myan-lib-2022-08-26-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
-HRW – Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/en/document/2068606.html, Zugriff 10.8.2022 -UNDP – United Nations Development Program (8.3.2022): New UN study says fear, violence, and isolation prevents Myanmar women from accessing income and healthcare, https://www.undp.org/press-releases/new-un-study-says-fear-violence-and-isolation-prevents- myanmar-women-accessing-income-and-healthcare, Zugriff 10.8.2022 -USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Burma, https://www.ecoi.net/en/document/2071145.html, Zugriff 10.8.2022 18.2. Kinder Das Gesetz verbietet die kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern, einschließlich Zuhälterei; separate Bestimmungen im Strafgesetzbuch verbieten Sex mit Minderjährigen unter 14 Jahren. Die Gesetze waren weder geeignet, um Kindesmissbrauch zu verhindern, noch wurden sie durchgesetzt. Die Vereinten Nationen berichteten im Juli 2021, dass bei den Demonstrationen und Zusammenstößen nach dem Putsch Hunderte von Kindern getötet oder verstümmelt und etwa 1.000 verhaftet wurden. Der Vorsitzende der Kinderrechtskonvention bezeichnete Kinder seit dem Putsch als „unter Belagerung stehend“ (USDOS 12.4.2022). Die wirtschaftliche und humanitäre Krise hat verheerende Auswirkungen auf Kinder und schürt alle Formen von Gewalt und Ausbeutung. Berichten zufolge sind Kinderhandel und Kinderarbeit in Myanmar auf dem Vormarsch. Das Militär nimmt auch Kinder von Menschenrechtsverteidigern als Geiseln, um ihre Eltern zur Auslieferung zu zwingen. Laut dem jüngsten Bericht des Sonderberichterstatters über die Lage der Menschenrechte in Myanmar wurden im Juni 2022 mindestens 61 Kinder von der Junta als Geiseln gehalten. Rohingya-Kinder wurden wegen angeblicher migrationsbedingter Vergehen festgenommen und inhaftiert. Es wird berichtet, dass diese Kinder gefoltert und misshandelt wurden, einschließlich sexuellen Missbrauchs (OHCHR 29.6.2022). Laut internationaler Juristenkommission gab es glaubhafte Berichte darüber, dass Kinder verhaftet und inhaftiert wurden, weil sie angeblich an regierungsfeindlichen Protesten teilgenommen haben, und dass sie freigelassen wurden, nachdem sie erzwungene „Geständnisse“ unterschrieben hatten, nachdem sie unter Nahrungs- und Wassermangel, Scheinbeerdigungen, über längere Zeit in Stresspositionen gezwungen wurden, mit brennenden Zigaretten traktiert wurden und regelmäßig Schläge und sogar sexuelle Gewalt erlitten. Anstatt die Rechte von Jugendlichen zu wahren, haben Richter Kinder dazu ermutigt, Straftaten zuzugeben. So haben Richter in einigen Fällen versucht, Kinder dazu zu bewegen, ihre Schuld in der ersten Phase zu „gestehen“, mit der Begründung, dies würde dazu führen, dass das Gericht entscheidet, sie in eine Justizvollzugsanstalt zu schicken, anstatt sie in der Untersuchungshaft zu belassen (ICJ 10.2.2022). Kinderarbeit und die Rekrutierung von Kindersoldaten sind ernste Probleme in Myanmar. Kindersoldaten werden vom Militär und von ethnischen Rebellengruppen angeworben, die auch .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 43 von 55

Zivilisten für Zwangsarbeit rekrutieren (FH 28.2.2022). Das Militär und einige EAOs (Kachin Independence Army, AA, Ta'ang National Liberation Army, Karen National Liberation Army, Shan State Army und Arakan Rohingya Salvation Army) wurden im Jahresbericht 2021 des UN- Generalsekretärs über Kinder und bewaffnete Konflikte als Täter aufgeführt, die Kinder unrechtmäßig rekrutieren und einsetzen. Der Nationale Beschwerdemechanismus, der sich auf die Beseitigung von Zwangsarbeit konzentriert, aber auch den Einsatz und die Rekrutierung von Kindersoldaten verbietet, wurde nach dem Militärputsch nur eingeschränkt genutzt. Es gab keine glaubwürdigen