myan-lib-2022-08-26-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
dokumentierten auch die weit verbreitete Anwendung von Folter durch Sicherheitskräfte gegen Inhaftierte, die in einigen Fällen zum Tod führte (AI 29.3.2022). Viele Personen, die wegen ihrer Teilnahme an pro-demokratischen Demonstrationen inhaftiert waren, gaben nach ihrer Freilassung an, dass sie und andere in Haft befindliche Personen vom Sicherheitspersonal gefoltert und anderweitig misshandelt wurden. Zu den Foltermethoden gehörten Schläge, Scheinhinrichtungen mit Gewehren, Verbrennungen mit Zigaretten sowie Vergewaltigung und angedrohte Vergewaltigung (HRW 13.1.2022). Nach dem Staatsstreich nahmen auch sexuelle Gewalt, geschlechtsspezifische Belästigungen und Demütigungen durch Beamte zu (USDOS 12.3.2022). Einige inhaftierte Frauen und LGBTI- Personen waren während der Verhöre und der Haft sexueller Gewalt, Belästigung und Demütigung ausgesetzt, einschließlich invasiver Körperdurchsuchungen als Foltermethode (AI 2.8.2022). Allein im Juni 2022 gab es landesweit mindestens sechs Gefängnisproteste, während es 2021 mindestens 22 gegeben hat. Sechs davon fanden im Insein-Gefängnis in Yangon statt, und auch in den Gefängnissen von Obo, Pathein, Hpa-an, Monywa und Dawei haben politische Gefangene protestiert. Mindestens neun Insassen wurden bei der Niederschlagung der Gefängnisproteste getötet, während Hunderte von Häftlingen wegen ihrer Teilnahme an den Protesten verprügelt wurden. Einem Bericht der AAPP zufolge bedrohen Überbelegung, Nahrungsmangel sowie psychische und physische Folter das Leben der Gefangenen (Irrawady 8.7.2022). Quellen: -AI – Amnesty International (2.8.2022): 15 days felt like 15 years: Torture in detention since the Myanmar coup [ASA 16/5884/2022], https://www.ecoi.net/en/file/local/2076405/ASA1658842022ENGLISH.pdf, Zugriff 12.8.2022 -AI – Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; The State of the World's Human Rights; Myanmar 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070257.html, Zugriff 12.8.2022 -FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068763.html, Zugriff 12.8.2022 -HRW – Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068606.html, Zugriff 12.8.2022 -Irrawady (8.7.2022): Revolutionary Spirit Still Strong in Myanmar’s Deadly Prisons, https://www.irrawaddy.com/news/burma/revolutionary-spirit-still-strong-in-myanmars-deadly- prisons.html, Zugriff 12.8.2022 -PD – Peoples Dispatch (20.7.2022): Workers and political prisoners not safe in Myanmar, say union representatives, https://peoplesdispatch.org/2022/07/20/workers-and-political-prisoners- not-safe-in-myanmar-say-union-representatives/, Zugriff 12.08.2022 -USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Burma, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071145.html, Zugriff 12.8.2022 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 33 von 55

15. Todesstrafe Die Militärjunta von Myanmar hat am 25. Juli 2022 die Hinrichtung von vier Männern bekannt gegeben. Es handelt sich um die ersten Hinrichtungen in Myanmar seit 1988 (AI 25.7.2022; vgl. HRW 25.7.2022). Seit Februar 2021 ist in Myanmar eine alarmierende Zunahme der Todesstrafe zu verzeichnen, die das Militär als Mittel für die andauernde und weit verbreitete Verfolgung, Einschüchterung, Schikanierung und Gewalt gegen die Bevölkerung, einschließlich Demonstranten und Journalisten, einsetzt. Amnesty International hat Medienberichte und andere Informationen über mindestens 114 Todesurteile gesammelt, die seit Februar 2021 verhängt wurden. Alle diese Todesurteile wurden von Militärgerichten oder, in einem Fall, von einem Jugendgericht auf Überweisung eines Militärgerichts verhängt (AI 2.8.2022) Quellen: -AI – Amnesty International (2.8.2022): 15 days felt like 15 