mont-lib-2024-02-09-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Das gegenständliche Produkt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde gemäß den vom Staatendokumentationsbeirat beschlossenen Standards und der Methodologie der Staatendokumentation erstellt. Ein Länderinformationsblatt (LIB) der Staatendokumentation ist ein COI-Dokument, das beruhend auf den Bedürfnissen in Verfahren des Asyl- und Fremdenwesens (RD, EASt, ASt, BVwG) mittels Recherche von vorhandenen, vertrauenswürdigen und vorrangig öffentlichen Informationen gemäß den Standards der Staatendokumentation erstellt wird. Ein LIB gibt eine einzelfallunabhängige Darstellung über die Lage betreffend relevanter Tatsachen in Herkunftsländern bzw. in EU- Mitgliedsstaaten. Die LIB dienen den Bedarfsträgern der Instanzen des Asyl- und Fremdenwesens. Für sie gilt § 5 Abs. 5 letzter Satz BFA-G, d.h. sie sind als solche nicht Teil der allgemein zugänglichen, öffentlichen Staatendokumentation. Sie werden aber durch Verwendung im Verfahren (Parteiengehör, Verwendung im Bescheid) der jeweiligen Partei zugänglich und durch Verwendung im Bescheid öffentlich gemacht. Dieses Produkt ist als Arbeitsbehelf für österreichische Behörden und Gerichte entwickelt worden. In diesem Sinne stehen Lesbarkeit, flexible Nutzbarkeit und einfache Verwertbarkeit in Entscheidungen im Vordergrund. Grundsätzlich wird jede Information mit mindestens einer Quelle belegt; aus vorgenannten Gründen wird jedoch auf die Hervorhebung von Originalzitaten verzichtet – nicht zuletzt auch deshalb, weil sich daraus für die Entscheidungsfindung kein Mehrwert ergibt. Das gegenständliche Produkt erhebt bezüglich der zur Verfügung gestellten Informationen keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Aus dem vorliegenden Produkt ergeben sich keine Schlussfolgerungen für die rechtliche Beurteilung eines konkreten Verfahrens. Das LIB stellt keine allgemeine oder individuelle Entscheidungsvorgabe dar. Das vorliegende Dokument kann insbesondere auch nicht als politische Stellungnahme seitens der Staatendokumentation oder des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gewertet werden. Zugunsten der besseren Les- und Verwendbarkeit wird im vorliegenden Produkt auf eine genderneutrale Schreibweise verzichtet. So nicht explizit angemerkt, sind immer alle Geschlechter gemeint. Qualitäts- und Aktualisierungshinweis Das LIB beinhaltet Arbeitsübersetzungen fremdsprachiger Quellen. Auswahl, Verwertung und Verwendung von Informationen im vorliegenden Produkt unterliegen dem Qualitätsmanagement der Staatendokumentation. Eine Aktualisierung des LIB erfolgt bei gegebenem Bedarf auf Anfrage. Die Aktualität der verwendeten Quellen wird seitens der Staatendokumentation überprüft. Daher können auch im LIB verwendete Quellen älteren Datums als inhaltlich aktuell erachtet werden. Länderspezifische Anmerkungen .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 2 von 35

Montenegro wird in Österreich laut Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV) derzeit als siche- rer Herkunftsstaat geführt. Vom länderkundlichen Standpunkt aus, geben die jüngsten Ak- tualisierungen der Länderinformationen zu Montenegro keinen Anlass zur Änderung der länderkundlichen Einschätzung zur Eigenschaft als sicherer Herkunftsstaat im Sinne der HStV. COVID-19: Zur aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Websites der WHO: https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/situation-reports. Für historische Daten bis zum 10.3.2023 s. die Datenbank der Johns-Hopkins-Universität: https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd4029942 3467b48e9ecf6 . Ukrainer: Seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine kamen laut UNHCR mehr als 120.000 ukrainische und russische Staatsangehörige nach Montenegro, viele sind jedoch weitergereist oder zurückgekehrt. Mehr als 26.000 russische Staatsangehörige leben dauerhaft oder überwiegend in Montenegro, hinzu kommen inzwischen ca. 32.000 Geflüchtete aus der Ukraine, die sich längerfristig in Montenegro aufhalten. Die Regierung arbeitet mit dem Roten Kreuz, UNHCR, IOM und NGOs zusammen, um Unterkunft, Grundversorgung und andere Unterstützung bereitzustellen. 