myan-lib-2022-08-26-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
2022, https://shanhumanrights.org/extrajudicial-killing-torture-arbitrary-arrest-looting-torching-of- houses-by-sac-troops-in-ywangan-southern-shan-state/, Zugriff 25.8.2022 -UNHCR – The UN Refugee Agency (1.8.2022): Myanmar Emergency Update, https://www.ecoi.net/en/file/local/2076780/Myanmar+Emergency+Update+ %28as+of+1+Aug+2022%29.pdf, Zugriff 25.8.2022 -USDOS – US Department of States [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Burma, https://www.ecoi.net/en/document/2071145.html, Zugriff 25.8.2022 -Wilson Center (5.2022): One Year On: The Momentum of Myanmar’s Armed Rebellion, https://www.wilsoncenter.org/sites/default/files/media/uploads/documents/ ASIA_220519_1YearOn-BRIEF_V1r2.pdf, Zugriff 25.8.2022 4.3.Regionale Problemzone Bundesstaat Sagaing Selbst Gebiete der buddhistischen Mehrheitsgesellschaft, insbesondere die Region Sagaing erlebten ein hohes Maß an gewaltsamen Konflikten zwischen Tatmadaw-Kräften und antimilitärischen Demonstranten (FH 28.2.2022). In der Region Sagaing wurde mehr als ein Fünftel der seit dem Putsch im vergangenen Jahr landesweit verzeichneten organisierten politischen Gewalt verübt (ACLED 23.2.2022). Im Frühjahr 2022 häuften sich die Berichte über Luftangriffe des myanmarischen Militärs und den Einsatz schwerer Waffen, bei denen die Zivilbevölkerung zu Schaden kommt. Mehr als 400 der gemeldeten Angriffe fanden in der Region Sagaing im Nordwesten Myanmars statt, wo in letzter Zeit die meisten zivilen Todesopfer zu beklagen waren (HRW 18.3.2022). In vielen Gemeinden der Region kam es zu Zusammenstößen zwischen lokalen Verteidigungskräften, die gegen den Putsch kämpften, und dem Militär. Auch vom Militär unterstützte Milizen tauchten in der Region auf, die sich mit den lokalen Verteidigungskräften anlegten und auch Zivilisten ins Visier nahmen. Darüber hinaus weiteten sich die Zusammenstöße zwischen dem Militär und der KIO/KIA auf die Region Sagaing aus, da die KIO/KIA lokale Verteidigungsgruppen in der Region unterstützte (ACLED 23.2.2022). Diese Trends haben sich 2022 fortgesetzt (ACLED 23.2.2022; vgl. ACLED 11.8.2022). In Sagaing fanden in den letzten Monaten die heftigsten Kämpfe im Nordwesten statt. Berichten zufolge wurden einige der Umsiedlungsorte ins Visier genommen und mehr als 80 einzelne Häuser in der Gemeinde Kale niedergebrannt, während etwa 16 Dörfer in der Region Sagaing Ende Mai 2022 schwer von Brandanschlägen betroffen waren, wie lokale Partner berichten (UNOCHA 28.6.2022). Quellen: -ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (11.8.2022): Regional Overview: East Asia Pacific 30 July - 5 August 2022, https://acleddata.com/2022/08/11/regional-overview-east- asia-pacific-30-july-5-august-2022/, Zugriff 25.8.2022 -ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (23.2.2022): Myanmar - Continued Resistance Against the Military Coup, https://acleddata.com/10-conflicts-to-worry-about-in-2022/myanmar/, Zugriff 25.8.2022 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 16 von 55

-FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068763.html, Zugriff 25.8.2022 -HRW – Human Rights Watch (18.3.2022): Myanmar: UN Rights Body Should Advance Justice; Support Arms Embargo, Stronger Targeted Sanctions, https://www.ecoi.net/en/document/2069882.html, Zugriff 25.8.2022 -UNOCHA – UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (28.6.2022): Myanmar – Humanitarian Update No.19, https://reliefweb.int/report/myanmar/myanmar-humanitarian-update- no-19-28-june-2022, Zugriff 25.8.2022 5. Rechtsschutz / Justizwesen Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, ein Schutz, den das Regime nicht respektiert hat (USDOS 12.4.2022). Nach dem Militärputsch vom Februar 2021 übernahm