kirg-lib-2025-01-23-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Antiterrormaßnahmen oder das Ausmaß der terroristischen Bedrohung schwer eingeschätzt werden kann. Das Land bleibt anfällig für grenzüberschreitende Bedrohungen, insbesondere in den abgelegenen südlichen Regionen, wo schlecht definierte und durchlässige Grenzen einen relativ freien Personenverkehr und illegalen Warenhandel ermöglichen. Laut Regierungsstatistiken haben seit 2014 schätzungsweise 850 kirgisische Staatsbürger das Land verlassen, um sich terroristischen Gruppen anzuschließen. Die Fähigkeit der Regierung, zurückkehrende ausländische Terroristen und ihre Familienangehörigen zu rehabilitieren, gegen sie zu ermitteln und gegebenenfalls strafrechtlich zu verfolgen, ist aufgrund mangelnden Fachwissens, fehlender Ressourcen und potenzieller Mängel im Rechtsrahmen begrenzt. Im Jahr 2023 hat die kirgisische Regierung 333 ihrer Staatsangehörigen, darunter auch Minderjährige, aus Flüchtlingslagern im Nordosten Syriens repatriiert. Die kirgisische Regierung schätzt, dass sich noch etwa 150 kirgisische Frauen und Kinder in den Lagern befinden, die für eine Rückführung bereit sind. Nach einer anfänglichen Unterbringung in Rehabilitationszentren, in denen eine medizinische und psychologische Betreuung, sowie Berufsausbildung und Rechtsberatung erfolgt, werden die Rückkehrer ihren Verwandten und lokalen Behörden zur weiteren Betreuung, Schulanmeldung der Kinder sowie Wohnungs- und Arbeitssuche übergeben. Lokale Polizeibeamte überwachen die Rückkehrer auf Anzeichen für mögliche extremistische Aktivitäten (USDOS 12.12.2024). Es kann im Oblast [Gebiet] Batken, an der Grenze zu Tadschikistan, weiterhin sporadisch zu Demonstrationen, zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen der kirgisischen und tadschikischen Bevölkerung, sowie zu Schusswechseln zwischen den Sicherheitskräften beider Länder kommen. Dabei kommt es immer wieder auch zu Todesopfern oder Verletzten. Zeitweise werden auch die Grenzübergänge zwischen Kirgisistan und Tadschikistan geschlossen. Im September 2022 wurden bei Kampfhandlungen im Grenzgebiet zu Tadschikistan zahlreiche Menschen getötet und verletzt. Trotz des Waffenstillstands vom 16. September 2022 kam es zu weiteren Kampfhandlungen zwischen kirgisischen und tadschikischen Sicherheitskräften. Die Lage bleibt in den Grenzgebieten angespannt. Es bestehen latente ethnische Spannungen in den Städten Osch und Jalalabad und den umliegenden Gebieten. Einzelereignisse können kurzfristige lokale Eskalationen auslösen, besonders wenn die Spannungen im Zusammenhang mit Wahlen zunehmen (EDA 23.7.2024). Das Land ist anfällig für häufige Naturkatastrophen und gilt als besonders anfällig gegenüber dem Klimawandel, der sich auf die wachsende Zahl von Naturgefahren in Kirgisistan auswirkt. Fast das gesamte Land ist anfällig für häufige Erdbeben, Lawinen, Überschwemmungen, Schlammlawinen und Erdrutsche. Mehr als 10.000 Häuser liegen in erdrutschgefährdeten Gebieten im Süden (UNICEF o.D.). Quellen: .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 9 von 43

•AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.10.2024): Kirgisistan – Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/kirgisistan- node/kirgisistansicherheit/206738, Zugriff 17.12.2024 •BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (27.5.2024): Briefing Notes, Gruppe 62 – Informationszentrum Asyl und Migration, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/ BriefingNotes/2024/briefingnotes-kw22-2024.pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 17.12.2024 •BMEIA - Bundesministerium für Europäische und Internationale Angelegenheiten [Österreich] (19.12.2024): Kirgisistan (Kirgisische Republik), https://www.bmeia.gv.at/reise- services/reiseinformation/land/kirgisistan/, Zugriff 