kirg-lib-2025-01-23-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
könnte, um kritische Uiguren rückzuführen (UHRP 1.2.2023; vgl. UHRP 24.6.2021, GAM 9.12.2024). Im Oktober 2023 verhafteten die kirgisischen Behörden den Geschäftsmann, ehemaligen Parlamentsabgeordneten (RA 9.10.2023) und im März 2023 gewählten Vorsitzenden von Ittipaq (TP 12.10.2023), Tursuntai Salimov, wegen angeblicher Verbindungen zur organisierten Kriminalität (REX / Steenberg 2.4.2024). Die Verhaftung löste unter den einheimischen Uiguren Besorgnis aus und viele sehen Salimov als Opfer eines Erpressungsversuches. Vor seiner Verhaftung hatten die kirgisischen Sicherheitskräfte ihn und andere, in uigurischen Organisationen engagierte Uiguren, davor gewarnt, nach Japan zu reisen, um an einer Konferenz teilzunehmen, die vom Weltkongress der Uiguren und den ihm angeschlossenen Organisationen organisiert worden war. Der kirgisische Sicherheitsdienst hatte Ittipaq bereits seit einiger Zeit infiltriert, doch haben die direkten Eingriffe 2023 zugenommen (REX / Steenberg 2.4.2024). Im März 2024 wurde Salimov, nach Zahlung von 15 Millionen US Dollar (OCCRP 2.11.2024) und mit der Auflage, die Stadt nicht zu verlassen, aus der Gefangenschaft entlassen (24.kg 26.3.2024). Salimovs Unternehmen und das Land, auf dem es steht, wechselten zwei Monate später zu einem Sohn von Khabibula Abdukadyr, welcher wiederum ein mit dem Sohn des Präsidenten Dschaparow befreundeter Geschäftspartner ist. Auch gegen Salimovs Söhne wird ermittelt (OCCRP 2.11.2024). Neben der autochthonen uigurischen Bevölkerung Kirgisistans leben und arbeiten auch Uiguren aus XUAR (Xinjiang Uygur Autonomous Region) in Kirgisistan, mehrheitlich in Bischkek und um Karasuu in der Nähe von Osch. Die genaue Anzahl dieser XUAR-Uiguren ist nicht bekannt, wird aber auf 500-1.000 Personen geschätzt, die vorwiegend als Händler von Kleidung und im Dienstleistungssektor, in Restaurants, am Bazar oder in Bäckereien arbeiten. Jedes Jahr müssen XUAR-Uiguren in Kirgisistan für mehrere hundert Dollar ihre Visa verlängern. Einige XUAR- Uiguren heiraten deshalb einheimische Kirgisinnen, um eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung oder die kirgisische Staatsbürgerschaft zu erhalten (REX / Steenberg 2.4.2024). Quellen: •GAM - Global and Mail, The (9.12.2024): First Uyghur refugee arrives under Canadian ef- fort to resettle persecuted minority groups from China, https://www.theglobeandmail.com/politics/article-first-uyghur-refugee-arrives-under- canadian-effort-to-resettle/, Zugriff 16.1.2025 •OCCRP - Organized Crime and Corruption Reporting Project (2.11.2024): Kyrgyz Elite Tar- geted as Japarov Allies Gain Key Assets, https://www.occrp.org/en/news/kyrgyz-elite- targeted-as-japarov-allies-gain-key-assets, Zugriff 21.1.2025 •RA – Radio Azattyk (9.10.2023): В КР задержан экс-депутат парламента, сват убитого кримавторитета Турсунтай Салимов [Ehemaliger Parlamentsabgeordneter und Zeuge des ermordeten Gangsterbosses Tursuntai Salimov in Kirgisistan festgenommen], https://rus.azathabar.com/a/v-kr-zaderzhan-eks-deputat-parlamenta-svat-ubitogo- krimavtoriteta-tursuntay-salimov/32629187.html, Zugriff 23.1.2025 •REX / Steenberg - Remote Ethnography XUAR, Steenberg R. (2.4.2024): Remote Ethno- graphic Glances Across the Chinese Border: Part 2, .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 29 von 43

