kirg-lib-2025-01-23-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
•USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2107749.html, Zu- griff 12.11.2024 •WJP - World Justice Project (o.D.): Rule of Law Index 2024 – Kyrgyz Republic, https://worldjusticeproject.org/rule-of-law-index/country/2024/Kyrgyz%20Republic/, Zugriff 18.12.2024 5. Sicherheitsbehörden Das Militär und die Sicherheitsbehörden der Kirgisischen Republik bestehen aus den Land- und Luftverteidigungsstreitkräften, der Nationalgarde sowie den Internen Truppen und dem Staatskomitee für Nationale Sicherheit (GKNB) inklusive Staatsgrenzdienst (CIA 19.1.2025). Das Innenministerium (MVD) fungiert als zentrale Strafverfolgungsbehörde der Republik Kirgisistan und ist zuständig für die Untersuchung aller Formen von Straftaten, einschließlich des Drogenhandels und der Bekämpfung des gewalttätigen Extremismus. Die Polizei reagiert in der Regel auf die Meldung von Straftaten und die Generalstaatsanwaltschaft verfolgt alle Straftaten. Das Staatskomitee für Nationale Sicherheit (GKNB) ist die wichtigste Sicherheitsbehörde Kirgisistans und nimmt Aufgaben wahr, die denen einer Geheimdienst- und Strafverfolgungsbehörde ähneln. Es ist auf Spionageabwehr und Terrorismusbekämpfung spezialisiert und kontrolliert auch den Sicherheitsdienst des Präsidenten. Vor kurzem wurde der kirgisische Grenzschutz in das GKNB integriert. Die zivilen Behörden sind zeitweise nicht in der Lage, die Sicherheitskräfte wirksam zu kontrollieren. Zudem gibt es glaubwürdige Berichte, dass Angehörige der Sicherheitskräfte einige Verstöße begehen. Das Personal der Polizei und der Sicherheitskräfte sieht sich mit unzureichenden Gehältern und einer schlechten Ausrüstung konfrontiert. Dadurch besteht bei einigen Beamten die Tendenz zur Forderung von Bestechungsgeldern, um ihr unzureichendes Einkommen aufzubessern. Es kommt vor, dass Bürger von falschen oder echten Polizisten sowie anderen Beamten belästigt und erpresst werden (OSAC 6.8.2024). Quellen: •CIA - Central Intelligence Agency [USA] (19.1.2025): The World Factbook - Kyrgyzstan, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/kyrgyzstan/, Zugriff 23.1.2025 •OSAC – Overseas Security Advisory Council, US Department of State [USA] (6.8.2024): Kyrgyzstan Country Security Report, https://www.osac.gov/Content/Report/7e0c25ce-7afc-4747-b3dd-1c2f0a33de8b, Zugriff 20.12.2024 6. Korruption Kirgisistan belegt im Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) von Transparency International für das Jahr 2023 Platz 141 von 180 Ländern (TI 2024). Im Jahr der Staatskrise von 2020 belegte .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 13 von 43

Kirgisistan noch Rang 124 von 180 Staaten (TI 2021). Die Kirgisische Republik hat das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption unterzeichnet (USDOS 2024). Korruption ist ein ernstes und hartnäckiges Problem in allen Wirtschaftsbereichen (USDOS 2024) und der Justiz (USDOS 23.4.2024). Viele Kirgisen halten die Zahlung von Bestechungsgeldern für den effizientesten Weg, staatliche Dienstleistungen zu erhalten. Es gibt Gesetze, die Bestechung und Bestechlichkeit unter Strafe stellen. Die Strafen reichen von geringen Geldbußen bis hin zu Gefängnisstrafen. Die Durchsetzung der Antikorruptionsgesetze durch die Regierung gilt jedoch als uneinheitlich und oft politisch motiviert (USDOS 2024). Seit 2012 gibt es innerhalb des GKNB (Staatskomitee für Nationale Sicherheit) eine Antikorruptionsbehörde, die jedoch immer wieder von amtierenden Präsidenten genutzt wird, um gegen politische Gegner im Parlament und der Kommunalverwaltung vorzugehen. Seit Dschaparows Amtsantritt im Jahr 2020 wurden wiederholt zahlreiche