6.534 ukrainische Kriegsflüchtlinge (ukrainische Staatsangehörige, Staatenlose mit letztem Wohnsitz in der Ukraine sowie Personen mit ukrainischem Schutzstatus) haben einen befristeten Schutzstatus von bis zu einem Jahr erhalten (Stand: November 2022). Dieser Personenkreis erhält freie medizinische Versorgung, Bildung, Unterkunft und die Möglichkeit einer Arbeitsaufnahme. UNHCR hat zusätzlich zu seiner Niederlassung in Podgorica Außenstellen in Bar, Budva und Herceg Novi für Flüchtlinge aus der Ukraine eröffnet (AA 26.5.2023). Montenegro beherbergt nach wie vor die höchste Zahl ukrainischer Staatsangehöriger in den westlichen Balkanstaaten, sowohl in absoluten Zahlen als auch im Verhältnis zur Bevölkerung (1 Prozent) (EK 8.11.2023). Quellen: - AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.5.2023): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Montenegro als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: April 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2092799/Ausw%C3%A4rtiges_Am t %2C_Bericht_im_Hinblick_a uf_die_Einstufung_von_Montenegro_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_ a_AsylG_%28Stand_April_2023%29%2C_26.05.2023.pdf, Zugriff 24.1.2024EK - Europäische .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 3 von 35

Kommission (8.11.2023): Montenegro 2023 Report [SWD(2023) 694 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/2101213/SWD_2023_694+Montenegro+report.pdf, Zugriff 30.1.2024 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 4 von 35

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis 1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen.............................................................6 2. Politische Lage.......................................................................................................................7 3. Sicherheitslage......................................................................................................................9 4. Rechtsschutz / Justizwesen...................................................................................................9 5. Sicherheitsbehörden............................................................................................................12 6. Korruption.............................................................................................................................13 7. Wehrdienst und Rekrutierungen..........................................................................................15 8. Allgemeine Menschenrechtslage.........................................................................................16 1. Folter............................................................................................................................. 17 2. Haftbedingungen...........................................................................................................18 3. NGOs/Menschenrechtsaktivisten..................................................................................19 4. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition...................................................20 5. Meinungs- und Pressefreiheit........................................................................................21 6. Religionsfreiheit............................................................................................................. 23 9. Todesstrafe...........................................................................................................................24 10. Minderheiten........................................................................................................................ 