das Militärregime die Kontrolle über das Justizsystem Myanmars (FH 28.2.2022). Am 4. Februar 2021 entließ das Regime fünf von der NLD ernannte Richter des Obersten Gerichtshofes und ersetzte sie mit Richtern, die das Regime unterstützen. Die übrigen vier Richter, einschließlich des Obersten Richters, sind Überbleibsel der früheren Militärjunta (USDOS 12.4.2022). In Myanmar haben 50 Jahre Militärherrschaft die Justiz systematisch geschwächt, die Unabhängigkeit des Rechtssystems beeinträchtigt und ihr eine Ausrichtung verliehen, die die öffentliche Ordnung und Sicherheit in den Vordergrund stellt. Von 2015 bis 2020 hat sich das Justizsystem nur geringfügig verbessert (BS 23.2.2022). Nach dem Militärputsch von 2021 wurde das Strafgesetzbuch überarbeitet und ein unbefristeter Ausnahmezustand verhängt, der es dem Regime ermöglichte, bestehende Schutzmaßnahmen gegen willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen aufzuheben (FH 28.2.2022). Laut der internationalen Juristenkommission gibt es für Tausende von Menschen in Myanmar, die willkürlicher Inhaftierung, gewaltsamem Verschwindenlassen, Folter und Misshandlung, unrechtmäßiger Tötung und gewaltsamer Vertreibung ausgesetzt sind, keine glaubwürdigen Rechtsmittel. Die Justiz ist in überwältigender Weise dem Militär untergeordnet und hat selbst die bescheidenen Fortschritte, die sie in den letzten zehn Jahren in Bezug auf Unabhängigkeit und Effektivität gemacht hatte, verloren (ICJ 10.2.2022). Das Regime verhängte in zahlreichen Gemeinden im ganzen Land das Kriegsrecht und übertrug die richterliche (und exekutive) Macht an regionale Militärkommandeure in mehreren Städten (USDOS 12.4.2022). Vor den Kriegsgerichten haben die Angeklagten nur wenige oder gar keine Rechte, einschließlich des Zugangs zu einem Rechtsbeistand und des Rechts auf Berufung (USDOS 12.4.2022; vgl. AI 25.7.2022) (außer in Fällen, in denen es um die Todesstrafe geht, gegen die beim Oberbefehlshaber der Streitkräfte, Min Aung Hlaing, Berufung eingelegt werden kann). Die Anhörungen werden abgekürzt, das Urteil wird in einer oder zwei Sitzungen gefällt, und die Urteile entsprechen in der Regel den zulässigen Höchststrafen. Öffentlichen Verlautbarungen des Regimes zufolge wurden bis November 2021 61 Fälle vor Kriegsrechtsgerichten verhandelt, in .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 17 von 55

denen 280 Angeklagte verurteilt wurden, darunter mindestens 80 zum Tode Verurteilte (USDOS 12.4.2022). Die Verfahren vor einem vom Militär kontrollierten Gericht waren nicht öffentlich und laut Amnesty International äußerst unfair. Laut Amnesty International würden solche Verfahren gegen das Verbot des willkürlichen Entzugs des Lebens sowie gegen das absolute Verbot der Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Strafen verstoßen (AI 25.7.2022). Die Korruption in der Justiz ist ein großes Problem. Nach Angaben von NGOs erhielten Beamte auf allen Ebenen in allen Phasen des Gerichtsverfahrens illegale Zahlungen für Zwecke, die von der Beeinflussung von Routineangelegenheiten bis hin zu grundlegenden Entscheidungen reichten, wie z.B. die Festlegung des Ausgangs eines Verfahrens (USDOS 12.4.2022). Die Judikative ist nicht unabhängig. Die Richter werden vom Präsidenten ernannt, und der Gesetzgeber kann die Wahl nur ablehnen, wenn eindeutig erwiesen ist, dass der Kandidat die rechtlichen Voraussetzungen für das Amt nicht erfüllt. Die Gerichte entscheiden in der Regel im Einklang mit den Interessen der Regierung, insbesondere in wichtigen Fällen mit politischen Auswirkungen (FH 28.2.2022). Eine Inhaftierung ohne Gerichtsverfahren ist üblich (USDOS 12.4.2022). Keiner der von Amnesty International befragten ehemaligen Gefangenen erhielt in den Verhörzentren und Polizeistationen