https://www.remote-xuar.com/post/remote-ethnographic-glances-across-the-chinese- border-part-2, Zugriff 16.1.2025 •TP – Turkistan Press (12.10.2023): Uyghur businessman was detained in Kyrgysztan, https://turkistanpress.com/en/page/uyghur-businessman-was-detained-in-kyrgyzstan/833, Zugriff 23.1.2025 •UHRP - Uyghur Human Rights Project (1.2.2023): “On the Fringe of Society”: Humanitarian Needs of the At-Risk Uyghur Diaspora, https://uhrp.org/report/on-the-fringe-of-society/, Zu- griff 16.1.2025 •UHRP - Uyghur Human Rights Project (24.6.2021): No Space Left to Run: China’s Transnational Repression of Uyghurs, https://uhrp.org/report/no-space-left-to-run-chinas- transnational-repression-of-uyghurs/, Zugriff 16.1.2025 •24.kg (26.3.2024): Founder of Madina market Tursuntai Salimov released under travel re- strictions, https://24.kg/english/289828__Founder_of_Madina_market_Tursuntai_Salimov_released_u nder_travel_restrictions/, Zugriff 20.1.2025 15. Relevante Bevölkerungsgruppen 15.1. Frauen Geschlechterspezifische Gewalt ist ein kritisches Problem und es wird berichtet, dass die häusliche Gewalt zunimmt. Im Jahr 2024 kam es in Kirgisistan zu zahlreichen tödlichen Fällen geschlechtsbezogener und häuslicher Gewalt gegen Frauen (HRW 16.1.2025). Vergewaltigung, auch innerhalb der Ehe, sowie häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen und Mädchen sind im Gesetz ausdrücklich verboten. Die Strafen für eine Verurteilung wegen sexueller Übergriffe reichen von drei bis acht Jahren Haft und jene für häusliche Gewalt reichen von Geldstrafen bis hin zu 15 Jahren Haft, bei Missbrauch mit Todesfolge (USDOS 23.4.2024). Im August 2024 unterzeichnete Präsident Sadir Dschaparow ein neues Gesetz zur Änderung mehrerer Gesetze, um den Schutz vor familiärer, sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt zu verbessern. Die Änderungen schließen die Möglichkeit einer Versöhnung in Fällen von Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch aus, erhöhen die Strafen für Körperverletzung und schaffen die Möglichkeit einer Bewährungsstrafe für Personen ab, die wegen sexueller Handlungen mit Kindern unter 16 Jahren, Brautraub und Zwangsheirat verurteilt wurden (HRW 16.1.2025). Viele Fälle von Gewalt gegen Frauen und Mädchen werden nicht ausreichend gemeldet. Überlebende sehen sich beim Zugang zu Dienstleistungen und zur Justiz mit zahlreichen Hindernissen konfrontiert (HRW 11.1.2024; vgl. USDOS 23.4.2024). Dazu gehören unzureichende Unterbringungsmöglichkeiten und andere grundlegende Dienstleistungen, abweisende Reaktionen von Behörden, Stigmatisierung und Einstellungen, die schädliche Stereotypen und Praktiken aufrechterhalten, unter anderem von Polizei, Justizbeamten sowie Regierungs- und Religionsführern (HRW 11.1.2024; vgl. USDOS 23.4.2024). So werden Vergewaltigungsfälle selten vor Gericht gebracht. Stattdessen werden Fälle häuslicher Gewalt oftmals als Ordnungswidrigkeiten oder Vergehen eingestuft, die mit einer geringeren Strafe geahndet werden. .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 30 von 43

Die Polizei betrachtet eheliche Vergewaltigung im Allgemeinen als ein Verwaltungsvergehen und nicht als Straftat. Es gibt auch Berichte über Vergeltungsmaßnahmen von Ehepartnern gegen Frauen, die über Missbrauch berichten (USDOS 23.4.2024). Die Regierung hat in Bischkek ein Hilfszentrum eröffnet, das Opfern und Überlebenden von häuslicher und geschlechterspezifischer Gewalt medizinische, psychologische und juristische Hilfe an einem Ort bietet (HRW 16.1.2025). Die Regierung stellte der Organisation „Ayalzat“ Büros für eine Unterkunft für Opfer von häuslichem Missbrauch zur Verfügung und übernahm die Kosten. Im ganzen Land gibt es insgesamt 17 Krisenzentren, wovon acht begrenzte staatliche Mittel erhalten, der Großteil der Finanzmittel stammt von internationalen Organisationen und NGOs. NGOs stellen das Engagement der Regierung zur Lösung des Problems in Frage. Experten berichten von Unterfinanzierung und Unterbesetzung der Zentren (USDOS 23.4.2024). Obwohl Kirgisistan ein säkularer Staat ist, befindet sich der religiöse Fundamentalismus auf dem Vormarsch und wird dazu benutzt, Druck auf Frauen auszuüben, damit diese ihre Autonomie