ehemalige Beamte, Wirtschaftsführer und Anführer der organisierten Kriminalität (FH 29.2.2024) sowie Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, darunter ehemalige Minister sowie aktuelle und ehemalige Parlamentsabgeordnete, wegen Korruptionsverdachts festgenommen und inhaftiert (USDOS 2024). Die meisten von ihnen wurden allerdings nach Zahlung einer Geldstrafe wieder freigelassen (USDOS 2024), weshalb Kritiker diese Verhaftungen als politisches Instrument und als Möglichkeit der Regierung, Einnahmen zu generieren, bezeichnen (FH 29.2.2024). Die Praxis, Schadenersatz zu leisten, um einer Strafverfolgung wegen Korruption zu entgehen, wird in Kirgisistan „Kusturizatsiya“ genannt (FH 2024). Am 9.6.2023 unterzeichnete Präsident Dschaparow ein Gesetz, das Personen die Abgabe von Sondererklärungen zur Legitimierung illegal erworbener Vermögenswerte ermöglicht, einschließlich solcher, die aus Korruption stammen. Ein Antikorruptionsrat der Regierung soll staatliche Strategien zur Korruptionsprävention entwickeln. Unter Dschaparows Regierung wurde jedoch die Zahl der Antikorruptionseinheiten (ACUs), die ursprünglich zur Identifizierung und Bekämpfung von Korruptionsrisiken eingerichtet worden waren, von 60 auf 23 reduziert (USDOS 2024). Quellen: •FH - Freedom House (2024): Nations in Transit 2024 - Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/document/2115571.html, Zugriff 19.12.2024 •FH - Freedom House (29.2.2024): Freedom in the World 2024 - Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/document/2108023.html, Zugriff 18.11.2024 •TI - Transparency International (2024): Corruption Perceptions Index 2023, https://www.transparency.org/en/cpi/2023/index/kgz, Zugriff 7.1.2025 •TI - Transparency International (2021): Corruption Perceptions Index 2020, https://www.transparency.org/en/cpi/2020/index/kgz, Zugriff 7.1.2025 •USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2107749.html, Zugriff 12.11.2024 •USDOS - US Department of State [USA] (2024): 2024 Investment Climate Statements: Kyrgyz Republic, .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 14 von 43

https://www.state.gov/reports/2024-investment-climate-statements/kyrgyz-republic/, Zugriff 7.1.2025 7. Ombudsperson In Kirgisistan gibt es drei nationale Menschenrechtsinstitutionen: das Büro der kirgisischen Ombudsperson, das Nationale Zentrum zur Verhütung von Folter und das Büro des Beauftragten für Kinderrechte (HRC 8.5.2023). Das Büro der Ombudsperson agiert als unabhängiger Anwalt für Menschenrechte im Namen von Privatpersonen und NGOs und ist befugt, Fälle zur gerichtlichen Überprüfung zu empfehlen. Zum wiederholten Male stellten Beobachter fest, dass sich die Sicherheitskräfte in einer Atmosphäre der Straflosigkeit bewegen und unabhängig gegen Bürger vorgehen können. Faktoren, die die Anzahl und Art der beim Ombudsperson-Institut eingereichten Beschwerden einschränkten. Obwohl das Büro der Ombudsperson teilweise dazu dient, Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen entgegenzunehmen und die Beschwerden zur Untersuchung an die zuständigen Stellen weiterzuleiten, stellen sowohl nationale als auch internationale Beobachter die Effizienz und politische Unabhängigkeit des Büros in Frage. Am 3. Mai 2023 stimmte das Parlament für die Absetzung der Ombudsperson Atyr Abdrakhamatova, nachdem sie in ihrem Bericht vom 19. April 2023 über die Menschenrechtslage im Land systemische Rückschritte „in allen Bereichen, einschließlich des Schutzes der Menschen- und Bürgerrechte und -freiheiten“ festgestellt hatte. Am 17. Mai 2023 ernannte das Parlament eine neue Ombudsperson, Jamiliya Jamanbaeva (USDOS 23.4.2024). Im Bericht vom Mai 2023 brachte eine Arbeitsgruppe des UNHRC ihre