20.1.2025 •GOV.UK – Government of the United Kingdom [Vereinigtes Königreich] (o.D.): Foreign travel advice Kyrgyzstan, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/kyrgyzstan/safety-and- security, Zugriff 17.12.2024 •MDP – Migration Data Portal (9.5.2024): Migration data in Central Asia, https://www.migrationdataportal.org/regional-data-overview/central-asia, Zugriff 23.1.2025 •RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (21.5.2024): Why Mass Labor Exporter Kyrgyzstan Faces Migrant Worker Fear at Home, https://www.rferl.org/a/mass-labor- kyrgyzstan-migrant-worker-fear/32957992.html, Zugriff 23.1.2025 •EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (23.7.2024): Reisehinweise für Kirgisistan, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/kirgisistan/ reisehinweise-kirgisistan.html, Zugriff 19.11.2024 •UNICEF – United Nations Children’s Fund (o.D.): Children in Kyrgyzstan, https://www.unicef.org/kyrgyzstan/children-kyrgyzstan, Zugriff 15.11.2024 •USDOS - US State Department [USA] (12.12.2024): Country Report on Terrorism 2023 - Chapter 1 - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2118971.html, Zugriff 23.1.2025 4. Rechtsschutz / Justizwesen Im Rule of Law Index (Rechtsstaatlichkeitsindex) 2024 des World Justice Project (WJP) rangiert Kirgisistan auf Platz 101 von 142 Ländern (WJP o.D.). Die Justiz ist verfassungsrechtlich von den anderen Gewalten getrennt, in der Praxis jedoch der Exekutive untergeordnet und wird von ihr dominiert, insbesondere vom Amt des Präsidenten. Die Justiz wird in der Öffentlichkeit zudem als eine der korruptesten Institutionen des Landes wahrgenommen (BS 19.3.2024; vgl. USDOS 23.4.2024, FH 29.2.2024). Verfassung und Gesetze sehen eine unabhängige Justiz vor, allerdings wird die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Richter durch Einflussnahmen und Korruption beeinträchtigt. Verlauf und Ausgang von Gerichtsverfahren scheinen in vielen Fällen vorbestimmt. Zahlreiche Quellen, darunter NGOs, Rechtsanwälte, Regierungsvertreter und Privatpersonen, berichten, dass einige Richter Bestechungsgelder zahlen, um ihr Amt zu behalten. Viele Anwälte behaupten, dass Richter überall Bestechungsgelder annehmen. Die Behörden respektieren im Allgemeinen die Entscheidungen der Gerichte (USDOS 23.4.2024). Die Justiz besteht seit 2021 aus dem Verfassungsgericht, dem Obersten Gerichtshof und den örtlichen Gerichten. Das Verfassungsgericht übt die Kontrolle über die Verfassung aus und der .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 10 von 43

Oberste Gerichtshof fungiert als höchstes Organ der Judikative und prüft Berufungen gegen Gerichtsentscheidungen in Zivil-, Straf-, Wirtschafts- und Verwaltungssachen. Richter werden nach einem Vorschlag durch einen Justizrat vom Präsidenten ernannt und entlassen. Das Parlament bestätigt nur Ernennungen der obersten Richter des Verfassungs- und Obersten Gerichtshofes (LWL 2024). 2023 gab es mehrere wichtige Entwicklungen, welche die Unabhängigkeit der Justiz und das Gleichgewicht der Kräfte bedrohten. So unterzeichnete Präsident Dschaparow im September ein neues Gesetz, das dem Präsidenten die Befugnis einräumt, Urteile des Verfassungsgerichts aufzuheben. Dem Gesetz zufolge kann der Präsident diese Befugnis ausüben, wenn „die Entscheidung des Verfassungsgerichts den moralischen Werten und dem sozialen Bewusstsein des kirgisischen Volkes widerspricht“. Das Gesetz sieht auch vor, dass Urteile des Verfassungsgerichts aufgehoben werden können, wenn sich die ihnen zugrunde liegenden Verfassungsnormen ändern oder neue Beweise auftauchen (FH 2024). Das Gesetz sieht ein faires und öffentliches Gerichtsverfahren vor, verbietet willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen und gibt jeder Person