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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
sie die Verantwortlichen entlassen kann (RSF 2023). Medienschaffende, welche Kritik an der Übergangsregierung äußern, sind mit zunehmender Schikane bzw. Einschüchterung konfrontiert (BAMF 1.1.2023). Das Akkreditierungsverfahren für ausländische Reporter ist sehr aufwändig und gefährdet die Geheimhaltung ihrer Quellen (RSF 2023). Im Feber 2022 wurde es ausgesetzt (FH 2023; vgl. AA 3.6.2022) und ein französischer Journalist wurde innerhalb von 24 Stunden nach seiner Ankunft wieder ausgewiesen (RSF 2023). Auslandskorrespondenten im Land dürfen jedoch weiterhin arbeiten. Laut dem deutschen Auswärtigen Amt gibt es Anzeichen, dass die Behörden diesen unklaren Status nutzen, um die hiesigen Auslandskorrespondenten zu einer positiven Berichterstattung zu bewegen (AA 3.6.2022). Im März 2022 wurden die beiden Sender Radio France Internationale (RFI) und France 24 von den Behörden vorübergehend suspendiert, nachdem sie Artikel über Folter und rechtswidrige Tötungen durch die malische Armee veröffentlicht hatten (AI 27.3.2023; vgl. AA 3.6.2022, FH 2023; USDOS 20.3.2023). Die Suspendierungen wurden im April 2022 als „endgültig“ bestätigt (FH 2023) und die Regierung erklärte, dies sei aufgrund „falscher Anschuldigungen“ notwendig (USDOS 20.3.2023). Im November 2022 wurde der Sender Joliba TV für zwei Monate aufgrund „schwerwiegender und wiederholter Verstöße gegen den Berufskodex für Journalisten“ suspendiert. Joliba TV hatte die Übergangsregierung sowie die mangelnde Reaktion seitens der Behörden auf Belästigungen und Einschüchterungen von Medienschaffenden kritisiert (AI 27.3.2023; vgl. BAMF 1.1.2023, FH 2023; USDOS 20.3.2023). Die Aussetzung wurde am 1.12.2022, einen Monat früher als erwartet, wieder aufgehoben (USDOS 20.3.2023; vgl. BAMF 1.1.2023). Bürger können die Regierung kritisieren, jedoch nur innerhalb vorgeschriebener Grenzen (USDOS 20.3.2023). Verleumdung ist eine Straftat, die mit Geld- oder Gefängnisstrafen geahndet werden kann (FH 2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Das Gesetz stellt zudem Vergehen wie Unterminierung der Staatssicherheit, Demoralisierung der Streitkräfte, Beleidigung des Staatschefs, Aufwiegelung sowie Verabredung mit dem Feind unter Strafe (USDOS 20.3.2023). Während 2022 wurden immer wieder Personen der Verleumdung von Regierung oder Streitkräften beschuldigt, angezeigt und mitunter verhaftet (AI 27.3.2023). Ferner existiert in Mali eine Form der Selbstzensur, die großteils auf Angst vor Repressalien durch die Regierung oder ihre Anhänger zurückgeführt (FH 2023), aber auch durch soziokulturelle Rahmenbedingungen gefördert wird (RSF 2023). Die Meinungsfreiheit ist auch in Gebieten eingeschränkt, in welchen militante Gruppen operieren oder interkommunale Gewalt ausgebrochen ist (FH 2023). Die malische Regierung beschränkt oder unterbricht nicht den Internetzugang. Auch werden keine Online-Inhalte zensiert (USDOS 20.3.2023), mit Ausnahme der gesperrten Webseiten von RFI und France 24 (AA 3.6.2022). Des Weiteren gibt es keine glaubwürdigen Berichte, dass private Online- .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 35 von 66

Kommunikation ohne entsprechende rechtliche Befugnis überwacht wird (USDOS 20.3.2023). Die Meinungs- und Informationsfreiheit im Internet steht aber unter wachsendem Druck durch zum Teil aggressive Meinungsführer, Desinformationen und Falschnachrichten (AA 3.6.2022). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.6.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Mali (Stand: April 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2074954/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_ %C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Mali_ %28Stand_April_2022%29%2C_03.06.2022.pdf, Zugriff 23.10.2023 -AI - Amnesty International (AI 27.