keni-lib-2023-08-09-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Obwohl die Verfassung und das Gesetz die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit vorsehen, schränkte die Regierung diese Rechte manchmal ein. Das Versäumnis der Regierung, Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger und friedliche Demonstranten zu untersuchen oder strafrechtlich zu verfolgen, führt de facto zu Einschränkungen der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (USDOS 20.3.2023). Die Verfassung garantiert das Recht auf Versammlungsfreiheit. Das Gesetz schreibt jedoch vor, dass die Organisatoren öffentlicher Versammlungen die örtliche Polizei im Voraus informieren müssen. In der Praxis verbietet die Polizei regelmäßig Versammlungen aus Sicherheits- oder anderen Gründen und löst Versammlungen, die sie nicht ausdrücklich verboten hatte, gewaltsam auf (FH 2023). Den Bürgern steht es frei, sich in politischen Parteien zu organisieren. Kenianischen Parteien vertreten eine Reihe ideologischer, regionaler und ethnischer Interessen, sind aber notorisch schwach und werden oft zu Koalitionen zusammengeschlossen, die nur dazu dienen, an Wahlen teilzunehmen (FH 2023; vgl. BS 2022). Zudem passen sie sich häufig an das jeweilige Regime an und neigen dann entweder zur Auflösung oder zur Reformierung (BS 2022). Oppositionsparteien und -kandidaten sind bei kenianischen Wahlen wettbewerbsfähig. Bei den Wahlen im August 2022 besiegte der damalige stellvertretende Präsident Ruto, der sich als Außenseiter gegenüber den langjährigen politischen Dynastien Kenias darstellte, den fünfmaligen Präsidentschaftskandidaten Odinga, der vom amtierenden Präsidenten Kenyatta unterstützt worden war. Die Wahlen im Jahr 2022 waren hart umkämpft und wurden im Gegensatz zu den vorherigen Wahlen nicht von Oppositionsgruppen boykottiert (FH 2023). Kenia verfügt über eine aktive Zivilgesellschaft (FH 2023). Eine Vielzahl inländischer und internationaler Menschenrechtsgruppen arbeitet im Allgemeinen ohne staatliche Einschränkungen, untersucht Menschenrechtsfälle und veröffentlichte ihre Ergebnisse, obwohl einige Gruppen berichteten, dass sie von der Regierung schikaniert wurden. Beamte waren manchmal kooperativ und gingen auf die Anfragen dieser Gruppen ein, aber die Regierung setzte Empfehlungen von Menschenrechtsgruppen nicht um, wenn diese Empfehlungen ihrer Politik zuwiderliefen (USDOS 20.3.2023). NGOs sind in den letzten Jahren zunehmend auf Hindernisse gestoßen, darunter wiederholte Versuche der Regierung, Hunderte von NGOs wegen angeblicher finanzieller Verstöße die Registrierung abzuerkennen (FH 2023). Ombudsorganisation: Die KNCHR (Kenya National Commission on Human Rights) ist eine unabhängige Institution, die durch die Verfassung geschaffen und 2011 eingerichtet wurde. Ihr Mandat ist die Förderung und der Schutz der Menschenrechte im Land. Die Kommission erklärte, ihr Budget decke lediglich die Kosten für Gebäude Instandhaltung und Mitarbeitergehälter ab und reiche nicht aus, um ihre Ausgaben zu decken und ihr Mandat zu erfüllen. Die Kommission verfügt .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 16 von 35