das Recht, die Rechtmäßigkeit ihrer Festnahme oder Inhaftierung vor Gericht anzufechten. Nach der Strafprozessordnung sind nur Gerichte befugt, Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen zu erlassen. Berichte zeigen jedoch, dass es zu weit verbreiteten Verstößen kommt. Dazu zählen Inhaftierungen ohne Haftbefehl oder unter Verletzung gesetzlicher Bestimmungen, erzwungene Geständnisse, Erpressung von Bestechungsgeldern, Folter, Verweigerung des Zugangs zu einem Rechtsbeistand sowie Verurteilungen ohne ausreichende Beweise oder trotz entlastender Beweise. Internationale Beobachter berichten von Drohungen und Gewalt gegen Angeklagte und Verteidiger sowie von Einschüchterungsversuchen seitens Angehöriger und Freunden der Opfer gegen Richter. Die Gerichtsverfahren verstoßen regelmäßig gegen die in der Verfassung verankerte Unschuldsvermutung. Strafverteidiger kritisieren, dass Richter Fälle routinemäßig an die Ermittler zurückverweisen, wenn die Staatsanwälte keine ausreichenden Beweise für eine Schuld vorlegen, während die Verdächtigen weiterhin in Haft verbleiben. Rechtsanwälten zufolge verhängen Richter in der Regel Bewährungsstrafen, unabhängig von der Qualität der Beweise. Die Gerichte gewähren der Öffentlichkeit in der Regel Zugang zu den Gerichtsverhandlungen, es sei denn, es liegen Staatsgeheimnisse oder Datenschutzbedenken vor (USDOS 23.4.2024). Die Regierung stellt mittellosen Angeklagten auf Staatskosten Anwälte zur Verfügung. Die Angeklagten können einen Rechtsbeistand jedoch ablehnen und sich selbst verteidigen. Berichten zufolge arbeiten einige vom Staat gestellte Verteidiger mit den Staatsanwälten zusammen und verteidigen ihre Mandanten nicht angemessen. Beobachter, vor allem im Süden des Landes, beschreiben diese Anwälte als „Taschenanwälte“. Ihre Dienstleistung besteht in der Beschaffung von Bestechungsgeldern, welche an Polizei und Richter weitergeleitet werden, um die Freilassung .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 11 von 43

der Mandanten zu erwirken. Laut Berichten internationaler Beobachter ist die anwaltliche Vertretung in ländlichen Gebieten weniger gewährleistet als in der Hauptstadt. In vielen Fällen haben Personen, die extremistischer Straftaten beschuldigt werden, Schwierigkeiten, einen Anwalt zu finden, der keine engen Verbindungen zur Polizei hat (USDOS 23.4.2024). Das Gesetz erlaubt es den Angeklagten und ihren Anwälten, an allen Verhandlungen teilzunehmen, Zeugen aufzurufen und zu befragen, Beweise vorzulegen und vor der Verhandlung Zugang zu den Beweismitteln der Staatsanwaltschaft zu erhalten. In der Regel verlangen Gerichte, dass Zeugen persönlich aussagen. Unter bestimmten Umständen werden Zeugenaussagen per Audio- oder Videoaufzeichnung zugelassen. Angeklagte und Rechtsanwälte haben nach dem Gesetz das Recht, frei und privat zu kommunizieren, ohne dass die Häufigkeit der Gespräche begrenzt wird. Angeklagte und Staatsanwälte haben das Recht, gegen Gerichtsentscheidungen Berufung einzulegen. Ein Berufungsgericht kann die von einem niedrigeren Gericht gegen einen Angeklagten verhängte Strafe erhöhen (USDOS 23.4.2024). Die Behörden können einen Häftling 48 Stunden lang festhalten, bevor sie Anklage erheben. Rechtsanwälte berichten, dass die Polizei häufig falsche Anschuldigungen vorbringt und mittels Verhörmethoden sowie Folter Bestechungsgelder für die Freilassung erpresst. Um die Verfahrensvorschriften zur Begrenzung der Haftdauer zu umgehen, kommt es vor, dass Polizei und Sicherheitsdienste häufig keine Anklage erheben (USDOS 23.4.2024). Das Gesetz verpflichtet die Ermittler, die Familie eines Inhaftierten innerhalb von 12 Stunden über dessen Inhaftierung zu informieren. Die allgemeine gesetzliche Begrenzung der Untersuchungsdauer beträgt 60 Tage. Das Gesetz gibt den