keni-lib-2023-08-09-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Bei den Wahlen im August 2022 wählten die Wählerinnen und Wähler eine historische Zahl von 29 Frauen ins Parlament, was jedoch immer noch nicht die verfassungsmäßig vorgeschriebene Zweidrittelmehrheit der Geschlechter erreicht, die vorschreibt, dass nicht mehr als zwei Drittel eines gewählten Gremiums demselben Geschlecht angehören dürfen (FH 2023). Gemäß AI wurden im August 2022 sieben Frauen zu Gouverneurinnen und drei zu Senatorinnen gewählt. 26 Frauen errangen ein Abgeordnetenmandat in der Nationalversammlung (Parlament). Hundert weitere Frauen wurden in die Bezirksversammlungen gewählt. Darüber hinaus ernannte Präsident Ruto sieben Frauen zu Ministerinnen und drei weitere zu Kabinettsmitgliedern, drei mehr als zuvor. Der Präsident hatte vor der Wahl in der von ihm unterzeichneten Frauencharta versprochen, 22 Posten im Kabinett mit Frauen zu besetzen, doch war die Zahl der tatsächlichen Ernennungen deutlich niedriger (AI 28.3.2023). Das Gesetz stellt Vergewaltigung aller Personen, Schändung (gesetzliche Vergewaltigung), häusliche Gewalt und Sextourismus unter Strafe, aber die Durchsetzung bleibt begrenzt. Das Gesetz definiert häusliche Gewalt als sexuelle Gewalt in der Ehe, Früh- und Zwangsehe, Genitalverstümmelung, Zwangserbschaft, Sachbeschädigung, Schändung, wirtschaftliche Misshandlung, emotionale oder psychische Misshandlung, Belästigung, Inzest, Einschüchterung, körperliche Misshandlung, Stalking, Beschimpfung oder jedes andere Verhalten gegenüber einer Person, das die Sicherheit, die Gesundheit oder das Wohlergehen der Person gefährdet oder gefährden kann. Das Gesetz stellt die Vergewaltigung in der Ehe nicht ausdrücklich unter Strafe. Das Gesetz sieht eine Höchststrafe von lebenslänglicher Haft für Vergewaltigung vor, wenn das Opfer älter als 18 Jahre ist, obwohl die Strafe im Ermessen des Richters liegt und in der Regel nicht länger als das Minimum von 10 Jahren verhängt werden (USDOS 20.3.2023). Menschenrechtsgruppen zufolge setzt die Regierung das Gesetz häufig nicht wirksam durch, insbesondere in armen oder ländlichen Gebieten. In ländlichen Gebieten greifen die Bürger häufig auf traditionelle Streitbeilegungsmechanismen zurück, darunter die Maslaha in muslimischen Gemeinschaften, um Sexualdelikte zu regeln, wobei die Dorfältesten eine finanzielle Entschädigung für die Überlebenden oder ihre Familien festlegten. Auch in städtischen Gebieten wurden solche Mechanismen gelegentlich genutzt. Aufgrund mangelnder Koordinierung zwischen den staatlichen Stellen und einer unwirksamen Umsetzung des Gesetzes blieben die Opfer sexueller Übergriffe häufig ohne Rechtsmittel oder in direktem Kontakt mit dem Täter. Die Nichtregierungsorganisation FIDA berichtete, dass die Zahl der Verhaftungen und Strafverfolgungen in Fällen sexueller Gewalt nach wie vor gering ist, selbst in Fällen, in denen die Überlebenden die Täter identifiziert haben, da die Polizei nur über begrenzte Ressourcen für die Durchführung von Ermittlungen, unzureichende Mechanismen für die Sammlung und Bearbeitung .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 23 von 35