über 115 Mitarbeiter, laut Mandat solle sie 400 Mitarbeiter haben. Ihr programmatisches Budget wurde von der Regierung überhaupt nicht finanziert, so dass die Kommission gezwungen war, Mittel von Entwicklungspartnern einzuwerben (USDOS 20.3.2023). Quellen: - AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.5.2023): Kenia: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/kenia-node/politisches-portraet/208078, Zugriff 2.8.2023 - BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI Kenya Country Report 2022, https://bti-project.org/en/reports/country-report/KEN#pos5, Zugriff 31.7.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088520.html, Zugriff 31.7.2023 - USDOS - U.S. Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089241.html, Zugriff 31.7.2023 11. Haftbedingungen Gemäß Menschenrechtsorganisationen sind die Bedingungen in Gefängnissen, Haftanstalten und Polizeistationen aufgrund von Überbelegung, Nahrungsmittel- und Wassermangel sowie unzureichenden sanitären Bedingungen und medizinischer Versorgung hart und lebensbedrohlich (USDOS 20.3.2023). Im März 2022 schätzte die Nichtregierungsorganisation World Prison Brief die Gesamtzahl der Gefangenen im Land auf fast 53.000, einschließlich der Untersuchungshäftlinge, in einem System mit einer Kapazität von 30.000 (USDOS 20.3.2023). Obwohl seit 2012 mehrere neue Gefängnisse gebaut wurden (USDOS 20.3.2023), bleibt die durchschnittliche Gefangenenpopulation bei fast 200 Prozent der Kapazität (USDOS 20.3.2023; vgl. OHCHR 5.5.2022), einschließlich einer großen Zahl von Untersuchungshäftlingen (USDOS 20.3.2023), im Jahr 2018 ca. 50 Prozent (OHCHR 5.5.2022). Einige Gefängnisse sind bis zu 400 Prozent ausgelastet (USDOS 20.3.2023; vgl. OHCHR 5.5.2022). Mit Stand 5.12.2022 befinden sich in Kenia insgesamt 58.887 Personen in Haft, von denen 41 % in Untersuchungshaft, 5,1 % Frauen und 0,6 % Unmündige bzw. mündige Minderjährige sind. Da das Gefängniswesen auf 34.000 Häftlinge ausgelegt ist, beträgt der Überbelegungsgrad 173,2 % (WPB o.D.) Im Laufe des Jahres 2022 bemühte sich die Justiz weiterhin, der Überbelegung entgegenzuwirken, indem sie Alternativen zur Untersuchungshaft einführte und eine Strafminderung förderte (USDOS 20.3.2023). Die Behörden trennen im Allgemeinen Kinder von Erwachsenen, außer während der ersten Zeit der Inhaftierung auf den Polizeistationen, wo die Behörden häufig männliche und weibliche Erwachsene und Jugendliche in einer Zelle unterbringen. In mehreren Bezirken fehlen geeignete Einrichtungen, um Jugendliche und Frauen getrennt von Männern in Gerichten und .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 17 von 35

Polizeistationen unterzubringen. Untersuchungshäftlinge werden zusammen mit verurteilten Gefangenen untergebracht (USDOS 20.3.2023). Quellen: - OHCHR - UN Office of the High Commissioner (5.5.2022): Experts of the Committee against Torture Commend Kenya’s Efforts to Implement the Law on Prevention of Torture, Ask about Prison Overcrowding and the Death Penalty, https://www.ohchr.org/en/press-releases/2022/05/experts-committee-against-torture-commend- kenyas-efforts-implement-law, Zugriff 3.8.2023 - USDOS - U.S. Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089241.html, Zugriff 31.7.2023 - WPB - World Prison Brief (o.D.): Kenya, https://www.prisonstudies.org/country/kenya, Zugriff 30.5.2023 12. Todesstrafe Obwohl die Todesstrafe in den Gesetzen verankert ist, wurden seit 1987, als wegen Hochverrats verurteilte Personen im Zusammenhang mit einem Putschversuch hingerichtet wurden, keine Hinrichtungen mehr vollzogen (NTV Kenya 3.2.2023). Nach dem kenianischen Strafgesetzbuch gibt es vier Straftatbestände, welche mit dem Tod bestraft werden können: Hochverrat, Mord, schwerer Raub sowie versuchter schwerer Raub (DPP 14.6.2022). Im Jahr 2022 gab es in Kenia 79 verhängte