24 1. Roma, Ashkali und Balkan-Ägypter (RAE)....................................................................26 11. Relevante Bevölkerungsgruppen.........................................................................................27 1. Frauen...........................................................................................................................27 2. Sexuelle Minderheiten...................................................................................................30 3. Kinder............................................................................................................................31 12. Bewegungsfreiheit...............................................................................................................32 13. Grundversorgung und Wirtschaft.........................................................................................32 14. Medizinische Versorgung.....................................................................................................34 15. Rückkehr.............................................................................................................................. 35 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 5 von 35

1. Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen Keine aktuellen Kurzinformationen vorhanden .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 6 von 35

2. Politische Lage Montenegro ist eine parlamentarische Republik. Staatsoberhaupt ist Präsident Jakov Milatović (seit 20.05.2023), Regierungschef ist Premierminister Milojko Spajić (seit 31.10.2023) (AA 6.11.2023). Der Staatspräsident wird für fünf Jahre direkt gewählt. Das Parlament besteht aus einer Kammer mit 81 Sitzen. Die Abgeordneten werden in direkter, freier, gleicher und geheimer Wahl für vier Jahre gewählt. Es gilt eine Dreiprozenthürde, außer für Parteien ethnischer Minderheiten (AA 9.10.2023). Der Präsident ernennt den Premierminister, der vom Parlament bestätigt wird (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023). Montenegro wurde 2006 von Serbien unabhängig. Die Verfassung garantiert alle demokratischen Grundrechte (AA 9.10.2023). In der 1. Runde der montenegrinischen Präsidentschaftswahl am 19. März 2023 lag der Amtsinhaber Milo Ðukanović mit 37,2 Prozent der Stimmen vor Herausforderer Jakov Milatović (26,6 Prozent) von der Partei „Europa jetzt!“ (DS 19.3.2023). Bei der Stichwahl am 2. April 2023 gewann Milatović schließlich mit über 60 Prozent der Stimmen gegen den bis dahin dienstältesten Staatschef Europas Ðukanović. Die Wahlbeteiligung lag bei 70,7 Prozent, etwa 542.000 Bürger waren wahlberechtigt. Milatović wird unter anderem von europäisch orientierten Reformkräften in Montenegro unterstützt (DS 3.4.2023). Die Zentrumspartei "Europa jetzt!" unter Parteichef und Ex-Finanzminister Milojko Spajić gewann am 11. Juni 2023 die Parlamentswahl in Montenegro mit über 25 Prozent der Stimmen. Die bis dahin regierende DPS kam mit knapp 24 Prozent auf den zweiten Platz. Sie wurde jahrelang von Ex-Präsident Milo Ðukanović geleitet. Die Wahlbeteiligung lag mit 56,4 Prozent auf einem Rekordtief (DS 12.6.2023). Nach langem Tauziehen wählte das Parlament Spajić schließlich Ende Oktober 2023 zum neuen Premierminister. Ausschlaggebend bei dem Votum waren die Stimmen der Abgeordneten der offen proserbischen und prorussischen Allianz ZBCG (früher: DF). Diese ist zwar formell nicht Teil der neuen Mitte-Rechts-Koalition von Spajić, erhält aber im Gegenzug für die Unterstützung wichtige Positionen in Staatsverwaltung, staatlichen und staatsnahen Unternehmen. "Europa jetzt“ (PES) ist selbst nicht homogen, Staatspräsident Milatović steht für ihren proserbischen Flügel. Die neue Regierung besteht formell aus Ministern der PES, zweier kleinerer proserbischer Parteien sowie aus Vertretern der ethnischen Albaner. In seiner Regierungserklärung betonte Spajić, dass er den Beitritt Montenegros zur EU vorantreiben und die Justiz im Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen stärken wolle (DS 31.10.2023). Wahlbeobachtungsmissionen der OSZE überwachten die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen und bewerteten beide Wahlen als friedlich und wettbewerbsorientiert, trotz .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 7 von 35