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; The State of the World’s Human Rights; Mali 2022, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089560.html, Zugriff 23.10.2023 -BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (30.6.2023): Briefing Notes Zusammenfassung. Gruppe 62 - Informationszentrum Asyl und Migration: Mali Januar - Juni 2023, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/ BriefingNotes/2023/Zusammenfassungen/briefingnotes-zf-hj-1-2023-mali.pdf? __blob=publicationFile&v=4, Zugriff 23.10.2023 -BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (1.1.2023): Briefing Notes Zusammenfassung. Gruppe 62 - Informationszentrum Asyl und Migration: Mali Juli - Dezember 2022, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/ BriefingNotes/2022/Zusammenfassungen/briefingnotes-zf-hj-2-2022-mali.pdf? __blob=publicationFile&v=2, Zugriff 23.10.2023 -FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Mali, https://www.ecoi.net/en/document/2097713.html, Zugriff 23.10.2023 -OHCHR - United Nations Office of the High Commissioner for Human Rights (31.3.2023): Human Rights Council Hears that the Security Situation in Mali is Very Concerning, and that Severe Violations of Human Rights Have Become Shockingly Routine in Ukraine, https://www.ohchr.org/en/news/2023/03/human-rights-council-hears-security-situation-mali-very- concerning-and-severe, Zugriff 23.10.2023 -RSF - Reporters Sans Frontières (2023): Mali, https://rsf.org/en/country/mali, Zugriff 23.10.2023 -USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Mali, https://www.ecoi.net/en/document/2089138.html, Zugriff 23.10.2023 13. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition Die Verfassung gewährleistet das Recht auf sowohl Versammlungs- als auch Vereinigungsfreiheit (USDOS 20.3.2023; vgl. AA 3.6.2022, FH 2023), wobei die Behörden beide Freiheiten bisweilen einschränken bzw. nicht respektieren. Im Juni 2022 wurde beispielsweise eine Kundgebung gegen die schlechten Studienbedingungen an der Universität Bamako mit Verweis auf die Sicherheitslage untersagt (USDOS 20.3.2023). Verbandsgenehmigungen sind in der Regel vergleichsweise leicht zu erhalten. Im Allgemeinen sind Vereinigungen in Mali frei, ihre eigenen Aktivitäten zu steuern und ihre Meinung zu äußern (BS 23.2.2022). Für LGBTQI-Gruppen ist die Vereinigungsfreiheit jedoch grundsätzlich eingeschränkt (USDOS 20.3.2023). Teilnehmer öffentlicher Versammlungen riskieren Übergriffe durch staatliche Sicherheitskräfte und die Regierung begrenzt gelegentlich die Nutzung sozialer Medien, um Organisierungen von Protestaktionen zu verhindern (FH 2023). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 36 von 66

Mehrere Demonstrationen fanden 2022 statt und verliefen zumeist friedlich. Regierungsfreundliche Kundgebungen, u. a. Proteste gegen die ECOWAS-Sanktionen und das französische Engagement in Mali, verliefen das ganze Jahr über ungestört (FH 2023). Medienberichten zufolge gingen z. B. am 14.1.2022 Tausende Menschen in Bamako und anderen Städten auf die Straße, um gegen die ECOWAS und die westlichen Länder, besonders Frankreich, zu demonstrieren (BAMF 1.7.2022). Kleinere Proteste gegen die Übergangsregierung wurden im Jänner und Mai 2022 abgehalten (FH 2023) und es kam auch zu Demonstrationen gegen anti-islamische Blasphemie [siehe Kapitel 16. Religionsfreiheit, Anm.] (BAMF 1.1.2023). Arbeitnehmer besitzen das Verfassungsrecht, Gewerkschaften zu gründen und zu streiken, jedoch mit Einschränkungen. Die Regierung verfügt über einen großen Ermessensspielraum hinsichtlich der Zulassung von Gewerkschaften und der Anerkennung von Tarifverhandlungen. Die Behörden setzen die Gesetze gegen gewerkschaftsfeindliche Diskriminierung zudem nicht wirksam durch. Im November 2022 hielten drei