Beweise dafür, dass das Regime oder die EAOs Straftäter strafrechtlich verfolgten (USDOS 12.4.2022). Das Militär Myanmars hat die Kinder seiner Soldaten zu einer militärischen Ausbildung verpflichtet, um Reservekräfte vorzubereiten, obwohl eine solche Ausbildung sowohl gegen myanmarisches als auch gegen internationales Recht verstößt (Irrawady 7.10.2021). Das Gesetz verbietet die schlimmsten Formen der Kinderarbeit, obwohl das Regime das Gesetz nicht konsequent durchgesetzt hat (USDOS 12.4.2022). Fast eines von zehn der 12 Millionen Kinder zwischen 5 und 17 Jahren in Myanmar verrichtet Kinderarbeit und ist dabei häufig Gefahren und Risiken ausgesetzt (UN 14.6.2022). Das Gesetz legt das Mindestalter für die Arbeit in bestimmten Sektoren, einschließlich Geschäften und Fabriken, auf 14 Jahre fest; das Gesetz enthält besondere Bestimmungen für die „Jugendbeschäftigung“ für diejenigen, die älter als 14 Jahre sind. Es gibt jedoch kein Mindestalter für die Arbeit in allen Sektoren, in denen Kinder beschäftigt waren, einschließlich der Landwirtschaft und der informellen Arbeit. Das Gesetz verbietet Arbeitnehmern, die jünger als 16 Jahre sind, in einem gefährlichen Umfeld zu arbeiten, aber die Regierung hat keine Liste mit gefährlichen Arbeitsplätzen herausgegeben. Kinder arbeiteten häufig in der informellen Wirtschaft, was sie in einigen Fällen der Gefahr von Drogen und Kleinkriminalität, Verhaftung, kommerzieller sexueller Ausbeutung, HIV, AIDS und anderen sexuell übertragbaren Infektionen aussetzte. In ländlichen Gebieten arbeiteten Kinder routinemäßig in landwirtschaftlichen Familienbetrieben, gelegentlich in Situationen, die möglicherweise mit Zwangsarbeit verbunden waren (USDOS 12.4.2022). Durch die Schließung von Schulen, Hochschulen und Universitäten aufgrund der Coronapandemie, des bewaffneten Konflikts und der Maßnahmen der Militärbehörden hatten fast zwölf Millionen Kinder und Jugendliche keinen Zugang zu einem formalen Bildungsangebot (AI 29.3.2022). Laut Gesetz ist der Schulbesuch bis zur vierten Klasse (bis zum Alter von 10 Jahren) obligatorisch, kostenlos und allgemein. Dies macht Kinder im Alter von 10 bis 13 Jahren anfällig für Kinderarbeit, da sie nicht verpflichtet sind, die Schule zu besuchen und gesetzlich nicht arbeiten dürfen. In abgelegenen Gemeinden und Konfliktgebieten standen oft keine Schulen zur Verfügung, und auch Binnenvertriebene und staatenlose Kinder hatten nur begrenzten Zugang zu den Schulen. Im Juni 2021 ordnete das Regime die Wiedereröffnung aller Grund- und .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 44 von 55

Sekundarschulen an, die 2020 wegen der COVID-19-Pandemie geschlossen worden waren. Nach Angaben der Myanmar Teacher's Federation sind mehr als 90 % der Schüler nicht wie vorgeschrieben am 2. Juni 2021 zurückgekehrt (USDOS 12.4.2022). Die Vereinten Nationen haben seit dem Putsch 260 Angriffe auf Schulen und Bildungspersonal sowie 320 Fälle der Besetzung von Schulen durch bewaffnete Gruppen zwischen Februar 2021 und März 2022 dokumentiert (OHCHR 29.6.2022). Das Gesetz sieht je nach Religion und Geschlecht unterschiedliche Mindestalter für die Eheschließung vor. Das Mindestalter für Buddhisten beträgt 18 Jahre, während das Mindestalter für Nicht-Buddhisten 16 Jahre für Jungen und 15 Jahre für Mädchen beträgt. Kinderheiraten kamen vor allem in ländlichen Gebieten vor. Es gibt keine zuverlässigen Statistiken über Zwangsheiraten (USDOS 12.4.2022). Quellen: -AI – Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Myanmar 2021, https://www.ecoi.net/en/document/2070258.html, Zugriff 10.8.2022 -FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/en/document/2068763.html, Zugriff 10.8.2022 -ICJ – International Commission of Jurists (10.2.2022): Myanmar: A year after military takeover, no rule of law