years: Torture in detention since the Myanmar coup [ASA 16/5884/2022], https://www.ecoi.net/en/file/local/2076405/ASA1658842022ENGLISH.pdf, Zugriff 12.8.2022 -AI - Amnesty International (25.7.2022): Myanmar: First executions in decades mark atrocious escalation in state repression, https://www.ecoi.net/de/dokument/2075959.html, Zugriff 5.8.2022 -HRW – Human Rights Watch (25.7.2022): Myanmar Junta Executes Four, https://www.ecoi.net/de/dokument/2075961.html, Zugriff 5.8.2022 16. Religionsfreiheit Die Verfassung sieht Religionsfreiheit vor (FH 28.2.2022; vgl. USDOS 2.6.2022), vorbehaltlich der Wahrung der öffentlichen Ordnung, Moral oder Gesundheit oder sonstiger Verfassungsbestimmungen (USDOS 2.6.2022). Sie weist den Buddhismus als Mehrheitsreligion aus, erkennt aber auch das Christentum, den Islam, den Hinduismus und den Animismus an (FH 28.2.2022). Nach den letzten verfügbaren Schätzungen sind etwa 88 % der Bevölkerung in Myanmar Theravada-Buddhisten. Etwa 6 % sind Christen, vor allem Baptisten, römische Katholiken und Anglikaner sowie mehrere kleine protestantische Konfessionen. Die Muslime (meist Sunniten) machen etwa 4 % der Bevölkerung aus. Es gibt kleine Gemeinschaften von Hindus und Anhängern des Judentums, traditioneller chinesischer Religionen und animistischer Religionen. Das U.S. Department of State berichtet von Bedenken der U.S. Regierung hinsichtlich der Religionsfreiheit, einschließlich der Notlage der mehrheitlich muslimischen Rohingya im Rakhine- Staat und der Schwierigkeiten, denen sich christliche religiöse Minderheiten in den Kachin-, nördlichen Shan- und Chin-Staaten angesichts der anhaltenden Gewalt gegenübersehen (USDOS 2.6.2022). Antimuslimische Hassreden und Diskriminierung wurden durch soziale Medien, einige staatliche Institutionen und Mainstream-Nachrichten-Websites verstärkt (FH 28.2.2022). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 34 von 55

Im Dezember 2021 stellte das OHCHR fest, dass die Sicherheitskräfte des Regimes seit dem Militärputsch eine alarmierende Eskalation schwerer Menschenrechtsverletzungen begangen haben (USDOS 2.6.2022). Einige der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen des Landes, die in der Regel von den Streitkräften des Bundes begangen werden, richten sich gegen ethnische und religiöse Minderheiten (FH 28.2.2022). Wie bereits in den Vorjahren und nach dem Militärputsch im Februar 2021 war es manchmal schwierig, Vorfälle allein auf der Grundlage der religiösen Identität zu kategorisieren, da Religion und ethnische Zugehörigkeit eng miteinander verknüpft sind. Im Laufe des Jahres gab es Berichte über Drohungen, Verhaftungen und Gewalt gegen religiöse und ethn-religiöse Minderheitengruppen. Es gab zahlreiche Angriffe auf Gotteshäuser, bei denen Menschen verletzt und getötet wurden. Es gibt außerdem einige Berichte über Verhaftungen und Verurteilungen von einflussreichen Mönchen und anderen religiösen Vertretern, die Vertriebene unterstützten und sich für den Frieden im Land einsetzten. Im November 2021 verurteilte das Burma Human Rights Network (BHRN) die Angriffe des Militärs auf die Zivilbevölkerung und nannte als Beispiele den anhaltenden Beschuss der Stadt Thantlang und das Niederbrennen von Häusern und Kirchen durch das Militär. Laut BHRN sind diese Angriffe Teil der Strategie „alle töten, alle verbrennen und alle zerstören“, die das Militär nachweislich gegen andere ethnische und religiöse Minderheiten anwendet (USDOS 2.6.2022). Die christlichen Minderheiten in Myanmar wurden schon lange vor dem Militärputsch vom 1. Februar 2021 diskriminiert. Doch ihre Lage hat sich nach Angaben einiger Beobachter mit der Junta an der Macht noch verschlechtert. Mehrere Dörfer in den Bundesstaaten Chin und Kayah, in denen viele Christen leben, waren