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8. Wehrdienst, Wehrersatzdienst und Wehrdienstverweigerung / Desertion Für Männer im Alter zwischen 18 und 25 Jahren bestehen eine Wehrpflicht oder die Möglichkeit eines Wehrersatzdienstes (WGE KIRG 7.8.2024). Die obligatorische Dienstzeit beträgt 12 Monate, verkürzt sich allerdings für Hochschulabsolventen auf 9 Monate (CIA 19.1.2025). Frauen zwischen 19 und 40 Jahren können freiwillig bei der Armee dienen (WGE KIRG 7.8.2024). 16- bis 17-jährige Militärkadetten können nicht an militärischen Operationen teilnehmen (CIA 19.1.2025). Männliche Wehrpflichtige, die aus religiösen, gesundheitlichen oder familiären Gründen den verpflichtenden Wehrdienst nicht leisten können oder kein Recht auf Zurückstellung der Wehrpflicht haben, sind laut Artikel 32 des Wehrgesetzes zur Leistung eines Ersatzdienstes verpflichtet. Eine Zurückstellung vom Wehrdienst kann bei gewissen familiären Gründen, für eine weitere Ausbildung und aus gesundheitlichen Gründen gewährt werden. Zum Ersatzdienst einberufen wird, wer Mitglied einer eingetragenen religiösen Organisation ist, deren Überzeugung den Gebrauch von Waffen und den Dienst in den Streitkräften, anderen militärischen Formationen und staatlichen Einrichtungen der Kirgisischen Republik nicht zulässt, oder wer eine gewisse Einschränkung aus gesundheitlichen Gründen hat. Verschiedene familiäre Umstände, die keine Zurückstellung der Wehrpflicht mit sich bringen, oder wenn ein wehrdiensttauglicher Bürger schriftlich den Wunsch geäußert hat, Ersatzdienst zu leisten, können dazu führen, dass ein Wehrpflichtiger ein Recht auf Ersatzleistung des Wehrdienstes erhält. Die Dauer des Ersatzdienstes beträgt 18 Monate und ist für den Wehrpflichtigen kostenpflichtig: aus familiären Gründen ist ein Geldbetrag von KGS 18.000 (Som) [ca. EUR 199] zu entrichten; bei Anerkennung einer gesundheitlichen Einschränkung sind es KGS 25.000 [ca. EUR 276]; aus religiösen Gründen sowie aufgrund des geäußerten Wunsches, eine sozial nützliche Arbeit zu leisten, fallen eine Leistung von 48 Stunden gemeinnütziger Arbeit für die gesamte Dienstzeit und ein Geldbetrag in Höhe von KGS 25.000 an. Zudem kann bei medizinischer Feststellung einer Behinderung und nach Zahlung des entsprechenden Geldbetrages gänzlich vom Ersatzdienst befreit werden. Werden die im Gesetz festgelegten Beträge nicht oder nur unvollständig bis zum Ende der Ersatzdienstzeit geleistet, wird die Einberufung zum Ersatzdienst aufgehoben und der Ersatzdienstleistende wird in das Wehrpflichtregister übernommen. In diesem Fall wird der bereits gezahlte Anteil refundiert. Nach Ableistung des Ersatzdienstes und Zahlung des vollen Betrages wird ein Bürger, mit Ausnahme eines Mitglieds einer eingetragenen religiösen Organisation, in die Reserve aufgenommen (WGE KIRG 7.8.2024). Wehrpflichtige Männer, die sich dem Militärdienst entziehen und nicht unter eine Ausnahmeregelung fallen, werden mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren belegt. Die Weigerung, den Wehrdienst abzuleisten oder eine Gebühr zu zahlen, bringt nach Ansicht von Vertretern religiöser Gruppen Wehrdienstverweigerer in Bedrängnis, da der .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 16 von 43

Wehrdienst eine Voraussetzung für den Staatsdienst, aber auch bei vielen privaten Arbeitgebern ist (USDOS 26.6.2024). Quellen: •CIA - Central Intelligence Agency [USA] (19.1.2025): The World Factbook - Kyrgyzstan, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/kyrgyzstan/, Zugriff 23.1.2025 •USDOS - US Department of State [USA] (26.6.2024): 2023 Report on International Religious Freedom : Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2111899.html, Zugriff 11.11.2024 •WGE KIRG - Wehrgesetz [Kirgisistan] (9.2.2009, in der Fassung vom 7.8.2023): Gesetz der Kirgisischen