or judicial independence, https://www.icj.org/myanmar-a-year-after-military-takeover- no-rule-of-law-or-judicial-independence/, Zugriff 23.8.2022 -Irrawady (7.12.2021): Myanmar Regime Makes Military Training Compulsory for Soldiers' Children, https://www.irrawaddy.com/news/burma/myanmar-regime-makes-military-training- compulsory-for-soldiers-children.html, Zugriff 10.8.2022 -OHCHR – The Office of the High Commissioner for Human Rights (29.6.2022): Myanmar: Crisis taking an enormous toll on children, UN committee warns, https://www.ohchr.org/en/statements/2022/06/myanmar-crisis-taking-enormous-toll-children-un- committee-warns, Zugriff 10.8.2022 -UN – United Nations Myanmar (14.6.2022): ILO Myanmar calls for more action to end child labour, https://myanmar.un.org/en/186115-ilo-myanmar-calls-more-action-end-child-labour, Zugriff 10.8.2022 -USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Burma, https://www.ecoi.net/en/document/2071145.html, Zugriff 10.8.2022 18.3. Sexuelle Minderheiten Myanmar kriminalisiert einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen (Penal Code Section 377) (APCOM 10.12.2021), und es gibt Berichte darüber, dass die Polizei LGBTQI+-Personen körperlich und sexuell belästigt, erpresst und misshandelt (FH 28.2.2022). Eine Reihe von Gesetzen schafft ein feindliches Umfeld für LGBTQI+-Personen (FH 28.2.2022); sogenannte „Schattengesetze“ werden von Strafverfolgungsbeamten und der breiteren Gesellschaft .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 45 von 55

verwendet, um Diskriminierung und verschiedene Formen von Missbrauch zu rechtfertigen (APCOM 10.12.2021). Das Strafgesetzbuch Myanmars bestraft „Geschlechtsverkehr gegen die Natur“ mit bis zu 10 Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe. Die oppositionelle NUG berichtete, dass lesbische, schwule, bisexuelle, Transgender, Queer und intersexuelle Personen (LGBTQI+) in der Haft besonders häufig Opfer von sexueller Gewalt wurden (HRW 13.1.2022). Die politischen Reformen der vergangenen Jahre haben es der LGBTQI+-Gemeinschaft erleichtert, öffentliche Veranstaltungen abzuhalten und offen an der Gesellschaft teilzunehmen. Diskriminierung, Stigmatisierung und mangelnde Akzeptanz in der Bevölkerung blieben jedoch bestehen (USDOS 12.4.2022). Nach dem Militärputsch nahmen die Berichte über Gewalt gegen LGBTQI+ Personen zu. Im Juli 2021 gab der Menschenrechtsminister der NUG an, dass mindestens 12 Mitglieder der LGBTQI+- Gemeinschaft bei friedlichen Protesten gegen das Regime ums Leben kamen und weitere 73 verhaftet wurden. Im November 2021 befanden sich mindestens 65 Mitglieder der LGBTQI+- Gemeinschaft in Haft, und 28 waren entweder untergetaucht oder in Gebiete geflohen, die nicht unter der Kontrolle des Regimes stehen. Nach Angaben von Radio Free Asia wurden LGBTQI+- Anhänger nach ihrer Verhaftung vom Regime gezielt gedemütigt, unter anderem durch sexuelle Beleidigungen, Spott, Verspottung der Kleidung und körperliche Misshandlungen (USDOS 12.4.2022). Durch das Polizeigesetz können Trans-Personen verhaftet werden, wenn sie ihre Geschlechtsidentität offen zum Ausdruck bringen, da das Justizsystem in Myanmar dies als eine Form der Verschleierung zum Zwecke der Begehung von Straftaten interpretiert. Dieses Gesetz wird insbesondere zur Schikanierung von Trans-Aktivisten eingesetzt (RFSL 21.12.2021). Es gab zudem Berichte über Diskriminierung aufgrund der sexuellen Ausrichtung und der Geschlechtsidentität am Arbeitsplatz. Viele LGBTQI+-Personen sahen sich mit erheblichen Hindernissen bei Bildung und Beschäftigung konfrontiert, wenn sie ihren Status öffentlich machten oder sichtbar waren. LGBTQI+-Personen berichteten, dass sie von Gesundheitsdienstleistern diskriminiert wurden (USDOS 12.4.2022). In Myanmar sind einige größere Organisationen