von Beweisen und langwierige Gerichtsverfahren verfügt, was es für die Überlebenden schwierig und kostspielig macht, die Fälle zu verfolgen (USDOS 20.3.2023). Quellen: - AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Kenia 2022, https://www.ecoi.net/de/dokument/2094474.html, Zugriff 4.8.2023 - BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI Kenya Country Report 2022, https://bti-project.org/en/reports/country-report/KEN#pos5, Zugriff 31.7.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088520.html, Zugriff 31.7.2023 - USDOS - U.S. Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089241.html, Zugriff 31.7.2023 15.2. Kinder (inkl. FGM) Im Juli 2022 verabschiedete Kenia ein geändertes Kindergesetz, mit dem ein verfassungsmäßiger Schutz verankert und das nationale Recht mit zahlreichen Verpflichtungen aus der Afrikanischen Charta für die Rechte und das Wohlergehen des Kindes in Einklang gebracht wurde (HRW 12.1.2023). Der Kenya Citizenship and Immigration Act, 2011, welcher Kapitel 3 der Verfassung von Kenia, 2010, (Staatsbürgerschaft) umsetzt, trat am 30/08/2011 in Kraft. Daraus geht hervor, dass eine Person kenianischer Abstammung, unabhängig vom Geburtsort, automatisch von Geburt an Staatsbürger wird (jus sanguinis) (KE o.D.). Die Regierung hat die körperliche Züchtigung in Schulen zwar verboten, aber es gibt immer noch Berichte über sie (USDOS 20.3.2023). Nahezu 70 Prozent der Schulkinder leben in ländlichen Gebieten, in denen es an solide finanzierten Schulen, ausgebildeten Lehrern, Büchern und Schulmaterial fehlt (BS 2022). Schulbildung ist bis zum 18. Lebensjahr nach dem Gesetz beitragsfrei und obligatorisch, wobei öffentliche Schulen durchaus Gebühren für Verpflegung, Uniformen und andere Ausgaben erheben dürfen. Das Anwesenheitspflichtgesetz wird von den Behörden nicht konsequent durchgesetzt und bei Kindern mit Behinderungen ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sie eine Schule besuchen. Schwangere Mädchen werden manchmal der Schule verwiesen oder in eine andere versetzt, auch wenn das Gesetz ihnen eigentlich das Recht gewährt, ihre Schullaufbahn bis zur und nach der Entbindung fortzusetzen; zudem bestehen einige Mädchen die Abschlussprüfungen aufgrund ihrer Schwangerschaft nicht (USDOS 20.3.2023). Das Mindestalter für die Eheschließung beträgt 18 Jahre für Frauen und Männer (USDOS 20.3.2023). Die Häufigkeit der Kinderheirat unter Mädchen liegt bei 23 Prozent (UNICEF, o.D.). In .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 24 von 35

den Medien wurde gelegentlich auf das Problem der Früh- und Zwangsverheiratung hingewiesen, welches in einigen ethnischen Gruppen verbreitet ist (USDOS 20.3.2023). Die Regierung Kenias hat Strategien entwickelt und Gesetze zum Schutz von Kindern erlassen. Dennoch sind immer noch Tausende Gewalt und Missbrauch, schädlichen Praktiken, mangelnder elterlicher Fürsorge und sexueller Ausbeutung ausgesetzt. Gemäß einer vom Ministerium für Arbeit und Sozialschutz 2019 durchgeführten Studie hat etwa einer von zwei jungen Erwachsenen als Kind Gewalt erfahren. Dabei wurde festgestellt, dass 46 Prozent der 18- bis 24-jährigen Frauen in ihrer Kindheit mindestens eine Art von Gewalt - physisch, emotional oder sexuell - erlebt haben, bei jungen Männern in derselben Altersgruppe sind es 52 Prozent (UNICEF, o.D.). Kindesmissbrauchsfälle sind schwer zu verfolgen und Fälle werden oft eingestellt, weil die Täter enge Familienmitglieder sind, welche die Vorwürfe beschtreiten oder das Kind an der Aussage vor Gericht hindern. Viele Fälle werden zudem nicht zur Anzeige gebracht, vornehmlich solche, bei denen es um Inzest, Schändung oder Vergewaltigung geht. Die Staatsanwaltschaft bemüht sich weiterhin, Kinder, die von Missbrauch betroffen sind, in Pflegeheimen unterkommen zu lassen, aber es fehlt häufig an der Finanzierung (USDOS 20.3.2023). Im Jahr 2011 wurde zudem der Prohibition of FGM Act beschlossen (JSE 2022). Die Regierung hat sich verpflichtet, die Praxis der FGM bis 2022 sowie alle Formen geschlechtsspezifischer Gewalt bis 2030 