aufgeben, gehorsamer und unterwürfiger werden. Der zunehmende religiöse Fundamentalismus stellt eine ernsthafte Bedrohung für die Bemühungen des Landes dar, die Gleichstellung der Geschlechter voranzutreiben, indem er diskriminierende Normen und Praktiken verstärkt, die Frauen und Mädchen von der vollen Teilnahme am wirtschaftlichen, sozialen und öffentlichen Leben abhalten. Der schrumpfende Spielraum für zivilgesellschaftliche Organisationen und die wiederholten Versuche, Gesetze einzuführen, die ihre Aktivitäten effektiv einschränken würden, sind ein großes Problem. Zahlreiche Gesprächspartner der UNO-Arbeitsgruppe zur Diskriminierung von Frauen und Mädchen wiesen darauf hin, dass diskriminierende patriarchale Ansichten über die Geschlechterrollen in der kirgisischen Gesellschaft, im Namen von Religion und Kultur, weithin akzeptiert sind und sich negativ auf alle Bereiche des Lebens von Frauen und Mädchen auswirken (HRC 8.5.2023). Obwohl gesetzlich verboten, sind Entführung und Zwangsehe von Frauen und Mädchen in Kirgisistan weit verbreitet (HRC 8.5.2023). Entführte Bräute sind eher Opfer von häuslichem Missbrauch (USDOS 23.4.2024). Nach dem Familiengesetz von 2005 beträgt das gesetzliche Mindestalter zur Eheschließung 18 Jahre, kann aber mit Erlaubnis örtlicher Behörden für einzelne Personen auf 17 Jahre herabgesetzt werden. Schätzungsweise 13 Prozent der Frauen unter 24 Jahren wurden durch irgendeine Form von Zwang verheiratet (HRC 8.5.2023). Beobachter berichten, dass es im Zusammenhang mit nicht eingetragenen religiösen Ehen häufiger zu Frühehen, Polygamie und Brautraub kommt (USDOS 23.4.2024). Frauen, die in einer religiösen Zeremonie (Nikah) ohne standesamtliche Trauung verheiratet sind, sind von den im Familiengesetz garantierten Schutzbestimmungen ausgeschlossen und haben bei einer Auflösung der Ehe keinerlei Rechte oder Schutz. Sie können die Vormundschaft für ihre Kinder ohne die Bestätigung ihres Ehemanns nicht nachweisen und haben daher kein formelles Recht, das .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 31 von 43

Sorgerecht zu beanspruchen. Darüber hinaus haben sie einen ungleichen Zugang zu Eigentum und Erbschaft (HRC 8.5.2023), aber auch zu Bildung und Beschäftigung. Die negativen Effekte dieser Praxis erstrecken sich auch auf Kinder entführter Bräute. Einige Opfer von Brautentführungen gehen zur örtlichen Polizei, um Schutz zu erhalten, aber die Behörden setzen Anweisungen zum Opferschutz oft mangelhaft durch. NGOs berichten, dass Staatsanwälte Entführer wegen Brautraubs nur selten verfolgen. Das Gesetz sieht für Brautraub sieben Jahre Gefängnis und eine Geldstrafe vor, für den Brautraub eines Kindes bis zu zehn Jahre Gefängnis (USDOS 23.4.2024). Für die von Entführung und Zwangsehe betroffenen Frauen und Mädchen erhöht sich das Risiko von Sexhandel und Zwangsarbeit. Die Zahl der gemeldeten Fälle von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, darunter auch solche mit Behinderungen, hat in der Kirgisischen Republik erheblich zugenommen. Dies kann die Opfer wiederum dazu veranlassen, unsichere Beschäftigungsmöglichkeiten zu suchen und anzunehmen, sowie über inoffizielle Migrationskanäle auszuwandern, die wiederum von Menschenhändlern ausgenutzt werden können. Menschenhändler beuten kirgisische Frauen und Mädchen im Sexhandel im Ausland und im Inland aus (USDOS 24.6.2024). Quellen: •HRC - UN Human Rights Council (8.5.2023): Visit to Kyrgyzstan – Report of the Working Group on discrimination against women and girls, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093261/G2309690.pdf, Zugriff 12.11.2024 •HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 – Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/document/2120094.html, Zugriff 17.1.2025 •HRW - Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 - Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/document/2103184.html, Zugriff 13.11.2024 •USDOS - US Department of State [USA] (24.6.2024): 2024 Trafficking in Persons Report: Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/document/2111699.html, Zugriff 13.11.2024 •USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2107749.html, Zu- griff 12.11.2024 15.2. Kinder Kirgisistan ist ein junges Land und die rund 2,1 Millionen Kinder machen 36,5% der Bevölkerung aus. Kinderarmut ist ein ernstes Problem. Fast 900.000 Kinder in Kirgisistan leben in Armut. Kinder, die in Armut leben, versäumen die Vorschul- und Schulbildung sowie die Gesundheitsversorgung und sind von Unterernährung betroffen. Die ärmsten Kinder leben hauptsächlich in ländlichen Gebieten im Süden des Landes. Viele gehören Familien mit drei und mehr Kindern und Familien mit arbeitslosen Erwachsenen an. Fast 73% der Kinder berichten von Missbrauch oder Vernachlässigung in der Familie. Es gibt jedoch einige Verbesserungen, um .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 32 von 43

Kinder, die mit dem Gesetz in Berührung kommen, zu schützen. Mittlerweile wurde die Zahl der gegen Jugendliche verhängten Haftstrafen um 84% reduziert (UNICEF o.D.). Nach Berichten von NGOs und der UNO sind Kindesmissbrauch, einschließlich Prügel, Kinderarbeit und kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Jungen und Mädchen, ein Problem (USDOS 23.4.2024). Gemäß dem Familiengesetz von 2005 liegt das gesetzliche Mindestalter für die Eheschließung bei 18 Jahren, wobei mit Genehmigung der örtlichen Behörden eine Heirat bereits ab 17 Jahren möglich ist (HRC 8.5.2023). Das Gesetz stellt religiöse Ehen mit Kindern unter Strafe. Die Staatsanwaltschaft erhob jedoch in keinem Fall Anklage wegen religiöser Ehen mit Kindern (USDOS 23.4.2024). 34% der Kinder in der Altersgruppe von 5-14 Jahren gehen einer Arbeit nach. Die Tätigkeitsbereiche sind Landwirtschaft, Industrie und Produktion, Dienstleistungssektor sowie die schlimmsten Formen von Kinderarbeit, die kommerzielle sexuelle Ausbeutung sowie der Einsatz bei illegalen Tätigkeiten wie zB Drogenhandel. Kinder von Eltern, die auf der Suche nach Arbeit ins Ausland ausgewandert sind, insbesondere Mädchen, sind besonders anfällig für kommerzielle sexuelle Ausbeutung sowie Kinderarbeit und können ins Visier von Menschenhändlern geraten. NGOs berichten, dass mehr als 85 Prozent der Kinder, die für kommerzielle sexuelle Ausbeutung gehandelt werden, Kinder von Migranten sind. Das Mindestalter für Beschäftigung beträgt 16 Jahre und für gefährliche Arbeiten 18 Jahre. Diese Schutzbestimmungen gelten nicht für Kinder in außervertraglichen Beschäftigungsverhältnissen. Kinder aus ländlichen und einkommensschwachen Familien sowie solche, die im Kinderfürsorgesystem untergebracht sind, darunter auch Waisen, sind ebenfalls einem höheren Risiko ausgesetzt, Opfer von Menschenhandel zu werden. Es gibt keine speziellen Unterkünfte für Kinder, die Opfer von Menschenhandel geworden sind, was bedeutet, dass sie manchmal in Waisenhäusern untergebracht werden, wo sie einem höheren Risiko ausgesetzt sind, erneut Opfer von Menschenhandel oder Kinderarbeit zu werden. Darüber hinaus setzt die Praxis der Brautentführung [siehe Kapitel 15.1.] Mädchen einem höheren Risiko einer Zwangsheirat und einer möglichen anschließenden Zwangsarbeit oder des Menschenhandels zur kommerziellen sexuellen Ausbeutung aus (USDOL 5.9.2024). Es gibt Berichte, dass die Polizei Überlebende des Kindersexhandels bedroht, erpresst und vergewaltigt. Nach dem Strafgesetzbuch ist es für Personen ab 18 Jahren illegal, sexuelle Beziehungen mit jemandem unter 16 Jahren zu haben (USDOS 23.4.2024). Verbote der kommerziellen Ausbeutung von Kindern sind jedoch unzureichend, denn es fehlen Gesetze, die Nutzer (Kunden) von Kinderprostitution eindeutig kriminalisieren (USDOL 5.9.2024). Menschenrechtsgruppen berichten von Vorfällen, bei denen die Behörden Anwälten den Zugang zu verhafteten Kindern verweigern, sie ohne Benachrichtigung der Eltern festhalten und sie in .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 33 von 43