tätig, die sich für die Menschenrechte von sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten einsetzen (AIPP 1.2.2022). Auf Grund der unermüdlichen Arbeit von Organisationen und Aktivisten vor Ort, wurden, trotz des veralteten Rechtsrahmens, in vielen Bereichen Fortschritte erzielt, einschließlich der Rechte von LGBTQI+- Personen (APCOM 10.12.2021). Nach dem Militärputsch ist es allerdings sehr viel schwieriger geworden, sämtliche Formen der Interessenvertretung zu leisten. Gegenwärtig gehören Gesundheitsthemen wie die HIV-Prävention zu den einzigen Themen, für die sich die Aktivisten engagieren können oder sich zu engagieren trauen (RFSL 21.12.2021). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 46 von 55

Quellen: -AIPP – Asia Indigenous People Pact (1.2.2022): One Year after the Illegitimate Military Coup in the Republic of the Union of Myanmar: Joint LGBTIQ+ Civil Society Statement, https://aippnet.org/one-year-after-illegitimate-military-coup-republic-union-myanmar-lgbtiq-civil- society-statement/, Zugriff 10.8.2022 -APCOM Foundation (10.12.2021): An update from Myanmar LGBTQ community since the military take over, https://www.apcom.org/an-update-from-myanmar-lgbtq-community-since-the-military- take-over/, Zugriff 10.8.2022 -FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/en/document/2068763.html, Zugriff 10.8.2022 -HRW – Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/en/document/2068606.html, Zugriff 10.8.2022 -RFSL – Swedish Federation for Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Queer and Intersex rights (21.12.2021): Limited opportunities for LGBTQI Persons in Myanmar, https://www.rfsl.se/en/organisation/international/limited-opportunities-for-lgbtqi-people-in- myanmar/, Zugriff 10.8.2022 -USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Burma, https://www.ecoi.net/en/document/2071145.html, Zugriff 10.8.2022 19. Bewegungsfreiheit Das Gesetz schützt weder die Bewegungsfreiheit im Inland noch die Reisefreiheit ins Ausland, die Auswanderung oder die Rückkehr ins Heimatland. Lokale Vorschriften schränken das Recht der Bürger ein, sich überall im Land niederzulassen und aufzuhalten. Bevollmächtigte Beamte können von Ausländern die Registrierung der Bewegungen verlangen, sowie dass jede Änderung ihrer Adresse, die länger als 24 Stunden dauert, registriert wird (USDOS 12.4.2022). Nach dem Putsch im Februar 2021 wurde die Bewegungsfreiheit im ganzen Land zunehmend eingeschränkt (FH 28.2.2022; vgl. USDOS 12.4.2022). Das Militär errichtete Straßensperren und Kontrollpunkte, setzte Ausreisekontrollen, Ausgangssperren und Wohnsitzregeln für Privatwohnungen durch, die die Meldung von Übernachtungsgästen vorschreiben, führte gewaltsame Razzien in Nachbarschaften und Dörfern durch und reagierte regelmäßig mit unverhältnismäßiger Gewalt auf laufende Bürgerinitiativen. Einige prominente Oppositionelle wurden verhaftet, als sie versuchten, Myanmar auf dem Luftweg zu verlassen, während Tausende von ihnen trotz der Gefahren durch das Militär auf dem Landweg in die Nachbarländer geflohen sind (FH 28.2.2022). Lokale Medien berichteten, dass das Regime Mitarbeiter des Gesundheitswesens schikanierte, u. a. durch die Beschlagnahmung von Krankenwagen, wenn sie bei medizinischen Notfällen die Ausgangssperre durchbrechen mussten. Aufgrund des eskalierenden Konflikts mit dem Militär warnten die NUG und die EAO die Zivilbevölkerung, nur in Notfällen zu reisen. Auch die COVID-19-Minderungsvorschriften trugen zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit bei (USDOS 12.4.2022). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 47 von 55