Zugang zu einem Rechtsbeistand (AI 2.8.2022). Seit dem Putsch hat das Regime Politiker, Wahlbeamte, Journalisten, Aktivisten, Demonstranten und Mitglieder der Bewegung für zivilen Ungehorsam (CDM) festgenommen und sich geweigert, ihre Aufenthaltsorte zu bestätigen, was nach Angaben von HRW einen Verstoß gegen internationales Recht darstellt. Im August 2021 berichtete die Assistance Association for Political Prisoners (AAPP), dass sich schätzungsweise 5.000 Personen, die vom Regime als „in Haft“ bezeichnet wurden, an unbekannten Orten aufhielten, was etwa 82 % der Verhaftungen seit dem Putsch entspricht. Selbst wenn der Aufenthaltsort der Gefangenen bekannt war, wurde ihnen regelmäßig der Zugang zu Anwälten und Familienangehörigen verweigert. Nach dem Putsch setzte das Militärregime außerdem Aspekte des Gesetzes zum Schutz der Privatsphäre außer Kraft, um Verhaftungen und Durchsuchungen von Privateigentum ohne Haftbefehl zu legalisieren. Es gab zahlreiche Berichte über willkürliche Verhaftungen, einschließlich Inhaftierungen durch das Regime an unbekannten Orten. Seit dem Putsch haben die Sicherheitskräfte des Regimes mindestens 8.000 Verhaftungen vorgenommen, und mehr als 6.500 dieser Personen befinden sich weiterhin in irgendeiner Form in Haft (USDOS 12.4.2022). Die Militärbehörden haben Gerichte in Gefängnisse verlegt, um der Öffentlichkeit und den Medien die Teilnahme an Anhörungen unmöglich zu machen. Scheinprozesse werden ohne ein ordnungsgemäßes Verfahren und ohne das Recht auf ein faires Verfahren durchgeführt, was zu unzulässigen Verurteilungen von Tausenden von Menschen führte (ICJ 10.2.2022). Die Behörden .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 18 von 55

können Verdächtige zwei Wochen lang in Untersuchungshaft halten (mit der Möglichkeit einer zweiwöchigen Verlängerung), bevor sie einem Richter vorgeführt oder über ihre Anklagepunkte informiert werden. Das Regime ist jedoch nicht verpflichtet, diese Bestimmung des Gesetzes einzuhalten. Es gibt ein funktionierendes Kautionssystem, obwohl die Gerichte Unterstützern der Demokratie regelmäßig die Freilassung gegen Kaution verweigerten. Es gab zahlreiche Berichte darüber, dass die Behörden Familienangehörige oder Anwälte nicht rechtzeitig über Festnahmen informierten, ihren Aufenthaltsort nicht bekannt gaben und Familienbesuche regelmäßig verweigerten (USDOS 12.4.2022). Nach dem Militärputsch von 2021 wurde das Strafgesetzbuch überarbeitet und ein unbefristeter Ausnahmezustand verhängt, der es dem Regime ermöglichte, bestehende Schutzmaßnahmen gegen willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen aufzuheben (FH 28.2.2022). Im März verhängte die Tatmadaw das Kriegsrecht über 11 Gemeinden in Yangon und Mandalay und ermöglichte es den Militärgerichten, Todesurteile gegen Zivilisten zu verhängen (FH 28.2.2022; vgl. AI 2.8.2022). Personen, die in Gemeinden inhaftiert waren, die unter Kriegsrecht standen, wurden an Militärgerichte verwiesen und hatten weder das Recht auf einen Rechtsbeistand noch das Recht, Berufung einzulegen oder sich zu verteidigen (AI 2.8.2022) Das Gesetz sieht zwar das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren vor, gewährt aber auch weitreichende Ausnahmen, die es dem Regime ermöglichen, diese Rechte nach Belieben zu verletzen. Obwohl das Recht auf einen Rechtsbeistand im Gesetz verankert ist, waren viele Verteidiger aus Angst um ihre persönliche Sicherheit nicht bereit, prodemokratische Fälle zu übernehmen (USDOS 12.4.2022). Einige proaktive Anwälte haben die Gerichte weiter beobachtet und besuchen Gerichte im Gefängnis. Diese Anwälte sind jedoch häufig Drohungen, Schikanen, Einschüchterungen, Verhaftungen und Inhaftierungen ausgesetzt. Anwälte, die politische Gefangene vertreten, sind am stärksten