Republik vom 9. Februar 2009 Nr. 43, Über die allgemeine Wehrpflicht der Bürger der Kirgisischen Republik, über den Wehr- und Ersatzdienst, https://cbd.minjust.gov.kg/202536/edition/4231/ru, Zugriff 11.11.2024 9. Allgemeine Menschenrechtslage Die Bürgerrechte sind in Kirgisistan weitgehend gesetzlich verankert. In der neuen Verfassung von 2021 wurden die meisten Bestimmungen und Garantien zu den Bürgerrechten beibehalten, obwohl einige neue Formulierungen potenziell negative Bestimmungen eingeführt haben. Insbesondere verbietet Artikel 10 Aktivitäten, die gegen die „moralischen und ethischen Werte und das öffentliche Gewissen des Volkes“ Kirgisistans verstoßen, was zu Zensur und Diskriminierung führen könnte. Insgesamt sieht die Verfassung jedoch die Gewährleistung und den Schutz aller international anerkannten Menschen- und Bürgerrechte, einschließlich der Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit vor und verpflichtet die Regierung zur Einhaltung. Diese Freiheiten werden jedoch sowohl in der Praxis, als auch durch Gesetze eingeschränkt. Zahlreiche Blogger und Aktivisten, die kritische Informationen über die Regierung und Führung des Landes veröffentlichen, werden strafrechtlich verfolgt oder in Untersuchungshaft genommen (BS 19.3.2024; vgl. IPHR 5.11.2024). Folter und unmenschliche Behandlung sind gesetzlich verboten. Dennoch wird allgemein von körperlichen Misshandlungen in Gefängnissen, einschließlich unmenschlicher und erniedrigender Behandlung, berichtet. Auch Polizeigewalt wird weiterhin als ein Problem eingestuft, insbesondere in Untersuchungshaft und in Haftanstalten, die dem Staatlichen Komitee für Nationale Sicherheit (GKNB) unterstehen (USDOS 23.4.2024). Offizielle Statistiken der kirgisischen Strafverfolgungsbehörden sowie Forschungsergebnisse von lokalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen bestätigen das Vorkommen von Folter. Die unvollständige Definition des Straftatbestandes „Folter“ im kirgisischen Strafgesetzbuch ermöglicht einer großen Zahl potenzieller folternder Personen, auch Personen, die in amtlicher Funktion handeln, sich ihrer Verantwortung zu entziehen. Aufgrund von Verzögerungen bei den Ermittlungen und Gerichtsverfahren wurde in den letzten 10 Jahren kein Beamter wegen der .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 17 von 43

Anwendung von Folter verurteilt. Im Jahr 2023 wurden nach vorläufiger Prüfung von 126 Foltervorwürfen 18 Strafverfahren eingeleitet. Alle diese Fälle wurden jedoch nicht unter dem Tatbestand Folter, sondern unter verwandten („Beinahe-Folter“) Tatbeständen wie Amtsmissbrauch, Amtsüberschreitung etc. eröffnet. Dies ermöglicht es folternden Personen häufig, einer tatsächlichen Bestrafung zu entgehen, da die Straftatbestände der „Beinahe-Folter“ mildere Strafen vorsehen und die für ihre Taten Verurteilten in den Genuss von Amnestien oder bedingter Strafnachsicht kommen können. Im ersten Halbjahr 2024 wurden 66 Beschwerden registriert; davon blieben 60 Fälle ohne Eröffnung eines Strafverfahrens (OMCT 10.2024). Mit Ende Dezember 2023 wird die Anzahl der Gefängnisinsassen mit 7.728 beziffert, bei einer offiziellen Kapazität des Gefängnissystems von 17.134 Haftplätzen (WPB 12.2023). Die Haftbedingungen gelten als hart und manchmal lebensbedrohlich, aufgrund von Nahrungsmittel- und Medikamentenmangel, unzureichender Gesundheitsversorgung, fehlender Heizung und Misshandlungen. Die Einrichtungen für Untersuchungshaft und vorübergehende Inhaftierungen sind besonders überfüllt. Die dortigen Bedingungen sind im Allgemeinen schlechter als in den Gefängnissen und Misshandlungen sind häufiger. Die Behörden halten Jugendliche in der Regel getrennt von Erwachsenen, transferieren die Jugendlichen aber in überfüllte provisorische Haftanstalten, wenn andere Einrichtungen nicht verfügbar sind. NGOs