Gewerkschaften, darunter die größte des Landes, einen zweitägigen Streik in Gao ab, um das Regierungsversagen bei der Bekämpfung der wachsenden Unsicherheit in der Region zu verurteilen (FH 2023). In den Landesteilen, in welchen der Staat präsent ist, sind die Betätigungsmöglichkeiten für die politische Opposition (auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene) nicht systematisch beschnitten, und die parlamentarische sowie die außerparlamentarische Opposition kann sich grundsätzlich frei betätigen (AA 3.6.2022). Ein Gesetz aus dem Jahr 2014 institutionalisierte besondere Privilegien für Oppositionsparteien im Parlament, wie etwa die Möglichkeit, einen offiziellen Oppositionsführer zu wählen. Seit 2016 bevorzugt eine Änderung des Wahlgesetzes jedoch etablierte Parteien sowie Mehrheitsparteien, weil Kandidaten seither eine beträchtliche finanzielle Einlage leisten und von einigen amtierenden Mandatsträgern unterstützt werden müssen (FH 2023). In den Landesteilen, die unter dem Einfluss bewaffneter Gruppierungen stehen, ist eine freie politische Betätigung hingegen praktisch nicht möglich (AA 3.6.2022). Normalerweise steht der Wahlkampf auch den Oppositionskräften offen (FH 2023), aber seit dem Staatsstreich im August 2020 sind Exekutive und Legislative in Mali nicht durch Wahlen legitimiert (BS 23.2.2022). Anstelle eines gewählten Parlaments wirkt der eingesetzte, 121-köpfige Nationale Übergangsrat (CNT), wobei das Oppositionsbündnis M5-RFP nur acht Sitze erhielt (FH 2023). M5- RFP führte 2020 die Proteste an, bei denen es zu gewaltsamen Übergriffen auf Oppositionelle kam (FH 2023) und die schlussendlich zum Sturz der Keïta-Regierung führten (BS 23.2.2022; vgl. VOA 17.7.2020). Die fortan regierende Militärjunta hat seit ihrer Machtkonsolidierung im Mai 2021 hohe Beamte ernannt und den Zeitplan für Neuwahlen festgelegt, ohne die Öffentlichkeit direkt zu .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 37 von 66

befragen. Dennoch gab es für die Zivilgesellschaft und die Parteien Gelegenheiten, sich an diesen Konsultationsprozessen zu beteiligen, auch im Vorfeld der Wahlgesetzesänderung vom Juni 2022 (FH 2023). Allerdings beklagen Vertreter politischer Parteien in letzter Zeit, dass sich der Raum für freie Meinungsäußerungen zunehmend verengt (AA 3.6.2022). Im Juli 2022 wurden vom Obersten Gerichtshof Haftbefehle gegen Boubou Cissé, den ehemaligen Premierminister, sowie gegen weitere vormalige Amtsträger erlassen. Regimekritiker befürchten, dass hiermit eine Teilnahme von Vertretern der Keïta-Ära an den nächsten Präsidentschaftswahlen im März 2024 zu verhindern versucht wird. Es ist geplant, dass bei jenen Wahlen wieder eine zivile Exekutive ins Amt kommt (FH 2023), aber die neue, im Juni 2023 unter Widerstand der Opposition angenommene Verfassungsänderung stärkt die Vollmachten des Präsidenten. Kritiker befürchten, dass sie vom Militär zur Machterhaltung genutzt wird (BBC 23.7.2023; vgl. AJ 23.6.2023). Exilgruppen im Sinne einer „Auslandsopposition“ gibt es in Mali nicht. Mehrere Millionen Malier leben im Ausland, vor allem in den Nachbarländern, und sind in verschiedenen Vereinigungen organisiert. Letztere haben einen festen Platz im politischen Diskurs des Landes und werden zum Teil staatlich gefördert. Es existiert in der Regel ein Ministerium für Auslandsmalier, über das die Regierung den Kontakt zur Diaspora aufrechterhält und deren politische Teilhabe organisiert (z.B. Teilnahme an Wahlen). Politische Tätigkeiten im Ausland werden wie inländische behandelt und führen nach einer Rückkehr nicht zu staatlichen Repressionen (AA 3.6.2022). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.6.