Todesurteile. Ende 2022 saßen 656 Menschen in Kenia in der Todeszelle (AI 23.5.2023). Der Oberste Gerichtshof Kenias hat Mitte Dezember 2017 eine Grundsatzentscheidung getroffen: Er erklärte die zwingende Verhängung der Todesstrafe für verfassungswidrig. Das bedeutet, dass die Richterinnen und Richter nun nicht mehr automatisch Menschen, die wegen Mordes oder bewaffneten Raubüberfalls verurteilt werden, zum Tode verurteilen müssen, sondern sie haben zukünftig einen Ermessensspielraum bei der Strafzumessung (AI 15.12.2017; vgl. NTV Kenya 3.2.2023). Quellen: - AI - Amnesty International (23.5.2023): Todesurteile und Hinrichtungen, https://www.amnesty.de/sites/default/files/2023-05/%20Amnesty-Bericht-Todesstrafe-2022- weltweit-Auszuege-des-Berichts-auf-Deutsch.pdf, Zugriff 3.8.2023 - AI - Amnesty International (15.12.2017): Kenia: Zwingende Todesstrafe abgeschafft, https://amnesty-todesstrafe.de/2017/12/kenia-zwingende-todesstrafe-abgeschafft/, Zugriff 3.8.2023 - DPP - Death Penalty Project, The [Hoyle, Carolyn] (14.6.2022): The Death Penalty in Kenya: A Punishment that has Died Out in Practice, Part One - A Public Ready to Accept Abolition, https://deathpenaltyproject.org/knowledge/kenya-part-one-a-public-ready-to-accept-abolition/, Zugriff 24.5.2023 - NTV Kenya (3.2.2023): Understanding the death penalty in Kenya, https://ntvkenya.co.ke/analysis/understanding-the-death-penalty-in-kenya/, Zugriff 3.8.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 18 von 35

13. Religionsfreiheit Die Bevölkerung besteht zu 85,5 Prozent aus Christen (protestantisch 33,4 Prozent, katholisch 20,6 Prozent, evangelisch 20,4 Prozent, afrikanische Amtskirchen 7 Prozent, andere Christen 4,1 Prozent), 10,9 Prozent Muslimen, 1,8 Prozent andere Bekenntnisse, 1,6 Prozent kein Bekenntnis, (Schätzung aus 2019) (CIA 25.7.2023). Zu den Gruppen, die weniger als 2 % der Bevölkerung ausmachen, gehören Hindus, Sikhs, Bahá’í sowie Anhänger diverser traditioneller Glaubensgemeinschaften. Überdies identifizieren sich 755.000 Personen selbst als Atheisten oder religionslos (USDOS 15.5.2023). Die Verfassung legt fest, dass es keine Staatsreligion geben darf und verbietet religiöse Diskriminierung. Die Verfassung sieht Religions- und Weltanschauungsfreiheit für den Einzelnen und für Gemeinschaften vor, einschließlich der Freiheit, eine Religion durch Gottesdienst, Ausübung, Lehre oder Befolgung zu bekunden und religiöse Fragen zu erörtern (USDOS 15.5.2023). Die Regierung respektiert im Allgemeinen die verfassungsmäßige Garantie der Religionsfreiheit (FH 2023). Die Verfassung sieht spezielle Kadhi-Gerichte vor, die bestimmte Arten von Zivilprozessen auf der Grundlage des islamischen Rechts entscheiden (USDOS 15.5.2023). Die verfassungsrechtliche Anerkennung von auf islamischem Recht basierenden Kadhi-Gerichten wird von Christen und anderen religiösen Gruppen als Diskriminierung zugunsten einer bestimmen Religion abgelehnt und hat in der Vergangenheit zu Kampagnen gegen die Verfassung geführt (BS 2022). Menschenrechtsorganisationen und religiöse muslimische Organisationen erklärten, dass bestimmte muslimische Gemeinschaften, insbesondere ethnische Somalier, weiterhin Opfer von außergerichtlichen Hinrichtungen, gewaltsamem Verschwindenlassen, Folter, willkürlichen Verhaftungen und Inhaftierungen waren. Viele der Opfer stammten aus der Küstenregion und Nairobi. Die vorherige Regierung bestritt, derartige Handlungen angeordnet zu haben. Die im August 2022 gewählte neue Regierung räumte