berichten, dass in einigen Fällen Gefängnisbanden die Gefängnisverwaltung und -disziplin kontrollieren, da es den Gefängnisbeamten an Kapazitäten und Fachwissen für den Betrieb einer Einrichtung fehlt. In einigen Fällen kontrollieren die Banden z.B. Essen und Kleidung, die ins Gefängnis gebracht werden. Nach Angaben von NGOs versuchen die Behörden nicht, diese Gruppen zu zerschlagen, weil sie zu mächtig sind. NGOs berichten, dass Wachbeamte mehr Offenheit für Besuche von Beobachtern in Gefängnissen und Haftanstalten zeigen. Die meisten, darunter das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), berichten, dass sie ungehinderten Zugang erhalten. Einige NGOs haben das Recht, Gefängnisse im Rahmen ihrer technischen Hilfe, wie etwa der medizinischen und psychologischen Betreuung, zu besuchen. Das Nationale Zentrum zur Prävention von Folter, eine unabhängige und unparteiische Einrichtung, ist befugt, Haftanstalten zu überwachen (USDOS 23.4.2024). Obwohl seitens der Behörden Maßnahmen zur Verbesserung der Haftbedingungen getroffen werden, werden dennoch die minimalen internationalen und nationalen Standards oft nicht erreicht (OMCT 10.2024). Quellen: •BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105908/country_report_2024_KGZ.pdf, Zugriff 21.11.2024 •IPHR – International Partnership for Human Rights (5.11.2024): The Protection Of Funda- mental Freedoms and Civic Space in Kyrgyzstan: Key Concerns And Recommendations, .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 18 von 43

Briefing paper for the EU, November 2024, https://iphronline.org/wp-content/uploads/2024/11/iphr-briefing-on-civic-space-in- kyrgyzstan-november-2024.pdf, Zugriff 5.12.2024 •OMCT – World Organisation Against Torture (10.2024): Submission for the universal peri- odic review on the situation with torture and in-human treatment in Kyrgyzstan, https://www.omct.org/site-resources/images/2024_Submission-for-UPR.pdf, Zugriff 10.12.2024 •USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2107749.html, Zu- griff 12.11.2024 •WPB - World Prison Brief (12.2023): Kyrgyzstan - Overview, http://www.prisonstudies.org/country/kyrgyzstan, Zugriff 23.1.2025 10. Meinungs- und Pressefreiheit Die Behörden gehen hart gegen unabhängige Journalisten und investigative Medien vor, indem sie politisch motivierte Inhaftierungen und Strafverfolgungen durchführen (HRW 16.1.2025). Aktuell belegt Kirgisistan im Pressefreiheitsindex 2024 von Reporter ohne Grenzen Platz 120 von 180 Ländern (RsF 2024). Zum Vergleich: Im Jahr 2022 lag Kirgisistan im Index noch auf Platz 72 von 180 (RsF 2022). Die Regierung kontrolliert alle traditionellen Medien und versucht, ihren Einfluss auf private Medien auszudehnen. Radio und Fernsehen sind für den Großteil der Bevölkerung nach wie vor die wichtigsten Nachrichtenquellen. Die kirgisischen Medien sind zunehmend unter Druck. Große Teile der Gesellschaft werden von der Regierungspropaganda beeinflusst, die unabhängige Medien als „Feinde des Volkes“ und „Sklaven des Westens“ darstellt (RsF 2024). Journalisten berichten über Schikanen durch die Polizei, Einschüchterungen und Druck durch lokale und nationale Behörden (USDOS 23.4.2024), sowie Verurteilungen wegen Verleumdung (RsF 2024), um sie davon abzuhalten, über heikle Themen wie ethnische Konflikte und Nationalismus, Korruption, Gewalt an der Grenze zu Tadschikistan, die russische Invasion in der Ukraine und Politiker zu berichten (USDOS 23.4.2024; vgl. RsF 2024). Am 15. und 16.1.2024 kam es zu Durchsuchungen verschiedenster Büros von regierungskritischen Medienunternehmen, wie 24.kg, Temirow Live, Politklinika, Ayt Ayt Dese, Alga Media und Archa Media. Insgesamt verhaftete die Polizei 11 Journalisten und beschlagnahmte im Fall von 24.kg Computer und Telefone. Am 9.2.2024 wurde das unabhängige Medienunternehmen Kloop Media, welches immer wieder kritisch über die kirgisische Regierung und einzelne Beamte berichtet hatte, auf Anordnung eines Gerichtes geschlossen (FPRI 12.4.2024). Die Behörden kritisierten eine zu negative Berichterstattung durch Kloop, die angeblich darauf abgezielt hat, Regierungsbeamte zu diskreditieren (FH 29.2.2024) sowie Angst und Panik in der Gesellschaft zu verbreiten (FPRI 12.4.2024). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 19 von 43