einiger Mängel im Ablauf. Der rechtliche Rahmen erfordert eine umfassende Reform und Harmonisierung der Wahlgesetzgebung, des Stimm- und Wahlrechts, der Transparenz, der Streitbeilegungsmechanismen und der Aufsicht über die Wahlkampffinanzierung und Medien. Diese und andere Fragen sind nach wie vor ungelöst. Das Fehlen eines funktionsfähigen Verfassungsgerichts zwischen September 2022 und Februar 2023 beeinträchtigte den Wahlprozess erheblich (EK 8.11.2023). Generell sind Wahlen in Montenegro frei. Lokale sowie internationale Wahlbeobachter tragen regelmäßig dazu bei, dass der Wahlvorgang im Wesentlichen korrekt abläuft. Begünstigt durch die zahlenmäßig geringe Wählerschaft versuchen mehrere Parteien jedoch regelmäßig, Wahlergebnisse u. a. durch direkte finanzielle Zuwendungen an einzelne Wähler in illegitimer oder illegaler Weise zu beeinflussen. Wesentlicher, das Wahlergebnis beeinflussender Faktor ist die Teilnahme von zahlreichen Angehörigen der montenegrinischen Auslands-Diaspora: Diese reisen zum Teil mit finanzieller Unterstützung der jeweiligen Parteien aus dem Ausland zur Stimmabgabe an. Eine auch von der internationalen Gemeinschaft nachdrücklich angemahnte Wahlrechtsreform steht weiterhin aus (AA 26.5.2023). Montenegro verhandelt seit 2012 über einen EU-Beitritt, ließ aber in den vergangenen Jahren bei den nötigen Reformbemühungen nach (DS 31.10.2023). Ein EU-Beitritt wird von der Bevölkerung mit großer Mehrheit befürwortet und bleibt oberstes außenpolitisches Ziel fast aller politischen Parteien. Seit einigen Jahren gibt es in den Beitrittsverhandlungen jedoch kaum noch Fortschritte, weil entscheidende Reformen nicht unternommen werden. Der Schwerpunkt der Verhandlungen liegt auf der Erfüllung der Etappenziele (interim benchmarks) der Rechtsstaatskapitel 23 (Justiz und Grundrechte) und 24 (Recht, Freiheit, Sicherheit, u. a. Kampf gegen organisierte Kriminalität und Korruption) des EU-Aquis (AA 26.5.2023). Quellen: - AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.5.2023): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Montenegro als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: April 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2092799/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick _auf_die_Einstufung_von_Montenegro_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7 _29_a_AsylG_%28Stand_April_2023%29%2C_26.05.2023.pdf, Zugriff 24.1.2024 - AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (6.11.2023): Montenegro: Steckbrief, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/montenegro-node/montenegro/216320, Zugriff 24.1.2024 - AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (9.10.2023): Montenegro: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/montenegro-node/politisches-portraet/ 216348, Zugriff 24.1.2024 - DS – Der Standard (19.3.2023): Ðukanović und Milatović in Montenegro in Stichwahl, https://www.derstandard.at/story/2000144669817/djukanovic-und-milatovic-in-montenegro-in- stichwahl, Zugriff 24.1.2024 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 8 von 35

- DS – Der Standard (3.4.2023): Montenegros neuer Staatschef Milatović ist ein ziemlich unbekannter Sieger, https://www.derstandard.at/story/2000145167648/montenegros-neuer- staatschefmilatovic-ein-ziemlich-unbekannter-sieger, Zugriff 24.1.2024 - DS – Der Standard (12.6.2023): Neue Zentrumspartei gewinnt Wahl in Montenegro, https://www.derstandard.at/story/3000000174240/neue-zentrumspartei-gewinnt-wahl-in- montenegro, Zugriff 24.1.2024 - DS - Der Standard (31.10.2023): Montenegro hat fast fünf Monate nach der Wahl eine neue Regierung, https://www.derstandard.at/story/3000000193251/montenegro-hat-fast-fuenf- monate-nach-den-wahlen-eine-neue-regierung, Zugriff 24.1.2024 - EK - Europäische Kommission (8.11.2023): Montenegro 2023 Report [SWD(2023) 694 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/2101213/SWD_2023_694+Montenegro+report.pdf, Zugriff 30.1.2024 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Montenegro, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088541.html, Zugriff 8.2.2024 - USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Montenegro, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089698.html, Zugriff 