keni-lib-2023-08-09-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
einer Kultur der Achtung der Bürgerrechte kommt es immer noch in erheblichem Umfang zu willkürlichen Verhaftungen und außergerichtlichen Tötungen durch die Polizeikräfte, meist ohne rechtliche Konsequenzen für die Täter, insbesondere wenn politische Interessen im Spiel sind. Bis dato erweisen sich das politische System sowie die Justiz als zu schwach, um den Kreislauf der Straflosigkeit bei außergerichtlichen Tötungen durch die Polizei zu durchbrechen (BS 2022). Es gibt Berichte über außergerichtliche Tötungen (HRW 12.1.2023; vgl. FH 2023) und Verschwindenlassen durch die Sicherheitskräfte (HRW 12.1.2023). NGOs erhielten weiterhin Berichte über Folter und andere unmenschliche oder erniedrigende Behandlung durch die Regierungstruppen. Die IMLU [Anm.: Independent Medico Legal Unit] meldete 109 Fälle von Folter zwischen Januar und September 2022, verglichen mit 78 Fällen im gleichen Zeitraum des Jahres 2021. Berichten zufolge haben Polizei- und Gefängnisbeamte Folter und Gewalt bei Verhören sowie zur Bestrafung von Untersuchungshäftlingen und verurteilten Gefangenen eingesetzt. Eine Reihe von Menschenrechtsorganisationen und Medien berichteten, dass die Polizei wahllos und ungestraft Gewalt gegen arme Menschen und ethnische Minderheiten ausübt (USDOS 20.3.2023). Im Oktober 2022 ordnete Präsident Ruto die Auflösung der Special Services Unit (einer Einheit innerhalb der DCI) an, die von vielen verdächtigt wird, Menschenrechtsverletzungen, einschließlich gezielter außergerichtlicher Tötungen, begangen zu haben (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023). Quellen: - BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI Kenya Country Report 2022, https://bti-project.org/en/reports/country-report/KEN#pos5, Zugriff 31.7.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088520.html, Zugriff 31.7.2023 - HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 – Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085468.html, Zugriff 1.8.2023 - USDOS - U.S. Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089241.html, Zugriff 31.7.2023 8. Korruption Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für behördliche Korruption vor. Im Laufe des Jahres 2022 gab es zahlreiche Berichte über staatliche Korruption. Beamte verüben häufig ungestraft mutmaßlich korrupte Praktiken. Trotz öffentlicher Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung stößt die Regierung weiterhin auf Hindernisse bei der wirksamen Umsetzung der einschlägigen Gesetze. Die Justiz beschleunigte die Bearbeitung von Korruptionsfällen durch die Einführung von virtuellen Gerichtssitzungen (USDOS 20.3.2023). Die Korruption ist nach wie vor eine Plage für die nationalen und regionalen Regierungen in Kenia (FH 2023) bzw. ist diese weit verbreitet. Verwaltungsstrukturen funktionieren aufgrund von Korruption nicht wie vorgesehen (BS 2022). Die staatlichen Institutionen, die mit der .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 13 von 35

Korruptionsbekämpfung beauftragt sind, sind ineffizient (FH 2023). Der Ethik- und Antikorruptionskommission (EACC) fehlt es an Strafverfolgungsbefugnissen (FH 2023; vgl. USDOS 20.3.2023), und sie war bei der Verfolgung von Korruptionsfällen weitgehend erfolglos. Die Schwäche der EACC wird durch Unzulänglichkeiten im Büro des Direktors der Staatsanwaltschaft (ODPP) und in der Justiz noch verstärkt (FH 2023). Die Institutionen und Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung sowie das Justizwesen und das politische System haben sich bisher als zu schwach erwiesen, um den Kreislauf der Straflosigkeit zu durchbrechen [BS 2022). Im Februar 2022 setzte der Oberste Richter einen behördenübergreifenden Antikorruptionsausschuss ein. Der Ausschuss hat den Auftrag, die Engpässe und Herausforderungen bei der Korruptionsbekämpfung zu ermitteln und Empfehlungen zu deren Behebung abzugeben. Da die Gerichte einen erheblichen Rückstand bei der Bearbeitung von Fällen haben und sich stark auf Gerichtsverfahren (statt auf Vergleiche) verlassen, könnte es Jahre dauern, bis Korruptionsfälle abgeschlossen werden (USDOS 20.3.2023). Am Corrupion Perceptions Index von Transparency International liegt Kenia mit 32 von 100 Punkten auf Rang 123 von 180 Ländern (TIK 31.1.2023). Quellen: - BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI Kenya Country Report 2022, https://bti-project.org/en/reports/country-report/KEN#pos5, Zugriff 31.7.