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Mali (Stand: April 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2074954/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_ %C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Mali_ %28Stand_April_2022%29%2C_03.06.2022.pdf, Zugriff 24.10.2023 -AJ - Al Jazeera (23.6.2023): Malians approve amendments to constitution in referendum, https://www.aljazeera.com/news/2023/6/23/mali-approves-constitutional-amendments-in-a- referendum, Zugriff 24.10.2023 -BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (1.1.2023): Briefing Notes Zusammenfassung. Gruppe 62 - Informationszentrum Asyl und Migration: Mali Juli - Dezember 2022, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/ BriefingNotes/2022/Zusammenfassungen/briefingnotes-zf-hj-2-2022-mali.pdf? __blob=publicationFile&v=2, Zugriff 24.10.2023 -BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (1.7.2022): Briefing Notes Zusammenfassung. Gruppe 62 - Informationszentrum Asyl und Migration: Mali Januar - Juni 2022, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/ BriefingNotes/2022/Zusammenfassungen/briefingnotes-zf-hj-1-2022-mali.pdf? __blob=publicationFile&v=3, Zugriff 24.10.2023 -BBC - British Broadcasting Coperation (23.7.2023): Assimi Goïta: President gets sweeping powers in new Mali constitution, https://www.bbc.com/news/world-africa-66282417, Zugriff 23.10.2023 -BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report Mali, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069611/country_report_2022_MLI.pdf, Zugriff 24.10.2023 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 38 von 66

-FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Mali, https://www.ecoi.net/en/document/2097713.html, Zugriff 24.10.2023 -USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Mali, https://www.ecoi.net/en/document/2089138.html, Zugriff 24.10.2023 -VOA - Voice of America (17.7.2020): Who Is Behind Mali’s Surging Protest Movement?, https://www.voanews.com/a/africa_who-behind-malis-surging-protest-movement/6193002.html, Zugriff 24.10.2023 14. Haftbedingungen Die Haftbedingungen sind aufgrund von Überbelegung, unzureichenden sanitären Bedingungen - in einigen Gefängnissen werden weiterhin Eimer als Toiletten verwendet - und einer mangelhaften medizinischen Versorgung hart und lebensbedrohlich (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023); es mangelt auch an einer angemessener Ernährung (FH 2023) und nicht alle Gefangenen haben Zugang zu Trinkwasser (USDOS 20.3.2023). Im März 2022 verstarb Soumeylou Boubèye Maïga, ein ehemaliger Premierminister, der im August 2021 wegen Korruption verhaftet worden war, in Haft, nachdem mehrfach Aufforderungen seiner Familie sowie seines Arztes, ihn in einem Krankenhaus zu versorgen, ignoriert worden waren. Die Regierung weigert sich, eine Autopsie durchzuführen (AI 27.3.2023). Zudem verschlimmert die Kombination aus allgemeiner Sicherheitslage und überlasteten, ineffizienten Gerichten die ohnehin schlechten Haftbedingungen, indem sie die Zahl der Untersuchungshäftlinge erhöht und die Entlassung von Gefangenen, welche ihre Strafe gebüßt haben, verhindert. So waren z. B. 3.305 Personen im August 2022 im Zentralgefängnis von Bamako inhaftiert, welches für 400 Häftlinge ausgelegt ist. Auch die Gendarmerie und Polizeihaftanstalten waren Ende 2022 voll ausgelastet (USDOS 20.3.2023). Nach Angaben von World Prison Brief (WPB) sind in Mali mit Stand Juni 2022 ungefähr 8.670 Individuen in Haft, von denen ca. 69 % in Untersuchungshaft (Stand September 2020) sind (WPB o.D.). Im Allgemeinen wurden die Haftbedingungen jedoch verbessert. Die Übergangsregierung hat 52 der 60 Gefängnisse des Landes reorganisiert, in welchen die Behörden geräumigere Zellen samt Toiletten einbauten. Auch das Essen wurde dort qualitativ und quantitativ verbessert, genauso wie die hygienischen bzw. medizinischen Verhältnisse. Das moderne, neue Gefängnis in Kenioroba nahe Bamako verfügt über Elektrizität, einen adäquaten Wasseranschluss und eine bessere Ausstattung als ältere Anstalten (USDOS 20.3.2023). Die Häftlinge werden nach Alter (Erwachsene respektive Kinder), Geschlecht und Art der Straftat (terroristisch oder kriminell) getrennt, wobei die Haftbedingungen im Frauengefängnis von Bamako besser als in denen für Männer sind. Die Vollzugsbehörden verwahren Untersuchungshäftlinge .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 39 von 66