25.1.2024 3. Sicherheitslage Montenegro ist NATO-Mitglied (AA 9.10.2023). Die Lage im gesamten Land ist insgesamt ruhig (AA 17.8.2023). Das Staatsgebiet von Montenegro beinhaltet keine Konfliktregionen (AA 26.5.2023). Gewaltverbrechen stellen für die Bevölkerung kein nennenswertes Problem dar, obwohl es in den letzten Jahren zu mehreren Morden unter rivalisierenden kriminellen Banden gekommen ist (FH 2023). Quellen: - AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (9.10.2023): Montenegro: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/montenegro-node/politisches-portraet/ 216348, Zugriff 24.1.2024 - AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.5.2023): Bericht im Hinblick auf die Einstufung von Montenegro als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: April 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2092799/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_a uf_die_Einstufung_von_Montenegro_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_ a_AsylG_%28Stand_April_2023%29%2C_26.05.2023.pdf, Zugriff 24.1.2024 - AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (17.8.2023): Montenegro: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/montenegro-node/montenegrosicherheit/ 216330, Zugriff 24.1.2024 - FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Montenegro, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088541.html, Zugriff 8.2.2024 4. Rechtsschutz / Justizwesen Mangelnde Einigungsfähigkeit der Politik führt auch weiterhin dazu, dass zahlreiche Positionen im Justizbereich unbesetzt, unvollständig oder nur kommissarisch besetzt sind, was nicht nur die .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 9 von 35

Rechtsprechung, sondern auch notwendige Reformen im Justizsystem beeinträchtigt (AA 26.5.2023). Montenegro ist nach wie vor mäßig auf die Anwendung des EU-Besitzstands und der europäischen Standards im Bereich Justiz und Grundrechte vorbereitet, hat aber insgesamt begrenzte Fortschritte gemacht. Keine Fortschritte wurden bei der Justizreform erzielt, dem bisher schwierigsten Bereich der Rechtsstaatlichkeit. Das Justizsystem befindet sich weiterhin in einer tiefen institutionellen Krise, die sich in schwacher Führung, einem Mangel an strategischer Vision und schlechter Planung niederschlägt und auch die Rechtsprechung beeinträchtigt. Es gibt auch weiterhin Probleme bei der Rechenschaftspflicht. Montenegro erfüllt weiterhin seine Verpflichtungen in Bezug auf die Grundrechte gemäß internationalen Menschenrechtsinstrumenten und -gesetzen (EK 8.11.2023). Es lassen sich keine diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis und keine unverhältnismäßige Bestrafung feststellen. Effektivität und Unabhängigkeit der Justiz sind nicht vollständig gewährleistet. Die montenegrinische Justiz arbeitet am Abbau eines über Jahre gewachsenen Verfahrensstaus. Professionalisierung und Unabhängigkeit des Justizsystems sind zentrale Forderungen der Europäischen Union gegenüber Montenegro im Rahmen des Beitrittsprozesses. Mit den am 31. Juli 2013 vom Parlament angenommenen Verfassungsänderungen, (Modifizierung der Verfahren zur Ernennung der Richter, der Verfassungsrichter und des Generalstaatsanwaltes) und der Einrichtung einer Sonderstaatsanwaltschaft im Juni 2015 für die Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Korruption auf hoher Ebene, wurden hierfür wichtige Voraussetzungen geschaffen. Gleichwohl erfolgt die Auswahl von Richtern bzw. die Besetzung der Gremien zur Auswahl von Richtern und Staatsanwälten weiterhin vielfach in einem hoch politisierten Verfahren. Wenn eine politische Einigung im Parlament nicht erzielt werden kann, bleiben die entsprechenden Positionen, mitunter über Jahre, vakant oder werden nur geschäftsführend besetzt. Die weit in die Zeit vor der Unabhängigkeit Montenegros zurückreichenden Defizite insbesondere im Bereich der Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität hatten zu einer partiellen Straffreiheit geführt. So konnten Dutzende Mordfälle an hochrangigen