Besorgnis über die Pläne zum Ausdruck, das Nationale Zentrum für die Verhütung von Folter aufzulösen und dessen Aufgaben auf das Büro der Ombudsperson zu übertragen. Stattdessen wurde im Bericht gefordert, dass das Nationale Zentrum zur Verhütung von Folter sein unabhängiges Mandat behält sowie das Amt der Ombudsperson mit den international anerkannten Standards für Unabhängigkeit, Pluralität und Rechenschaftspflicht für nationale Menschenrechtsinstitutionen in Einklang gebracht wird. Zudem empfiehlt der Bericht, beiden Institutionen ausreichende Mittel zur Umsetzung ihrer Mandate zur Verfügung zu stellen (HRC 8.5.2023). Quellen: •HRC - UN Human Rights Council (8.5.2023): Visit to Kyrgyzstan – Report of the Working Group on discrimination against women and girls, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093261/G2309690.pdf, Zugriff 12.11.2024 •USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2107749.html, Zu- griff 12.11.2024 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 15 von 43

8. Wehrdienst, Wehrersatzdienst und Wehrdienstverweigerung / Desertion Für Männer im Alter zwischen 18 und 25 Jahren bestehen eine Wehrpflicht oder die Möglichkeit eines Wehrersatzdienstes (WGE KIRG 7.8.2024). Die obligatorische Dienstzeit beträgt 12 Monate, verkürzt sich allerdings für Hochschulabsolventen auf 9 Monate (CIA 19.1.2025). Frauen zwischen 19 und 40 Jahren können freiwillig bei der Armee dienen (WGE KIRG 7.8.2024). 16- bis 17-jährige Militärkadetten können nicht an militärischen Operationen teilnehmen (CIA 19.1.2025). Männliche Wehrpflichtige, die aus religiösen, gesundheitlichen oder familiären Gründen den verpflichtenden Wehrdienst nicht leisten können oder kein Recht auf Zurückstellung der Wehrpflicht haben, sind laut Artikel 32 des Wehrgesetzes zur Leistung eines Ersatzdienstes verpflichtet. Eine Zurückstellung vom Wehrdienst kann bei gewissen familiären Gründen, für eine weitere Ausbildung und aus gesundheitlichen Gründen gewährt werden. Zum Ersatzdienst einberufen wird, wer Mitglied einer eingetragenen religiösen Organisation ist, deren Überzeugung den Gebrauch von Waffen und den Dienst in den Streitkräften, anderen militärischen Formationen und staatlichen Einrichtungen der Kirgisischen Republik nicht zulässt, oder wer eine gewisse Einschränkung aus gesundheitlichen Gründen hat. Verschiedene familiäre Umstände, die keine Zurückstellung der Wehrpflicht mit sich bringen, oder wenn ein wehrdiensttauglicher Bürger schriftlich den Wunsch geäußert hat, Ersatzdienst zu leisten, können dazu führen, dass ein Wehrpflichtiger ein Recht auf Ersatzleistung des Wehrdienstes erhält. Die Dauer des Ersatzdienstes beträgt 18 Monate und ist für den Wehrpflichtigen kostenpflichtig: aus familiären Gründen ist ein Geldbetrag von KGS 18.000 (Som) [ca. EUR 199] zu entrichten; bei Anerkennung einer gesundheitlichen Einschränkung sind es KGS 25.000 [ca. EUR 276]; aus religiösen Gründen sowie aufgrund des geäußerten Wunsches, eine sozial nützliche Arbeit zu leisten, fallen eine Leistung von 48 Stunden gemeinnütziger Arbeit für die gesamte Dienstzeit und ein Geldbetrag in Höhe von KGS 25.000 an. Zudem kann bei medizinischer Feststellung einer Behinderung und nach Zahlung des entsprechenden Geldbetrages gänzlich vom Ersatzdienst befreit werden. Werden die im Gesetz festgelegten Beträge nicht oder nur unvollständig bis zum Ende der Ersatzdienstzeit geleistet, wird die Einberufung zum Ersatzdienst aufgehoben und der Ersatzdienstleistende wird in das Wehrpflichtregister übernommen. In diesem Fall wird der bereits gezahlte Anteil refundiert. Nach Ableistung des Ersatzdienstes und Zahlung des vollen Betrages wird ein Bürger, mit Ausnahme eines Mitglieds einer eingetragenen religiösen Organisation, in die Reserve aufgenommen (WGE KIRG 7.8.2024). Wehrpflichtige Männer, die sich dem Militärdienst entziehen und nicht unter eine Ausnahmeregelung fallen, werden mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren belegt. Die Weigerung, den Wehrdienst abzuleisten oder eine Gebühr zu zahlen, bringt nach Ansicht von Vertretern religiöser Gruppen Wehrdienstverweigerer in Bedrängnis, da der .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 16 von 43