Darüber hinaus unterliegt die große Zahl der staatenlosen Einwohner Myanmars weiterhin erheblichen Bewegungseinschränkungen, insbesondere die 600.000 Rohingya, die im Bundesstaat Rakhine verbleiben und auf bestimmte Lager und Dörfer beschränkt sind. Rohingya, die versuchen, außerhalb dieser Gebiete zu reisen, werden regelmäßig festgenommen und inhaftiert (FH 28.2.2022). Sie müssen Reisegenehmigungen einholen, um ihre Gemeinde zu verlassen. Im Gegensatz zu der vor dem Militärputsch geltenden Regelung, dass Rohingya, die ohne Papiere reisen, in ihre Heimat zurückkehren können, ohne von der Einwanderungsbehörde angeklagt zu werden, hat das General Administration Department des Regimes eine Direktive herausgegeben, mit der wieder rechtliche Schritte gegen Rohingya eingeleitet werden, die ohne Genehmigung in Sittwe und Kyauktaw reisen (USDOS 12.4.2022). Das Regime schränkte außerdem Auslandsreisen von Anhängern der Demokratie ein und weitete die Maßnahmen zur verstärkten Überwachung aus. Berichten zufolge hat das Regime Pässe von Anhängern der Demokratie annulliert oder sich geweigert, sie auszustellen. Zahlreiche Anhänger der prodemokratischen Bewegung äußerten sich besorgt über ihre Sicherheit, wenn sie versuchten, das Land auf dem Luftweg zu verlassen, und mindestens eine Person berichtete, dass ihr das Boarding verweigert wurde, weil sie mit einem NLD-Mitglied verwandt war (USDOS 12.4.2022). Quellen: -FH – Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 – Myanmar, https://www.ecoi.net/de/dokument/2068763.html, Zugriff 9.8.2022 -USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Burma, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071145.html, Zugriff 9.8.2022 20. IDPs und Flüchtlinge Das Gesetz sieht keine Gewährung des Asyl- oder Flüchtlingsstatus vor, und die Regierung hat kein System zur Gewährung von Schutz für Flüchtlinge eingerichtet. Das Regime hat zudem nicht immer mit dem UNHCR oder anderen humanitären Organisationen zusammengearbeitet, um Flüchtlingen, zurückkehrenden Flüchtlingen, Asylbewerbern oder anderen bedrohten Personen Schutz und Hilfe zu gewähren. Der UNHCR hat im Laufe des Jahres keine Asylbewerber registriert (USDOS 12.4.2022). Bewaffnete Zusammenstöße in ganz Myanmar führten weiterhin zu Vertreibungen und beeinträchtigten die Zivilbevölkerung. Am 1. August 2022 gab es in ganz Myanmar schätzungsweise 1.244.000 Binnenflüchtlinge, darunter etwa 897.000 Menschen, die seit dem 1. Februar 2021 innerhalb des Landes auf der Flucht sind (UNHCR 1.8.2022). Der jahrzehntelange Konflikt zwischen der Zentralregierung und den ethnischen Gemeinschaften, der durch den .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 48 von 55

Militärputsch und die COVID-19-Pandemie noch verschärft wurde, führte zu einer großen Zahl von Binnenvertriebenen, die hauptsächlich ethnischen Minderheiten angehören, in den ethnisch dominierten Teilen des Landes (USDOS 12.4.2022). Mindestens 126.000 Rohingya-Muslime sind seit den gewaltsamen Auseinandersetzungen im Jahr 2012 in Lagern im Bundesstaat Rakhine untergebracht. Nach dem Militärputsch setzten die lokalen Behörden eine Richtlinie wieder in Kraft, die die Bewegungsfreiheit der Rohingya-Gemeinschaften in Nord-Rakhine weiter einschränkte. Diese Gemeinschaften hatten weiterhin nur sehr eingeschränkten Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen, einschließlich Gesundheitsversorgung und Bildung (AI 29.3.2022). 