Schauplatz gewaltsamer Zusammenstöße zwischen der Junta und Widerstandsbewegungen, die sich gegen den Putsch stellen. In diesen Regionen wurden Dutzende von Kirchen bombardiert, verbrannt oder geplündert, und Zivilisten wurden getötet (OF24 21.7.2022). Nach Angaben der AAPP hat das Militärregime seit dem Militärputsch bis zum Jahresende 35 buddhistische Mönche wegen ihrer Teilnahme an Protesten sowie neun christliche Führer und einen muslimischen Religionsführer aus ungeklärten Gründen inhaftiert. Religiöse Führer äußerten auch die Sorge, dass das Regime religiöse Versammlungen als Teil von prodemokratischen Aktivitäten missverstehen könnte (USDOS 2.6.2022). Die Behörden diskriminieren in der Praxis religiöse Minderheitengruppen (insbesondere Muslime), indem sie ihnen die Genehmigung für Versammlungen verweigern und Bildungsaktivitäten, Missionierung sowie den Bau und die Reparatur von Gebetsstätten einschränken (FH 28.2.2022). Das Regime setzte mindestens drei verschiedene Gesetze zur Einschränkung von Versammlungen, einschließlich religiöser Versammlungen, durch (USDOS 2.6.2022). Die offiziell illegale Buddha Dhamma Parahita Foundation, früher bekannt als Ma Ba Tha, setzt sich für den Schutz buddhistischer Privilegien ein, ruft zum Boykott muslimisch geführter Unternehmen auf und .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 35 von 55

verbreitet antimuslimische Propaganda. Muslime werden bei der Ausstellung von Personalausweisen systematisch diskriminiert, und mit der Komplizenschaft der Behörden wurden „muslimfreie“ Dörfer eingerichtet (FH 28.2.2022). Die Behörden verlangten von Staatsbürgern und Personen mit ständigem Wohnsitz weiterhin das Mitführen eines von der Regierung ausgestellten Ausweises, der den Inhabern den Zugang zu Dienstleistungen und den Nachweis der Staatsbürgerschaft ermöglichte. In diesen Ausweisen wurden die Religionszugehörigkeit und die ethnische Zugehörigkeit angegeben. Die Bürger waren auch verpflichtet, ihre Religionszugehörigkeit auf bestimmten offiziellen Anträgen für Dokumente wie Pässen anzugeben, obwohl die Pässe selbst keinen Hinweis auf die Religionszugehörigkeit des Inhabers enthielten. Angehörige religiöser Minderheiten, insbesondere Muslime, hatten weiterhin Probleme, Ausweise und Staatsangehörigkeitsausweise zu erhalten. Einige Muslime berichteten, dass von ihnen verlangt wurde, auf ihrem Antrag auf einen Staatsbürgerschaftsausweis eine „ausländische“ ethnische Zugehörigkeit anzugeben, wenn sie sich als Muslime identifizierten (USDOS 2.6.2022). Die Gesetze zum Schutz von „Rasse und Religion in Myanmar“ (2015), deren Verabschiedung größtenteils auf das Eintreten von Ma Ba Tha zurückzuführen ist, kodifizieren schwerwiegende Formen der Diskriminierung der muslimischen Minderheit und schränken ihr Recht auf freie Heirat und ihre Entscheidung, Kinder zu bekommen (BS 23.2.2022). Quellen gaben allerdings weiterhin an, dass sowohl die Behörden der abgesetzten demokratisch gewählten Regierung als auch das Regime im Allgemeinen die 2015 verabschiedeten Gesetze zum „Schutz von Rasse und Religion“ nicht durchsetzten (USDOS 2.6.2022). Quellen: -BS – Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 - Myanmar Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069711/country_report_2022_MMR.pdf, Zugriff 11.8.2022 -FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068763.html, Zugriff 11.8.2022 -OF24 – Observers France 24 (21.7.2022): Burned churches: Myanmar’s junta accused of abuses against the Christian minority, https://observers.france24.com/en/asia-pacific/20220722- burned- churches-myanmar-s-junta-accused-of-abuses-against-the-christian-minority, Zugriff 11.8.2022 -USDOS – U.S. Department of State [USA] (2.6.2022): 2021 Report on International Religious Freedom: Burma, https://www.ecoi.net/de/dokument/2073989.html, Zugriff 11.8.2022 17. Minderheiten Angehörige ethnischer Minderheitengruppen machen 30 bis 40 % der Bevölkerung aus. Die sieben Staaten, in denen ethnische Minderheiten leben, machen etwa 60 % des nationalen Territoriums aus, eine beträchtliche Anzahl von Minderheiten lebt allerdings auch in mehrheitlich ethnischen birmanischen Regionen (USDOS 12.4.2022). Die ca. 57 Millionen Einwohner setzen sich aus 68 % Bamar, 9 % Shan, 7 % Karen, 4 % Rakhine, 3 % Chinesen, 2 % Inder, 2 % Mon und 5 % sonstigen Volksgruppen zusammen. Die Regierung erkennt zusätzlich 135 indigene ethnische Gruppen an .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 36 von 55

(CIA 2.8.2022). Die offizielle nationale Identität dreht sich um die buddhistische Religion und die Sprache der myanmarischen Mehrheitsbevölkerung (Bamar), die in den zentralen Ebenen und im Irrawaddy-Delta lebt (BS 23.2.2022). Birmanisch ist auch die obligatorische Unterrichtssprache in den öffentlichen Schulen. Der nationale Bildungsplan lässt keine anderen Unterrichtssprachen zu, obwohl einige öffentliche Schulen ethnische Sprachen als zusätzliche Fächer unterrichten (USDOS 12.4.2022). Die ethnischen Minderheiten leben in den Außenstaaten, entlang der Grenzen zu Bangladesch, Indien, China und Thailand. Sie bestreiten das Konzept des myanmarischen Staates und fordern die Anerkennung ihrer Geschichte, Sprachen und Religionen. Keiner der sieben ethnischen Minderheitenstaaten (Arakan, Chin, Kachin, Shan, Karen, Kayin, Mon) ist mono-ethnisch (BS 23.2.2022). Ethnische und religiöse Minderheiten erfahren de facto eine starke Diskriminierung (BS 23.2.222; vgl. FH 28.2.2022). Die offizielle Liste der 135 „nationalen Ethnien“ ist höchst umstritten und wurde vor mehr als 100 Jahren von den Kolonialverwaltern erstellt. Unter der Militärherrschaft wurde diese Liste wieder eingeführt und zur Klassifizierung und als Grundlage für die Staatsbürgerschaft verwendet. Die Staatsbürgerschaft basiert auf dem Staatsbürgerschaftsgesetz von 1982, das drei Arten von Bürgern anerkennt: Vollbürger, assoziierte Bürger und eingebürgerte Bürger. Die volle Staatsbürgerschaft erhalten diejenigen, die ihre Abstammung bis in die Zeit vor der Eroberung des Landes durch die Briten im Jahr 1823 zurückverfolgen können und die den acht offiziell anerkannten „nationalen Ethnien“ angehören (d. h. Bamar, Arakan, Chin, Kachin, Shan, Karen, Kayin/Karen, Mon) (BS 23.2.2022). Angehörige historisch marginalisierter Gruppen und Minderheiten waren vor dem Putsch in der Regierung unterrepräsentiert (USDOS 12.4.2022). Sie sehen sich mit Einschränkungen ihrer politischen Rechte und Wahlmöglichkeiten konfrontiert, unter anderem durch diskriminierende Staatsbürgerschafts-, Wohnsitz- und Parteiregistrierungsgesetze. Einige der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen des Landes, die in der Regel von den Streitkräften des Zentralstaates begangen werden, richten sich gegen ethnische und religiöse Minderheiten. Die Kämpfe zwischen der Armee und ethnischen Minderheiten in den Bundesstaaten Chin, Kachin, Karen, Rakhine und Shan haben sich im Laufe des Jahres verschärft, so dass Tausende von Zivilisten vertrieben und in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt wurden. Ethnische Rebellengruppen boten denjenigen Zuflucht, die dem Militärregime entkommen wollten (FH 28.2.2022). Die weitreichende staatliche und gesellschaftliche Diskriminierung von Mitgliedern von Minderheitengruppen hält an, auch in Bereichen wie Bildung, Wohnen, Beschäftigung und Zugang zu Gesundheitsdiensten (USDOS 12.4.2022; vgl BS 23.2.2022) Quellen: .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 37 von 55