Wehrdienst eine Voraussetzung für den Staatsdienst, aber auch bei vielen privaten Arbeitgebern ist (USDOS 26.6.2024). Quellen: •CIA - Central Intelligence Agency [USA] (19.1.2025): The World Factbook - Kyrgyzstan, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/kyrgyzstan/, Zugriff 23.1.2025 •USDOS - US Department of State [USA] (26.6.2024): 2023 Report on International Religious Freedom : Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2111899.html, Zugriff 11.11.2024 •WGE KIRG - Wehrgesetz [Kirgisistan] (9.2.2009, in der Fassung vom 7.8.2023): Gesetz der Kirgisischen Republik vom 9. Februar 2009 Nr. 43, Über die allgemeine Wehrpflicht der Bürger der Kirgisischen Republik, über den Wehr- und Ersatzdienst, https://cbd.minjust.gov.kg/202536/edition/4231/ru, Zugriff 11.11.2024 9. Allgemeine Menschenrechtslage Die Bürgerrechte sind in Kirgisistan weitgehend gesetzlich verankert. In der neuen Verfassung von 2021 wurden die meisten Bestimmungen und Garantien zu den Bürgerrechten beibehalten, obwohl einige neue Formulierungen potenziell negative Bestimmungen eingeführt haben. Insbesondere verbietet Artikel 10 Aktivitäten, die gegen die „moralischen und ethischen Werte und das öffentliche Gewissen des Volkes“ Kirgisistans verstoßen, was zu Zensur und Diskriminierung führen könnte. Insgesamt sieht die Verfassung jedoch die Gewährleistung und den Schutz aller international anerkannten Menschen- und Bürgerrechte, einschließlich der Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit vor und verpflichtet die Regierung zur Einhaltung. Diese Freiheiten werden jedoch sowohl in der Praxis, als auch durch Gesetze eingeschränkt. Zahlreiche Blogger und Aktivisten, die kritische Informationen über die Regierung und Führung des Landes veröffentlichen, werden strafrechtlich verfolgt oder in Untersuchungshaft genommen (BS 19.3.2024; vgl. IPHR 5.11.2024). Folter und unmenschliche Behandlung sind gesetzlich verboten. Dennoch wird allgemein von körperlichen Misshandlungen in Gefängnissen, einschließlich unmenschlicher und erniedrigender Behandlung, berichtet. Auch Polizeigewalt wird weiterhin als ein Problem eingestuft, insbesondere in Untersuchungshaft und in Haftanstalten, die dem Staatlichen Komitee für Nationale Sicherheit (GKNB) unterstehen (USDOS 23.4.2024). Offizielle Statistiken der kirgisischen Strafverfolgungsbehörden sowie Forschungsergebnisse von lokalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen bestätigen das Vorkommen von Folter. Die unvollständige Definition des Straftatbestandes „Folter“ im kirgisischen Strafgesetzbuch ermöglicht einer großen Zahl potenzieller folternder Personen, auch Personen, die in amtlicher Funktion handeln, sich ihrer Verantwortung zu entziehen. Aufgrund von Verzögerungen bei den Ermittlungen und Gerichtsverfahren wurde in den letzten 10 Jahren kein Beamter wegen der .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 17 von 43