betroffen (ICJ 10.2.2022). Für Angeklagte gilt weder die Unschuldsvermutung, noch haben sie das Recht, unverzüglich und ausführlich über die gegen sie erhobenen Vorwürfe informiert zu werden, bei der Verhandlung anwesend zu sein, einen freien Dolmetscher zu erhalten oder sich angemessen vertreten zu lassen, selbst wenn das Gesetz dies vorsieht. Es besteht kein Recht auf angemessene Zeit und Möglichkeiten zur Vorbereitung einer Verteidigung (USDOS 12.4.2022). Quellen: -AI – Amnesty International (2.8.2022): 15 days felt like 15 years: Torture in detention since the Myanmar coup [ASA 16/5884/2022], https://www.ecoi.net/en/file/local/2076405/ASA1658842022ENGLISH.pdf, Zugriff 12.8.2022 -AI – Amnesty International (25.7.2022): Myanmar: First executions in decades mark atrocious escalation in state repression, https://www.amnesty.org/en/latest/news/2022/07/myanmar-first- executions-in-decades-mark-atrocious-escalation-in-state-repression/, Zugriff 23.8.2022 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 19 von 55

-BS – Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 - Myanmar Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069711/country_report_2022_MMR.pdf, Zugriff 23.8.2022 -FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068763.html, Zugriff 23.8.2022 -ICJ – International Commission of Jurists (10.2.2022): Myanmar: A year after military takeover, no rule of law or judicial independence, https://www.icj.org/myanmar-a-year-after-military-takeover- no-rule-of-law-or-judicial-independence/, Zugriff 23.8.2022 -USDOS – US Department of States [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Burma, https://www.ecoi.net/en/document/2071145.html, Zugriff 23.8.2022 6. Sicherheitsbehörden Die Polizei von Myanmar ist in erster Linie für die innere Sicherheit zuständig. Die Grenzschutzpolizei ist verwaltungstechnisch Teil der myanmarischen Polizei, operativ jedoch eigenständig. Beide unterstehen dem Innenministerium des Regimes, das von einem Militärgeneral im aktiven Dienst geleitet wird und selbst dem Militärkommando unterstellt ist. Die dem Verteidigungsministerium unterstellten Streitkräfte sind für die äußere Sicherheit zuständig, befassen sich aber fast ausschließlich mit internen Aktivitäten, einschließlich des Kampfes gegen bewaffnete ethnische Gruppen. Angehörige der Sicherheitskräfte des Regimes begingen weiterhin zahlreiche schwere Menschenrechtsverletzungen (USDOS 12.4.2022). Von 2015 bis 2020 musste die gewählte NLD-Regierung von Aung San Suu Kyi die Macht mit dem Militär teilen. Das Militär legte der Regierung eine Zwangsjacke an; die zivil-militärische Koordinierung und Zusammenarbeit war kaum vorhanden, und es herrschte ein erhebliches Maß an Misstrauen. Im März 2020 blockierten die Militärs im Parlament eine Verfassungsänderung, mit der die Zahl der Militärvertreter im Parlament schrittweise verringert worden wäre. Sie legten auch ihr Veto gegen eine Änderung ein, die es ermöglicht hätte, dass Militär und Polizei von zivilen Gerichten verurteilt werden können (BS 23.2.2022). Das Militär agiert außerhalb der Kontrolle ziviler Institutionen und bildet einen Staat im Staat (BBC 2.2.2022). Es gab zahlreiche Berichte, wonach die Sicherheitskräfte des Regimes willkürliche oder rechtswidrige Tötungen von Zivilisten, Gefangenen und anderen ihnen unterstellten Personen begangen (USDOS 12.4.2022). Überall im Land kam es zu militärischen Angriffen auf friedliche Demonstranten, bei denen auch tödliche Gewalt angewendet wurde (FH 28.2.2022). Die Übergriffe der Sicherheitskräfte des Regimes blieben weiterhin nahezu straffrei (USDOS 12.4.2022). Als Reaktion auf die militärischen Angriffe der Tatmadaw bildeten zivile Jugendliche im ganzen Land bewaffnete Volksverteidigungskräfte (People’s Defense Forces - PDF), die Guerillaangriffe auf militärische Ziele durchführten. Nachdem die National Unity Government (NUG) im September 2021 einen „Volkskrieg“ gegen das Militär ausgerufen hatte, bemühte sie sich um eine .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 20 von 55