jedoch ein, dass bestimmte Sicherheitskräfte in der Vergangenheit außergerichtliche Tötungen vorgenommen haben, und versprach Reformen. Im Juli 2022 gab der Registrar of Societies strenge neue Richtlinien für die Registrierung neuer religiöser Gesellschaften heraus, einschließlich der Anforderung, dass die Antragsteller ein Diplom oder einen Abschluss einer anerkannten theologischen Einrichtung besitzen müssen (USDOS 15.5.2023). Laut interreligiösen NGOs und politischen Verantwortungsträgern sind die Spannungen zwischen den Religionen jedoch nicht mehr so groß wie in vergangenen Jahren. Hierbei verweisen sie auf die umfangreichen religionsübergreifenden Bemühungen, Frieden zwischen den Gemeinschaften .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 19 von 35

zu schaffen. So treffen sich z.B. religiöse Vertreter auf Gemeindeebene, um über den Glauben der anderen zu lernen (BS 2022).ent aus Christen (protestantisch 33,4 Prozent, katholisch 20,6 Prozent, evangelisch 20,4 Prozen Die in Somalia ansässige Terrorgruppe Harakat al-Shabaab al-Mujahideen (al-Shabaab) verübte Anschläge im Nordosten des Landes und in der Küstenregion, und einige Anschläge richteten sich möglicherweise gegen Nicht-Muslime aufgrund ihres Glaubens. Muslime, die ethnischen Minderheiten angehören, insbesondere solche somalischer Abstammung, berichteten über anhaltende Belästigungen durch Nicht-Muslime (USDOS 15.5.2023). Die Terrorismusbekämpfung gegen die in Somalia ansässige militante Gruppe al-Shabaab hat dazu geführt, dass Muslime staatlicher Gewalt und Einschüchterung ausgesetzt sind. Die al-Shabaab-Kämpfer haben zeitweise gezielt Christen in Kenia angegriffen (FH 2023). Quellen: - BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI Kenya Country Report 2022, https://bti-project.org/en/reports/country-report/KEN#pos5, Zugriff 31.7.2023 - CIA - Central Intelligence Agency [USA] (25.7.2023): The World Factbook - Kenya, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/kenya/#introduction, Zugriff 31.7.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088520.html, Zugriff 31.7.2023 - USDOS - U.S. Department of State [USA] (15.5.2023): 2022 Report on International Religious Freedom: Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2091948.html, Zugriff 3.8.2023 14. Minderheiten Bei der Volkszählung 2019 wurden 45 ethnische Gruppen im Land gezählt, von denen keine die Mehrheit bildete (USDOS 20.3.2023). Ethnische Gruppen im Land sind die Kikuyu 17.1 Prozent, Luhya 14.3 Prozent, Kalenjin 13.4 Prozent, Luo 10.7 Prozent, Kamba 9.8 Prozent, Somali 5.8 Prozent, Kisii 5.7 Prozent, Mijikenda 5.2 Prozent, Meru 4.2 Prozent, Maasai 2.5 Prozent, Turkana 2.1 Prozent, nicht-Kenianisch 1 Prozent, andere 8.2 Prozent (Schätzung aus 2019) (CIA 25.7.2023). Sowohl in der Privatwirtschaft als auch im öffentlichen Sektor diskriminieren Angehörige fast aller ethnischen Gruppen in der Regel zugunsten ihrer ethnischen Gruppe (USDOS 20.3.2023). Politisch motivierte Ernennungen gibt es weiterhin in allen Ministerien und Spitzenpositionen werden nach wie vor anhand von persönlichen und ethnischen Loyalitäten besetzt (BS 2022). Die ethnische Zugehörigkeit ist nach wie vor das wichtigste Ordnungsprinzip in der kenianischen Politik, und zwei ethnische Gruppen - die Kikuyu und die Kalenjin - haben seit der Unabhängigkeit die Präsidentschaft dominiert. Mit der Verfassung von 2010 sollte die Rolle der ethnischen Zugehörigkeit bei Wahlen verringert werden, und die 2013 umgesetzte Dezentralisierung von .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 20 von 35