Abwesenheit der Eltern oder Anwälte verhören, obwohl dies gesetzlich verboten ist (USDOS 23.4.2024). Quellen: •HRC - UN Human Rights Council (8.5.2023): Visit to Kyrgyzstan – Report of the Working Group on discrimination against women and girls, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093261/G2309690.pdf, Zugriff 12.11.2024 •UNICEF – United Nations Children’s Fund (o.D.): Children in Kyrgyzstan, https://www.unicef.org/kyrgyzstan/children-kyrgyzstan, Zugriff 15.11.2024 •USDOL - US Department of Labor [USA] (5.9.2024): 2023 Findings on the Worst Forms of Child Labor: Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2116199.html, Zugriff 18.11.2024 •USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2107749.html, Zu- griff 12.11.2024 15.3. Sexuelle Minderheiten Obwohl Kirgisistan einvernehmlichen gleichgeschlechtlichen Sexualverkehr zwischen Erwachsenen nicht unter Strafe gestellt hat (USDOS 23.4.2024), ist die soziale Stigmatisierung sexueller Minderheiten weit verbreitet (FH 29.2.2024). Sexuelle Minderheiten sind laut der LGBT+- NGO Kyrgyz Indigo einem hohen Maß an Homophobie, Transphobie, sozialer Stigmatisierung und Gewalt ausgesetzt; zu 70 % ereignet sich die Gewalt im häuslichen Umfeld. Darüber hinaus schikanieren Insassen und Beamte inhaftierte schwule Männer oftmals offen (USDOS 23.4.2024). Ein „LGBT+-Propaganda“-Gesetz vom August 2023 verbietet die Verbreitung sogenannter schädlicher Informationen, darunter Informationen über LGBT+-Personen, -Rechte und -Identitäten. LGBT+-Rechtsaktivisten haben das Gesetz scharf kritisiert und es als Versuch bezeichnet, sexuelle Minderheiten zu stigmatisieren und sie der Gefahr willkürlicher Strafverfolgung auszusetzen (FH 29.2.2024). Zudem wurde die Definition „schädlicher Informationen“ erweitert, um „alle Informationen einzuschließen, die traditionelle Familienwerte leugnen [oder] nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen propagieren“ (USDOS 23.4.2024; vgl. ECOM 2024). Obwohl Diskriminierung durch staatliche und nichtstaatliche Akteure aufgrund des Geschlechts verboten ist, gibt es jedoch keine Gesetze, die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität oder des Geschlechtsausdrucks untersagen (USDOS 23.4.2023). Sexuelle Minderheiten, deren sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität öffentlich bekannt ist, riskieren körperliche und verbale Misshandlungen, Diskriminierung am oder einen möglichen Verlust des Arbeitsplatzes und unerwünschte Aufmerksamkeit von Polizei und anderen Behörden. Die am stärksten gefährdete LGBT+-Gruppe in Bezug auf Diskriminierung am Arbeitsplatz sind Transgender-Frauen, die häufig aus Beschäftigungsmöglichkeiten gedrängt werden (USDOS 23.4.2024). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 34 von 43

Strafverfolgungsbeamte drohen sexuellen Minderheiten mit der Offenlegung ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität und erpressen diese Personen. Es gibt auch Fälle illegaler Inhaftierung durch die Polizei. Die betroffenen Personen haben das Gefühl, dass es sinnlos ist, Gerechtigkeit zu suchen und Beschwerden bei höheren Behörden einzureichen, und haben Angst vor den negativen Konsequenzen, die eintreten können, wenn sie Schritte zum Schutz ihrer Rechte unternehmen. In anderen Fällen verweigern medizinische Fachkräfte entweder die weitere Behandlung, schicken Patienten in andere Krankenhäuser oder verlangen unangemessene zusätzliche