67 % der von Vertreibung bedrohten Menschen in Myanmar sind Rohingya (UNHCR 25.7.2022). Bangladesch beherbergt etwa eine Million Rohingya-Flüchtlinge aus den Krisenjahren 2016 und 2017 sowie Rohingya, die während früherer Wellen der Unterdrückung und kommunaler Unruhen geflohen sind. Die beiden Länder unterzeichneten ein Abkommen zur Rückführung der Rohingya, die 2017 aus Myanmar geflohen waren. Das Abkommen wurde nicht umgesetzt, da die Rohingya eine Rückkehr nach Myanmar fürchten und Bangladesch sie nicht zur Rückkehr gezwungen hat (BS 23.2.2022). Laut UNOCHA sind Tausende von Binnenvertriebenen, die bereits aus ihren Häusern geflohen sind, gezwungen, ein zweites oder drittes Mal umzuziehen, während mehr als 40.000 Menschen seit dem Putsch in die Nachbarländer geflüchtet sind. UNOCHA zählte fast 13.000 zivile Gebäude, die bei den Kämpfen zerstört wurden, was die Rückkehr der Flüchtlinge erschweren wird, selbst wenn sich die Lage verbessert. Die Zahl der lebensbedrohlichen Krankheiten unter den Binnenvertriebenen nimmt zu, weil der Zugang zur Grundversorgung und zur medizinischen Versorgung fehlt (RFA 31.5.2022). Quellen: -AI – Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; The State of the World's Human Rights; Myanmar 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070257.html, Zugriff 9.8.2022 -BS – Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 - Myanmar Country Report, https://bti- project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2022_MMR.pdf, Zugriff 9.8.2022 -RFA – Radio Free Asia (31.5.2022): Refugees displaced by conflict in Myanmar now more than 1 million, https://www.rfa.org/english/news/myanmar/idps-05312022182941.html, Zugriff 9.8.2022 -UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (1.8.2022): UNHCR Regional Bureau for Asia and Pacific (RBAP); Myanmar Emergency Update as of 1 Aug 2022, https://www.ecoi.net/en/file/local/2076780/Myanmar+Emergency+Update+ %28as+of+1+Aug+2022%29.pdf, Zugriff 9.8.2022 -UNHCR – UN High Commissioner for Refugees (25.7.2022): Asia & the Pacific; Regional Trends; Forced Displacement; 2021, https://data.unhcr.org/en/documents/details/94372, Zugriff 9.8.2022 -USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Burma, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071145.html, Zugriff 9.8.2022 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 49 von 55

21. Grundversorgung und Wirtschaft Laut IMF belegt Myanmar mit einem nominalen BIP/Kopf von USD 1.244 derzeit den 156. Rang im weltweiten Vergleich und zählt damit global zu den wirtschaftlich ärmsten Ländern (WKO 5.2021). Myanmar hatte 2021 eine schwere Rezession als Folge der Machtübernahme durch das Militär im Februar 2021 und der darauffolgenden politischen Unruhen und Gewalt, die das Bankwesen und den Handel gestört haben, zu verzeichnen (Febis 14.2.2022). Aufgrund des Militärputsches ist die Zukunft der bestehenden v.a. aber möglicher neuer Auslandsinvestitionen stark in Frage gestellt. Inzwischen haben zahlreiche Staaten wie die USA, Kanada, UK, Australien und auch die EU internationale Sanktionen gegen die verantwortlichen Militärs, deren Angehörige und auch gegen militärnahe Unternehmen verhängt. Auch wichtige asiatische Herkunftsländer für FDIs wie Singapur, Japan und Thailand reagieren mit Investitionsstopps oder Aufschiebungen (WKO 5.2021). Die Machtübernahme durch das Militär hat eine breite, landesweite Protestbewegung ausgelöst. In Teilen der Wirtschaftsmetropole Yangon gilt Kriegsrecht und das wirtschaftliche Leben im Land ist weitgehend zusammengebrochen bzw. in vielen Bereichen eingeschränkt. Viele Privatangestellte und Beamte befinden sich im Streik bzw. bleiben Zuhause, Lieferketten und Zahlungsverkehr sind unterbrochen, sodass Warenlieferungen nach Myanmar praktisch kaum möglich sind (WKO 5.2021). Die Machtübernahme durch das Militär und die darauf folgende groß angelegte Protestbewegung haben die im Entstehen begriffene Wirtschaft und den ohnehin schwachen öffentlichen Dienst stark beeinträchtigt und den Zugang der Menschen zu grundlegenden Dienstleistungen sowie den Zugang der Kinder zur Bildung weiter eingeschränkt. Die multidimensionale humanitäre Krise betrifft nun das ganze Land und birgt dabei ernste Schutzrisiken für die Zivilbevölkerung und verschärft die Ernährungsunsicherheit. Laut UNOCHA-Bericht lebten im