gemeinsam mit verurteilten Straftätern und können verhaftete Personen bis zu 72 Stunden lang in Polizeistationen festhalten. Es gibt jedoch Berichte, dass die Polizei Gefangene manchmal länger behielt. Des Weiteren gibt es in den Polizeistationen keine separaten Haftbereiche für Frauen und Kinder (USDOS 20.3.2023). Die Strafvollzugsverwaltung der Regierung hat die Aufgabe, die Bedingungen in den Gefängnissen zu überwachen, aber die Behörden sind nur begrenzt imstande, die Haftanstalten zu kontrollieren, einschließlich der Gewalt zwischen Häftlingen. Es wird Gefangenen gestattet, sich bei der CNDH (Commission nationale des droits de l'homme) oder dem Büro des Ombudsmanns der Republik zu beschweren oder sich an die Justiz zu wenden, um eine Untersuchung glaubhafter Behauptungen über unmenschliche Haftbedingungen zu beantragen. Justizbehörden gehen diesen Beschwerden durch eine Weiterleitung an die Strafvollzugsverwaltung zuweilen nach. Die CNDH darf ex lege Gefängnisse ohne vorherige behördliche Genehmigung besuchen, um die Bedingungen zu prüfen. Während einer solchen Inspektion werden manchmal mündliche Beschwerden gestellt. Im Allgemeinen erlaubt die Regierung Gefängnisbesuche von nationalen sowie internationalen Menschenrechtsbeobachtern und -organisationen, vorausgesetzt diese stellen zuvor einen Antrag an den Gefängnisdirektor, welcher ihn dann an das Justizministerium weiterleitet. Zu den vom Geheimdienst ANSE (l’Agence nationale de la Sécurité d’État) überwachten Militärgefängnis wird kein Zugang gewährt. Laut Berichten von internationalen Organisationen haben diese jedoch nur Zugang zu Haftanstalten in Bamako, aber kaum oder gar keinen zu denen im Zentrum des Landes (USDOS 20.3.2023). Quellen: -AI - Amnesty International (AI 27.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; The State of the World’s Human Rights; Mali 2022, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089560.html, Zugriff 5.10.2023 -FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Mali, https://www.ecoi.net/en/document/2097713.html, Zugriff 5.10.2023 -USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Mali, https://www.ecoi.net/en/document/2089138.html, Zugriff 5.10.2023 -WPB - World Prison Brief (o.D.): Mali, https://www.prisonstudies.org/country/mali, Zugriff 5.10.2023 15. Todesstrafe Die Todesstrafe wird in Mali trotz verschiedener Gesetzesinitiativen bisher nicht abgeschafft und wird jährlich in mehreren Fällen verhängt. Sie kann verhängt werden beim Vorliegen verschiedener Qualifikationsmerkmale bei Tötungs- (z. B. Terrorismus, Folter durch Amtsträger), Brandstiftungs-, Entführungs- (i.V.m. Folter), Hochverrats- und Spionagedelikten. Seit 1980 wurde die Todesstrafe jedoch nicht mehr vollstreckt. Verurteilte verbleiben in der Regel lebenslang in Haft. In Einzelfällen wurden sie auch vom Präsidenten begnadigt. Trotz des andauernden Moratoriums lehnen die .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 40 von 66

