien mit Israel-Gaza-Hintergrund gibt es seit zwei Jahrzehnten ein eigenes Prozedere für ein Familienleben bei geteilten Familien (H 7.5.2020). Im August 2019 verwehrten die israelischen Behörden den US-Kongressabgeordneten Ilhan Omar und Rashida Tlaib die Einreise wegen ihrer Unterstützung eines Boycotts Israels (HRW 14.1.2020). Quellen: - FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2019 – Israel, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2025929.html, Zugriff 22.4.2020 - H – HaMoked (7.5.2020): HaMoked in an urgent petition to the HCJ: Israeli women whose center of life is in Gaza must be allowed to return to their spouses and children living there, http://www.hamoked.org/Document.aspx?dID=Updates2163, Zugriff 20.5.2020 - HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Israel and Palestine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022793.html, Zugriff 20.5.2020 - USDOS – US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Israel, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026369.html, Zugriff 22.4.2020 19. Grundversorgung und Wirtschaft Anm.: Die Wirtschaftsdaten betreffen die Situation vor der Corona-Krise. Die Lage von legalen und illegalen Arbeitern von außerhalb Israel, inklusive der in Israel legal und illegal beschäftigten Palästinensern aus dem Westjordanland und Gaza kann bei Bedarf im Rahmen einer Anfragebeantwortung recherchiert werden. Im Juli 2019 hat Israel 9,06 Mio. Einwohner erreicht. Nach Schätzungen des Zentralamts für Statistik wird die Bevölkerung Israels im Jahr 2024 die 10-Millionen-Marke erreichen. Im Jahr 2019 sind in den ersten sieben Monaten 20.506 Personen eingewandert, das sind 21 Prozent mehr als im Jahr zuvor im gleichen Zeitraum (WKO 10.2019). Vor allem in IKT (Informations- und Kommunikationstechnik, Anm. der Staatendokumentation), Medizin und Pharma, Life Science, Agrotechnologie, sowie IT-Sicherheit und in der Rüstungsindustrie ist Israel sehr erfolgreich. Andere Branchen erfordern Modernisierungsschritte. Industriezweige, in denen staatlich geschaffene Mono- und Oligopole aufgebrochen werden müssen, hinken noch hinterher. Seit Beginn der Masseneinwanderung in den frühen neunziger Jahren ist das Wirtschaftswachstum mit dem Bevölkerungswachstum und damit einer steigenden Binnennachfrage gekoppelt. Durch Privatisierung der Staatsbetriebe wurde die Staatsverschuldung gesenkt. Bis auf wenige Mineralien (Pottasche, Magnesium, etwas Kupfer) galt Israel stets als rohstoffarmes Land. Anfang des neuen Millenniums wurden erste Öl-und .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 51 von 57

Gasfelder vor der Küste entdeckt und erschlossen. Im Laufe der letzten Jahre wurden weitere neue Erdgasfelder mit förderwürdigen Gasmengen entdeckt. Damit wird in Israel verstärkt Erdgas zum Betrieb der Kraftwerke verwendet und andere fossile Energieträger werden dadurch teilweise ersetzt. Dies erfordert jedoch noch große Investitionen. Erdöl und Kohle, Metalle oder Holz müssen importiert werden. Die sozialistisch und gemeinwirtschaftlich organisierten Kibbuzim (Mehrzahl von Kibbuz = ländliche Kollektivsiedlung), die anfangs entscheidend zum Aufbau des Staates beigetragen haben, widmen sich heute nicht mehr ausschließlich der Landwirtschaft und haben sich privatisiert und diversifiziert. Obwohl nur mehr ein sehr geringer Teil der Israelis in Kibbuzim lebt, werden dort heute beinahe ein Drittel der landwirtschaftlichen und ein beachtlicher Teil der industriellen Güter (ca. 8 Prozent) produziert (WKO 2019; vgl. WKO 10.2019). Das Land bleibt weiterhin ein stabiler Wachstumsmarkt in der Region. Mit +3,3 Prozent konnte die israelische Wirtschaft im Gesamtjahr 2018 erneut ein starkes Wachstum verzeichnen (WKO 10.2019). Das durchschnittliche Monatsgehalt in Israel erreichte mit Ende 2018 NIS 10.800 (2.647 Euro) – dies bedeutet einen fast sechsprozentigen Anstieg im Vergleich zu den Vormonaten. Als Grund dafür wird der Lohnboom der High-Tech Branche gesehen, in der der durchschnittliche Monatslohn derzeit bei NIS 21.641 (5.170 Euro) liegt. Laut dem Israeli Central Bureau of Statistics beträgt das durchschnittliche Monatsgehalt im Juni 2019 11.175 NIS (3.006 Euro), 2,9 Prozent mehr als das durchschnittliche Monatsgehalt im Juni 2018. Der größte Anstieg wurde mit 8 Prozent im Informations- und Kommunikationssektor verzeichnet (WKO 10.2019). Die soziale Ungleichheit hat seit 2007 aufgrund höherer Beschäftigungsraten bei israelischen Arabern und Ultraorthodoxen leicht abgenommen, aber Armut ist in diesen benachteiligten Bevölkerungsgruppen weit verbreitet (WKO 10.2019; vgl. DSZ 13.9.2019). Während die Beschäftigungsrate in Israel zunimmt, zeichnet sich die Mehrzahl der geschaffenen Arbeitsplätze durch niedrige Löhne und niedrige Produktivität aus. Israels pro-Kopf-BIP wuchs zwischen 2014 und 2018 um nur 1,33 Prozent und liegt damit deutlich unter dem OECD- Durchschnitt von 2,2 Prozent (WKO 10.2019). Das niedrige Ausbildungsniveau israelischer Arbeitskräfte, verglichen mit anderen Industrieländern, ist für eine Einbuße von 3 Prozent des BIP verantwortlich. Dem OECD-Bericht zufolge ist das hauptsächlich auf das niedrige Niveau des israelischen Schulsystems zurückzuführen. Die schwachen Grundfertigkeiten israelischer SchülerInnen tragen maßgeblich zu der im Vergleich zu anderen OECD-Ländern geringen Arbeitsproduktivität bei, die in Folge zu niedrigeren Löhnen führt. Sowohl die Leistungen israelischer SchülerInnen in der internationalen Schulleistungsstudie PISA als auch die der Erwachsenen im OECD Program for the International .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 52 von 57