-BS – Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 - Myanmar Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069711/country_report_2022_MMR.pdf, Zugriff 10.8.2022 -CIA – Central Intelligence Agency (2.8.2022): The World Factbook, Burma, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/burma/, Zugriff 10.8.2022 -FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/en/document/2068763.html, Zugriff 10.8.2022 -USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Burma, https://www.ecoi.net/en/document/2071145.html, Zugriff 10.8.2022 17.1. Rohingya Die Rohingya sind eine muslimische ethnische Minderheit, die seit Jahrhunderten im überwiegend buddhistischen Myanmar lebt. Obwohl die Rohingya seit vielen Generationen in Myanmar leben, werden sie nicht als offizielle ethnische Gruppe anerkannt. Seit 1982 wird ihnen die Staatsbürgerschaft verweigert, was sie zur größten staatenlosen Bevölkerung der Welt macht (UNHCR 13.7.2022; vgl. USDOS 12.4.2022). Die Regierung von Myanmar betrachtet die Rohingya als relativ neue Migranten aus Bangladesch, obwohl die meisten Rohingya ihre Abstammung bis in die späte Kolonialzeit oder sogar bis in die Zeit vor der britischen Kolonisierung zurückverfolgen können. Die meisten ihrer Dokumente wurden bei den Wellen von Gewalt und Vertreibung zerstört (BS 23.2.2022). Die Rohingya haben in Myanmar jahrzehntelang unter Gewalt, Diskriminierung und Verfolgung gelitten (UNHCR 13.7.2022). Ihr größter Exodus begann im August 2017, als im myanmarischen Bundesstaat Rakhine eine massive Welle der Gewalt ausbrach, die mehr als 700.000 Menschen - die Hälfte von ihnen Kinder - zwang, in Bangladesch Zuflucht zu suchen (UNHCR 13.7.2022; vgl. USDOS 12.4.2022). Ganze Dörfer wurden niedergebrannt, Tausende von Familien wurden getötet oder getrennt und es wurden massive Menschenrechtsverletzungen gemeldet (UNHCR 13.7.2022). Weit verbreitete Berichte deuten auf wahllose Tötungen und das Niederbrennen von Rohingya-Dörfern hin, was so weit eskalierte, dass der UN-Menschenrechtskommissar die Situation im Bundesstaat Rakhine als „ein Paradebeispiel für ethnische Säuberung“ bezeichnete (CFR 12.5.2022). Vertreter der Vereinten Nationen und einzelner Länder haben die an den Rohingya begangenen Gräueltaten als ethnische Säuberung und/oder Völkermord bezeichnet (BS 23.2.2022). Das oberste Gericht der Vereinten Nationen entschied im Juli 2022, dass ein Verfahren, in dem Myanmar beschuldigt wird, Völkermord an den Rohingya-Muslimen begangen zu haben, fortgesetzt werden kann. Damit ist der Weg frei für Anhörungen, in denen die Schuld des Staates an der Gewalt untersucht wird, die fast 1 Million Rohingya aus ihrer Heimat vertrieben hat (Washington Post 22.7.2022). Die schätzungsweise 600.000 Rohingya, die sich noch im Bundesstaat Rakhine aufhalten, sind Verfolgung und Gewalt durch die Regierung ausgesetzt, leben in Lagern und Dörfern, ohne sich .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 38 von 55

frei bewegen zu können, und sind vom Zugang zu angemessener Nahrung, Gesundheitsversorgung, Bildung und Lebensunterhalt abgeschnitten (HRW 10.8.2022). Das derzeitige Militärregime ist dasselbe Militär, das in der Vergangenheit Wellen der Gewalt gegen die Rohingya gebilligt und ausgeführt hat, darunter zuletzt 2017. Seit seiner Machtübernahme hat General Hlaing auch das Recht der in Bangladesch lebenden Rohingya-Flüchtlinge auf Rückkehr in Frage gestellt (CFR 12.5.2022), obwohl viele der Flüchtlinge sagen, dass sie nach Myanmar zurückkehren wollen, das sie als ihre Heimat betrachten, aber nicht ohne eine Sicherheitsgarantie der Regierung (MSF 4.10.2021). Etwa 919.000 Rohingya-Flüchtlinge leben in den Flüchtlingslagern Kutupalong und Nayapara in der Region Cox's Bazar in Bangladesch, die sich zu den größten und am dichtesten besiedelten Lagern der Welt entwickelt haben (UNHCR 13.7.2022). Die Rohingya-Flüchtlinge, die in den Lagern leben, haben oft keinen Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen und lebensnotwendigen Gütern, da die humanitäre Hilfe immer knapper wird und die Lager aufgrund der Überbelegung anfällig für extreme Wetterbedingungen sind. Im März 2021 breitete sich im Lager Cox's Bazar ein katastrophales Feuer aus, das Dutzende von Todesopfern forderte und fast zehntausend Unterkünfte zerstörte. Auch die COVID-19-Pandemie hat die Gesundheitskrisen in den Lagern verschärft (CFR 12.5.2022). Im September 2021 erschossen bewaffnete Männer den muslimischen Rohingya-Aktivisten und Gemeindeleiter Mohib Ullah im Flüchtlingslager Kutupalong in Bangladesch. Presseberichten zufolge standen die Mörder Ullahs wahrscheinlich mit der aufständischen Gruppe Arakan Rohingya Salvation Army (ARSA) in Verbindung. Ullah hatte sich gegen die Militanz der ARSA und gegen Missstände in den Flüchtlingslagern in Bangladesch ausgesprochen (USDOS 2.6.2022). Die Rohingya werden zusätzlich als Kriminelle oder, während der Covid-19-Pandemie, als Krankheitsüberträger stigmatisiert und ihnen wurden grundlegende Rechte und ein angemessener Zugang zu Dienstleistungen, einschließlich der Gesundheitsversorgung, verweigert (MSF 4.10.2021). Es gab weiterhin Berichte über die soziale Stigmatisierung jeglicher Unterstützung oder Sympathie für die Rohingya. Einige führende Vertreter der Zivilgesellschaft erklärten, dass selbst unter ansonsten toleranten Menschen weiterhin eine ablehnende Haltung gegenüber den Rohingya vorherrscht (USDOS 2.6.2022). NGOs berichteten das ganze Jahr über regelmäßig, dass der Zugang zu Gesundheitsdiensten durch Einschränkungen der humanitären Hilfe und der Bewegungsfreiheit der Rohingya begrenzt ist und dazu beiträgt, dass die Müttersterblichkeitsrate im Bundesstaat Rakhine höher ist als im Landesdurchschnitt. Im Bundesstaat Rakhine haben die lokalen Behörden Rohingya-Familien verboten, mehr als zwei Kinder zu haben, obwohl einige Rohingya mit Haushaltsregistrierungsdokumenten dieses Gesetz umgangen haben sollen (USDOS 12.4.2022). Die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit für Rohingya im Bundesstaat Rakhine wurden unverändert beibehalten. Rohingya dürfen sich nicht frei bewegen; sie müssen eine .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 39 von 55

Reisegenehmigung einholen, um ihre Gemeinde zu verlassen (USDOS 12.4.2022; vgl. AI 29.3.2022). Den Rohingya werden aufgrund der strengen Staatsbürgerschaftsgesetze Myanmars jegliche politischen Rechte (einschließlich des Wahlrechts) verweigert (BS 23.2.2022). Quellen: -AI – Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Myanmar 2021, https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/myanmar-2021, Zugriff 10.8.2022 -BS – Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 - Myanmar Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069711/country_report_2022_MMR.pdf, Zugriff 10.8.2022 -CFR – Council on Foreign Relations (12.5.2022): Instability in Myanmar, https://www.cfr.org/global-conflict-tracker/conflict/rohingya-crisis-myanmar, Zugriff 10.08.2022 -HRW – Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/en/document/2068606.html, Zugriff 10.8.2022 -MSF – Medicins Sans Frontieres (4.10.2022): Four years after fleeing violence in Myanmar, Rohingya refugees see no solutions, https://www.doctorswithoutborders.org/latest/four-years- after-fleeing-violence-myanmar-rohingya-refugees-see-no-solutions, Zugriff 10.8.2022 -UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (13.7.2022): Rohingya Refugee Crisis Explained, https://www.unrefugees.org/news/rohingya-refugee-crisis-explained/, Zugriff 10.8.2022 -USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Burma, https://www.ecoi.net/en/document/2071145.html, Zugriff 