Regierung und das Parlament, aber auch einige religiöse Führer, die endgültige Abschaffung der Todesstrafe ab (AA 3.6.2022). Gemäß Amnesty International sank 2022 die Zahl registrierten Todesurteile im Vergleich zu 2021, von 48 auf acht. Nichtsdestotrotz geht die NGO von mehr als acht Verurteilungen aus - die Zahl bezieht sich nur auf bestätigte Todesurteile (AI 5.2023). Im Dezember 2022 verurteilte ein malisches Gericht drei der 49 ivorischen Soldaten, welche im Juli 2022 zur Teilnahme an der MINUSMA entsandt und bei ihrer Ankunft unter dem Vorwurf, die Sicherheit in Mali zu untergraben, verhaftet worden sind, in Abwesenheit zum Tode (FH 2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.6.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Mali (Stand: April 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2074954/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_ %C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Mali_ %28Stand_April_2022%29%2C_03.06.2022.pdf, Zugriff 4.10.2023 -AI - Amnesty International (5.2023): Death Sentences and Executions 2022, https://www.ecoi.net/en/file/local/2091962/ACT5065482023ENGLISH.pdf, Zugriff 4.10.2023 -FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Mali, https://www.ecoi.net/en/document/2097713.html, Zugriff 4.10.2023 -USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Mali, https://www.ecoi.net/en/document/2089138.html, Zugriff 4.10.2023 16. Religionsfreiheit Die Verfassung definiert Mali als säkularen Staat, verbietet Diskriminierung aufgrund von Religion und gewährleistet Religionsfreiheit im Einklang mit dem Gesetz (USDOS 15.5.2023; vgl. FH 2023). Letztere wird durch den malischen Staat, der sich als laizistisch versteht, nicht eingeschränkt; die freie Ausübung der Religion wird von der Verfassung garantiert (Art. 18, 25, 28 und 118) (AA 3.6.2022). Die Gültigkeit dieser Verfassungsbestimmungen wurde im Mai 2021 von der sich derzeit im Amt befindenden Übergangsregierung bestätigt. Außerdem stellt das Gesetz Verstöße gegen die Religionsfreiheit unter Strafe (USDOS 15.5.2023). Religiöse und konfessionelle Vielfalt werden in den unter staatlicher Kontrolle stehenden Gebieten gewährt und gefördert. Der malische Staat öffnet sich aber langsam stärkerem islamischen Einfluss, was sich in der Anerkennung der religiösen Eheschließung und dem Einwirken religiöser Führer auf den politischen Bereich manifestiert (AA 3.6.2022). Die malische Bevölkerung ist gemäß dem Ministerium für religiöse Angelegenheiten, Gottesdienste und Bräuche (Ministère des Affaires religieuses, du Culte et des Coutumes - MARCC) zu 95 % muslimisch (USDOS 15.5.2023; vgl. MRG 6.2019). Fast alle Muslime sind Sunniten und die .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 41 von 66

meisten hängen dem Sufismus an (USDOS 15.5.2023; vgl. FH 2023); laut einem prominenten schiitischen Imam sollen jedoch bis zu 10 % der Muslime Schiiten sein. Die übrigen 5 % der Bevölkerung sind Christen (von denen ungefähr zwei Drittel römisch-katholisch und ein Drittel protestantisch sind), Befürworter des Kemetismus, eine Wiederbelebung einer ägyptischen Religion, Anhänger indigener Religionen und Menschen ohne Religionsbekenntnis (USDOS 15.5.2023). Viele der Gruppen, die Gur sprechen, insbesondere die Dogon sowie einige Malinke und Bambara, praktizieren traditionelle afrikanische Religionen (EB 6.10.2023). Synkretistische Glaubensformen sind weit verbreitet, weil Elemente des traditionellen Glaubens auch unter Muslimen und Christen fortbestehen (USDOS 15.5.2023; vgl. EB 6.10.2023). In den staatlich kontrollierten Landesteilen lässt sich keine Strafverfolgungspraxis feststellen, die nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer gewissen sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung systematisch diskriminiert. D. h., dass im Süden des Landes keine praktischen und rechtlichen, staatlichen Einschränkungen für eine freie Ausübung der Religion (z.B. Christentum, traditionelle Religionen, etc.) bestehen (AA 3.6.2022). Das MARCC ist für die Umsetzung der nationalen Strategie gegen gewalttätigen Extremismus, die Förderung von religiöser Toleranz und die Koordinierung von nationalen religiösen Aktivitäten wie Pilgerfahrten oder religiöse Feiertage für Anhänger aller Religionen zuständig. Ein