Steuern und Politik hat zu einem stärkeren innerethnischen Wettbewerb auf Bezirksebene geführt. Dennoch behindert die Politisierung der ethnischen Zugehörigkeit auf nationaler Ebene nach wie vor eine wirksame Vertretung der verschiedenen Teile der vielfältigen kenianischen Bevölkerung, schränkt die Wahlmöglichkeiten der Wähler ein und verhindert sinnvolle politische Debatten (FH 2023). Die Kikuyu und verwandte Gruppen dominieren einen Großteil des privaten Handels und der Industrie und erwerben häufig Land außerhalb ihrer traditionellen Heimatgebiete, was manchmal zu heftigen Ressentiments seitens anderer ethnischer Gruppen führt, insbesondere in den Küstengebieten und im Rift Valley. Der Wettbewerb um Wasser und Weideland ist im Norden und Nordosten besonders groß (USDOS 20.3.2023). Zwischen den ethnischen Gruppen der Somali, Turkana, Gabbra, Borana, Samburu, Rendille und Pokot in den trockenen Gebieten im Norden, Osten und im Rift Valley kommt es häufig zu Konflikten, darunter Banditentum, Kämpfe um Land und Viehdiebstahl, die bisweilen auch Todesopfer fordern. Streitigkeiten über Bezirksgrenzen sind ebenfalls eine Ursache für ethnische Spannungen. Die mit Banditentum verbundene Gewalt in Teilen des Rift Valley, insbesondere im Kerio Valley, nahm im Laufe des Jahres 2022 zu (USDOS 20.3.2023). Die International Crisis Group berichtete, dass im westlichen Laikipia County zwischen September 2021 und Juli bei gewaltsamen Zusammenstößen zwischen bewaffneten Viehhirten und Bauern, Viehzüchtern und Naturschutzgebieten mindestens 35 Menschen starben und Dutzende von Häusern niedergebrannt wurden. Eine zweijährige Dürre zwang die Viehhirten, auf der Suche nach Wasser und Weideland für ihr Vieh in privat geführte Naturschutzgebiete einzudringen. Regierungstruppen wurden in die Region entsandt, um die Gewalt einzudämmen, doch die Lage bleibt weiterhin angespannt (USDOS 20.3.2023). Quellen: - BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI Kenya Country Report 2022, https://bti-project.org/en/reports/country-report/KEN#pos5, Zugriff 31.7.2023 - CIA - Central Intelligence Agency [USA] (25.7.2023): The World Factbook - Kenya, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/kenya/#introduction, Zugriff 31.7.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088520.html, Zugriff 31.7.2023 - USDOS - U.S. Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089241.html, Zugriff 31.7.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 21 von 35

15. Relevante Bevölkerungsgruppen 15.1. Frauen Die Verfassung sieht die Gleichberechtigung von Männern und Frauen vor. Dennoch wendet die Justiz in weiten Teilen Gewohnheitsrecht an, das Frauen diskriminiert und ihre politischen und wirtschaftlichen Rechte einschränkt (USDOS 20.3.2023). Frauen sind in allen Bereichen des öffentlichen und zivilen Lebens immer noch unverhältnismäßig stark benachteiligt. In ländlichen Gebieten haben Frauen nur eingeschränkten Zugang zur Justiz, und diskriminierende traditionelle Praktiken sind nach wie vor gang und gäbe. Kenia hat den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und mehrere andere internationale und regionale Übereinkommen unterzeichnet, die die Menschen- und Bürgerrechte seiner Bürger schützen sollen (BS 2022). Die Verfassung verbietet die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in Bezug auf Grundbesitz und Eigentum und räumt Frauen gleiche Rechte in Bezug