Gerichten jedoch die Möglichkeit, je nach Schwere der Anklage eine Untersuchungshaft von bis zu einem Jahr anzuordnen. Je nach Schwere der Anklage können die Richter die Haft auch über ein Jahr hinaus verlängern. Sobald ein Fall vor Gericht gebracht wird, sind die Gerichte gesetzlich befugt, die Haft bis zum Abschluss des Verfahrens unbegrenzt zu verlängern. Das Justizsystem verfügt über ein funktionierendes Kautionssystem. Zudem können Gerichte alternative Maßnahmen zur Inhaftierung ergreifen, wie z. B. Reisebeschränkungen ins Ausland und Hausarrest (USDOS 23.4.2024). Quellen: •BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105908/country_report_2024_KGZ.pdf, Zugriff 21.11.2024 •FH - Freedom House (2024): Nations in Transit 2024 – Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/document/2115571.html, Zugriff 19.12.2024 •FH - Freedom House (29.2.2024): Freedom in the World 2024 - Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/document/2108023.html, Zugriff 18.11.2024 •LWL - Lempp J., Wolters A., Lehmann J. (2024): The Political System of Kyrgyzstan. In: Lempp J., Mayer S. (Hg.): Central Asia in a Multipolar World – Internal Change, External Actors, Regional Cooperation. Contributions to Political Science. Cham: Springer, S.75-89 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 12 von 43

•USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2107749.html, Zu- griff 12.11.2024 •WJP - World Justice Project (o.D.): Rule of Law Index 2024 – Kyrgyz Republic, https://worldjusticeproject.org/rule-of-law-index/country/2024/Kyrgyz%20Republic/, Zugriff 18.12.2024 5. Sicherheitsbehörden Das Militär und die Sicherheitsbehörden der Kirgisischen Republik bestehen aus den Land- und Luftverteidigungsstreitkräften, der Nationalgarde sowie den Internen Truppen und dem Staatskomitee für Nationale Sicherheit (GKNB) inklusive Staatsgrenzdienst (CIA 19.1.2025). Das Innenministerium (MVD) fungiert als zentrale Strafverfolgungsbehörde der Republik Kirgisistan und ist zuständig für die Untersuchung aller Formen von Straftaten, einschließlich des Drogenhandels und der Bekämpfung des gewalttätigen Extremismus. Die Polizei reagiert in der Regel auf die Meldung von Straftaten und die Generalstaatsanwaltschaft verfolgt alle Straftaten. Das Staatskomitee für Nationale Sicherheit (GKNB) ist die wichtigste Sicherheitsbehörde Kirgisistans und nimmt Aufgaben wahr, die denen einer Geheimdienst- und Strafverfolgungsbehörde ähneln. Es ist auf Spionageabwehr und Terrorismusbekämpfung spezialisiert und kontrolliert auch den Sicherheitsdienst des Präsidenten. Vor kurzem wurde der kirgisische Grenzschutz in das GKNB integriert. Die zivilen Behörden sind zeitweise nicht in der Lage, die Sicherheitskräfte wirksam zu kontrollieren. Zudem gibt es glaubwürdige Berichte, dass Angehörige der Sicherheitskräfte einige Verstöße begehen. Das Personal der Polizei und der Sicherheitskräfte sieht sich mit unzureichenden Gehältern und einer schlechten Ausrüstung konfrontiert. Dadurch besteht bei einigen Beamten die Tendenz zur Forderung von Bestechungsgeldern, um ihr unzureichendes Einkommen aufzubessern. Es kommt vor, dass Bürger von falschen oder echten Polizisten sowie anderen Beamten belästigt und erpresst werden (OSAC 6.8.2024). Quellen: •CIA - Central Intelligence Agency [USA] (19.1.2025): The World Factbook - Kyrgyzstan, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/kyrgyzstan/, Zugriff 23.1.2025 •OSAC – Overseas Security Advisory Council, US Department of State [USA] (6.8.2024): Kyrgyzstan Country Security Report, https://www.osac.gov/Content/Report/7e0c25ce-7afc-4747-b3dd-1c2f0a33de8b, Zugriff 20.12.2024 6. Korruption Kirgisistan belegt im Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) von Transparency International für das Jahr 2023 Platz 141 von 180 Ländern (TI 2024). Im Jahr der Staatskrise von 2020 belegte .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 13 von 43