zu beseitigen (BS 2022). Regierungsbeamte beteiligen sich häufig an Programmen, welche die Öffentlichkeit aufklären und so diese Praxis verhindern wollen. Nichtsdestotrotz wird FGM immer noch oft vorgenommen, insbesondere in einigen ländlichen Gebieten. Laut UNICEF sind trotz des gesetzlichen Verbots und der Fortschritte, welche die Regierung bei der Abschaffung von FGM bereits erzielen konnte, Mythen, die ebenjene Praxis befürworten, in manchen lokalen Kulturen weiterhin tief verwurzelt (USDOS 20.3.2023; vgl. KNBS 1.2023). Gemäß der alljährlichen Gesundheitserhebung, durchgeführt von der kenianischen Statistikbehörde, waren im Jahr 2022 insgesamt 14,8 Prozent aller Frauen beschnitten, wobei die Prävalenz von FGM prinzipiell mit dem Alter steigt: 9 Prozent der Frauen im Alter von 15-19 Jahren sind beschnitten worden, verglichen mit 23 Prozent der Frauen im Alter von 45-49 (KNBS 1.2023). Im Gegensatz dazu schätzt UNICEF, dass sich 21 Prozent der erwachsenen Frauen im Laufe ihres Lebens dieser Prozedur unterziehen mussten, wobei sich FGM hauptsächlich auf eine wenige Ethnien beschränkt, darunter die Maasai (78 Prozent), Samburu (86 Prozent) und Somali (94 Prozent) (USDOS 20.3.2023). Quellen: - BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI Kenya Country Report 2022, https://bti-project.org/en/reports/country-report/KEN#pos5, Zugriff 31.7.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 25 von 35

- HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 – Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085468.html, Zugriff 1.8.2023 - JSE - Journal of Social Encounters [Presbey, Gail) (2022): Women’s Rights in Kenya since Independence: The Complexities of Kenya’s Legal System and the Opportunities of Civic Engagement, https://digitalcommons.csbsju.edu/cgi/viewcontent.cgi? article=1113&context=social_encounters, Zugriff 8.8.2023 - KE - Kenyan Embassy Bern [Kenia] (o.D.): Kenianische Staatsbürgerschaft, https://kenyaembassy-bern.ch/de/kenyan-citizenship/, Zugriff 31.7.2023 - KNBS - Kenya National Bureau of Statistics [Kenia] (1.2023): Kenya Demographic and Health Survey 2022. Kenya Indicators Report, https://dhsprogram.com/pubs/pdf/PR143/PR143.pdf, Zugriff 8.8.2023 - UNICEF - United Nations Children's Fund (o.D.): Kenya: Child Protection. Protecting children from violence, abuse, exploitation and neglect, https://www.unicef.org/kenya/child-protection, Zugriff 8.8.2023 - USDOS - U.S. Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089241.html, Zugriff 31.7.2023 15.3. Homosexuelle/Sexuelle Minderheiten Obwohl die kenianische Verfassung vorsieht, dass Personen nicht aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert werden dürfen, und die Rechtsprechung erkannte, dass dies im Einzelfall auch auf die sexuelle Orientierung zutreffen kann (NGLHRC 18.3.2022), schützt die Verfassung LGBTQI+- Personen nicht ausdrücklich vor Diskriminierung. Zudem werden LGBTQI+-Personen, -Paare oder deren Familien nicht offiziell anerkannt und das Gesetz berücksichtigt nicht explizit ihre Rechte in den Bereichen Wohnen, Beschäftigung, Bildung oder Gesundheit (USDOS 20.3.2023). Prinzipiell sind sexuelle Minderheiten in Kenia Diskriminierung, Misshandlung und gewalttätigen Angriffen ausgesetzt (FH 2023). Das kenianische Strafgesetzbuch stellt gleichgeschlechtliche Handlungen zwischen einwilligenden Erwachsenen unter Strafe. Art. 162 bestraft „Geschlechtsverkehr wider der natürlichen Ordnung“ mit bis zu 14 Jahren Haft, während Art. 165 „unanständige Praktiken zwischen Männern“ mit bis zu fünf Jahren Gefängnis ahndet (HRW 12.1.2023; vgl. AI 6.2023; USDOS 