auf das Erbe und den Zugang zu Land ein. Die Verfassung sieht auch den Erlass von Gesetzen zum Schutz der Rechte von Ehefrauen auf eheliches Eigentum während und nach Beendigung einer Ehe vor und bestätigt, dass die Parteien einer Ehe zum Zeitpunkt der Eheschließung, während der Ehe und bei deren Auflösung Anspruch auf gleiche Rechte haben. Im September 2021 entschied ein Richter, der in einer güterrechtlichen Auseinandersetzung den Vorsitz führte, dass die Tätigkeit als Hausfrau als Vollzeitbeschäftigung angesehen werden sollte. Der Richter befand, es sei ungerecht, wenn Gerichte entschieden, dass Hausfrauen nicht zum finanziellen Wohlstand des Haushalts beitrügen (USDOS 20.3.2023). Nach Angaben von Gruppen der Zivilgesellschaft sehen sich Frauen jedoch weiterhin mit institutionellen und rechtlichen Hindernissen konfrontiert, die ihren Zugang zur Justiz und zu einem gerechten Anteil am ehelichen Vermögen bei der Auflösung der Ehe behindern. Darüber hinaus waren die gesetzlichen Bestimmungen für die Beantragung von Erbschaften nicht ausreichend bekannt, so dass viele Erbschaften weiterhin nur von den Vätern auf die Söhne übergehen (USDOS 20.3.2023; vgl. BS 2022). Obwohl dies nach kenianischem Recht illegal ist, werden Witwen immer noch enterbt, unter anderem durch Vertreibung aus dem Haus und vom Land der Familie (BS 2022). Die Regierung setzt bestehende Gesetze nicht immer wirksam durch. NGOs berichten, dass Frauen in traditionellen, ländlichen und armen Gebieten häufig auf Hindernisse beim Zugang zu gleichen Rechten stoßen. Aktivisten berichten, dass Frauen, die bestimmten Gruppen angehören, darunter Menschen mit Behinderungen, LGBTQI+-Personen und Muslime, aufgrund von männlich dominierten sozialen Normen diskriminiert werden (USDOS 20.3.2023). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 22 von 35

Bei den Wahlen im August 2022 wählten die Wählerinnen und Wähler eine historische Zahl von 29 Frauen ins Parlament, was jedoch immer noch nicht die verfassungsmäßig vorgeschriebene Zweidrittelmehrheit der Geschlechter erreicht, die vorschreibt, dass nicht mehr als zwei Drittel eines gewählten Gremiums demselben Geschlecht angehören dürfen (FH 2023). Gemäß AI wurden im August 2022 sieben Frauen zu Gouverneurinnen und drei zu Senatorinnen gewählt. 26 Frauen errangen ein Abgeordnetenmandat in der Nationalversammlung (Parlament). Hundert weitere Frauen wurden in die Bezirksversammlungen gewählt. Darüber hinaus ernannte Präsident Ruto sieben Frauen zu Ministerinnen und drei weitere zu Kabinettsmitgliedern, drei mehr als zuvor. Der Präsident hatte vor der Wahl in der von ihm unterzeichneten Frauencharta versprochen, 22 Posten im Kabinett mit Frauen zu besetzen, doch war die Zahl der tatsächlichen Ernennungen deutlich niedriger (AI 28.3.2023). Das Gesetz stellt Vergewaltigung aller Personen, Schändung (gesetzliche Vergewaltigung), häusliche Gewalt und Sextourismus unter Strafe, aber die Durchsetzung bleibt begrenzt. Das Gesetz definiert häusliche Gewalt als sexuelle Gewalt in der Ehe, Früh- und Zwangsehe, Genitalverstümmelung, Zwangserbschaft, Sachbeschädigung, Schändung, wirtschaftliche Misshandlung, emotionale oder psychische Misshandlung, Belästigung, Inzest, Einschüchterung, körperliche Misshandlung, Stalking, Beschimpfung oder jedes andere Verhalten gegenüber einer Person, das die Sicherheit, die Gesundheit oder das Wohlergehen der Person gefährdet oder gefährden kann. Das Gesetz stellt die Vergewaltigung in der Ehe nicht ausdrücklich