Kirgisistan noch Rang 124 von 180 Staaten (TI 2021). Die Kirgisische Republik hat das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption unterzeichnet (USDOS 2024). Korruption ist ein ernstes und hartnäckiges Problem in allen Wirtschaftsbereichen (USDOS 2024) und der Justiz (USDOS 23.4.2024). Viele Kirgisen halten die Zahlung von Bestechungsgeldern für den effizientesten Weg, staatliche Dienstleistungen zu erhalten. Es gibt Gesetze, die Bestechung und Bestechlichkeit unter Strafe stellen. Die Strafen reichen von geringen Geldbußen bis hin zu Gefängnisstrafen. Die Durchsetzung der Antikorruptionsgesetze durch die Regierung gilt jedoch als uneinheitlich und oft politisch motiviert (USDOS 2024). Seit 2012 gibt es innerhalb des GKNB (Staatskomitee für Nationale Sicherheit) eine Antikorruptionsbehörde, die jedoch immer wieder von amtierenden Präsidenten genutzt wird, um gegen politische Gegner im Parlament und der Kommunalverwaltung vorzugehen. Seit Dschaparows Amtsantritt im Jahr 2020 wurden wiederholt zahlreiche ehemalige Beamte, Wirtschaftsführer und Anführer der organisierten Kriminalität (FH 29.2.2024) sowie Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, darunter ehemalige Minister sowie aktuelle und ehemalige Parlamentsabgeordnete, wegen Korruptionsverdachts festgenommen und inhaftiert (USDOS 2024). Die meisten von ihnen wurden allerdings nach Zahlung einer Geldstrafe wieder freigelassen (USDOS 2024), weshalb Kritiker diese Verhaftungen als politisches Instrument und als Möglichkeit der Regierung, Einnahmen zu generieren, bezeichnen (FH 29.2.2024). Die Praxis, Schadenersatz zu leisten, um einer Strafverfolgung wegen Korruption zu entgehen, wird in Kirgisistan „Kusturizatsiya“ genannt (FH 2024). Am 9.6.2023 unterzeichnete Präsident Dschaparow ein Gesetz, das Personen die Abgabe von Sondererklärungen zur Legitimierung illegal erworbener Vermögenswerte ermöglicht, einschließlich solcher, die aus Korruption stammen. Ein Antikorruptionsrat der Regierung soll staatliche Strategien zur Korruptionsprävention entwickeln. Unter Dschaparows Regierung wurde jedoch die Zahl der Antikorruptionseinheiten (ACUs), die ursprünglich zur Identifizierung und Bekämpfung von Korruptionsrisiken eingerichtet worden waren, von 60 auf 23 reduziert (USDOS 2024). Quellen: •FH - Freedom House (2024): Nations in Transit 2024 - Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/document/2115571.html, Zugriff 19.12.2024 •FH - Freedom House (29.2.2024): Freedom in the World 2024 - Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/document/2108023.html, Zugriff 18.11.2024 •TI - Transparency International (2024): Corruption Perceptions Index 2023, https://www.transparency.org/en/cpi/2023/index/kgz, Zugriff 7.1.2025 •TI - Transparency International (2021): Corruption Perceptions Index 2020, https://www.transparency.org/en/cpi/2020/index/kgz, Zugriff 7.1.2025 •USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2107749.html, Zugriff 12.11.2024 •USDOS - US Department of State [USA] (2024): 2024 Investment Climate Statements: Kyrgyz Republic, .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 14 von 43