20.3.2023). Ungeachtet der Tatsache, dass manche Gerichte die Rechte von LGBTQI+-Personen in bestimmten Aspekten wahren, hat der kenianische High Court im Mai 2019 die Aufhebung ebenjener Artikel abgelehnt (BS 2022). Die Polizei nimmt Personen auf der Grundlage dieser Gesetze in Gewahrsam, besonders Personen, welche der Prostitution verdächtigt werden, lässt sie aber in der Regel nach kurzer Zeit wieder frei. Laut LGBTQI+-Organisationen wendet die Polizei allerdings häufiger Gesetze zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (z.B. Ruhestörung) an, um LGBTQI+-Personen zu verhaften oder zu belästigen. NGOs berichten des Weiteren, dass sexuelle Minderheiten oftmals in Polizeigewahrsam belästigt, eingeschüchtert oder körperlich misshandelt werden. Ferner droht die .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 26 von 35

Polizei schwulen Männern während der Haft mit Zwangsanalkontrollen, die aber 2018 verboten wurden (USDOS 20.3.2023; vgl. NGLHRC 18.3.2022). Grundsätzlich genehmigen kenianische Behörden Registrierungen und Aktivitäten von LGBTQI+- Organisationen, in Einzelfällen kommt es jedoch zu Festnahmen (USDOS 20.3.2023). Außerdem gibt es erhebliche, implizite Hindernisse für die Beteiligung von sexuellen Minderheiten an der nationalen Politik (FH 2023) und die Regierung schränkt ihr Recht auf freie Meinungsäußerung bisweilen ein (USDOS 20.3.2023). Neben staatlicher Gewalt sind LGBTQI+-Personen in Kenia auch stark von nicht-staatlicher Gewalt betroffen. Zudem werden sexuelle Minderheiten häufiger erpresst, manchmal sogar von ihren Partnern, Angehörigen oder Kollegen, um Geld zu erhalten oder den Abschluss einer Sorgerechtsvereinbarung zu erzwingen (NGLHRC 18.3.2022). In einer neuen Rechtsvorschrift wurde das Recht intersexueller Menschen verankert, sich offiziell als „intersex“ oder „I“ zu bezeichnen. Nach diesem Gesetz können intersexuelle Personen, die bei der Geburt als männlich oder weiblich identifiziert wurden, nun eine Änderung zu „I“ beantragen (USDOS 20.3.2023). Intersexuelle Kinder werden im Children's Act von 2022 anerkannt und vor Diskriminierung geschützt (HRW 12.1.2023). Quellen: - AI - Amnesty International (6.2023): Colonialism and sexual orientation and gender identity. Submission to the Independent Expert on protection against violence and discrimination based on sexual orientation and gender identity, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093311/IOR4068622023ENGLISH.pdf, Zugriff 21.6.2023 - BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI Kenya Country Report 2022, https://bti-project.org/en/reports/country-report/KEN#pos5, Zugriff 31.7.2023 - NGLHRC – National Gay and Lesbian Human Rights Commission (18.3.2022): Submission to the committee against torture concerning Kenya’s third periodic report, https://nglhrc.com/wp- content/uploads/2022/05/REDRESS_NGLHRCCATsubmission73sessionKENYA.pdf, Zugriff 8.8.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088520.html, Zugriff 31.7.2023 - HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085468.html, Zugriff 1.8.2023 - USDOS - U.S. Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089241.html, Zugriff 31.7.2023 16. Bewegungsfreiheit Das Gesetz bzw. die Verfassung gewährt die Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023), ein Recht, welches von der Regierung geachtet wird (USDOS 20.3.2023). In der Praxis wird es durch Sicherheitsbedenken und ethnische Spannungen .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 27 von 35