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088520.html, Zugriff 31.7.2023 - TIK – Transparency International Kenya (31.1.2023): Corruption Perceptions Index 2022 Press Release, https://tikenya.org/2023/01/31/corruption-perceptions-index-2022/, Zugriff 1.8.2023 - USDOS - U.S. Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089241.html, Zugriff 31.7.2023 9. Wehrdienst und Rekrutierungen Der Wehrdienst in Kenia ist freiwillig. Freiwillige 18-26 jährige kenianische Staatsbürger beiderlei Geschlechts können sich rekrutieren lassen. Obergrenze ist ein Alter von 30 Jahren für Spezialisten, Handwerker oder Frauen mit Diplom; 39 Jahre für Kapläne/Imame); 9-jährige Dienstverpflichtung (7 Jahre für kenianische Marine) und anschließende 3-jährige Wiederverpflichtung; Bewerber müssen kenianische Staatsbürger sein (Stand 2022) (CIA 25.7.2023). Quellen: - CIA - Central Intelligence Agency [USA] (25.7.2023): The World Factbook - Kenya, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/kenya/#introduction, Zugriff 31.7.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 14 von 35

10. Allgemeine Menschenrechtslage Heute zählt Kenia zu den politisch stabilsten Ländern Ostafrikas. Die kenianische Zivilgesellschaft und der Großteil der Medien können weitgehend frei arbeiten. Unter dem Vorwand des Kampfes gegen den Terrorismus kommt es jedoch immer wieder zu Versuchen, den Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft einzuschränken (AA 31.5.2023). Nach der Verfassung kann sich jede Gruppe frei versammeln oder zusammenschließen. Die kenianische Regierung schränkt das Recht auf friedliche Versammlung und freie Meinungsäußerung jedoch weiterhin stark ein, indem sie unverhältnismäßige Gewalt anwendet, friedliche Demonstranten, Menschenrechtsverteidiger und Journalisten festnimmt und inhaftiert (BS 2022). Zu den bedeutenden Menschenrechtsproblemen gehörten glaubwürdige Berichte über: rechtswidrige oder willkürliche Tötungen, einschließlich außergerichtlicher Tötungen; gewaltsames Verschwindenlassen; Folter und Fälle grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung durch die Regierung; harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen; willkürliche Eingriffe in die Privatsphäre; Einschränkungen der freien Meinungsäußerung und der Medien, einschließlich Gewalt oder Gewaltandrohung gegen Journalisten und Zensur; erhebliche Eingriffe in die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, einschließlich der Schikanierung von Nichtregierungsorganisationen und Aktivisten; schwerwiegende Korruption in der Regierung; fehlende Untersuchung und Rechenschaftspflicht für geschlechtsspezifische Gewalt; und die Existenz von Gesetzen, die einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen unter Strafe stellen, obwohl es keine Berichte über die Durchsetzung des Gesetzes gab (USDOS 20.3.2023). Das Gesetz sieht Meinungsfreiheit vor, auch für Mitglieder der Presse und anderer Medien, aber die Regierung schränkt dieses Recht manchmal ein. Journalisten geben an, dass Sicherheitskräfte oder Anhänger von Politikern auf nationaler und regionaler Ebene sie manchmal belästigen und physisch einschüchtern oder angreifen (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023). Kenia verfügt über eine der dynamischsten Medienlandschaften des afrikanischen Kontinents, in der Journalisten aktiv daran arbeiten, Korruption und Fehlverhalten der Regierung aufzudecken (FH 2023). Die Mainstream-Medien sind im Allgemeinen unabhängig, aber es gibt Berichte von Journalisten, dass sie von Regierungsbeamten unter Druck gesetzt werden (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023), bestimmte Themen und Geschichten zu vermeiden, und dass sie eingeschüchtert werden, wenn die Beamten der Meinung waren, dass die Journalisten bereits zu regierungskritische Geschichten veröffentlicht oder gesendet haben. Die Journalisten üben sich daher in Selbstzensur, um Konflikte mit der Regierung über sensible Themen zu vermeiden (USDOS 20.3.2023). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 15 von 35

Obwohl die Verfassung und das Gesetz die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit vorsehen, schränkte die Regierung diese Rechte manchmal ein. Das Versäumnis der Regierung, Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger und friedliche Demonstranten zu untersuchen oder strafrechtlich zu verfolgen, führt de facto zu Einschränkungen der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (USDOS 20.3.2023). Die Verfassung garantiert das Recht auf Versammlungsfreiheit. Das Gesetz schreibt jedoch vor, dass die Organisatoren öffentlicher Versammlungen die örtliche Polizei im Voraus informieren müssen. In der Praxis verbietet die Polizei regelmäßig Versammlungen aus Sicherheits- oder anderen Gründen und löst Versammlungen, die sie nicht ausdrücklich verboten hatte, gewaltsam auf (FH 2023). Den Bürgern steht es frei, sich in politischen Parteien zu organisieren. Kenianischen Parteien vertreten eine Reihe ideologischer, regionaler und ethnischer Interessen, sind aber notorisch schwach und werden oft zu Koalitionen zusammengeschlossen, die nur dazu dienen, an Wahlen teilzunehmen (FH 2023; vgl. BS 2022). Zudem passen sie sich häufig an das jeweilige Regime an und neigen dann entweder zur Auflösung oder zur Reformierung (BS 2022). Oppositionsparteien und -kandidaten sind bei kenianischen Wahlen wettbewerbsfähig. Bei den Wahlen im August 2022 besiegte der damalige stellvertretende Präsident Ruto, der sich als Außenseiter gegenüber den langjährigen politischen Dynastien Kenias darstellte, den fünfmaligen Präsidentschaftskandidaten Odinga, der vom amtierenden Präsidenten Kenyatta unterstützt worden war. Die Wahlen im Jahr 2022 waren hart umkämpft und wurden im Gegensatz zu den vorherigen Wahlen nicht von Oppositionsgruppen boykottiert (FH 2023). Kenia verfügt über eine aktive Zivilgesellschaft (FH 2023). Eine Vielzahl inländischer und internationaler Menschenrechtsgruppen arbeitet im Allgemeinen ohne staatliche Einschränkungen, untersucht Menschenrechtsfälle und veröffentlichte ihre Ergebnisse, obwohl einige Gruppen berichteten, dass sie von der Regierung schikaniert wurden. Beamte waren manchmal kooperativ und gingen auf die Anfragen dieser Gruppen ein, aber die Regierung setzte Empfehlungen von Menschenrechtsgruppen nicht um, wenn diese Empfehlungen ihrer Politik zuwiderliefen (USDOS 20.3.2023). NGOs sind in den letzten Jahren zunehmend auf Hindernisse gestoßen, darunter wiederholte Versuche der Regierung, Hunderte von NGOs wegen angeblicher finanzieller Verstöße die Registrierung abzuerkennen (FH 2023). Ombudsorganisation: Die KNCHR (Kenya National Commission on Human Rights) ist eine unabhängige Institution, die durch die Verfassung geschaffen und 2011 eingerichtet wurde. Ihr Mandat ist die Förderung und der Schutz der Menschenrechte im Land. Die Kommission erklärte, ihr Budget decke lediglich die Kosten für Gebäude Instandhaltung und Mitarbeitergehälter ab und reiche nicht aus, um ihre Ausgaben zu decken und ihr Mandat zu erfüllen. Die Kommission verfügt .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 16 von 35