Entwurf für ein Gesetz zur Regelung der Religionsfreiheit und -ausübung, welches bereits im Dezember 2021 vom Ministerrat angenommen wurde und noch bei der Übergangsregierung anhängig ist, würde es dem MARCC ermöglichen, religiöse Organisationen leichter zu beaufsichtigen, indem es eine führende Rolle bei deren Registrierung spiele (USDOS 15.5.2023). Im Norden und teils im Zentrum von Mali ist die Ausübung der Religionsfreiheit de facto dort stark eingeschränkt, wo bewaffnete Gruppen eine islamistisch-fundamentalistische Ausrichtung haben (AA 3.6.2022). Diese Gruppen greifen seit 2012 diejenigen an, welche ihrer strengen Auslegung des Islam nicht folgen. Sie haben mitunter gezielt Christen entführt und gewaltsam schikaniert (FH 2023). In den von ihnen kontrollierten Gebieten bringen islamistische bewaffnete Gruppierungen Telekommunikationsmasten zu Fall, führen die Zakat (Religionssteuer) ein und setzen die Scharia sowie Strafen über Gerichte durch, die sich nicht an die Standards für faire Verfahren halten (HRW 12.1.2023). In einigen Gemeinden geht die Anwendung islamischen Rechts über das Familienrecht hinaus, für welches das malische Rechtssystem die Anwendung des Kadi-Systems gestattet (AA 3.6.2022). Viele Andersdenkende haben diese Gebiete verlassen (AA 3.6.2022). Im Oktober 2020 gab das Nationale Sekretariat für Prävention und Bekämpfung von gewalttätigem Extremismus des MARCC mithilfe des UN-Entwicklungsprogramm eine Studie über Faktoren, die den Extremismus in Hinblick auf die Religion beeinflussen, in Auftrag. Auf Grundlage der Resultate .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 42 von 66

dieser Studie beschloss die Übergangsregierung im Juli 2021 den nationalen Aktionsplan 2021-25 zur Bekämpfung und Prävention von gewalttätigem Extremismus sowie Terrorismus, welcher auch interreligiöse Maßnahmen und die Förderung von religiöser Toleranz umfasst (USDOS 15.5.2023). Nach der Veröffentlichung eines Videos in den sozialen Medien, in dem ein Mann auf einen Koran tritt und sich beleidigend über den Islam äußert, sind am 4.11.2022 Tausende Menschen in Bamako auf die Straße gegangen, um gegen Blasphemie zu protestieren. Medienberichten zufolge sind sechs Personen wegen des Vorwurfs der Beteiligung an Blasphemie festgenommen worden (BAMF 1.1.2023). Quellen: -AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (3.6.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Mali (Stand: April 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2074954/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_ %C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Mali_ %28Stand_April_2022%29%2C_03.06.2022.pdf, Zugriff 9.10.2023 -BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (1.1.2023): Briefing Notes Zusammenfassung. Gruppe 62 - Informationszentrum Asyl und Migration: Mali Juli - Dezember 2022, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/ BriefingNotes/2022/Zusammenfassungen/briefingnotes-zf-hj-2-2022-mali.pdf? __blob=publicationFile&v=2, Zugriff 9.10.2023 -EB - Encyclopaedia Britannica (6.10.2023): Mali, https://www.britannica.com/place/Mali, Zugriff 9.10.2023 -FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Mali, https://www.ecoi.net/en/document/2097713.html, Zugriff 9.10.2023 -HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Mali, https://www.ecoi.net/en/document/2085475.html, Zugriff 9.10.2023 -MRG - Minority Rights Group (6.2019): Mali, https://minorityrights.org/country/mali/, Zugriff 9.10.2023 -USDOS - US Department of State [USA] (15.5.2023): 2022 Report on International Religious Freedom: Mali, https://www.ecoi.net/de/dokument/2091925.html, Zugriff 9.10.2023 17. Ethnische Minderheiten Mali ist ein Vielvölkerstaat und durch große ethische Vielfalt geprägt (AA 3.6.2022). Der Begriff der ethnischen Zugehörigkeit ist in Mali fließend (EB 