behindert, die viele Einwohner veranlassen, bestimmte Teile des Landes zu meiden (FH 2023). Die Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen und Staatenlosen wird eingeschränkt (USDOS 20.3.2023). Quellen: - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088520.html, Zugriff 31.7.2023 - USDOS - U.S. Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089241.html, Zugriff 31.7.2023 17. IDPs und Flüchtlinge 332.000 Kenianer wurden 2022 intern vertrieben, davon 15.000 durch innere Kämpfe und 318.000 durch Naturkatastrophen, vor allem in den Counties Garissa, Isiolo, Marsabit und Turkana (IDMC 11.5.2023). Die meisten IDPs werden durch Dürren und Überschwemmungen, aber auch durch Bauprojekte vertrieben, zumeist durch den Bau von Staudämmen, Eisenbahnen und Straßen. Die Regierung leistete Nahrungsmittelhilfe für Vertriebene in den von der Dürre betroffenen Gebieten, aber es gibt keinen Mechanismus, der Entschädigungen oder andere Abhilfemaßnahmen bietet (USDOS 20.3.2023). Kenia beherbergt eine der größten Flüchtlingspopulationen in Afrika (IOM 9.2.2023). Mit Stand 31.1.2023 waren 577.492 Menschen als Flüchtlinge und Asylwerber in Kenia gemeldet. Von jenen kam die Hälfte aus Somalia und ca. ein Drittel (26,9 %) aus dem Südsudan (UNHCR 31.1.2023). Aufgrund der Dürre wie der Instabilität in Kenias Nachbarländern verzeichnete das Jahr 2022 eine hohe Zahl von Neuankömmlingen, vorrangig aus Somalia, Äthiopien, dem Südsudan und Burundi. In den Flüchtlingslagern in Dadaab und Kakuma wurden über 100.000 neue Personen registriert (IOM 9.2.2023). In Dadaab nahe der somalischen Grenze leben mehr als 233.000 Flüchtlinge und Asylwerber, vornehmlich somalische Muslime, während in den nordwestlichen Lagern Kakuma und Kalobeyei mehr als 239.000 Flüchtlinge wohnen, darunter Somalier, Südsudanesen und Äthiopier, die verschiedenen Religionen angehören (USDOS 15.5.2023). Prinzipiell regelt das Gesetz die Zuerkennung des Asyl- oder Flüchtlingsstatus. Die Regierung hat ein Schutzsystem für Geflüchtete in Lagern aufgebaut und stimmt sich im Allgemeinen mit dem UNHCR ab, um Flüchtlinge in Dadaab und Kakuma bzw. in urbanen Gebieten zu unterstützen. Im Jahr 2022 haben sich die Beziehungen zwischen der kenianischen Regierung und dem UNHCR zudem verbessert, vor allem durch den Erlass eines neuen Flüchtlingsgesetzes sowie der Pläne, die Lager in Siedlungen, in welchen Geflüchtete besseren Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen sowie Möglichkeiten zur Selbstversorgung erhalten, umzuwandeln (USDOS 20.3.2023). Andererseits behaupten die kenianischen Behörden auch, dass die Flüchtlingslager, insbesondere die in der Nähe der somalischen Grenze, Verstecke und Brutstätten für Terroristen der al-Shabaab .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 28 von 35

sind (BS 2022). Daher wurde in der Vergangenheit immer wieder angedroht, Dadaab und Kakuma zu schließen, zuletzt im März 2021 (HRW 12.1.2023; vgl. BS 2022). Grundsätzlich wird von polizeilichen Übergriffen gegen Flüchtlinge und Asylbewerber berichtet (FH 2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Somalische Kenianer werden oft als Flüchtlinge und Terroristen abgestempelt und können deshalb ins Visier der staatlichen Bekämpfungsmaßnahmen geraten (FH 2023). Auch geschlechtsspezifische Gewalt gegen Flüchtlinge und Asylbewerber ist nach wie vor ein Problem, wobei gesellschaftliche Engagements zur Verringerung dieser Gewalt zunehmen (USDOS 20.3.2023). Quellen: - BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI Kenya Country Report 2022, https://bti-project.org/en/reports/country-report/KEN#pos5, Zugriff 31.7.