Im September 2024 bestätigte der Oberste Gerichtshof Kirgisistans den Liquidationsbeschluss von Kloop Media mit der Begründung, das Unternehmen habe sich nicht als Medienunternehmen registriert und „öffentlich zur gewaltsamen Machtübernahme aufgerufen“. Im Oktober 2024 wurden vier von elf aktuellen und ehemaligen Journalisten, die mit Temirow Live in Verbindung stehen, für schuldig befunden, zu Ungehorsam und Aufständen aufgerufen zu haben. Zwei wurden zu sechs bzw. fünf Jahren Gefängnis verurteilt, zwei erhielten Bewährungsstrafen (HRW 16.1.2025). Medienvertreter berichten, dass sie von nichtstaatlichen Akteuren, insbesondere politisch vernetzten und wohlhabenden Personen, bedrängt wurden, weil sie über angebliche Korruption und anderes Fehlverhalten dieser Personen berichteten. Journalisten berichten auch über eine Zunahme von Online-Belästigungen und über Versuche, in ihre privaten Online-Konten einzudringen. Daher üben Journalisten gelegentlich Selbstzensur aus, um Vergeltungsmaßnahmen für ihre Berichterstattung zu vermeiden. Zudem gibt es Berichte, wonach einige Nachrichtenagenturen Anweisungen erteilt haben, nicht kritisch über bestimmte Politiker oder Regierungsvertreter zu berichten. Darüber hinaus gibt es Hinweise auf Anweisungen von Regierungsstellen, dass Nachrichtenagenturen auf eine bestimmte Art und Weise berichten oder bestimmte Nachrichten ignorieren sollen (USDOS 23.4.2024). Die Medienlandschaft ist relativ vielfältig, aber entlang ethnischer Grenzen gespalten (FH 29.2.2024). Regierungsbehörden wenden verstärkt Gesetze über „Anstiftung zu interethnischem, religiösem und interregionalem Hass“, „öffentliche Aufrufe zur gewaltsamen Machtübernahme“ und „versuchte Massenunruhen“ an, um das Recht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken (USDOS 23.4.2024). Ein Gesetz von 2014 stellt falsche Informationen zu Verbrechen oder Vergehen in den Medien unter Strafe. Internationale Beobachter sehen darin einen Widerspruch zur Entkriminalisierung der Diffamierung im Jahr 2011. Das Strafmaß beträgt hierfür bis zu drei Jahre oder bis zu fünf Jahre Haft, wenn die Behauptung den Interessen der organisierten Kriminalität dient oder mit der Fälschung von Beweisen verbunden ist (FH 29.2.2024). Im Jahr 2021 verabschiedete das Parlament unter direkter Leitung von Dschaparow ein neues Gesetz über „Falschinformationen“. Das umstrittene Gesetz gibt der Regierung die Befugnis, Diensteanbieter anzuweisen, Informationen zu sperren, die von den Behörden als falsch eingestuft werden, und eine Datenbank über Personen zu erstellen, die mit Online-Aktivitäten in Verbindung gebracht werden (einschließlich angeblicher Verleumdungen), die von den Behörden gemeldet werden. Menschenrechtsaktivisten behaupten, dass das Gesetz eine legale Zensur außerhalb der Gerichte vorsieht (FH 29.2.2024). Am 14. August 2023 unterzeichnete Präsident Dschaparow das Gesetz „Über Maßnahmen zur Verhinderung von Schäden an der Gesundheit von Kindern sowie ihrer körperlichen, geistigen, .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 20 von 43