https://www.state.gov/reports/2024-investment-climate-statements/kyrgyz-republic/, Zugriff 7.1.2025 7. Ombudsperson In Kirgisistan gibt es drei nationale Menschenrechtsinstitutionen: das Büro der kirgisischen Ombudsperson, das Nationale Zentrum zur Verhütung von Folter und das Büro des Beauftragten für Kinderrechte (HRC 8.5.2023). Das Büro der Ombudsperson agiert als unabhängiger Anwalt für Menschenrechte im Namen von Privatpersonen und NGOs und ist befugt, Fälle zur gerichtlichen Überprüfung zu empfehlen. Zum wiederholten Male stellten Beobachter fest, dass sich die Sicherheitskräfte in einer Atmosphäre der Straflosigkeit bewegen und unabhängig gegen Bürger vorgehen können. Faktoren, die die Anzahl und Art der beim Ombudsperson-Institut eingereichten Beschwerden einschränkten. Obwohl das Büro der Ombudsperson teilweise dazu dient, Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen entgegenzunehmen und die Beschwerden zur Untersuchung an die zuständigen Stellen weiterzuleiten, stellen sowohl nationale als auch internationale Beobachter die Effizienz und politische Unabhängigkeit des Büros in Frage. Am 3. Mai 2023 stimmte das Parlament für die Absetzung der Ombudsperson Atyr Abdrakhamatova, nachdem sie in ihrem Bericht vom 19. April 2023 über die Menschenrechtslage im Land systemische Rückschritte „in allen Bereichen, einschließlich des Schutzes der Menschen- und Bürgerrechte und -freiheiten“ festgestellt hatte. Am 17. Mai 2023 ernannte das Parlament eine neue Ombudsperson, Jamiliya Jamanbaeva (USDOS 23.4.2024). Im Bericht vom Mai 2023 brachte eine Arbeitsgruppe des UNHRC ihre Besorgnis über die Pläne zum Ausdruck, das Nationale Zentrum für die Verhütung von Folter aufzulösen und dessen Aufgaben auf das Büro der Ombudsperson zu übertragen. Stattdessen wurde im Bericht gefordert, dass das Nationale Zentrum zur Verhütung von Folter sein unabhängiges Mandat behält sowie das Amt der Ombudsperson mit den international anerkannten Standards für Unabhängigkeit, Pluralität und Rechenschaftspflicht für nationale Menschenrechtsinstitutionen in Einklang gebracht wird. Zudem empfiehlt der Bericht, beiden Institutionen ausreichende Mittel zur Umsetzung ihrer Mandate zur Verfügung zu stellen (HRC 8.5.2023). Quellen: •HRC - UN Human Rights Council (8.5.2023): Visit to Kyrgyzstan – Report of the Working Group on discrimination against women and girls, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093261/G2309690.pdf, Zugriff 12.11.2024 •USDOS - US Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices - Kyrgyz Republic, https://www.ecoi.net/en/document/2107749.html, Zu- griff 12.11.2024 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 15 von 43

8. Wehrdienst, Wehrersatzdienst und Wehrdienstverweigerung / Desertion Für Männer im Alter zwischen 18 und 25 Jahren bestehen eine Wehrpflicht oder die Möglichkeit eines Wehrersatzdienstes (WGE KIRG 7.8.2024). Die obligatorische Dienstzeit beträgt 12 Monate, verkürzt sich allerdings für Hochschulabsolventen auf 9 Monate (CIA 19.1.2025). Frauen zwischen 19 und 40 Jahren können freiwillig bei der Armee dienen (WGE KIRG 7.8.2024). 16- bis 17-jährige Militärkadetten können nicht an militärischen Operationen teilnehmen (CIA 19.1.2025). Männliche Wehrpflichtige, die aus religiösen, gesundheitlichen oder familiären Gründen den verpflichtenden Wehrdienst nicht leisten können oder kein Recht auf Zurückstellung der Wehrpflicht haben, sind laut Artikel 32 des Wehrgesetzes zur Leistung eines Ersatzdienstes verpflichtet. Eine Zurückstellung vom Wehrdienst kann bei gewissen familiären Gründen, für eine weitere Ausbildung und aus gesundheitlichen Gründen gewährt werden. Zum Ersatzdienst einberufen wird, wer Mitglied einer eingetragenen religiösen Organisation ist, deren Überzeugung den Gebrauch von Waffen und den Dienst in den Streitkräften, anderen militärischen Formationen und staatlichen Einrichtungen der Kirgisischen Republik nicht zulässt, oder wer eine gewisse Einschränkung aus gesundheitlichen Gründen hat. Verschiedene familiäre Umstände, die keine Zurückstellung der Wehrpflicht mit sich bringen, oder wenn ein wehrdiensttauglicher Bürger schriftlich den Wunsch geäußert hat, Ersatzdienst zu leisten, können dazu führen, dass ein Wehrpflichtiger ein Recht auf Ersatzleistung des Wehrdienstes