Koordinierung zwischen der Schattenregierung, den PDFs und ethnischen Rebellengruppen (Mizzima 10.8.2022). Militärisch setzt die NUG das zentrale Kommandosystem um, indem sie in Abstimmung mit ihren verbündeten bewaffneten Gruppen das Central Command and Coordination Committee (C3C) bildet. Das Verteidigungsministerium der NUG hat in mehr als 250 Gemeinden PDFs sowie 259 Regimenter und Einheiten gebildet. Mehr als 100 der 354 lokalen Verteidigungskräfte (Local Defence Forces - LDF), die in städtischen und ländlichen Gebieten gebildet wurden, sind mit den PDF-Regimenten und -Einheiten der NUG verbunden. Innerhalb eines Jahres hat die NUG rund 30 Millionen Dollar für den Militärsektor ausgegeben. Das Verteidigungsministerium der NUG, die PDFs, die LDFs und die bewaffneten ethnischen Organisationen (EAOs) kontrollieren laut Pressemitteilung der NUG rund 50 % der Gesamtfläche des Landes. Bis heute sind insgesamt etwa 10.000 Soldaten und Polizisten auf die Seite des Volkes übergelaufen. Die NUG hat informelle Gespräche mit den EAOs geführt mit dem Ziel, die Militärjunta zu stürzen und die Militärdiktatur zu beenden (Mizzima 10.8.2022). Quellen: -BBC (2.2.2022): Tatmadaw: Myanmar's notoriously brutal military, https://www.bbc.com/news/world-asia-56660483, Zugriff 23.8.2022 -BS – Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 - Myanmar Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069711/country_report_2022_MMR.pdf, Zugriff 23.8.2022 -FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068763.html, Zugriff 23.8.2022 -Mizzima (10.8.2022): Myanmar’s National Unity Government seeks to arm its fighters, https://mizzima.com/article/myanmars-national-unity-government-seeks-arm-its-fighters, Zugriff 23.2.2022 -USDOS – US Department of States [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Burma, https://www.ecoi.net/en/document/2071145.html, Zugriff 23.8.2022 7. Folter und unmenschliche Behandlung Das Gesetz verbietet Folter (USDOS 12.4.2022). Berichten zufolge haben Angehörige der Sicherheitskräfte des Regimes Verdächtige, Gefangene, Häftlinge und andere Personen jedoch gefoltert und anderweitig misshandelt (USDOS 12.4.2022; vgl. HRW 13.1.2022). Solche Vorfälle ereigneten sich beispielsweise bei Verhören und wurden landesweit dokumentiert. Laut Assistance Association for Political Prisoners sind mindestens 100 politische Gefangene zwischen dem 1. Februar 2021 und dem 9. September 2021 an den Folgen von Folterungen durch die Behörden gestorben (USDOS 12.4.2022). Auch bei „Aufräumarbeiten“ wurden Einzelpersonen von den Sicherheitskräften getötet. Seit Juli 2021 wurde von einer Reihe von Massentötungen bei Militäroperationen berichtet (OHCHR 15.3.2022). Es gab ebenso Berichte über körperliche Misshandlung und Folter durch EAOs und PDF-Kräfte (USDOS 12.4.2022). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 21 von 55

Der Militärputsch vom Februar 2021 führte zu einem drastischen Anstieg der Gewalt, des bewaffneten Konflikts und der unrechtmäßigen Anwendung von physischer Gewalt in der Zivilbevölkerung. Der wahllose Beschuss und die Luftangriffe, die Zerstörung von Dörfern, außergerichtliche Tötungen, das gewaltsame Verschwindenlassen von Personen, willkürliche Verhaftungen, Folter, Vergewaltigungen und andere Misshandlungen durch das Militär nahmen im Jahr 2021 zu (FH 28.2.2022). Im Dezember wurden im Bundesstaat Kayah 40 Zivilisten von den Streitkräften bei lebendigem Leib verbrannt (FH 28.2.2022; vgl. OHCHR 15.3.2022). Laut