Anwendung von Folter verurteilt. Im Jahr 2023 wurden nach vorläufiger Prüfung von 126 Foltervorwürfen 18 Strafverfahren eingeleitet. Alle diese Fälle wurden jedoch nicht unter dem Tatbestand Folter, sondern unter verwandten („Beinahe-Folter“) Tatbeständen wie Amtsmissbrauch, Amtsüberschreitung etc. eröffnet. Dies ermöglicht es folternden Personen häufig, einer tatsächlichen Bestrafung zu entgehen, da die Straftatbestände der „Beinahe-Folter“ mildere Strafen vorsehen und die für ihre Taten Verurteilten in den Genuss von Amnestien oder bedingter Strafnachsicht kommen können. Im ersten Halbjahr 2024 wurden 66 Beschwerden registriert; davon blieben 60 Fälle ohne Eröffnung eines Strafverfahrens (OMCT 10.2024). Mit Ende Dezember 2023 wird die Anzahl der Gefängnisinsassen mit 7.728 beziffert, bei einer offiziellen Kapazität des Gefängnissystems von 17.134 Haftplätzen (WPB 12.2023). Die Haftbedingungen gelten als hart und manchmal lebensbedrohlich, aufgrund von Nahrungsmittel- und Medikamentenmangel, unzureichender Gesundheitsversorgung, fehlender Heizung und Misshandlungen. Die Einrichtungen für Untersuchungshaft und vorübergehende Inhaftierungen sind besonders überfüllt. Die dortigen Bedingungen sind im Allgemeinen schlechter als in den Gefängnissen und Misshandlungen sind häufiger. Die Behörden halten Jugendliche in der Regel getrennt von Erwachsenen, transferieren die Jugendlichen aber in überfüllte provisorische Haftanstalten, wenn andere Einrichtungen nicht verfügbar sind. NGOs berichten, dass in einigen Fällen Gefängnisbanden die Gefängnisverwaltung und -disziplin kontrollieren, da es den Gefängnisbeamten an Kapazitäten und Fachwissen für den Betrieb einer Einrichtung fehlt. In einigen Fällen kontrollieren die Banden z.B. Essen und Kleidung, die ins Gefängnis gebracht werden. Nach Angaben von NGOs versuchen die Behörden nicht, diese Gruppen zu zerschlagen, weil sie zu mächtig sind. NGOs berichten, dass Wachbeamte mehr Offenheit für Besuche von Beobachtern in Gefängnissen und Haftanstalten zeigen. Die meisten, darunter das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), berichten, dass sie ungehinderten Zugang erhalten. Einige NGOs haben das Recht, Gefängnisse im Rahmen ihrer technischen Hilfe, wie etwa der medizinischen und psychologischen Betreuung, zu besuchen. Das Nationale Zentrum zur Prävention von Folter, eine unabhängige und unparteiische Einrichtung, ist befugt, Haftanstalten zu überwachen (USDOS 23.4.2024). Obwohl seitens der Behörden Maßnahmen zur Verbesserung der Haftbedingungen getroffen werden, werden dennoch die minimalen internationalen und nationalen Standards oft nicht erreicht (OMCT 10.2024). Quellen: •BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105908/country_report_2024_KGZ.pdf, Zugriff 21.11.2024 •IPHR – International Partnership for Human Rights (5.11.2024): The Protection Of Funda- mental Freedoms and Civic Space in Kyrgyzstan: Key Concerns And Recommendations, .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 18 von 43

Briefing paper for the EU, November 2024, https://iphronline.org/wp-content/uploads/2024/11/iphr-briefing-on-civic-space-in- kyrgyzstan-november-2024.pdf, Zugriff 5.12.2024 •OMCT – World Organisation Against Torture (10.2024): Submission for the universal peri- odic review on the situation with torture and in-human treatment in Kyrgyzstan, https://www.omct.org/site-resources/images/2024_Submission-for-UPR.pdf, Zugriff 10.12.2024 •USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2107749.html, Zu- griff 12.11.2024 •WPB - World Prison Brief (12.2023): Kyrgyzstan - Overview, http://www.prisonstudies.org/country/kyrgyzstan, Zugriff 23.1.2025 10. Meinungs- und Pressefreiheit Die Behörden gehen hart gegen unabhängige Journalisten und investigative Medien vor, indem sie politisch motivierte Inhaftierungen und Strafverfolgungen durchführen (HRW 16.1.2025). Aktuell belegt Kirgisistan im Pressefreiheitsindex 2024 von Reporter ohne Grenzen Platz 120 von 180 Ländern (RsF 2024). Zum