unter Strafe. Das Gesetz sieht eine Höchststrafe von lebenslänglicher Haft für Vergewaltigung vor, wenn das Opfer älter als 18 Jahre ist, obwohl die Strafe im Ermessen des Richters liegt und in der Regel nicht länger als das Minimum von 10 Jahren verhängt werden (USDOS 20.3.2023). Menschenrechtsgruppen zufolge setzt die Regierung das Gesetz häufig nicht wirksam durch, insbesondere in armen oder ländlichen Gebieten. In ländlichen Gebieten greifen die Bürger häufig auf traditionelle Streitbeilegungsmechanismen zurück, darunter die Maslaha in muslimischen Gemeinschaften, um Sexualdelikte zu regeln, wobei die Dorfältesten eine finanzielle Entschädigung für die Überlebenden oder ihre Familien festlegten. Auch in städtischen Gebieten wurden solche Mechanismen gelegentlich genutzt. Aufgrund mangelnder Koordinierung zwischen den staatlichen Stellen und einer unwirksamen Umsetzung des Gesetzes blieben die Opfer sexueller Übergriffe häufig ohne Rechtsmittel oder in direktem Kontakt mit dem Täter. Die Nichtregierungsorganisation FIDA berichtete, dass die Zahl der Verhaftungen und Strafverfolgungen in Fällen sexueller Gewalt nach wie vor gering ist, selbst in Fällen, in denen die Überlebenden die Täter identifiziert haben, da die Polizei nur über begrenzte Ressourcen für die Durchführung von Ermittlungen, unzureichende Mechanismen für die Sammlung und Bearbeitung .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 23 von 35

von Beweisen und langwierige Gerichtsverfahren verfügt, was es für die Überlebenden schwierig und kostspielig macht, die Fälle zu verfolgen (USDOS 20.3.2023). Quellen: - AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Kenia 2022, https://www.ecoi.net/de/dokument/2094474.html, Zugriff 4.8.2023 - BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI Kenya Country Report 2022, https://bti-project.org/en/reports/country-report/KEN#pos5, Zugriff 31.7.2023 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088520.html, Zugriff 31.7.2023 - USDOS - U.S. Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Kenya, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089241.html, Zugriff 31.7.2023 15.2. Kinder (inkl. FGM) Im Juli 2022 verabschiedete Kenia ein geändertes Kindergesetz, mit dem ein verfassungsmäßiger Schutz verankert und das nationale Recht mit zahlreichen Verpflichtungen aus der Afrikanischen Charta für die Rechte und das Wohlergehen des Kindes in Einklang gebracht wurde (HRW 12.1.2023). Der Kenya Citizenship and Immigration Act, 2011, welcher Kapitel 3 der Verfassung von Kenia, 2010, (Staatsbürgerschaft) umsetzt, trat am 30/08/2011 in Kraft. Daraus geht hervor, dass eine Person kenianischer Abstammung, unabhängig vom Geburtsort, automatisch von Geburt an Staatsbürger wird (jus sanguinis) (KE o.D.). Die Regierung hat die körperliche Züchtigung in Schulen zwar verboten, aber es gibt immer noch Berichte über sie (USDOS 20.3.2023). Nahezu 70 Prozent der Schulkinder leben in ländlichen Gebieten, in denen es an solide finanzierten Schulen, ausgebildeten Lehrern, Büchern und Schulmaterial fehlt (BS 2022). Schulbildung ist bis zum 18. Lebensjahr nach dem Gesetz beitragsfrei und obligatorisch, wobei öffentliche Schulen durchaus Gebühren für Verpflegung, Uniformen und andere Ausgaben erheben dürfen. Das Anwesenheitspflichtgesetz wird von den Behörden nicht konsequent durchgesetzt und bei Kindern mit Behinderungen ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sie eine Schule besuchen. Schwangere Mädchen werden manchmal der Schule verwiesen oder in eine andere versetzt, auch wenn das Gesetz ihnen eigentlich das Recht gewährt, ihre Schullaufbahn bis zur und nach der Entbindung fortzusetzen; zudem bestehen einige Mädchen die Abschlussprüfungen aufgrund ihrer Schwangerschaft nicht (USDOS 20.3.2023). Das Mindestalter für die Eheschließung beträgt 18 Jahre für Frauen und Männer (USDOS 20.3.2023). Die Häufigkeit der Kinderheirat unter Mädchen liegt bei 23 Prozent (UNICEF, o.D.). In .