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088520.html, Zugriff 31.7.2023 - HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 – Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085468.html, Zugriff 1.8.2023 - IDMC - Internal Displacement Monitoring Centre (11.5.2023): Grid 2023. Internal displacement and food security, https://www.internal-displacement.org/publications/2023-global-report-on- internal-displacement, Zugriff 7.8.2023 - IOM - International Organization for Migration (9.2.2023): IOM Kenya. Annual Report 2022, https://kenya.iom.int/resources/iom-kenya-country-office-annual-report-2022, Zugriff 7.8.2023 - UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (31.1.2023): Kenya, Infographics and Statistics Package, as of 31-Jan-2023, https://www.unhcr.org/ke/wp-content/uploads/sites/2/2023/02/Kenya-Refugee-Population- Statistics-Package-31-January-2023.pdf, Zugriff 7.8.2023 - USDOS - U.S. Department of State [USA] (15.5.2023): 2022 Report on International Religious Freedom: Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2091948.html, Zugriff 3.8.2023 - USDOS - U.S. Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089241.html, Zugriff 31.7.2023 18. Grundversorgung und Wirtschaft Heute zählt Kenia zu den wirtschaftlich stabilsten Ländern Ostafrikas (AA 31.5.2023). Kenia bleibt die treibende ökonomische Kraft in Ostafrika und ist politisch bedeutend für die Stabilität in der Region. Das ostafrikanische Land zählt zu den größten Volkswirtschaften in Subsahara-Afrika. Die Zollunion East African Community (EAC) stärkt Kenias Funktion als regionaler Hub Ostafrikas. Mit seinem Hafen in Mombasa erfüllt das Land eine wichtige Rolle als Handelsdrehscheibe in der Region (ABG 2.2023). Nach einem Jahrzehnt starken Wirtschaftswachstums erlangte Kenia 2014 den Status eines Landes mit mittlerem Einkommen. Ausschlaggebend dafür waren ein starkes Wachstum in der Landwirtschaft aufgrund guter Wetterbedingungen, eine robuste Leistung des Dienstleistungssektors, ein starker privater Verbrauch und ein anhaltendes Vertrauen in die Wirtschaft aufgrund geringer politischer Unsicherheiten (BS 2022). Die kenianische Wirtschaft ist breit aufgestellt. Die Landwirtschaft ist dennoch die zentrale Stütze: Schnittblumen, Kaffee, Tee sowie Früchte und Gemüse sind wichtige Exportgüter. Neben einer .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 29 von 35

lokalen Konsumgüterindustrie hat sich auch ein kenianischer Dienstleistungssektor erfolgreich etabliert, hauptsächlich in den Bereichen Tourismus und Finanzwirtschaft. Kenias Start-up-Sektor, oft als „Silicon Savannah“ bezeichnet, gehört zu den dynamischsten auf dem Kontinent. Viele der Neugründungen sind in den Bereichen FinTech, GreenTech, AgriTech, Logistik, E-Commerce und Energie aktiv (ABG 2.2023). Stärken der kenianischen Wirtschaft sind: •Marktgröße: Kenia verfügt über eine der größten und am stärksten diversifizierten Wirtschaften auf dem Kontinent •Offene und liberale Wirtschaft mit recht guten Institutionen •Drehscheibe: Nairobi und Mombasa als regionale Hubs; Flughafen Nairobi verfügt über gute Verbindungen •Kapital- und Arbeitsmarkt sind im afrikanischen Vergleich gut entwickelt; Zugang zu Kapital und qualifizierten Arbeitskräften ist gegeben Schwächen der kenianischen Wirtschaft: •Derzeit mäßige Konjunktur •Probleme bei der Finanzierung: Dem Privatsektor fehlt Kapital, der Staat ist hoch verschuldet •In einigen Sektoren bestehen enge Verflechtungen mit Politikerfamilien (ABG 2.2023) Kenias Sozialversicherung ist der Nationale Sozialversicherungsfonds. Er ist eine gemeinnützige Einrichtung, die dem Gemeinwohl dient. Er bietet allen kenianischen Arbeitnehmern Sozialversicherungsschutz, sei