Dezember 2021 etwa 13,2 Millionen Menschen in mäßiger oder schwerer Ernährungsunsicherheit und benötigen humanitäre Hilfe (UNOCHA 12.2021). Laut der International Labour Organization (ILO) waren im zweiten Quartal 2021 schätzungsweise 18,5 Millionen Frauen und Männer beschäftigt, das sind 1,2 Millionen (6 %) weniger als im vierten Quartal 2020. Dieser beträchtliche Rückgang spiegelt einen großen Teil der Arbeitnehmer wider, die seit der Übernahme durch das Militär nicht mehr erwerbstätig sind. Im Vergleich zum vierten Quartal 2019 sind 3,2 Millionen oder 15 % aller Arbeitnehmer nach dem Ausbruch der Pandemie und der anschließenden militärischen Kontrolle des Landes nicht mehr beschäftigt. Alle Wirtschaftszweige wurden durch die Krise hart getroffen, vor allem das Baugewerbe, die Bekleidungsindustrie sowie der Tourismus und das Gastgewerbe (ILO 6.2021). Durch einen Anstieg der Arbeitslosigkeit, und da die Inflationsrate in Myanmar in die Höhe geschnellt ist, hat sich die Armut im Land verschärft (Febis 14.2.2022). Fast die Hälfte der .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 50 von 55

Bevölkerung des Landes lebt unterhalb der Armutsgrenze - eine Armutsrate, die es in Myanmar seit 20 Jahren nicht mehr gegeben hat (Febis 14.2.2022; vgl. UNDP 12.2021). Laut UN Human Rights Council haben im Februar 2022 18 % der Haushalte angegeben kein Einkommen mehr zur Verfügung zu haben (HRC 14.6.2022; vgl. UNOCHA 12.2021). Durch den Verlust von Arbeitsplätzen in den städtischen Gebieten, erwägen viele Arbeitnehmer eine Arbeitsmigration. Während sich theoretisch Möglichkeiten für eine reguläre Migration eröffnen, konnte bis März 2022 nur eine kleine Anzahl von Migranten ausreisen. Die Migration ist auch teurer als vor der Pandemie. Viele Migranten ziehen daher eine irreguläre Migration in Betracht, die sie anfällig für Ausbeutung und Missbrauch durch Menschenhändler und Arbeitgeber macht (ILO 17.5.2022). Im Jahr 2021 lies sich ein Rückgang der Rücküberweisungen aus dem Ausland um 30 % verzeichnen (World Bank 7.2022). Rücküberweisungen sind eine wichtige Einnahmequelle für Haushalte in Myanmar. Schätzungen des Ministeriums für Arbeit, Einwanderung und Bevölkerung (MOLIP) für 2020 deuten darauf hin, dass im Jahr 2019 2,8 Mrd. USD an Überweisungen über formelle und 5,2 Mrd. USD über informelle Kanäle eingegangen sind (UN 1.10.2021). Sozialschutzleistungen stehen einem kleinen, aber wachsenden formellen Sektor zur Verfügung und werden von der Sozialversicherungsanstalt (SSB) verwaltet. Im Jahr 2020 waren nur etwa 6 % der Bevölkerung durch mindestens eine Sozialschutzleistung abgesichert, und der Anteil älterer Personen, die eine Rente beziehen, erreichte 2020 15 %. Darüber lag die Abdeckung durch Sozialversicherungsprogramme 2020 bei 5,3 % der Bevölkerung und erreichte vor allem das reichste Quintil (10 %) und nur wenige des ärmsten Quintils (1,6 %) (DTDA 11.2021). Die informelle Wirtschaft ist in Myanmar weit verbreitet, was die Armut noch verschlimmert. In der Praxis decken die Sozialschutzsysteme die Beschäftigten der informellen Wirtschaft nach dem Gesetz nicht ab. Die geringe soziale Absicherung ist in mehrfacher Hinsicht bedenklich: Eine Reihe von kleinen Hilfsprogrammen und viele Nothilfeprogramme sind verstreut und zersplittert. Die meisten Familien sind in erster Linie auf sich selbst und ihre informellen Netzwerke angewiesen, wenn sie mit katastrophalen Ereignissen konfrontiert sind oder mit ihren vielfältigen Gefährdungen im Alltag umgehen müssen. Der begrenzte Umfang des Staatshaushalts und die unterentwickelte Leistungserbringung der Ministerien, insbesondere in ländlichen Gebieten, stellen eine Herausforderung für die Abdeckung des Sozialschutzes dar (DTDA 11.2021). Die Regierung schränkte den Transport von Hilfsgütern und den Zugang internationaler humanitärer Organisationen zu den vom Konflikt betroffenen Gebieten in den Staaten Rakhine, Kachin und Shan ein. Sie verweigerte den Vereinten Nationen, internationalen Nichtregierungsorganisationen und diplomatischen Vertretungen zudem regelmäßig den Zugang mit der Begründung, das Militär könne ihre Sicherheit nicht gewährleisten, oder mit der .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 51 von 55