seelischen, spirituellen und moralischen Entwicklung in der Kirgisischen Republik und über Massenmedien“, das es der Regierung erlaubt, den Zugang zu Informationen, auch online, einzuschränken, die sie als schädlich für Kinder erachtet. Medienaktivisten sagen, dass das Gesetz zensiert und willkürliche Beschränkungen des Zugangs der Bürger zu Informationen verhängt (USDOS 23.4.2024). Im April 2024 sperrten die meisten Internetanbieter in Kirgisistan den Zugang zur Social-Media-Plattform TikTok, angeblich um „Gesundheitsschäden für Kinder zu vermeiden“. Seit Mai 2024 ist TikTok von keinem mobilen Netzbetreiber aus mehr erreichbar, aber bei einigen Festnetzbetreibern kann weiterhin zugegriffen werden (FH 16.10.2024). Quellen: •FH - Freedom House (16.10.2024): Freedom on the Net 2024 - Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2116563.html, Zugriff 4.12.2024 •FH - Freedom House (29.2.2024): Freedom in the World 2024 - Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/document/2108023.html, Zugriff 18.11.2024 •FPRI - Foreign Policy Research Institute (12.4.2024): Kyrgyzstan: Central Asia’s Island of Democracy Sinks Into Authoritarianism, https://www.fpri.org/article/2024/04/kyrgyzstan- central-asias-island-of-democracy-sinks-into-authoritarianism/, Zugriff 4.12.2024 •HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 – Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/document/2120094.html, Zugriff 17.1.2025 •RsF – Reporter ohne Grenzen (2024): Kyrgyzstan, https://rsf.org/en/country/kyrgyzstan, Zugriff 4.12.2024 •RsF - Reporter ohne Grenzen (2022): Rangliste der Pressefreiheit 2022, https://www.reporter-ohne-grenzen.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/Ranglisten/ Rangliste_2022/RSF_Rangliste_der_Pressefreiheit_2022.pdf, Zugriff 4.12.2024 •USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2107749.html, Zu- griff 12.11.2024 11. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition Der zivilgesellschaftliche Sektor in Kirgisistan gilt als einer der am stärksten ausgeprägten in Zentralasien. Vertreter von zivilgesellschaftlichen Organisationen (CSO) wirken durch zahlreiche öffentliche Beratungsgremien in Ministerien und Behörden auf nationaler und lokaler Ebene mit. Derzeit sind mehr als 23.700 zivilgesellschaftliche Organisationen registriert, wobei jedoch nur ca. ein Drittel aktiv sind und in vielen Bereichen wie etwa Menschenrechten, einschließlich der Unterstützung gefährdeter Gruppen, Kultur, Kunst, Gesundheit, Umweltschutz etc. agieren. CSOs, darunter fallen auch NGOs (EUR-Lex 8.11.2023), sind in Kirgisistan als Non-Commercial Organisationen (NCO) registriert. Die Mehrheit der CSOs in Kirgisistan ist auf ausländische Finanzierung angewiesen. Allerdings gibt es Bestrebungen, diese einzuschränken (ICNL 7.11.2024). Die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit ist durch die Verfassung und die entsprechenden Gesetze gewährleistet, darunter das Gesetz über nichtkommerzielle Organisationen, das Gesetz .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 21 von 43

über politische Parteien und das Gesetz über friedliche Versammlungen (BS 19.3.2024). Obwohl die Vereinigungsfreiheit im Gesetz verankert ist, kommt es dennoch verstärkt zu Beeinträchtigungen durch die Regierung. So ist es politischen Parteien und NGOs, die vom Ausland Geldmittel erhalten, per Gesetz verboten, politische Ziele zu verfolgen. NGOs berichten von Belästigungen durch Sicherheitsbehörden, darunter unangekündigte Besuche der NGO-Büros, Veröffentlichungen von Informationen über Mitarbeiter und Drohungen (USDOS 23.4.2024). Am 2. April 2024 unterzeichnete der Präsident das Gesetz über Änderungen des Gesetzes über NCOs, auch bekannt als Gesetz über ausländische Vertreter. Damit sind NCOs, die Gelder aus ausländischen Quellen erhalten, verpflichtet, sich als „ausländische Vertreter“ zu registrieren und auch öffentlich zu deklarieren sowie jährlich unabhängige Prüfberichte an die Behörden zu übermitteln. Das Justizministerium kann wiederum Inspektionen durchführen, sich in interne Angelegenheiten einmischen, die Geschäftstätigkeit nach eigenem