10.8.2022 -USDOS – U.S. Department of State [USA] (2.6.2022): 2021 Report on International Religious Freedom: Burma, https://www.ecoi.net/de/dokument/2073989.html, Zugriff 11.8.2022 -Washington Post (22.7.2022): U.N. court rejects Myanmar’s opposition to Rohingya genocide case, https://www.washingtonpost.com/world/2022/07/22/myanmar-genocide-rohingya-un-icj- gambia/, Zugriff 10.8.2022 18. Relevante Bevölkerungsgruppen 18.1. Frauen Laut Gesetz haben Frauen den gleichen rechtlichen Status und die gleichen Rechte wie Männer, einschließlich Eigentums- und Erbschaftsrechte sowie religiöser und persönlicher Status, aber die Beamten des Regimes setzten das Gesetz nicht durch. Gemeinden im ganzen Land wandten in Fragen der Ehe, des Eigentums und der Erbschaft Gewohnheitsrecht an, das von den gesetzlichen Bestimmungen abwich und Frauen häufig diskriminierte. Das Gesetz schreibt gleichen Lohn für gleiche Arbeit vor, aber der formelle Sektor hielt sich nicht an diese Vorschrift, und das Regime setzte sie nicht aktiv durch. Von der Armut sind Frauen unverhältnismäßig stark betroffen (USDOS 12.4.2022). Frauen sind in der Regierung und im öffentlichen Dienst nach wie vor unterrepräsentiert, was vor allem auf gesellschaftliche Vorurteile zurückzuführen ist, die sie von einer politischen Beteiligung .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 40 von 55

abhalten (FH 28.02.2022). Die politische Teilhabe von Frauen ist nach wie vor gering; Myanmar liegt im Gender Inequality Index 2019 auf Platz 147 von 189 Ländern (BS 23.02.2022). Frauen sind auch in der Arbeitswelt Diskriminierungen ausgesetzt, gegen die es keinen ausdrücklichen rechtlichen Schutz gibt. Laut einer UN-Umfrage, die auf eine Verschlechterung der Entwicklungserfolge im Land hinweist, zwingen zunehmende Gewalt und Unsicherheit Frauen in Myanmar, sich von Arbeitsplätzen und Gesundheitsdiensten fernzuhalten. Die Pandemie und die durch die Machtübernahme des Militärs verursachte erhöhte Unsicherheit haben schwerwiegende Auswirkungen auf die finanzielle Lage und die Gesundheit der Frauen. Fast sieben von zehn Frauen berichten, dass das Haushaltseinkommen seit dem Militärputsch gesunken ist, was durch die Pandemie noch verschärft wurde. Frauen, die in ländlichen Gebieten leben, erleben einen kontinuierlichen Rückgang ihres Einkommens (UNDP 8.3.2022). Die Vergewaltigung einer außerehelichen Frau wird mit einer Höchststrafe von 20 Jahren Gefängnis geahndet. Vergewaltigung in der Ehe ist kein Verbrechen, es sei denn, die Ehefrau ist jünger als das gesetzliche Heiratsalter (das je nach ethnischer Zugehörigkeit oder Religion variieren kann), und die Strafe beträgt maximal zwei Jahre Gefängnis. Das Gesetz verbietet es, eine andere Person körperlich zu verletzen, aber es gibt keine Gesetze, die speziell gegen häusliche Gewalt oder Missbrauch in der Ehe vorgehen, es sei denn, die Ehefrau ist jünger als das gesetzliche Heiratsalter. Sich überschneidende und zuweilen widersprüchliche gesetzliche Bestimmungen erschweren die Umsetzung dieser begrenzten Schutzmaßnahmen. Häusliche Gewalt gegen Frauen, einschließlich des Missbrauchs in der Ehe, ist nach wie vor ein ernstes Problem. Missbrauch innerhalb der Familie ist weit verbreitet und galt als gesellschaftlich akzeptabel. Misshandlungen in der Ehe oder häusliche Gewalt waren schwer zu messen, da die Regierung keine umfassenden Statistiken führte und die Überlebenden sie in der Regel nicht meldeten (USDOS 12.4.2022). Die NLD-Regierung war vor dem Militärputsch nicht in der Lage, das Gesetz zur Verhinderung von Gewalt gegen Frauen zu verabschieden. Während das Gesetz dafür kritisiert wurde, dass es weit hinter internationalen Standards zurückbleibt, hat das Fehlen einer gezielten Gesetzgebung