es im formellen als auch im informellen Sektor. Der NSSF verwaltet zwei Fonds, den Pensionsfonds und den Vorratsfonds. Der Fonds wurde als obligatorisches nationales System eingerichtet, dessen Hauptziel darin besteht, den Kenianern im Ruhestand eine grundlegende finanzielle Sicherheit zu bieten. Der Fonds wurde als Vorsorgefonds eingerichtet, der Leistungen in Form von Pauschalbeträgen erbringt. Kenianische Arbeitnehmer, die mindestens 18 Jahre alt sind, sowohl Angestellte als auch Selbstständige, können sich im NSSF registrieren lassen und Beiträge einzahlen. Arbeitnehmer melden sich für die angestellte NSSF-Mitgliedschaft an und selbständige Kenianer für die freiwillige (selbständige) Mitgliedschaft (Lenvica 2022). Im Jahr 2022 lag die Arbeitslosenquote in Kenia bei geschätzt rund 5,5 Prozent. Für das Jahr 2023 wird die Arbeitslosenquote in Kenia unverändert auf rund 5,5 Prozent prognostiziert (Statista 18.1.2023). Fast 84 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung Kenias sind im informellen Sektor beschäftigt. Die meisten Unternehmen beginnen ihre Tätigkeit im informellen Sektor, da sie sich die Kosten für eine formelle Registrierung und die damit verbundene Besteuerung nicht leisten können. Aus politischer Sicht behandelt die Regierung den informellen Sektor als Teil der .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 30 von 35

Kategorie der Kleinst- und Kleinunternehmen, die registriert sind und einen Teil der formellen Wirtschaft bilden (BS 2022). Die Verfassung enthält einen umfassenden Katalog von Rechten und verpflichtet den Staat, allen, die nicht für sich selbst sorgen können, soziale Sicherheit zu gewähren. Kapitel vier der Verfassung gewährt das Recht auf Gesundheitsversorgung, angemessene Arbeitsbedingungen, Freiheit von Hunger, sauberes und sicheres Wasser und Bildung. Diese Rechte sind von der Regierung zu gewährleisten, indem sie die entsprechenden Bedingungen und Rahmenbedingungen für ihre Erfüllung schafft. Derzeit gibt es vier verschiedene Programme, die verschiedenen gefährdeten Gruppen helfen sollen: Das „Hunger Safety Net Program“, Geldtransfers für verwaiste und gefährdete Kinder, für ältere Menschen und für Menschen mit schweren Behinderungen. Nach Angaben von Vizepräsident Ruto gibt die Regierung jährlich etwa 22 Millionen Euro für den Sozialschutz aus, 40 Prozent davon kommen von Geberinstitutionen (BS 2022). Dennoch lebten im Jahr 2022 über 7,8 Millionen Menschen in Kenia in extremer Armut, die meisten davon in ländlichen Gebieten. Die Zahl derjenigen, die in ländlichen Regionen mit weniger als 1,90 US-Dollar pro Tag auskommen mussten, belief sich auf etwa 7,8 Millionen, während 1,2 Millionen extrem arme Menschen in städtischen Gebieten lebten. Im Beobachtungszeitraum erreichte die Armut in Kenia im Jahr 2020 ihren Höhepunkt, als die Pandemie des Coronavirus (COVID-19) die Wirtschaft des Landes zum Erliegen brachte (Statista 22.1.2023). Im Sommer 2022 kam es zu einer der schlimmsten Dürren am Horn von Afrika seit 40 Jahren, in welcher gemäß den offiziellen Zahlen vom Juni 2022 652,960 Kinder unter fünf Jahren sowie 96,480 schwangere und stillende Frauen akut mangelernährt waren (AI 28.3.2023). U.a. mit dem „Hunger Safety Net Program“, welches Geldleistungen an Waisen- und gefährdete Kinder vorsieht, versucht die Regierung das Problem zu lindern (BS 2022). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.5.2023): Kenia: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/kenia-node/politisches-portraet/208078, Zugriff 2.8.2023 - ABG - Africa Business Guide (2.2023): Wirtschaft in Kenia, https://www.africa-business- guide.de/de/maerkte/kenia, Zugriff 7.8.2023 - AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Kenia 2022, https://www.ecoi.net/de/dokument/2094474.html, Zugriff 4.8.2023 - BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI Kenya Country Report 2022, https://bti-project.org/en/reports/country-report/KEN#pos5, Zugriff 31.7.2023 - Lenvica (o.D.): National Social Security Fund (NSSF) in Kenya, https://lenvica.com/national- social-security-fund-nssf-in-kenya/, Zugriff 7.8.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 31 von 35

- Statista (22.1.2023): Number of people living in extreme poverty in Kenya from 2016 to 2023, by area, https://www.statista.com/statistics/1229720/number-of-people-living-in-extreme-poverty-in- kenya-by-area/, Zugriff 7.8.2023 - Statista (18.1.2023): Kenia: Arbeitslosenquote von 1991 bis 2023 und Prognose für 2024, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/349531/umfrage/arbeitslosenquote-in-kenia/, Zugriff 7.8.2023 19. Medizinische Versorgung In den letzten Jahren hat sich das Gesundheitssystem in Kenia dramatisch verbessert, aber es gibt immer noch eine Reihe von Problemen. Das kenianische Gesundheitssystem lässt sich in drei Kategorien einteilen. Öffentliche Anbieter, private Non-Profit-Organisationen (einschließlich glaubensbasierter und Missionskrankenhäuser, sowie lokaler und internationaler NGOs) und private, gewinnorientierte Anbieter von Gesundheitsleistungen (AC 2023). Die medizinische Versorgung außerhalb Nairobis ist mit Europa nicht zu vergleichen und vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch hochproblematisch (AA 28.7.2023). Mit Ausnahme der bekannten Touristendestinationen sowie von Nairobi und Mombasa ist die medizinische Versorgung beschränkt (EDA 18.7.2023). Vielfach fehlen auch europäisch ausgebildete Fachärzte. Die ärztliche Versorgung in Nairobi ist allerdings gut. In einigen Krankenhäusern gibt es Stationen, die hinsichtlich der Unterbringung auch höheren Ansprüchen gerecht werden. Ein ärztlicher Notfalldienst für dringende Erkrankungen, Unfälle etc. ist dort eingerichtet. Einfache bis mittelschwere Operationen können, insbesondere in Nairobi, in ausgewählten Krankenhäusern durchgeführt werden. Im Notfall sind auch komplexe Eingriffe möglich, dennoch sollten schwierigere Operationen oder hier nicht häufig durchgeführte Eingriffe nach ärztlicher Rücksprache in Europa oder Südafrika durchgeführt werden (AA 28.7.2023). Die von der Regierung finanzierte öffentliche Basisgesundheitsversorgung wird in primären Gesundheitszentren und Apotheken angeboten. Die staatliche Pharmakette KEMSA versorgt die staatlichen Apotheken mit Medikamenten und medizinischem Bedarf. Diese werden in der Regel von Pflegekräften geleitet und verwaltet. Die öffentlichen Gesundheitszentren bieten kostenlose Dienste für einfache Erkrankungen wie Erkältung und Grippe, unkomplizierte Malariafälle und kleinere Hautkrankheiten. Patienten mit Erkrankungen, die nicht von Pflegekräften behandelt werden können, werden an Kliniken und Krankenhäuser überwiesen. Die öffentlichen Gesundheitsprogramme und -einrichtungen sind in der Regel unterbesetzt, schlecht ausgestattet und unzureichend versorgt. Nairobi und nördlich von Nairobi gibt es die besten öffentlichen Gesundheitseinrichtungen, während sie im Nordosten rückständig sind. Der private Gesundheitssektor in Kenia hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Privatkliniken mit unterschiedlichem Standard gibt es in den meisten größeren Städten, auch in den Badeorten an .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 32 von 35