Vergleich: Im Jahr 2022 lag Kirgisistan im Index noch auf Platz 72 von 180 (RsF 2022). Die Regierung kontrolliert alle traditionellen Medien und versucht, ihren Einfluss auf private Medien auszudehnen. Radio und Fernsehen sind für den Großteil der Bevölkerung nach wie vor die wichtigsten Nachrichtenquellen. Die kirgisischen Medien sind zunehmend unter Druck. Große Teile der Gesellschaft werden von der Regierungspropaganda beeinflusst, die unabhängige Medien als „Feinde des Volkes“ und „Sklaven des Westens“ darstellt (RsF 2024). Journalisten berichten über Schikanen durch die Polizei, Einschüchterungen und Druck durch lokale und nationale Behörden (USDOS 23.4.2024), sowie Verurteilungen wegen Verleumdung (RsF 2024), um sie davon abzuhalten, über heikle Themen wie ethnische Konflikte und Nationalismus, Korruption, Gewalt an der Grenze zu Tadschikistan, die russische Invasion in der Ukraine und Politiker zu berichten (USDOS 23.4.2024; vgl. RsF 2024). Am 15. und 16.1.2024 kam es zu Durchsuchungen verschiedenster Büros von regierungskritischen Medienunternehmen, wie 24.kg, Temirow Live, Politklinika, Ayt Ayt Dese, Alga Media und Archa Media. Insgesamt verhaftete die Polizei 11 Journalisten und beschlagnahmte im Fall von 24.kg Computer und Telefone. Am 9.2.2024 wurde das unabhängige Medienunternehmen Kloop Media, welches immer wieder kritisch über die kirgisische Regierung und einzelne Beamte berichtet hatte, auf Anordnung eines Gerichtes geschlossen (FPRI 12.4.2024). Die Behörden kritisierten eine zu negative Berichterstattung durch Kloop, die angeblich darauf abgezielt hat, Regierungsbeamte zu diskreditieren (FH 29.2.2024) sowie Angst und Panik in der Gesellschaft zu verbreiten (FPRI 12.4.2024). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 19 von 43

Im September 2024 bestätigte der Oberste Gerichtshof Kirgisistans den Liquidationsbeschluss von Kloop Media mit der Begründung, das Unternehmen habe sich nicht als Medienunternehmen registriert und „öffentlich zur gewaltsamen Machtübernahme aufgerufen“. Im Oktober 2024 wurden vier von elf aktuellen und ehemaligen Journalisten, die mit Temirow Live in Verbindung stehen, für schuldig befunden, zu Ungehorsam und Aufständen aufgerufen zu haben. Zwei wurden zu sechs bzw. fünf Jahren Gefängnis verurteilt, zwei erhielten Bewährungsstrafen (HRW 16.1.2025). Medienvertreter berichten, dass sie von nichtstaatlichen Akteuren, insbesondere politisch vernetzten und wohlhabenden Personen, bedrängt wurden, weil sie über angebliche Korruption und anderes Fehlverhalten dieser Personen berichteten. Journalisten berichten auch über eine Zunahme von Online-Belästigungen und über Versuche, in ihre privaten Online-Konten einzudringen. Daher üben Journalisten gelegentlich Selbstzensur aus, um Vergeltungsmaßnahmen für ihre Berichterstattung zu vermeiden. Zudem gibt es Berichte, wonach einige Nachrichtenagenturen Anweisungen erteilt haben, nicht kritisch über bestimmte Politiker oder Regierungsvertreter zu berichten. Darüber hinaus gibt es Hinweise auf Anweisungen von Regierungsstellen, dass Nachrichtenagenturen auf eine bestimmte Art und Weise berichten oder bestimmte Nachrichten ignorieren sollen (USDOS 23.4.2024). Die Medienlandschaft ist relativ vielfältig, aber entlang ethnischer Grenzen gespalten (FH 29.2.2024). Regierungsbehörden wenden verstärkt Gesetze über „Anstiftung zu interethnischem, religiösem und interregionalem Hass“, „öffentliche Aufrufe zur gewaltsamen Machtübernahme“ und „versuchte Massenunruhen“ an, um das Recht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken (USDOS 23.4.2024). Ein Gesetz von 2014 stellt falsche Informationen zu Verbrechen oder Vergehen in den Medien unter Strafe. Internationale