über 115 Mitarbeiter, laut Mandat solle sie 400 Mitarbeiter haben. Ihr programmatisches Budget wurde von der Regierung überhaupt nicht finanziert, so dass die Kommission gezwungen war, Mittel von Entwicklungspartnern einzuwerben (USDOS 20.3.2023). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.5.2023): Kenia: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/kenia-node/politisches-portraet/208078, Zugriff 2.8.2023 - BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI Kenya Country Report 2022, https://bti-project.org/en/reports/country-report/KEN#pos5, Zugriff 31.7.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088520.html, Zugriff 31.7.2023 - USDOS - U.S. Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089241.html, Zugriff 31.7.2023 11. Haftbedingungen Gemäß Menschenrechtsorganisationen sind die Bedingungen in Gefängnissen, Haftanstalten und Polizeistationen aufgrund von Überbelegung, Nahrungsmittel- und Wassermangel sowie unzureichenden sanitären Bedingungen und medizinischer Versorgung hart und lebensbedrohlich (USDOS 20.3.2023). Im März 2022 schätzte die Nichtregierungsorganisation World Prison Brief die Gesamtzahl der Gefangenen im Land auf fast 53.000, einschließlich der Untersuchungshäftlinge, in einem System mit einer Kapazität von 30.000 (USDOS 20.3.2023). Obwohl seit 2012 mehrere neue Gefängnisse gebaut wurden (USDOS 20.3.2023), bleibt die durchschnittliche Gefangenenpopulation bei fast 200 Prozent der Kapazität (USDOS 20.3.2023; vgl. OHCHR 5.5.2022), einschließlich einer großen Zahl von Untersuchungshäftlingen (USDOS 20.3.2023), im Jahr 2018 ca. 50 Prozent (OHCHR 5.5.2022). Einige Gefängnisse sind bis zu 400 Prozent ausgelastet (USDOS 20.3.2023; vgl. OHCHR 5.5.2022). Mit Stand 5.12.2022 befinden sich in Kenia insgesamt 58.887 Personen in Haft, von denen 41 % in Untersuchungshaft, 5,1 % Frauen und 0,6 % Unmündige bzw. mündige Minderjährige sind. Da das Gefängniswesen auf 34.000 Häftlinge ausgelegt ist, beträgt der Überbelegungsgrad 173,2 % (WPB o.D.) Im Laufe des Jahres 2022 bemühte sich die Justiz weiterhin, der Überbelegung entgegenzuwirken, indem sie Alternativen zur Untersuchungshaft einführte und eine Strafminderung förderte (USDOS 20.3.2023). Die Behörden trennen im Allgemeinen Kinder von Erwachsenen, außer während der ersten Zeit der Inhaftierung auf den Polizeistationen, wo die Behörden häufig männliche und weibliche Erwachsene und Jugendliche in einer Zelle unterbringen. In mehreren Bezirken fehlen geeignete Einrichtungen, um Jugendliche und Frauen getrennt von Männern in Gerichten und .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 17 von 35

Polizeistationen unterzubringen. Untersuchungshäftlinge werden zusammen mit verurteilten Gefangenen untergebracht (USDOS 20.3.2023). Quellen: - OHCHR - UN Office of the High Commissioner (5.5.2022): Experts of the Committee against Torture Commend Kenya’s Efforts to Implement the Law on Prevention of Torture, Ask about Prison Overcrowding and the Death Penalty, https://www.ohchr.org/en/press-releases/2022/05/experts-committee-against-torture-commend- kenyas-efforts-implement-law, Zugriff 3.8.2023 - USDOS - U.S. Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089241.html, Zugriff 31.7.2023 - WPB - World Prison Brief (o.D.): Kenya, https://www.prisonstudies.org/country/kenya, Zugriff 30.5.2023 12. Todesstrafe Obwohl die Todesstrafe in den Gesetzen verankert ist, wurden seit 1987, als wegen Hochverrats verurteilte Personen im Zusammenhang mit einem Putschversuch hingerichtet wurden, keine Hinrichtungen mehr vollzogen (NTV Kenya 3.2.2023). Nach dem kenianischen Strafgesetzbuch gibt es vier Straftatbestände, welche mit dem Tod bestraft werden können: Hochverrat, Mord, schwerer Raub sowie versuchter schwerer Raub (DPP 14.6.2022). Im Jahr 2022 gab es in Kenia 79 verhängte Todesurteile. Ende 2022 saßen 656 Menschen in Kenia in der Todeszelle (AI 23.5.2023). Der Oberste Gerichtshof Kenias hat Mitte Dezember 2017 eine Grundsatzentscheidung getroffen: Er erklärte die zwingende Verhängung der Todesstrafe für verfassungswidrig. Das bedeutet, dass die Richterinnen und Richter nun nicht mehr automatisch Menschen, die wegen Mordes oder bewaffneten Raubüberfalls verurteilt werden, zum Tode verurteilen