Amtsträgern oder Intellektuellen in der Zeit von der Unabhängigkeit bis heute nicht oder nicht vollständig aufgeklärt werden. Neben diesen Mordfällen gibt es im Zusammenhang mit der organisierten Kriminalität eine Reihe von Vorwürfen über Drohungen, Einschüchterungen und Korruption, deren Hintergründe im Einzelfall nicht geklärt oder justiziell aufgearbeitet werden konnten. Ähnliches gilt für Übergriffe gegen oder Einschüchterungen von Oppositionellen und Medienvertretern. Zuletzt wurden auch aktuelle und ehemalige Spitzenvertreter des Justiz- und Strafverfolgungssystems unter dem Vorwurf der Korruption bzw. Zusammenarbeit mit Strukturen der organisierten Kriminalität festgenommen. Unter ihnen sind eine ehemalige Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs, ein stellvertretender Sonder- .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 10 von 35

Generalstaatsanwalt sowie der Leiter der Kriminalpolizei. In keinem der Fälle ist jedoch bislang ein Urteil ergangen (AA 26.5.2023). Die Verfassung und das Gesetz sehen eine unabhängige Justiz vor. Verfassung und Gesetze sehen das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren vor, und die Justiz hat dieses Recht im Allgemeinen durchgesetzt. Systembedingte Schwächen wie politische Einflussnahme und langwierige Verfahren, uneinheitliche Gerichtspraktiken und eine relativ nachsichtige Strafzumessung schwächen das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Effizienz und Unparteilichkeit der Justiz. Nach Angaben von NGOs lehnten die Gerichte in den meisten Fällen Zivilklagen wegen angeblicher Menschenrechtsverletzungen entweder ab oder verhandelten sie nur langsam. Wenn einheimische Gerichte Entscheidungen zu Menschenrechtsfragen fällten, befolgte die Regierung diese im Allgemeinen. Das Büro des Ombudsmanns stellte fest, dass die Zahl der Beschwerden über angebliche gerichtliche Verletzungen von Bürgerrechten zuletzt höher war als in den vergangenen Jahren, einschließlich Verletzungen des Rechts auf Unschuldsvermutung und des Rechts auf Privatsphäre. Nach Ausschöpfung aller anderen zur Verfügung stehenden wirksamen Rechtsbehelfe können die Bürger angebliche Menschenrechtsverletzungen vor dem Verfassungsgericht anfechten. NGOs und einige Aufsichtsbehörden äußerten ihre Frustration über die langsame Arbeit des Verfassungsgerichts. Das Büro des Ombudsmanns stellte fest, dass bereits vor den Verzögerungen durch die COVID-19-Pandemie die lange Dauer von Prozessen, insbesondere von solchen, die als vorrangig eingestuft wurden, das Vertrauen der Bürger in das Gerichtssystem untergraben hat. Sobald der nationale Rechtsweg ausgeschöpft ist, können Einzelpersonen, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit, beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Beschwerde wegen angeblicher Verstöße der Regierung gegen die Europäische Menschenrechtskonvention einlegen. Die meisten Beschwerden beim EGMR beziehen sich auf Verstöße gegen das Recht auf ein faires Verfahren, einschließlich der Länge des Verfahrens. Die Regierung hält sich traditionell an die Entscheidungen des EGMR (USDOS 20.3.2023). Die verfassungsrechtlichen Garantien für ein ordnungsgemäßes Verfahren werden nicht konsequent eingehalten. Gerichtsverfahren sind langwierig und oft sehr bürokratisch, vor allem wenn es um geschäftliche Angelegenheiten geht. Die Polizei hält Verdächtige häufig lange in Untersuchungshaft, um die Ermittlungen abzuschließen. Die Gerichte sind finanziell schlecht ausgestattet und oft überlastet (FH 2023). Im Jahr 2022 wurde das Funktionieren des montenegrinischen Justizsystems durch den Verlust der Beschlussfähigkeit des Verfassungsgerichts stark beeinträchtigt, als ein Richter Mitte September in den Ruhestand ging und nur noch drei von sieben Richtern auf der Richterbank saßen. Das Parlament hatte es bereits versäumt, die anderen freien Stellen zu besetzen, für die eine Mehrheit erforderlich ist. In ähnlicher Weise wurde nur eines der vier nichtständigen Mitglieder des Justizrats ernannt, nachdem die .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 11 von 35