einer Untersuchung der Associated Press hat das Militär seit der Übernahme der Regierung Gefangene im ganzen Land methodisch und systematisch gefoltert. Während die Folter in den letzten Jahren am häufigsten in ethnischen Regionen aufgezeichnet wurde, wird sie jetzt wieder im ganzen Land angewandt (AP 28.10.2021). Die Straffreiheit für Menschenrechtsverletzungen war für Anführer und Mitglieder der Sicherheitskräfte allgegenwärtig. Es gab keine glaubwürdigen Beweise dafür, dass das Regime Maßnahmen ergriff, um Vorfälle zu untersuchen oder mutmaßliche Täter zu bestrafen oder um Menschenrechtsschulungen in die allgemeine Ausbildung der Sicherheitskräfte des Regimes aufzunehmen (USDOS 12.4.2022). Quellen: -AP – Associated Press (28.10.2022): Myanmar military uses systemaitc torture across country, https://apnews.com/article/myanmar-torture-military-prisons-insein-abuse- 390fe5b49337be82ce91639e93e0192f, Zugriff 23.8.2022 -FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068763.html, Zugriff 23.8.2022 -HRW – Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068606.html, Zugriff 23.08.2022 -OHCHR – Office of the High Commissioner for Human Rights (15.3.2022): Situation of human rights in Myanmar since 1 February 2021 - Report of the UN High Commissioner for Human Rights (A/HRC/49/72) (Advance Unedited Version), https://reliefweb.int/report/myanmar/situation- human-rights-myanmar-1-february-2021-report-un-high-commissioner-human, Zugriff 16.8.2022 -USDOS – US Department of States [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Burma, https://www.ecoi.net/en/document/2071145.html, Zugriff 23.8.2022 8. Korruption Trotz der Initiativen der Regierung zur Eindämmung der offiziellen Korruption ist diese sowohl auf nationaler als auch auf lokaler Ebene weiterhin weit verbreitet. Eine 2014 eingerichtete Anti- Korruptionskommission (ACC) hatte eine Reihe von Fällen gegen hochrangige Beamte eingeleitet (FH 28.2.2022). Nach dem Militärputsch von 2021 erhob das Militär Korruptionsvorwürfe gegen 45 ehemalige NLD- und zivile Regierungsbeamte, darunter Aung San Suu Kyi, den ehemaligen Präsidenten Win Myint, Minister auf Gewerkschaftsebene sowie von der vorherigen Regierung .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 22 von 55

ernannte Minister auf Landes- und Regionsebene (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022). Die meisten Beobachter hielten diese Anschuldigungen für unbegründet. Obwohl Korruption weit verbreitet war, wandte das Regime im Gegensatz zu der von ihm gestürzten Zivilregierung die Korruptionsgesetze fast ausschließlich gegen Gegner an. Fälle, die sich häufig auf erzwungene Zeugenaussagen stützten, vermittelten kein genaues Bild der tatsächlichen Korruption (USDOS 12.4.2022). Korruption war in allen Bereichen des politischen Lebens weit verbreitet, insbesondere auch im Justizwesen. Neben geringfügiger Erpressung durch die Polizei gab es auch schwerwiegendere Formen der Bestechung auf höheren Ebenen, z. B. die Forderung von Bestechungsgeldern von Opfern für die Durchführung von Ermittlungen (USDOS 12.4.2022). Militärische Offiziere scheinen immer noch außerhalb der Reichweite von Korruptionsermittlungen zu liegen (BS 23.2.2022). Laut einem 2019 veröffentlichten UN-Bericht besitzt das Militär außerdem ein ausgedehntes Netz von „Vetternwirtschaft“, deren Einnahmen es ihm ermöglichen, sich der Rechenschaftspflicht und der öffentlichen Kontrolle zu entziehen und Menschenrechtsverletzungen ungestraft zu begehen. Die Privatisierung staatlicher Unternehmen und andere Wirtschaftsreformen der letzten Jahre sollen Familienmitgliedern und Partnern von Militärs und Regierungsbeamten zugutegekommen sein. Nach dem Putsch vom Februar 2021 sollen die Kinder hochrangiger Militärs versucht haben, ihre Verbindungen zu nutzen, um sich lukrative Lieferverträge und andere Schmiergelder zu sichern (FH 28.2.2022). Im Korruptionsindex 2021 von Transparency International scheint Myanmar auf Platz 140 von insgesamt 180 Ländern auf [TI 2022; je niedriger der Rang, desto geringer die wahrgenommene Korruption in einem Land, Anm.]