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 24 von 35

den Medien wurde gelegentlich auf das Problem der Früh- und Zwangsverheiratung hingewiesen, welches in einigen ethnischen Gruppen verbreitet ist (USDOS 20.3.2023). Die Regierung Kenias hat Strategien entwickelt und Gesetze zum Schutz von Kindern erlassen. Dennoch sind immer noch Tausende Gewalt und Missbrauch, schädlichen Praktiken, mangelnder elterlicher Fürsorge und sexueller Ausbeutung ausgesetzt. Gemäß einer vom Ministerium für Arbeit und Sozialschutz 2019 durchgeführten Studie hat etwa einer von zwei jungen Erwachsenen als Kind Gewalt erfahren. Dabei wurde festgestellt, dass 46 Prozent der 18- bis 24-jährigen Frauen in ihrer Kindheit mindestens eine Art von Gewalt - physisch, emotional oder sexuell - erlebt haben, bei jungen Männern in derselben Altersgruppe sind es 52 Prozent (UNICEF, o.D.). Kindesmissbrauchsfälle sind schwer zu verfolgen und Fälle werden oft eingestellt, weil die Täter enge Familienmitglieder sind, welche die Vorwürfe beschtreiten oder das Kind an der Aussage vor Gericht hindern. Viele Fälle werden zudem nicht zur Anzeige gebracht, vornehmlich solche, bei denen es um Inzest, Schändung oder Vergewaltigung geht. Die Staatsanwaltschaft bemüht sich weiterhin, Kinder, die von Missbrauch betroffen sind, in Pflegeheimen unterkommen zu lassen, aber es fehlt häufig an der Finanzierung (USDOS 20.3.2023). Im Jahr 2011 wurde zudem der Prohibition of FGM Act beschlossen (JSE 2022). Die Regierung hat sich verpflichtet, die Praxis der FGM bis 2022 sowie alle Formen geschlechtsspezifischer Gewalt bis 2030 zu beseitigen (BS 2022). Regierungsbeamte beteiligen sich häufig an Programmen, welche die Öffentlichkeit aufklären und so diese Praxis verhindern wollen. Nichtsdestotrotz wird FGM immer noch oft vorgenommen, insbesondere in einigen ländlichen Gebieten. Laut UNICEF sind trotz des gesetzlichen Verbots und der Fortschritte, welche die Regierung bei der Abschaffung von FGM bereits erzielen konnte, Mythen, die ebenjene Praxis befürworten, in manchen lokalen Kulturen weiterhin tief verwurzelt (USDOS 20.3.2023; vgl. KNBS 1.2023). Gemäß der alljährlichen Gesundheitserhebung, durchgeführt von der kenianischen Statistikbehörde, waren im Jahr 2022 insgesamt 14,8 Prozent aller Frauen beschnitten, wobei die Prävalenz von FGM prinzipiell mit dem Alter steigt: 9 Prozent der Frauen im Alter von 15-19 Jahren sind beschnitten worden, verglichen mit 23 Prozent der Frauen im Alter von 45-49 (KNBS 1.2023). Im Gegensatz dazu schätzt UNICEF, dass sich 21 Prozent der erwachsenen Frauen im Laufe ihres Lebens dieser Prozedur unterziehen mussten, wobei sich FGM hauptsächlich auf eine wenige Ethnien beschränkt, darunter die Maasai (78 Prozent), Samburu (86 Prozent) und Somali (94 Prozent) (USDOS 20.3.2023). Quellen: - BS - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI Kenya Country Report 2022, https://bti-project.org/en/reports/country-report/KEN#pos5, Zugriff 31.7.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 25 von 35