Ermessen bis zu sechs Monaten aussetzen und hat anschließend die Möglichkeit der gerichtlichen Liquidation (ICNL 4.4.2024; vgl. HRW 16.1.2025). Bislang haben sich lediglich drei NGOs registriert, einige von ihnen haben sich aufgelöst, andere haben sich als kommerzielle Organisationen neu registriert (HRW 16.1.2025). Bestimmungen, wie die Verpflichtung für alle derartigen Organisationen, sich immer wieder neu zu registrieren, können die Vereinigungsfreiheit untergraben (BS 19.3.2024). Organisatoren und Teilnehmer von Versammlungen sind für die Benachrichtigung der Behörden über geplante Versammlungen verantwortlich, aber die Verfassung verbietet es den Behörden, friedliche Versammlungen auch ohne vorherige Ankündigung zu verbieten oder einzuschränken. Die lokalen Behörden haben jedoch das Recht, das Ende einer öffentlichen Aktion zu fordern, und können bei Nichtbefolgung auch Versammlungen auflösen, gegebenenfalls auch durch Verhaftungen (USDOS 23.4.2024). Im Zuge des Konflikts zwischen Russland und Ukraine hatten im März 2022 alle vier Bezirksgerichte Bischkeks öffentliche Versammlungen und Kundgebungen verboten, mit Ausnahme des Gorky Parks in Bischkek, wo weiterhin friedliche Versammlungen erlaubt waren (USDOS 23.4.2024; vgl. BS 19.3.2024). Das Verbot erfolgte auf Betreiben der russischen Botschaft in Bischkek, die damit Versammlungen vor ihrem Gebäude verhindert wollte. Das Versammlungsverbot betraf schließlich das Gebiet um die russische Botschaft, die Präsidialadministration, das Parlament, den Obersten Gerichtshof, das Innenministerium und das Hauptquartier des GKNB (Staatskomitee für Nationale Sicherheit). Von dem Verbot ausgenommen waren Staats- und Kommunalveranstaltungen (IPHR 26.4.2024). Dieses Verbot wurde immer wieder verlängert und lief schließlich am 30.9.2024 ohne weitere Verlängerung aus. Auch in der Stadt Osch wurden jegliche Versammlungen vor dem Amtsgebäude des Bürgermeisters und auf dem zentralen Platz von 27. Juni bis 31. Dezember 2024 verboten, lediglich im Ataturk Park durften weiterhin Versammlungen stattfinden. Neben den pauschalen Beschränkungen von .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 22 von 43

friedlichen Versammlungen kommt es auch häufig zu Verhaftungen und Anklagen von Aktivisten, die von ihrem Versammlungsrecht und Recht auf freie Meinung Gebrauch machen möchten (IPHR 5.11.2024). Das Justizministerium zählt derzeit 226 registrierte politische Parteien. Viele davon sind inaktiv, aber einige Dutzend sind weiterhin aktiv und nehmen an Präsidentschafts- und Parlamentswahlen teil (FPRI 12.4.2024). Bei oppositioneller Tätigkeit außerhalb des Parlaments bzw. nicht durch Abgeordnete ist die Schutzfähigkeit nur eingeschränkt gegeben. Der Spielraum der Zivilgesellschaft wurde in den letzten Jahren schrittweise stark eingeschränkt. Mit der Machtübernahme durch Dschaparow steht nunmehr auch in Kirgistan analog zu anderen zentralasiatischen Staaten ein starker Mann an der Spitze des Staates (ÖB 1.2023). Wie bereits bei den vorherigen, 2011 und 2017 gewählten, Regierungen verfolgt auch die aktuelle Regierung politische Gegner unter dem Vorwand, Amtsmissbrauch zu bekämpfen. Im Visier der aktuellen Regierung stehen u. a. die Spitzenpolitiker früherer Regierungen und offen auftretende Mitglieder der Opposition (BS 19.3.2024). Oppositionsparteien in Kirgisistan sind stark auf einzelne Personen zugeschnitten und von diesen abhängig. In einer solchen Situation kann das juristische Vorgehen und eine Verurteilung der Parteiführung schnell dazu führen, dass die gesamte Partei zum Schweigen gebracht wird. Seit 2022 wurden jährlich mehrere Oppositionspolitiker verhaftet und strafrechtlich verfolgt, darunter Mitglieder der Oppositionsparteien Butun Kyrgyzstan oder Eldik Kenesh (FPRI 12.4.2024). Eldik Kenesh wird von Freedom House und in den Medien als obskure Partei bezeichnet. 