erhält. Die Dauer des Ersatzdienstes beträgt 18 Monate und ist für den Wehrpflichtigen kostenpflichtig: aus familiären Gründen ist ein Geldbetrag von KGS 18.000 (Som) [ca. EUR 199] zu entrichten; bei Anerkennung einer gesundheitlichen Einschränkung sind es KGS 25.000 [ca. EUR 276]; aus religiösen Gründen sowie aufgrund des geäußerten Wunsches, eine sozial nützliche Arbeit zu leisten, fallen eine Leistung von 48 Stunden gemeinnütziger Arbeit für die gesamte Dienstzeit und ein Geldbetrag in Höhe von KGS 25.000 an. Zudem kann bei medizinischer Feststellung einer Behinderung und nach Zahlung des entsprechenden Geldbetrages gänzlich vom Ersatzdienst befreit werden. Werden die im Gesetz festgelegten Beträge nicht oder nur unvollständig bis zum Ende der Ersatzdienstzeit geleistet, wird die Einberufung zum Ersatzdienst aufgehoben und der Ersatzdienstleistende wird in das Wehrpflichtregister übernommen. In diesem Fall wird der bereits gezahlte Anteil refundiert. Nach Ableistung des Ersatzdienstes und Zahlung des vollen Betrages wird ein Bürger, mit Ausnahme eines Mitglieds einer eingetragenen religiösen Organisation, in die Reserve aufgenommen (WGE KIRG 7.8.2024). Wehrpflichtige Männer, die sich dem Militärdienst entziehen und nicht unter eine Ausnahmeregelung fallen, werden mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren belegt. Die Weigerung, den Wehrdienst abzuleisten oder eine Gebühr zu zahlen, bringt nach Ansicht von Vertretern religiöser Gruppen Wehrdienstverweigerer in Bedrängnis, da der .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 16 von 43

Wehrdienst eine Voraussetzung für den Staatsdienst, aber auch bei vielen privaten Arbeitgebern ist (USDOS 26.6.2024). Quellen: •CIA - Central Intelligence Agency [USA] (19.1.2025): The World Factbook - Kyrgyzstan, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/kyrgyzstan/, Zugriff 23.1.2025 •USDOS - US Department of State [USA] (26.6.2024): 2023 Report on International Religious Freedom : Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2111899.html, Zugriff 11.11.2024 •WGE KIRG - Wehrgesetz [Kirgisistan] (9.2.2009, in der Fassung vom 7.8.2023): Gesetz der Kirgisischen Republik vom 9. Februar 2009 Nr. 43, Über die allgemeine Wehrpflicht der Bürger der Kirgisischen Republik, über den Wehr- und Ersatzdienst, https://cbd.minjust.gov.kg/202536/edition/4231/ru, Zugriff 11.11.2024 9. Allgemeine Menschenrechtslage Die Bürgerrechte sind in Kirgisistan weitgehend gesetzlich verankert. In der neuen Verfassung von 2021 wurden die meisten Bestimmungen und Garantien zu den Bürgerrechten beibehalten, obwohl einige neue Formulierungen potenziell negative Bestimmungen eingeführt haben. Insbesondere verbietet Artikel 10 Aktivitäten, die gegen die „moralischen und ethischen Werte und das öffentliche Gewissen des Volkes“ Kirgisistans verstoßen, was zu Zensur und Diskriminierung führen könnte. Insgesamt sieht die Verfassung jedoch die Gewährleistung und den Schutz aller international anerkannten Menschen- und Bürgerrechte, einschließlich der Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit vor und verpflichtet die Regierung zur Einhaltung. Diese Freiheiten werden jedoch sowohl in der Praxis, als auch durch Gesetze eingeschränkt. Zahlreiche Blogger und Aktivisten, die kritische Informationen über die Regierung und Führung des Landes veröffentlichen, werden strafrechtlich verfolgt oder in Untersuchungshaft genommen (BS 19.3.2024; vgl. IPHR 5.11.2024). Folter und unmenschliche Behandlung sind gesetzlich verboten. Dennoch wird allgemein von körperlichen Misshandlungen in Gefängnissen, einschließlich unmenschlicher und erniedrigender Behandlung, berichtet. Auch Polizeigewalt wird weiterhin als ein Problem eingestuft, insbesondere in Untersuchungshaft und in Haftanstalten, die dem