. Quellen: -BS – Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 - Myanmar Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069711/country_report_2022_MMR.pdf, Zugriff 23.8.2022 -FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068763.html, Zugriff 23.8.2022 -TI – Transparency International (2022): Corruption Perception Index 2021, https://www.transparency.org/en/cpi/2021, Zugriff 23.8.2022 -USDOS – US Department of States [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Burma, https://www.ecoi.net/en/document/2071145.html, Zugriff 23.8.2022 9. NGOs und Menschenrechtsaktivisten Obwohl es keine offiziellen Statistiken über die Zahl der NGOs im Land gibt, gehen einige Schätzungen davon aus, dass ihre Zahl gegen Ende der Amtszeit der NLD mehr als 10.000 betrug. Bei diesen NGOs handelt es sich jedoch häufig um professionelle, von Gebern finanzierte .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 23 von 55

Organisationen, die von Mitgliedern der kleinen, städtischen Mittelschicht geleitet werden. Folglich bleibt es fraglich, inwieweit sie die arme Landbevölkerung und andere Randgruppen wirklich vertreten. Außerdem sind der NGO-Sektor und die Zivilgesellschaft im weiteren Sinne nach wie vor entlang ethnischer und religiöser Grenzen zersplittert (BS 23.2.2022). Die Möglichkeiten von Nichtregierungsorganisationen, sich im Bereich der Menschenrechte und der Staatsführung zu engagieren, wurden nach dem Militärputsch von 2021 erheblich eingeschränkt (FH 28.2.2022). Das Regime erlaubte den inländischen Menschenrechtsorganisationen nicht, unabhängig zu arbeiten. Menschenrechts-NGOs konnten zwar Büros eröffnen und arbeiten, berichteten aber über Schikanen, Überwachung durch die Behörden und willkürliche Festnahmen. Das Regime übte beispielsweise Druck auf Hotels und andere Veranstaltungsorte aus, damit diese keine von Aktivisten oder zivilgesellschaftlichen Gruppen organisierten Treffen ausrichteten. Sicherheitskräfte des Regimes führten auch Razzien durch und beschädigten Büros von NGOs. Diese Einschränkungen gingen über die üblichen COVID-19-Maßnahmen hinaus (USDOS 12.4.2022). Aktivisten sind von Verhaftung und Strafverfolgung bedroht, und viele prominente Aktivisten waren gezwungen, unterzutauchen oder ins Exil zu gehen; in einigen Fällen wurden auch Familienmitglieder von Aktivisten als Druckmittel verhaftet (FH 28.2.2022). Der Staatliche Verwaltungsrat (SAC) hat als Reaktion auf die Kampagne des zivilen Ungehorsams der Opposition Anfang 2022 einen Entwurf eines Gesetzes über die Registrierung von Nichtregierungsorganisationen angekündigt. Es wird erwartet, dass der Entwurf des NGO- Registrierungsgesetzes ein hohes Maß an Kontrolle mit sich bringt und die Registrierung und invasive Berichterstattung vorschreibt, wobei die Aktivitäten der Zivilgesellschaft stark überwacht werden. Der SAC hat derzeit alle Registrierungs- und Erneuerungsprozesse ausgesetzt. Berichten zufolge verschafft dies dem SAC einen erheblichen Einfluss auf die vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen, deren Registrierung im Dezember 2021 abläuft, so dass das neue NGO-Gesetz möglicherweise gar nicht in Kraft treten muss (ICNL 29.6.2022). Obwohl NGOs im Laufe des Jahres 2021 zunehmend Schikanen und Eingriffen der Behörden ausgesetzt waren, und eine große Zahl von NGOs faktisch geschlossen oder aufgelöst wurde, berichten einige von ihnen weiterhin im Stillen von Menschenrechtsverletzungen