Zahlungen für ihre Leistungen, nachdem sie von der sexuellen Orientierung oder einer HIV-Infektion eines Patienten erfahren haben. Zudem kam es in einigen Fällen auch zur unrechtmäßigen Weitergabe des HIV-Status an Dritte durch das Gesundheitspersonal. Transfrauen wiederum sind aufgrund ihrer Geschlechtsidentität Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt (ECOM 2024). LGBT+-NGOs berichten von Schikanen und anhaltender Überwachung ihrer Mitarbeiter und Büros durch Sicherheitsdienste. Sexuelle Minderheiten berichten, dass die Behörden regelmäßig Chatrooms und Dating-Sites überwachen, um diejenigen zu bestrafen und zu erpressen, die über Online-Foren nach gleichgeschlechtlichen Partnern suchen (USDOS 23.4.2024). Seit 2020 das Gesetz der Kirgisischen Republik „Über Personenstandsgesetze“ geändert wurde, ist die rechtliche Anerkennung des Geschlechts von Transgender-Personen unmöglich geworden. Die Gerichte in Kirgisistan haben keine einheitliche Praxis, was dazu führt, dass bei ähnlichen Anträgen unterschiedliche Entscheidungen getroffen werden (ECOM 2024; vgl. ILGA 2.2024). Aktivisten der LGBT+-Bewegung berichten, dass einige LGBT+-Personen „Konversionstherapien“ unterzogen werden. Diese werden in der Regel von religiösen Persönlichkeiten durchgeführt, die versuchen, durch Zwang und Missbrauch die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität einer Person zu ändern. Dazu gehört auch die Praxis, durch Schläge oder Strangulation „übernatürliche Geister“ aus den Personen auszutreiben. Lesbische und bisexuelle Frauen sind wiederum von Zwangsheirat sowie von der Praxis der „korrigierenden Vergewaltigung“, einer Art „Konversionstherapie“ zur „Heilung“ ihres LGBTQI+-Status, betroffen (USDOS 23.4.2024). Zwar gibt es keine Gesetze, die die Existenz oder Meinungsäußerung sexueller Minderheiten direkt verbieten, doch Artikel 10 der Verfassung zensiert LGBT+-Aktivitäten und -Veranstaltungen indirekt, da diese als im Widerspruch zu den „moralischen Werten und dem öffentlichen Bewusstsein des kirgisischen Volkes“ stehend betrachtet werden können (USDOS 23.4.2024). Quellen: •ECOM – Eurasian Coalition on Health, Rights, Gender and Sexual Diversity (2024): Na- tional report on violations of the rights of LGBT people and MSM in Kyrgyzstan 2023, .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 35 von 43

https://ecom.ngo/resource/files/2024/03/ecom_national_report_kyrg_2023_eng.pdf, Zugriff 18.11.2024 •FH - Freedom House (29.2.2024): Freedom in the World 2024 - Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/document/2108023.html, Zugriff 18.11.2024 •ILGA - Europe, Europaorganisation der International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and In- tersex Association (2.2024): Annual Review of the Human Rights Situation of LGBTI Peo- ple covering the Period of January to December 2023, https://www.ilga-europe.org/files/uploads/2024/02/2024_kyrgystan.pdf, Zugriff 18.11.2024 •USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2107749.html, Zu- griff 12.11.2024 16. Bewegungsfreiheit Gemäß dem Gesetz zur internen Migration wird Bewegungsfreiheit garantiert. Die Regierung respektiert das Gesetz gemeinhin, und die Bürger können sich innerhalb des Landes frei bewegen (USDOS 23.4.2024) und die Niederlassungsfreiheit ist grundsätzlich gegeben. Der Hauptwohnsitz ist zu melden (ÖB 1.2023). Jedoch beschränken bestimmte Richtlinien die interne Migration, Wiederansiedlung und Auslandsreisen. Bürger, die Zugang zu Staatsgeheimnissen hatten, dürfen nicht ins Ausland reisen, solange die Informationen nicht freigegeben werden. Das Gesetz zur Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus ermöglicht es der Regierung, Personen, die wegen terroristischer oder extremistischer Aktivitäten verurteilt wurden, die