Beobachter sehen darin einen Widerspruch zur Entkriminalisierung der Diffamierung im Jahr 2011. Das Strafmaß beträgt hierfür bis zu drei Jahre oder bis zu fünf Jahre Haft, wenn die Behauptung den Interessen der organisierten Kriminalität dient oder mit der Fälschung von Beweisen verbunden ist (FH 29.2.2024). Im Jahr 2021 verabschiedete das Parlament unter direkter Leitung von Dschaparow ein neues Gesetz über „Falschinformationen“. Das umstrittene Gesetz gibt der Regierung die Befugnis, Diensteanbieter anzuweisen, Informationen zu sperren, die von den Behörden als falsch eingestuft werden, und eine Datenbank über Personen zu erstellen, die mit Online-Aktivitäten in Verbindung gebracht werden (einschließlich angeblicher Verleumdungen), die von den Behörden gemeldet werden. Menschenrechtsaktivisten behaupten, dass das Gesetz eine legale Zensur außerhalb der Gerichte vorsieht (FH 29.2.2024). Am 14. August 2023 unterzeichnete Präsident Dschaparow das Gesetz „Über Maßnahmen zur Verhinderung von Schäden an der Gesundheit von Kindern sowie ihrer körperlichen, geistigen, .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 20 von 43

seelischen, spirituellen und moralischen Entwicklung in der Kirgisischen Republik und über Massenmedien“, das es der Regierung erlaubt, den Zugang zu Informationen, auch online, einzuschränken, die sie als schädlich für Kinder erachtet. Medienaktivisten sagen, dass das Gesetz zensiert und willkürliche Beschränkungen des Zugangs der Bürger zu Informationen verhängt (USDOS 23.4.2024). Im April 2024 sperrten die meisten Internetanbieter in Kirgisistan den Zugang zur Social-Media-Plattform TikTok, angeblich um „Gesundheitsschäden für Kinder zu vermeiden“. Seit Mai 2024 ist TikTok von keinem mobilen Netzbetreiber aus mehr erreichbar, aber bei einigen Festnetzbetreibern kann weiterhin zugegriffen werden (FH 16.10.2024). Quellen: •FH - Freedom House (16.10.2024): Freedom on the Net 2024 - Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2116563.html, Zugriff 4.12.2024 •FH - Freedom House (29.2.2024): Freedom in the World 2024 - Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/document/2108023.html, Zugriff 18.11.2024 •FPRI - Foreign Policy Research Institute (12.4.2024): Kyrgyzstan: Central Asia’s Island of Democracy Sinks Into Authoritarianism, https://www.fpri.org/article/2024/04/kyrgyzstan- central-asias-island-of-democracy-sinks-into-authoritarianism/, Zugriff 4.12.2024 •HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 – Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/document/2120094.html, Zugriff 17.1.2025 •RsF – Reporter ohne Grenzen (2024): Kyrgyzstan, https://rsf.org/en/country/kyrgyzstan, Zugriff 4.12.2024 •RsF - Reporter ohne Grenzen (2022): Rangliste der Pressefreiheit 2022, https://www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/Ranglisten/ Rangliste_2022/RSF_Rangliste_der_Pressefreiheit_2022.pdf, Zugriff 4.12.2024 •USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2107749.html, Zu- griff 12.11.2024 11. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition Der zivilgesellschaftliche Sektor in Kirgisistan gilt als einer der am stärksten ausgeprägten in Zentralasien. Vertreter von zivilgesellschaftlichen Organisationen (CSO) wirken durch zahlreiche öffentliche Beratungsgremien in Ministerien und Behörden auf nationaler und lokaler Ebene mit. Derzeit sind mehr als 23.700 zivilgesellschaftliche Organisationen registriert, wobei jedoch nur ca. ein Drittel aktiv sind und in vielen Bereichen wie etwa Menschenrechten, einschließlich der Unterstützung gefährdeter Gruppen, Kultur, Kunst, Gesundheit, Umweltschutz etc. agieren. CSOs, darunter fallen auch NGOs (EUR-Lex 8.11.2023), sind in Kirgisistan als Non-Commercial Organisationen (NCO) registriert. Die Mehrheit der CSOs in Kirgisistan ist auf ausländische Finanzierung angewiesen. Allerdings gibt es Bestrebungen, diese einzuschränken (ICNL 7.11.2024). Die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit ist durch die Verfassung und die entsprechenden Gesetze gewährleistet, darunter das Gesetz über nichtkommerzielle Organisationen, das Gesetz .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 21 von 43