6.10.2023). Zu den größeren zählen Bambara (33,3 %), Fulani oder Peulh (13,3 %), Sarakole/Soninke/Marka (9,8 %), Senufo/Manianka (9,6 %), Malinke (8,8 %), Dogon (8,7 %), Sonrai (5,9 %), Bobo (2,1 %) und Tuareg/Bella (1,7 %); auf den Rest entfallen 6 % (CIA 26.9.2023; vgl. EB 6.10.2023). Gemäß der neuen Verfassung von 2023 soll es in Mali künftig 13 Amtssprachen geben, während Französisch zur Arbeitssprache wird (ARD 24.6.2023; vgl. BBC 23.7.2023; CIA 26.9.2023). Rund 80 % aller Malier verwenden Bambara als Verkehrssprache, vor allem im Zentrum, Westen und Süden (MRG 6.2019). Im Allgemeinen zeichnet sich die malische Gesellschaft durch einen hohen Grad der Toleranz und des Respekts gegenüber allen im Land vertretenen Sprachen, Kulturen und Traditionen aus (AA .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 43 von 66

3.6.2022). Keine ethnische Gruppe hat eine dominante Stellung weder in der Regierung noch den Sicherheitskräften (FH 2023), alle Bevölkerungsgruppen sind im Staats- und Sicherheitsapparat vertreten (AA 3.6.2022). Es gibt kein Gesetz, welches die politischen Rechte von Minderheiten einschränkt (FH 2023; vgl. AA 3.6.2022, USDOS 20.3.2023) und diese partizipieren im politischen Prozess (USDOS 20.3.2023), wobei die Tuareg-Hirten im Norden des Landes seit jeher eine marginale Position im politischen Leben von Mali einnehmen (FH 2023). Die malische Verfassung schützt Minderheiten vor Diskriminierung (Art. 2) aufgrund von sozialer Herkunft, Hautfarbe, Sprache, Rasse, Geschlecht, Religion und politischer Meinung. In den staatlich kontrollierten Landesteilen besteht keine diskriminierende Verwaltungspraxis oder Gesetzgebung. Politiker schlagen in der Regel kein politisches Kapital aus kulturellen Unterschieden oder Ressentiments, und die jeweiligen Regierungen propagieren nationale Einheit und Solidarität stets als gewichtige Elemente der Staatsbildung (AA 3.6.2022). Die meisten Menschenrechtsverletzungen, die vom Militär begangen wurden, scheinen sich gegen Fulani, Tuareg und arabische Personen zu richten. Dabei wird vermutet, dass es sich entweder um Vergeltung für Angriffe durch bewaffnete Gruppen, die mit diesen Ethnien in Verbindung gebracht werden, handelt oder um das Resultat verstärkter Antiterroroperationen. So berichten z. B. mehrere Zeugen und Medien, dass während der Tötungen in Moura im März 2022 Fulani aufgrund ihres Aussehens, wie etwa der Länge ihrer Bärte oder der Art ihrer Kleidung, gezielt angegriffen wurden. Nach Angaben von MINUSMA waren zwischen Jänner und März 2022 die Mehrzahl der Opfer von Übergriffen, die dem Militär zugeschrieben werden, Fulani (USDOS 20.3.2023). Ethnische Spannungen können nicht als zentrale Ursache für den bewaffneten Konflikt im Norden und Zentrum herangezogen werden. Willkürakte der dortigen Gruppierungen sind nicht rassistisch motiviert, aber Aspekte der bewaffneten Auseinandersetzungen und Menschenrechtsverletzungen wie Entführungen oder Verschwindenlassen beruhen im Norden von Mali auf Clan-Konflikten (AA 3.6.2022). Im Zentrum des Landes kommt es u. a. wegen fehlender wirtschaftlicher und sozialer Perspektiven sowie der Konkurrenz um Landnutzung infolge von Bevölkerungswachstum und Klimawandel zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen sesshaften Ackerbauern (hauptsächlich Dogon und Bambara) und halbnomadisch wirtschaftenden Viehzüchtern (großteils Fulani/Peulh) (AA 3.6.2022; vgl. USDOS 20.3.2023). Die Fulani sollen angeblich bewaffnete Islamisten unterstützen, die mit Al- Qaida in Verbindung stehen. Laut Human Rights Watch haben diese Auseinandersetzungen zu einem kontinuierlichen Anstieg ethnischer „Selbstverteidigungsgruppen“ geführt, die Tausende von Menschen aus ihren Häusern vertrieben, ihre Lebensgrundlage bedrohten und zu weitverbreiteten .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 44 von 66