Staatsbürgerschaft zu entziehen. Im Jahr 2023 hat die Regierung das Gesetz jedoch nicht angewandt (USDOS 23.4.2024). Während Kirgisistan und Uskekistan ihre Grenzstreitigkeiten beigelegt haben, gibt es zwischen Kirgisistan und Tadschikistan weiterhin Differenzen über den genauen Grenzverlauf. In den Grenzgebieten der Region (Oblast) Batken ist es deshalb wiederholt zu Demonstrationen, zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen der kirgisischen und tadschikischen Bevölkerung, sowie zu Schusswechseln zwischen kirgisischen und tadschikischen Sicherheitskräften gekommen. Die Grenzübergänge zwischen Kirgisistan und Tadschikistan sind zeitweise geschlossen (EDA 23.7.2024). In manchen Grenzgebieten herrscht Minengefahr (AA 1.10.2024). Quellen: •AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.10.2024): Kirgisistan – Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/kirgisistan- node/kirgisistansicherheit/206738, Zugriff 25.11.2024 •EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (23.7.2024): Reisehinweise für Kirgisistan, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender- reise-information/kirgisistan/reisehinweise-kirgisistan.html, Zugriff 19.11.2024 •ÖB - Österreichische Botschaft in Astana [Österreich] (1.2023): Asylländerbericht Kirgisistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2085308/KIRG_%C3%96B- Bericht_2023_01.pdf, Zugriff 13.1.2025 •USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2107749.html, Zu- griff 12.11.2024 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 36 von 43

17. Binnenflüchtlinge (IDPs) und Flüchtlinge Die Regierung arbeitet mit dem UN-Flüchtlingshochkommissariat und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Flüchtlingen, Asylsuchenden, staatenlosen Personen und anderen hilfsbedürftigen Menschen Schutz und Hilfe zu gewähren (USDOS 23.4.2024). Das Ministerium für Arbeit, soziale Sicherheit und Migration ist die für Flüchtlingsfragen und Asylverfahren zuständige staatliche Behörde (IOM 1.2024). Laut UNHCR befinden sich 25.746 Flüchtlinge, 2.477 Asylsuchende und 59 Staatenlose im Land (UNHCR o.D.). 2023 gab es 4.000 Binnenflüchtlinge aufgrund gewaltsamer Konflikte (IDMC 2024). Zugang zu Asyl: Das kirgisische Flüchtlingsgesetz definiert die Rahmenbedingungen und Gründe für die Gewährung, den Verlust und die Aberkennung des Flüchtlingsstatus sowie die Rechte und Pflichten von Flüchtlingen in Kirgisistan. Es legt zudem die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Garantien für den Schutz der Rechte von Flüchtlingen fest und enthält eine Definition des Flüchtlingsbegriffes (IOM 1.2024). Trotz lokaler Gesetze ignoriert die Regierung Asylanträge von Personen, denen bei einer Rückkehr in ihr Herkunftsland Folter droht (USDOS 23.4.2024). Beschäftigungsmöglichkeiten: Die Regierung erteilt Personen, die sich in der Obhut des UNHCR befinden und denen die Regierung einen offiziellen Aufenthaltsstatus im Land gewährte, eine Arbeitserlaubnis. Laut Angaben der Regierung erfüllen jedoch nicht alle Flüchtlinge die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel. Personen, die gemäß UNHCR als Flüchtlinge einzustufen sind, denen seitens der Regierung jedoch kein legaler Aufenthaltsstatus gewährt wurde, sind von der Arbeitsaufnahme, Inanspruchnahme medizinischer Versorgung sowie der Ausstellung von Ausweispapieren ausgeschlossen. Dies führt dazu, dass sie in besonderem Maße der Ausbeutung durch Arbeitgeber ausgesetzt sind, welche ihnen unterdurchschnittliche Löhne zahlen, keine Sozialleistungen gewähren und sich nicht an die Arbeitsvorschriften halten. Diese Personen können keine Beschwerden bei den Behörden einreichen (USDOS 23.4.2024). Zugang zu Leistungen der Grundversorgung: Laut Regierung sind Personen, die keinen Flüchtlingsstatus durch den UNHCR