2023 wurden die Parteivorsitzende Rosa Nurmatova und 30 weitere Personen wegen Verschwörung und Umsturzplänen verhaftet (FH 29.2.2024; vgl. Eurasianet 6.6.2023). Am 26.3.2024 wurde Adakhan Madumarov, Vorsitzender von Butun Kyrgyzstan, der bis dahin wichtigsten Oppositionspartei im kirgisischen Parlament, und ehemaliger Präsidentschaftskandidat bei den Wahlen 2021 (FPRI 12.4.2024), wegen Hochverrats für schuldig befunden, nachdem er 2009, als Vorsitzender des kirgisischen Sicherheitsrates, ein Grenzprotokoll mit Tadschikistan unterzeichnet hatte (CPC 22.11.2024). Aufgrund der bereits abgelaufenen Verjährungsfrist blieb die Verurteilung ohne rechtliche Bestrafung, sein Parlamentsmandat wurde ihm allerdings entzogen (CPC 22.11.2024). Derzeit laufen Ermittlungen wegen Stimmenkaufs gegen die Sozialdemokratische Partei Kirgisistans (SDPK), im Zuge derer es auch bereits zu zahlreichen Verhaftungen gekommen ist. Aufgrund dieser Anschuldigungen wurde die SDPK von den Wahlen zum Stadtrat von Bischkek am 17.11.2024 ausgeschlossen. Der inhaftierte Anführer der Partei Temirlan Sultanbekov befindet sich im Hungerstreik (DIP 14.1.2025; vgl. HRW 10.12.2024). Quellen: •BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105908/country_report_2024_KGZ.pdf, Zugriff 21.11.2024 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 23 von 43

•CPC - Caspian Policy Center (22.11.2024): Central Asia in Focus: Kyrgyz Authorities target another Opposition Party, https://www.caspianpolicy.org/research/central-asia/central-asia- in-focus-kyrgyz-authorities-target-another-opposition-party, Zugriff 15.1.2025 •DIP - Diplomat, The (14.1.2025): Kyrgyzstan’s Social Democrats Under Pressure, https://thediplomat.com/2025/01/kyrgyzstans-social-democrats-under-pressure/, Zugriff 15.1.2025 •EUR-Lex - Publications Office of the European Union (8.11.2023): Civil Society Organisation, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/ALL/? uri=LEGISSUM:civil_society_organisation, Zugriff 23.1.2025 •Eurasianet (6.6.2023): Kyrgyzstan: Security services arrest alleged coup plotters from obscure party, https://eurasianet.org/kyrgyzstan-security-services-arrest-alleged-coup- plotters-from-obscure-party, Zugriff 21.1.2025 •FH - Freedom House (29.2.2024): Freedom in the World 2024 - Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/document/2108023.html, Zugriff 18.11.2024 •FPRI - Foreign Policy Research Institute (12.4.2024): Kyrgyzstan - Central Asia’s Island of Democrazy sinks into Authoritarianism, https://www.fpri.org/wp-content/uploads/2024/04/kyrgyzstan-island-of-democracy-sinks-1- 1.pdf, Zugriff 15.1.2025 •HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 - Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/document/2120094.html, Zugriff 20.1.2025 •HRW – Human Rights Watch (10.12.2024): Kyrgyzstan is Relentless in its Crackdown on Civil and Political Rights, https://www.hrw.org/news/2024/12/10/kyrgyzstan-relentless-its- crackdown-civil-and-political-rights, Zugriff 15.1.2025 •ICNL - The International Center for Not-for-Profit Law (7.11.2024): Civic Freedom Monitor Kyrgyz Republic, https://www.icnl.org/resources/civic-freedom-monitor/kyrgyz, Zugriff 23.1.2025 •ICNL - The International Center for Not-for-Profit Law (4.4.2024): Analysis, Law of the Kyrgyz Republic on Amendments to the Law of the Kyrgyz Republic on Noncommercial Organizations (also known as the Law on Foreign Representatives), https://www.icnl.org/wp-content/uploads/2024.04-Final-Analysis-of-the-KR-Law-on-Foreign- Representatives_eng-vf.pdf, Zugriff 11.12.2024 •IPHR - International Partnership for Human Rights (5.11.2024): The Protection Of Funda- mental Freedoms and Civic Space in Kyrgyzstan: Key Concerns And Recommendations, Briefing paper for the EU, November 