über politische Parteien und das Gesetz über friedliche Versammlungen (BS 19.3.2024). Obwohl die Vereinigungsfreiheit im Gesetz verankert ist, kommt es dennoch verstärkt zu Beeinträchtigungen durch die Regierung. So ist es politischen Parteien und NGOs, die vom Ausland Geldmittel erhalten, per Gesetz verboten, politische Ziele zu verfolgen. NGOs berichten von Belästigungen durch Sicherheitsbehörden, darunter unangekündigte Besuche der NGO-Büros, Veröffentlichungen von Informationen über Mitarbeiter und Drohungen (USDOS 23.4.2024). Am 2. April 2024 unterzeichnete der Präsident das Gesetz über Änderungen des Gesetzes über NCOs, auch bekannt als Gesetz über ausländische Vertreter. Damit sind NCOs, die Gelder aus ausländischen Quellen erhalten, verpflichtet, sich als „ausländische Vertreter“ zu registrieren und auch öffentlich zu deklarieren sowie jährlich unabhängige Prüfberichte an die Behörden zu übermitteln. Das Justizministerium kann wiederum Inspektionen durchführen, sich in interne Angelegenheiten einmischen, die Geschäftstätigkeit nach eigenem Ermessen bis zu sechs Monaten aussetzen und hat anschließend die Möglichkeit der gerichtlichen Liquidation (ICNL 4.4.2024; vgl. HRW 16.1.2025). Bislang haben sich lediglich drei NGOs registriert, einige von ihnen haben sich aufgelöst, andere haben sich als kommerzielle Organisationen neu registriert (HRW 16.1.2025). Bestimmungen, wie die Verpflichtung für alle derartigen Organisationen, sich immer wieder neu zu registrieren, können die Vereinigungsfreiheit untergraben (BS 19.3.2024). Organisatoren und Teilnehmer von Versammlungen sind für die Benachrichtigung der Behörden über geplante Versammlungen verantwortlich, aber die Verfassung verbietet es den Behörden, friedliche Versammlungen auch ohne vorherige Ankündigung zu verbieten oder einzuschränken. Die lokalen Behörden haben jedoch das Recht, das Ende einer öffentlichen Aktion zu fordern, und können bei Nichtbefolgung auch Versammlungen auflösen, gegebenenfalls auch durch Verhaftungen (USDOS 23.4.2024). Im Zuge des Konflikts zwischen Russland und Ukraine hatten im März 2022 alle vier Bezirksgerichte Bischkeks öffentliche Versammlungen und Kundgebungen verboten, mit Ausnahme des Gorky Parks in Bischkek, wo weiterhin friedliche Versammlungen erlaubt waren (USDOS 23.4.2024; vgl. BS 19.3.2024). Das Verbot erfolgte auf Betreiben der russischen Botschaft in Bischkek, die damit Versammlungen vor ihrem Gebäude verhindert wollte. Das Versammlungsverbot betraf schließlich das Gebiet um die russische Botschaft, die Präsidialadministration, das Parlament, den Obersten Gerichtshof, das Innenministerium und das Hauptquartier des GKNB (Staatskomitee für Nationale Sicherheit). Von dem Verbot ausgenommen waren Staats- und Kommunalveranstaltungen (IPHR 26.4.2024). Dieses Verbot wurde immer wieder verlängert und lief schließlich am 30.9.2024 ohne weitere Verlängerung aus. Auch in der Stadt Osch wurden jegliche Versammlungen vor dem Amtsgebäude des Bürgermeisters und auf dem zentralen Platz von 27. Juni bis 31. Dezember 2024 verboten, lediglich im Ataturk Park durften weiterhin Versammlungen stattfinden. Neben den pauschalen Beschränkungen von .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 22 von 43