die Bemühungen, geschlechtsspezifische Gewalt zu verhindern, Überlebende zu unterstützen und Täter vor Gericht zu bringen, ins Stocken gebracht (HRW 13.1.2022). Bestehende Gesetze, die Frauen vor häuslicher Gewalt und Vergewaltigung schützen könnten, sind schwach und werden nur unzureichend durchgesetzt, und solche Gewalt ist ein akutes und anhaltendes Problem (FH 28.2.2022). Nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen waren Frauen in Gewahrsam sexuellen Übergriffen, geschlechtsspezifischer Gewalt und Beschimpfungen ausgesetzt. In einigen Fällen beschimpften Beamte der Polizei Frauen, die eine Vergewaltigung anzeigten. Frauen, die sexuelle Übergriffe anzeigten, sahen sich mit weiteren Misshandlungen durch die Polizei und der Möglichkeit konfrontiert, wegen Beleidigung der Würde des Täters verklagt zu werden (USDOS 12.4.2022). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 41 von 55

Der Handel mit Frauen und Mädchen ist nach wie vor ein ernstes Problem in den Shan- und Kachin-Staaten, wo sie aufgrund von Konflikten und wirtschaftlicher Verzweiflung Gefahr laufen, unter falschen Versprechungen nach China gelockt und als „Bräute“ in die sexuelle Sklaverei und Zwangsreproduktion verkauft zu werden (HRW 13.1.2022). Die Armee setzt Vergewaltigung als Kriegswaffe gegen Frauen aus ethnischen Minderheiten ein, und das gesamte Sicherheitspersonal genießt in der Regel Straffreiheit für sexuelle Gewalt. Nach dem Militärputsch von 2021 wurden zahlreiche Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt von Inhaftierten gemeldet (FH 28.2.2022). Frauen haben im Rahmen der Bewegung des zivilen Ungehorsams (CDM) Massenproteste gegen die Junta angeführt und daran teilgenommen. Weibliche Demonstranten gehörten zu den ersten, die von Sicherheitskräften getötet und willkürlich festgenommen wurden. Viele Frauen berichteten, dass sie bei ihrer Festnahme von den Sicherheitskräften geschlagen wurden, und einige berichteten von glaubwürdigen Vorwürfen sexueller Gewalt und erniedrigender Behandlung durch die Sicherheitskräfte während ihrer Inhaftierung (HRW 13.1.2022). Das Gesetz schränkt die Möglichkeit buddhistischer Frauen ein, nicht-buddhistische Männer zu heiraten, indem es vor einer solchen Heirat eine öffentliche Bekanntmachung vorschreibt und es erlaubt, Einwände gegen die Heirat vor Gericht zu erheben (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022). Es gab keine Berichte über Zwangsabtreibungen oder unfreiwillige Sterilisationen seitens der Regierungsbehörden. Das Gesetz erlaubt es der Regierung, zwangsweise Geburtenabstände - 36 Monate zwischen den Kindern - vorzuschreiben, wenn der Präsident oder die nationale Regierung auf der Grundlage von Faktoren wie Bevölkerung, Migrationsrate, natürliche Ressourcen, Geburtenrate und Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln „besondere Regionen“ für die Gesundheitsversorgung ausweist. Im Bundesstaat Rakhine haben die lokalen Behörden Rohingya- Familien verboten, mehr als zwei Kinder zu haben. Das Gesetz schränkt ansonsten das Recht des Einzelnen ein, über seine reproduktive Gesundheit zu bestimmen. Der Zugang zu sexuellen und reproduktiven Gesundheitsdiensten, einschließlich Notfallverhütung, für Überlebende sexueller Gewalt durch öffentliche und private Einrichtungen war sehr begrenzt und wurde durch den Zusammenbruch des öffentlichen Gesundheitssystems nach dem Putsch noch verschärft (USDOS 12.4.2022). Quellen: -BS – Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 - Myanmar Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069711/country_report_2022_MMR.pdf, Zugriff 10.8.2022 -FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/en/document/2068763.html, Zugriff 10.08.2022 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 42 von 55