2024, https://iphronline.org/wp-content/uploads/2024/11/iphr-briefing-on-civic-space-in- kyrgyzstan-november-2024.pdf, Zugriff 5.12.2024 •IPHR - International Partnership for Human Rights (26.4.2024): Kyrgyzstan: Civic space de- teriorates further as „foreign agent“-style NGO law is adopted and media crackdown widens, https://iphronline.org/articles/kyrgyzstan-civic-space-deteriorates-further-as-foreign- agent-style-ngo-law-is-adopted-and-media-crackdown-widens/, Zugriff 5.12.2024 •ÖB - Österreichische Botschaft in Astana [Österreich] (1.2023): Asylländerbericht Kirgisistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2085308/KIRG_%C3%96B- Bericht_2023_01.pdf, Zugriff 13.1.2025 •USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2107749.html, Zu- griff 12.11.2024 12. Todesstrafe Artikel 25 der Verfassung von 2021 verbietet die Todesstrafe in Kirgisistan (Verf KIRG 5.5.2021). Quellen: .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 24 von 43

•Verf KIRG – Verfassung Kirgisistan [Kirgisistan] (5.5.2024): The Constitution of the Kyrgyz Republic , https://legislationline.org/sites/default/files/2023-04/The%20Kyrgyz%20Republic%E2%80% 99s%20Constitution%2005.05.2021%20%28in%20English%29.pdf, Zugriff 12.12.2024 13. Religionsfreiheit Circa 90 % der Bevölkerung bekennen sich zum Islam, davon die Mehrheit zum sunnitischen Islam (Hanafi) und nur 1 % zum schiitischen Islam. Die nicht muslimische Bevölkerung setzt sich aus 7 % Christen zusammen, wovon wiederum 40 % russisch-orthodox sind. Andere christliche Gruppen sind beispielsweise Katholiken, Baptisten und Zeugen Jehovas. Zudem sind 3 % Personen jüdischer Herkunft, Buddhisten, Bahai sowie Mitglieder der Internationalen Gesellschaft für Krishna-Bewusstsein und Tengristen (USCIRF 1.5.2024). Die Verfassung garantiert Gewissens- und Religionsfreiheit und verbietet religiösen Gruppen, religiösen Hass zu schüren. Sie schreibt die Trennung von Religion und Staat fest und verbietet religiösen Gruppen, politische Ziele zu verfolgen (USDOS 26.6.2024). Das Gesetz über „Religions- und Glaubensfreiheit in der Kirgisischen Republik“ von 2008 verbietet nicht registrierte Aktivitäten, schreibt aufwendige Registrierungsverfahren vor, schränkt religiöses Material ein und verlangt von religiösen Organisationen regelmäßige Tätigkeitsberichte. Seit dem Amtsantritt von Präsident Dschaparow exekutiert die kirgisische Regierung verstärkt Gesetze, die Religionen regulieren und generell die Rechte aller religiösen Gruppen verletzen, inklusive Muslime (USCIRF 1.5.2024; vgl. USDOS 26.6.2024). Derzeit befindet sich ein weiteres Religionsgesetz in Ausarbeitung, das religiöse Organisationen verpflichten würde, sich alle fünf Jahre neu zu registrieren. Außerdem soll ein abgestuftes Registrierungssystem eingeführt, die SAMK (Spiritual Administration of Muslims in Kyrgyzstan [Geistliche Verwaltung der Muslime in Kirgisistan]) bestätigt, die Registrierung von Gebetsstätten vorgeschrieben und religiös orientierte politische Parteien verboten werden (USCIRF 1.5.2024; vgl. ER 13.9.2024). Die Behörden nehmen insbesondere Muslime ins Visier, die eine Form des Islam praktizieren, die von der vom Staat bevorzugten Auslegung abweicht. Ihr Glaube wird von der Regierung oft als extremistisch, fremd oder nicht traditionell bezeichnet. Seit Mitte 2023 kam es zu Masseninspektionen von Moscheen und Madrasas [islamische Bildungseinrichtung, siehe EB 29.5.2023], dabei wurden Geldstrafen verhängt und Hunderte von religiösen Einrichtungen im ganzen Land geschlossen (USCIRF 1.5.2024). Immer wieder kommt es auch zu Verhaftungen, besonders von Mitgliedern der verbotenen Hizb ut-Tahrir und Yakyn Inkar. Insgesamt hat die Regierung 21 religiös orientierte Gruppierungen als extremistisch eingestuft und verboten (USDOS 26.6.2024). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 25 von 43