müssen, sondern sie haben zukünftig einen Ermessensspielraum bei der Strafzumessung (AI 15.12.2017; vgl. NTV Kenya 3.2.2023). Quellen: - AI - Amnesty International (23.5.2023): Todesurteile und Hinrichtungen, https://www.amnesty.de/sites/default/files/2023-05/%20Amnesty-Bericht-Todesstrafe-2022- weltweit-Auszuege-des-Berichts-auf-Deutsch.pdf, Zugriff 3.8.2023 - AI - Amnesty International (15.12.2017): Kenia: Zwingende Todesstrafe abgeschafft, https://amnesty-todesstrafe.de/2017/12/kenia-zwingende-todesstrafe-abgeschafft/, Zugriff 3.8.2023 - DPP - Death Penalty Project, The [Hoyle, Carolyn] (14.6.2022): The Death Penalty in Kenya: A Punishment that has Died Out in Practice, Part One - A Public Ready to Accept Abolition, https://deathpenaltyproject.org/knowledge/kenya-part-one-a-public-ready-to-accept-abolition/, Zugriff 24.5.2023 - NTV Kenya (3.2.2023): Understanding the death penalty in Kenya, https://ntvkenya.co.ke/analysis/understanding-the-death-penalty-in-kenya/, Zugriff 3.8.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 18 von 35

13. Religionsfreiheit Die Bevölkerung besteht zu 85,5 Prozent aus Christen (protestantisch 33,4 Prozent, katholisch 20,6 Prozent, evangelisch 20,4 Prozent, afrikanische Amtskirchen 7 Prozent, andere Christen 4,1 Prozent), 10,9 Prozent Muslimen, 1,8 Prozent andere Bekenntnisse, 1,6 Prozent kein Bekenntnis, (Schätzung aus 2019) (CIA 25.7.2023). Zu den Gruppen, die weniger als 2 % der Bevölkerung ausmachen, gehören Hindus, Sikhs, Bahá’í sowie Anhänger diverser traditioneller Glaubensgemeinschaften. Überdies identifizieren sich 755.000 Personen selbst als Atheisten oder religionslos (USDOS 15.5.2023). Die Verfassung legt fest, dass es keine Staatsreligion geben darf und verbietet religiöse Diskriminierung. Die Verfassung sieht Religions- und Weltanschauungsfreiheit für den Einzelnen und für Gemeinschaften vor, einschließlich der Freiheit, eine Religion durch Gottesdienst, Ausübung, Lehre oder Befolgung zu bekunden und religiöse Fragen zu erörtern (USDOS 15.5.2023). Die Regierung respektiert im Allgemeinen die verfassungsmäßige Garantie der Religionsfreiheit (FH 2023). Die Verfassung sieht spezielle Kadhi-Gerichte vor, die bestimmte Arten von Zivilprozessen auf der Grundlage des islamischen Rechts entscheiden (USDOS 15.5.2023). Die verfassungsrechtliche Anerkennung von auf islamischem Recht basierenden Kadhi-Gerichten wird von Christen und anderen religiösen Gruppen als Diskriminierung zugunsten einer bestimmen Religion abgelehnt und hat in der Vergangenheit zu Kampagnen gegen die Verfassung geführt (BS 2022). Menschenrechtsorganisationen und religiöse muslimische Organisationen erklärten, dass bestimmte muslimische Gemeinschaften, insbesondere ethnische Somalier, weiterhin Opfer von außergerichtlichen Hinrichtungen, gewaltsamem Verschwindenlassen, Folter, willkürlichen Verhaftungen und Inhaftierungen waren. Viele der Opfer stammten aus der Küstenregion und Nairobi. Die vorherige Regierung bestritt, derartige Handlungen angeordnet zu haben. Die im August 2022 gewählte neue Regierung räumte jedoch ein, dass bestimmte Sicherheitskräfte in der Vergangenheit außergerichtliche Tötungen vorgenommen haben, und versprach Reformen. Im Juli 2022 gab der Registrar of Societies strenge neue Richtlinien für die Registrierung neuer religiöser Gesellschaften heraus, einschließlich der Anforderung, dass die Antragsteller ein Diplom oder einen Abschluss einer anerkannten theologischen Einrichtung besitzen müssen (USDOS 15.5.2023). Laut interreligiösen NGOs und politischen Verantwortungsträgern sind die Spannungen zwischen den Religionen jedoch nicht mehr so groß wie in vergangenen Jahren. Hierbei verweisen sie auf die umfangreichen religionsübergreifenden Bemühungen, Frieden zwischen den Gemeinschaften .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 19 von 35