und engagieren sich bei internationalen Interessengruppen (FH 28.2.2022). Das Regime verweigerte den Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen und NGOs systematisch den Versuch, Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen oder Zugang zu den Orten der mutmaßlichen Verstöße zu erhalten (USDOS 12.4.2022). Beamte des Militärregimes in Myanmar haben Mitarbeitern von NGOs aus Sicherheitsgründen seit dem 19. Juli 2022 den Zugang zu den nördlichen Teilen der Gemeinde Maungdaw im Bundesstaat Rakhine untersagt. Zu den betroffenen Gruppen gehört auch die Myanmar Red Cross Society (Crisis24 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 24 von 55

19.7.2022). Das Regime weigerte sich auch, mit dem vom UN-Menschenrechtsrat eingerichteten Independent Investigative Mechanism for Myanmar zusammenzuarbeiten oder ihm Zugang zu gewähren, um angebliche Gräueltaten im Land zu untersuchen. Das Regime verweigerte dem UN- Sonderberichterstatter für die Menschenrechtslage im Lande weiterhin die Einreise. Während die frühere Zivilregierung dem Sondergesandten des UN-Generalsekretärs für Myanmar gestattete, 2019 ein Büro im Land zu eröffnen, verweigerte das Regime Gesandten und ihren Mitarbeitern nach dem Militärputsch die Einreise in das Land (USDOS 12.4.2022). Die Nationale Menschenrechtskommission von Myanmar ist befugt, unabhängige Untersuchungen durchzuführen, und kann in einigen Fällen Ermittlungen zu Missständen fordern. In der Tat war die Kommission nur begrenzt in der Lage, als glaubwürdiger, unabhängiger Mechanismus zu arbeiten. Vor dem Militärputsch untersuchte die Kommission einige Vorfälle von Menschenrechtsverletzungen, aber nach dem 1. Februar 2021 fanden keine Untersuchungen mehr statt. Die NUG richtete ein Menschenrechtsministerium ein, das sich verpflichtet hat, Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitskräfte des Regimes zu dokumentieren. Die unabhängige Untersuchungskommission für den Bundesstaat Rakhine ist seit dem Militärputsch nicht mehr tätig (USDOS 12.4.2022). Quellen: -BS – Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 - Myanmar Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069711/country_report_2022_MMR.pdf, Zugriff 22.8.2022 -Crisis 24 (19.7.2022): Myanmar: Officials restrict NGO workers from entering northern Maungdaw, Rakhine State, as of July 19, https://crisis24.garda.com/alerts/2022/07/myanmar-officials-restrict- ngo-workers-from-entering-northern-maungdaw-rakhine-state-as-of-july-19, Zugriff 26.8.2022 -FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068763.html, Zugriff 22.08.2022 -ICNL – International Center for Not-For-Profit-Law (29.6.2022): Myanmar (Burma), https://www.icnl.org/resources/civic-freedom-monitor/myanmar, Zugriff 22.8.2022 -USDOS – US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: Burma, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071145.html, Zugriff 22.8.2022 10. Wehrdienst und Rekrutierungen Die Verteidigung in Myanmar umfasst Armee, Marine und Luftwaffe (CIA 16.8.2022). Es besteht keine Wehrpflicht. Männer im Alter von 18 bis 35 Jahren und Frauen im Alter von 18 bis 27 Jahren können einen freiwilligen Militärdienst ableisten. Die Schätzungen zur Anzahl von Streitkräften gehen weit auseinander und reichen von 300.000 bis zu 400.000 Personen im aktiven Dienst (CIA 16.8.2022). Der Vorsitzende des Staatsverwaltungsrates und Premierminister, Seniorgeneral Min Aung Hlaing, sprach im Februar 2022 davon, dass jeder Bürger die Pflicht habe, am Militärdienst teilzunehmen, aber aufgrund interner Konflikte könne das Gesetz über die Wehrpflicht noch nicht umgesetzt werden konnte (Eleven Myanmar 4.2.2022). Berichten zufolge hat die Militärjunta, nach .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 25 von 55