Behauptung, die humanitäre Hilfe käme den bewaffneten Kräften der ethnischen Gruppen zugute. In einigen Fällen gewährte das Militär allmählich Zugang, als die Regierungstruppen die Kontrolle über umkämpfte Gebiete zurückgewannen (USDOS 12.4.2022). Quellen: -DTDA - Danish Trade Union Development Agency (11.2021): Labour Market Profile Myanmar – 2021/2022, https://www.ulandssekretariatet.dk/wp-content/uploads/2021/12/LMP-Myanmar-2021- Final1.pdf, Zugriff 9.8.2022 -Febis (14.02.2022): Country report. Worldbox Business Intelligence Risk Rating – Myanmar, https://www.febis.org/2022-02-14-worldbox-business-intelligence-risk-rating-myanmar/, Zugriff 4.8.2022 -HRC – Human Rights Council (14.6.2022): Losing a generation: how the military junta is devastating Myanmar’s children and undermining Myanmar’s future. Conference room paper of the Special Rapporteur on the situation of human rights in Myanmar, https://reliefweb.int/report/myanmar/losing-generation-how-military-junta-devastating-myanmars- children-and-undermining-myanmars-future-conference-room-paper-special-rapporteur-situation- human-rights-myanmar-ahrc50crp1, Zugriff 5.8.2022 -UN – United Nations Myanmar (01.10.2021): The International Organization for Migration continues to provide essential humanitarian and livelihoods assistance to migrants and migrant communities in need, https://myanmar.un.org/en/149464-international-organization-migration- continues-provide-essential-humanitarian-and, Zugriff 31.08.2022 -UNDP – UN Nations Development Programme (01.12.2021): Myanmar urban poverty rates set to triple, new United Nations survey finds, https://www.undp.org/asia-pacific/press-releases/myanmar-urban-poverty-rates-set-triple-new- united-nations-survey-finds, Zugriff 5.8.2022 -UNOCHA – UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (12.2021): Humanitarian Needs Overview. Myanmar, https://reliefweb.int/report/myanmar/myanmar-humanitarian-needs- overview-2022-december-2021, Zugriff 5.8.2022 -USDOS – U.S. Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Burma, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071145.html, Zugriff 9.8.2022 -WKO – Wirtschaftskammer Österreich [Österreich] (5.2021): Aussenwirtschaft. Wirtschaftsbericht Myanmar, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/myanmar-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 5.8.2022 22. Medizinische Versorgung Die medizinische Versorgung in Myanmar ist mit Europa nicht zu vergleichen und ist laut Auswärtigem Amt der Bundesrepublik Deutschland vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch (AA 3.8.2022). Der Mangel an verfügbarem Personal, Gesundheitseinrichtungen und medizinischen Vorräten tragen zur Verschlechterung der Gesundheitslage und einer schlechteren medizinischen Notversorgung bei (UNOCHA 28.6.2022; vgl. ITA 28.7.2022, NYT 22.4.2022). Vor allem in abgelegenen Gebieten, in welchen 70 % der Bevölkerung leben, fehlt es an ausreichendem Gesundheitswissen, an Zugang zu Gesundheitsdienstleistern und an einer zuverlässigen Stromversorgung, die für den Betrieb medizinischer Geräte und die Lagerung von Impfstoffen und Medikamenten unerlässlich ist. Menschen, die sich eine hochwertige medizinische Versorgung leisten können, reisen für medizinische Untersuchungen und Behandlungen ins Ausland (ITA 28.7.2022). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 52 von 55