zu schaffen. So treffen sich z.B. religiöse Vertreter auf Gemeindeebene, um über den Glauben der anderen zu lernen (BS 2022).ent aus Christen (protestantisch 33,4 Prozent, katholisch 20,6 Prozent, evangelisch 20,4 Prozen Die in Somalia ansässige Terrorgruppe Harakat al-Shabaab al-Mujahideen (al-Shabaab) verübte Anschläge im Nordosten des Landes und in der Küstenregion, und einige Anschläge richteten sich möglicherweise gegen Nicht-Muslime aufgrund ihres Glaubens. Muslime, die ethnischen Minderheiten angehören, insbesondere solche somalischer Abstammung, berichteten über anhaltende Belästigungen durch Nicht-Muslime (USDOS 15.5.2023). Die Terrorismusbekämpfung gegen die in Somalia ansässige militante Gruppe al-Shabaab hat dazu geführt, dass Muslime staatlicher Gewalt und Einschüchterung ausgesetzt sind. Die al-Shabaab-Kämpfer haben zeitweise gezielt Christen in Kenia angegriffen (FH 2023). Quellen: - BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI Kenya Country Report 2022, https://bti-project.org/en/reports/country-report/KEN#pos5, Zugriff 31.7.2023 - CIA - Central Intelligence Agency [USA] (25.7.2023): The World Factbook - Kenya, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/kenya/#introduction, Zugriff 31.7.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088520.html, Zugriff 31.7.2023 - USDOS - U.S. Department of State [USA] (15.5.2023): 2022 Report on International Religious Freedom: Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2091948.html, Zugriff 3.8.2023 14. Minderheiten Bei der Volkszählung 2019 wurden 45 ethnische Gruppen im Land gezählt, von denen keine die Mehrheit bildete (USDOS 20.3.2023). Ethnische Gruppen im Land sind die Kikuyu 17.1 Prozent, Luhya 14.3 Prozent, Kalenjin 13.4 Prozent, Luo 10.7 Prozent, Kamba 9.8 Prozent, Somali 5.8 Prozent, Kisii 5.7 Prozent, Mijikenda 5.2 Prozent, Meru 4.2 Prozent, Maasai 2.5 Prozent, Turkana 2.1 Prozent, nicht-Kenianisch 1 Prozent, andere 8.2 Prozent (Schätzung aus 2019) (CIA 25.7.2023). Sowohl in der Privatwirtschaft als auch im öffentlichen Sektor diskriminieren Angehörige fast aller ethnischen Gruppen in der Regel zugunsten ihrer ethnischen Gruppe (USDOS 20.3.2023). Politisch motivierte Ernennungen gibt es weiterhin in allen Ministerien und Spitzenpositionen werden nach wie vor anhand von persönlichen und ethnischen Loyalitäten besetzt (BS 2022). Die ethnische Zugehörigkeit ist nach wie vor das wichtigste Ordnungsprinzip in der kenianischen Politik, und zwei ethnische Gruppen - die Kikuyu und die Kalenjin - haben seit der Unabhängigkeit die Präsidentschaft dominiert. Mit der Verfassung von 2010 sollte die Rolle der ethnischen Zugehörigkeit bei Wahlen verringert werden, und die 2013 umgesetzte Dezentralisierung von .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 20 von 35

Steuern und Politik hat zu einem stärkeren innerethnischen Wettbewerb auf Bezirksebene geführt. Dennoch behindert die Politisierung der ethnischen Zugehörigkeit auf nationaler Ebene nach wie vor eine wirksame Vertretung der verschiedenen Teile der vielfältigen kenianischen Bevölkerung, schränkt die Wahlmöglichkeiten der Wähler ein und verhindert sinnvolle politische Debatten (FH 2023). Die Kikuyu und verwandte Gruppen dominieren einen Großteil des privaten Handels und der Industrie und erwerben häufig Land außerhalb ihrer traditionellen Heimatgebiete, was manchmal zu heftigen Ressentiments seitens anderer ethnischer Gruppen führt, insbesondere in den Küstengebieten und im Rift Valley. Der Wettbewerb um Wasser und Weideland ist im Norden und Nordosten besonders groß (USDOS 20.3.2023). Zwischen den ethnischen Gruppen der Somali, Turkana, Gabbra, Borana, Samburu, Rendille und Pokot in den trockenen Gebieten im Norden, Osten und im Rift Valley kommt es häufig zu Konflikten, darunter Banditentum, Kämpfe um Land und Viehdiebstahl, die bisweilen auch Todesopfer fordern. Streitigkeiten über Bezirksgrenzen sind ebenfalls eine Ursache für ethnische Spannungen. Die mit Banditentum verbundene Gewalt in Teilen des Rift Valley, insbesondere im Kerio Valley, nahm im Laufe des Jahres 