Staatlichen Komitee für Nationale Sicherheit (GKNB) unterstehen (USDOS 23.4.2024). Offizielle Statistiken der kirgisischen Strafverfolgungsbehörden sowie Forschungsergebnisse von lokalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen bestätigen das Vorkommen von Folter. Die unvollständige Definition des Straftatbestandes „Folter“ im kirgisischen Strafgesetzbuch ermöglicht einer großen Zahl potenzieller folternder Personen, auch Personen, die in amtlicher Funktion handeln, sich ihrer Verantwortung zu entziehen. Aufgrund von Verzögerungen bei den Ermittlungen und Gerichtsverfahren wurde in den letzten 10 Jahren kein Beamter wegen der .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 17 von 43

Anwendung von Folter verurteilt. Im Jahr 2023 wurden nach vorläufiger Prüfung von 126 Foltervorwürfen 18 Strafverfahren eingeleitet. Alle diese Fälle wurden jedoch nicht unter dem Tatbestand Folter, sondern unter verwandten („Beinahe-Folter“) Tatbeständen wie Amtsmissbrauch, Amtsüberschreitung etc. eröffnet. Dies ermöglicht es folternden Personen häufig, einer tatsächlichen Bestrafung zu entgehen, da die Straftatbestände der „Beinahe-Folter“ mildere Strafen vorsehen und die für ihre Taten Verurteilten in den Genuss von Amnestien oder bedingter Strafnachsicht kommen können. Im ersten Halbjahr 2024 wurden 66 Beschwerden registriert; davon blieben 60 Fälle ohne Eröffnung eines Strafverfahrens (OMCT 10.2024). Mit Ende Dezember 2023 wird die Anzahl der Gefängnisinsassen mit 7.728 beziffert, bei einer offiziellen Kapazität des Gefängnissystems von 17.134 Haftplätzen (WPB 12.2023). Die Haftbedingungen gelten als hart und manchmal lebensbedrohlich, aufgrund von Nahrungsmittel- und Medikamentenmangel, unzureichender Gesundheitsversorgung, fehlender Heizung und Misshandlungen. Die Einrichtungen für Untersuchungshaft und vorübergehende Inhaftierungen sind besonders überfüllt. Die dortigen Bedingungen sind im Allgemeinen schlechter als in den Gefängnissen und Misshandlungen sind häufiger. Die Behörden halten Jugendliche in der Regel getrennt von Erwachsenen, transferieren die Jugendlichen aber in überfüllte provisorische Haftanstalten, wenn andere Einrichtungen nicht verfügbar sind. NGOs berichten, dass in einigen Fällen Gefängnisbanden die Gefängnisverwaltung und -disziplin kontrollieren, da es den Gefängnisbeamten an Kapazitäten und Fachwissen für den Betrieb einer Einrichtung fehlt. In einigen Fällen kontrollieren die Banden z.B. Essen und Kleidung, die ins Gefängnis gebracht werden. Nach Angaben von NGOs versuchen die Behörden nicht, diese Gruppen zu zerschlagen, weil sie zu mächtig sind. NGOs berichten, dass Wachbeamte mehr Offenheit für Besuche von Beobachtern in Gefängnissen und Haftanstalten zeigen. Die meisten, darunter das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), berichten, dass sie ungehinderten Zugang erhalten. Einige NGOs haben das Recht, Gefängnisse im Rahmen ihrer technischen Hilfe, wie etwa der medizinischen und psychologischen Betreuung, zu besuchen. Das Nationale Zentrum zur Prävention von Folter, eine unabhängige und unparteiische Einrichtung, ist befugt, Haftanstalten zu überwachen (USDOS 23.4.2024). Obwohl seitens der Behörden Maßnahmen zur Verbesserung der Haftbedingungen getroffen werden, werden dennoch die minimalen internationalen und nationalen Standards oft nicht erreicht (OMCT 10.2024). Quellen: •BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report Kyrgyzstan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105908/country_report_2024_KGZ.pdf, Zugriff 21.11.2024 •IPHR – International Partnership for Human Rights (5.11.2024): The Protection Of Funda- mental Freedoms and Civic Space in Kyrgyzstan: Key Concerns And Recommendations, .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 18 von 43