erhielten, beziehungsweise Asylwerber ohne offiziellen Status von staatlichen Sozialleistungen ausgeschlossen. Im Juni 2023 erfolgte eine Änderung des Flüchtlingsgesetzes. Seitdem gelten Flüchtlinge und Staatenlose als Ausländer mit dauerhaftem Wohnsitz und erhalten Zugang zur Grundversorgung. Die Regierung ermöglicht Flüchtlingskindern den Zugang zu Bildung, kann sie jedoch nicht mit den nötigen Schulmaterialian versorgen. Deshalb stellt das UN-Flüchtlingshilfswerk Schulmaterialien und einmalige Geldhilfen zur Verfügung, um die Schulbildung von Flüchtlingskindern zu ermöglichen (USDOS 23.4.2024). Quellen: .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 37 von 43

•IDMC - Internal Displacement Monitoring Centre (2024): GRID 2024, Global Report on In- ternal Displacement, https://api.internal-displacement.org/sites/default/files/publications/ documents/IDMC-GRID-2024-Global-Report-on-Internal-Displacement.pdf, Zugriff 19.11.2024 •IOM – International Organization for Migration (1.2024): Migration Data Gap Analysis Janu- ary 2024, https://kyrgyzstan.iom.int/sites/g/files/tmzbdl1321/files/documents/2024-07/mtm- data-mapping_eng_final_0.pdf, Zugriff 20.11.2024 •UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (o.D.): Refugee Data Finder – Kyrgyzstan, https://www.unhcr.org/refugee-statistics/download/?v2url=f8376d, Zugriff 19.11.2024 •USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2107749.html, Zu- griff 12.11.2024 18. Wirtschaft/ Grundversorgung Kirgisistan ist ein gebirgiger Binnenstaat mit bedeutenden Vorkommen an Gold, Erdöl, Erdgas, Kohle und seltenen Erden. Der Bergbau spielt für das Land eine besonders wichtige Rolle, danach folgen Industrie, Landwirtschaft und der Dienstleistungssektor. Die Wirtschaft hängt stark vom Goldexport und von Rücküberweisungen (Remissen) der vielen Arbeitsmigranten ab (Beitrag zum BIP > 30 %). Mehr als 90 % der Rücküberweisungen stammen von kirgisischen Arbeitsmigranten in Russland. Anders als noch bei der COVID-19-Pandemie, die einen Einbruch der Remissen zur Folge hatte, führte der russische Krieg in der Ukraine bislang zu keinem Rückgang der wichtigen Geldtransfers aus Russland. Nach einem Einbruch des Wirtschaftswachstums aufgrund der COVID-19-Pandemie hat sich die Wirtschaft in den Folgejahren wieder erholt und erreichte in den Jahren 2022 und 2023 ein Wachstum von 6,3 % bzw. 6,2 %. Die Inflation, Importabhängigkeit, offizielle und verdeckte Arbeitslosigkeit sowie geringe Staatseinnahmen bergen allerdings weiterhin Risiken. Kirgisistan ist anfällig für externe Schocks und von seinen wichtigsten Wirtschaftspartnern Russland, China, Türkei und Kasachstan abhängig (WKO 9.2024). Kirgisistan sieht sich mit beträchtlichen Herausforderungen in Bezug auf Armut und sozioökonomische Ungleichheit, einerseits zwischen den Geschlechtern und andererseits zwischen Stadt und Land, konfrontiert. Der Rückgang der Wirtschaftstätigkeit aufgrund der COVID-19-Pandemie führte zu einem erheblichen Anstieg der Armut (BS 19.3.2024). Im Jahr 2022 lebten 33,2 % der Bevölkerung unterhalb der nationalen Armutsgrenze (ADB 2024). Im Vergleich zu städtischen Gebieten sind ländliche Gemeinden, wie z.B. Batken und Naryn, von der zunehmenden Armut stärker betroffen. Die Hauptgründe für diese Ungleichheiten sind u.a. die mangelnde Erreichbarkeit, die Entfernung zu den Märkten sowie die Abhängigkeit von Rücküberweisungen kirgisischer Arbeitsmigranten aus dem Ausland (BS 19.3.2024). Mit Anfang 2021 legte die neue Regierung ihren wirtschaftspolitischen Fokus vorrangig auf die Förderung eines raschen Wirtschaftswachstums und auf die Erhöhung der Staatseinnahmen. Damit sollte unter anderem der immense informelle und unbesteuerte Sektor eingedämmt werden .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 38 von 43