2022 zu (USDOS 20.3.2023). Die International Crisis Group berichtete, dass im westlichen Laikipia County zwischen September 2021 und Juli bei gewaltsamen Zusammenstößen zwischen bewaffneten Viehhirten und Bauern, Viehzüchtern und Naturschutzgebieten mindestens 35 Menschen starben und Dutzende von Häusern niedergebrannt wurden. Eine zweijährige Dürre zwang die Viehhirten, auf der Suche nach Wasser und Weideland für ihr Vieh in privat geführte Naturschutzgebiete einzudringen. Regierungstruppen wurden in die Region entsandt, um die Gewalt einzudämmen, doch die Lage bleibt weiterhin angespannt (USDOS 20.3.2023). Quellen: - BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI Kenya Country Report 2022, https://bti-project.org/en/reports/country-report/KEN#pos5, Zugriff 31.7.2023 - CIA - Central Intelligence Agency [USA] (25.7.2023): The World Factbook - Kenya, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/kenya/#introduction, Zugriff 31.7.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088520.html, Zugriff 31.7.2023 - USDOS - U.S. Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089241.html, Zugriff 31.7.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 21 von 35

15. Relevante Bevölkerungsgruppen 15.1. Frauen Die Verfassung sieht die Gleichberechtigung von Männern und Frauen vor. Dennoch wendet die Justiz in weiten Teilen Gewohnheitsrecht an, das Frauen diskriminiert und ihre politischen und wirtschaftlichen Rechte einschränkt (USDOS 20.3.2023). Frauen sind in allen Bereichen des öffentlichen und zivilen Lebens immer noch unverhältnismäßig stark benachteiligt. In ländlichen Gebieten haben Frauen nur eingeschränkten Zugang zur Justiz, und diskriminierende traditionelle Praktiken sind nach wie vor gang und gäbe. Kenia hat den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und mehrere andere internationale und regionale Übereinkommen unterzeichnet, die die Menschen- und Bürgerrechte seiner Bürger schützen sollen (BS 2022). Die Verfassung verbietet die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in Bezug auf Grundbesitz und Eigentum und räumt Frauen gleiche Rechte in Bezug auf das Erbe und den Zugang zu Land ein. Die Verfassung sieht auch den Erlass von Gesetzen zum Schutz der Rechte von Ehefrauen auf eheliches Eigentum während und nach Beendigung einer Ehe vor und bestätigt, dass die Parteien einer Ehe zum Zeitpunkt der Eheschließung, während der Ehe und bei deren Auflösung Anspruch auf gleiche Rechte haben. Im September 2021 entschied ein Richter, der in einer güterrechtlichen Auseinandersetzung den Vorsitz führte, dass die Tätigkeit als Hausfrau als Vollzeitbeschäftigung angesehen werden sollte. Der Richter befand, es sei ungerecht, wenn Gerichte entschieden, dass Hausfrauen nicht zum finanziellen Wohlstand des Haushalts beitrügen (USDOS 20.3.2023). Nach Angaben von Gruppen der Zivilgesellschaft sehen sich Frauen jedoch weiterhin mit institutionellen und rechtlichen Hindernissen konfrontiert, die ihren Zugang zur Justiz und zu einem gerechten Anteil am ehelichen Vermögen bei der Auflösung der Ehe behindern. Darüber hinaus waren die gesetzlichen Bestimmungen für die Beantragung von Erbschaften nicht ausreichend bekannt, so dass viele Erbschaften weiterhin nur von den Vätern auf die Söhne übergehen (USDOS 20.3.2023; vgl. BS 2022). Obwohl dies nach kenianischem Recht illegal ist, werden Witwen immer noch enterbt, unter anderem durch Vertreibung aus dem Haus und vom Land der Familie (BS 2022). Die Regierung setzt bestehende Gesetze nicht immer wirksam durch. NGOs berichten, dass Frauen in traditionellen, ländlichen und armen Gebieten häufig auf Hindernisse beim Zugang zu gleichen Rechten stoßen. Aktivisten berichten, dass Frauen, die bestimmten Gruppen angehören, darunter Menschen mit Behinderungen, LGBTQI+-Personen und Muslime, aufgrund von männlich dominierten sozialen Normen diskriminiert werden (USDOS 20.3.2023). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 22 von 35
