palg-gaza-lib-2022-05-31-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Israelische Beamte verhängten aufgrund von Sicherheits- und Wirtschaftsbedenken Beschränkungen für den Material-, Waren- und Personenverkehr in und aus dem Gazastreifen, wobei auch NGOs wie Amnesty International und Human Rights Watch, sowie die Vereinten Nationen, berichteten, dass ihre Mitarbeiter von den Einschränkungen betroffen waren und keine Genehmigungen erhielten. Die israelische Regierung erklärte, dass alle Anträge auf Ausreise aus dem Gazastreifen von Fall zu Fall unter Berücksichtigung von Sicherheitsaspekten geprüft werden, die sich aus der de facto-Kontrolle der Hamas über den Gazastreifen ergeben (USDOS 12.4.2022). Israel hält eine starke Sicherheitspräsenz an den Land- und Seegrenzen des Gazastreifens aufrecht und hindert Personen auch mit scharfer Munition daran, die Pufferzonen in der Nähe dieser Grenzen zu betreten (FH 28.2.2022). Im September 2021 hat Israel eine Lockerung der Auflagen für das palästinensische Küstengebiet angekündigt. So wurde die Fischereizone vor dem palästinensischen Gazastreifen auf 15 Seemeilen (knapp 28 Kilometer) ausgeweitet, der Warenübergang Kerem Schalom in das blockierte Gebiet wieder vollständig geöffnet, und Israel will die Zahl der Einreisegenehmigungen für Geschäftsleute aus dem Gazastreifen von 5.000 auf 7.000 erhöhen (Spiegel 1.9.2021). Korruption und Bestechung an den Grenzübergängen sind weit verbreitet (FH 28.2.2022). Reise von/nach Israel und die Westbank: Israel hat weitreichende Beschränkungen des Personen- und Warenverkehrs in und aus dem Gazastreifen verhängt, wobei Israels Abriegelungspolitik laut Human Rights Watch von wenigen Ausnahmen abgesehen nicht auf einer individuellen Bewertung des Sicherheitsrisikos einer Person basiert (HRW 13.1.2022). Israel verweigert den Einwohnern des Gazastreifens oft aus Sicherheitsgründen die Erlaubnis, das Gebiet zu verlassen, und erlaubt nur bestimmten Patienten aus medizinischen Gründen sowie anderen Personen die Ausreise. Universitätsstudenten haben Schwierigkeiten, die notwendigen Genehmigungen zu erhalten, um das Gebiet zu verlassen und im Ausland zu studieren (FH 28.2.2022). Ansuchen auf eine Umsiedlung in die Westbank werden normalerweise abgelehnt (Hamoked/B’Tselem 1.2014). Der Gaza-Streifen ist seit Juni 2007 für den allgemeinen Personenverkehr von und nach Israel fast vollständig abgeriegelt. Der einzige Personenübergang zwischen Israel und dem Gaza-Streifen, Erez, ist zurzeit insbesondere für humanitäre Fälle und internationale Organisationen geöffnet (AA 24.5.2022). Die Einreise nach Israel aus dem Gazastreifen via Erez-Checkpoint ist nur möglich, wenn die Ausreise aus Israel .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 35 von 50

nach Gaza ebenso dort erfolgte. Personen, die nach Gaza über Rafah (Ägypten) einreisen, müssen wieder über Rafah ausreisen (BMEIA 24.5.2022). Im Jahr 2021 verließen insgesamt 90.421 Menschen den Gazastreifen via Erez Richtung I srael, rund 87.000 reisten über diesen Weg nach Gaza ein. In den ersten vier Monaten des Jahres 2022 reisten rund 114.000 Menschen via Erez aus Gaza aus und rund 113.000 reisten ein. Die Zahl der Grenzübertritte lag zwischen Jänner und April 2022 deutlich höher als in den meisten anderen Monaten seit 2008 (OCHA o.D.b). Mit Stand April 2022 hat Israel rund 12.000 Ausreiseerlaubnisse zu Arbeitszwecken für Bewohner des Gazastreifens nach Israel ausgestellt. Als Ende April 2022 Raketen aus dem Gazastreifen nach Israel abgefeuert wurden, hat Israel den Grenzübergang Erez zwei Tage lang für Arbeiter und Händler gesperrt (Gisha 26.4.2022), im Mai 2022 folgte eine weitere Grenzschließung (Gisha 11.5.2022). Tausende von Familien im Gazastreifen haben Verwandte, die im Westjordanland oder innerhalb der Green Line [Anm.: im Staat Israel] leben. Jedoch gibt es laut der israelischen NGO Gisha (Legal Center for Freedom of Movement) Hindernisse und Beschränkungen für die Erteilung von Genehmigungen zum Besuch von Verwandten im Gazastreifen oder außerhalb. Anträge können nur gestellt werden, um einen Verwandten ersten Grades (ein Elternteil, Geschwister, Kind oder Ehepartner) bei Heirat, kritischer Krankheit oder Todesfall zu besuchen (Gisha 18.11.2021). Nach Angaben von Gisha verweigerten die israelischen Behörden einige Ausreiseanträge von Einwohnern des Gazastreifens mit der Begründung, die Antragsteller seien „Verwandte ersten Grades von Hamas-Aktivisten“ (USDOS 12.4.2022). Die israelischen Behörden lehnten palästinensische Anträge auf Reisegenehmigungen für den Erez-Übergang unter Anführung von Sicherheitsbedenken häufig ab oder reagierten nicht auf sie, auch nicht für Patienten auf der Suche nach medizinischer Versorgung, die im Gazastreifen nicht verfügbar war (USDOS 12.4.2022). Von den mehr als 15.000 Anträgen auf Erteilung einer Patientengenehmigung aus dem Gazastreifen im Jahr 2021 wurden nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation 37 % verzögert oder abgelehnt. Die israelische Tageszeitung Haaretz berichtete z.B im April 2022 von dem Fall einer Patientin im Kleinkindalter, die verstarb, während sich die Genehmigung zur Ausreise für eine lebenserhaltende Operation verzögerte (Haaretz 14.4.2022). Ein Teenager aus Gaza brach im März 2022 sterbend im PA-Gesundheitsministerium in Ramallah zusammen, weil er zu spät die Genehmigung für eine Behandlung in der Westbank erhalten, und die PA die Kosten für die Behandlung trotz vorheriger Garantie nicht übernommen hatte (BBC 27.3.2022). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 36 von 50

Gemäß NGOs besitzen 40.000 bis 50.000 Personen im Gazastreifen keine Identifikationskarten, die von Israel anerkannt werden. Einige dieser Personen sind im Gazastreifen geboren, aber Israel hat sie nie als Einwohner Gazas anerkannt, andere wiederum waren im Krieg von 1967 aus Gaza geflohen oder hatten Gaza nach 1967 aus verschiedenen Gründen verlassen, und sind später zurückgekehrt. Eine kleine Gruppe ist in Gaza geboren und nie von dort weggegangen und besitzt ausschließlich Identifikationskarten, die von der Hamas ausgestellt wurden. Gemäß den Osloer Abkommen verwaltet die PA das palästinensische Bevölkerungsregister, obwohl Statusänderungen im Register der Zustimmung der israelischen Regierung bedürfen. Die israelische Regierung hat seit dem Jahr 2000 keine Änderungen des Registers mehr vorgenommen (USDOS 12.4.2022). Das Office for the Coordniation of Humanitarian Affairs (OCHA) der Vereinten Nationen berichtete, dass einigen seiner Mitarbeiter die Ausreisegenehmigung aus dem Gazastreifen verweigert wurde, weil OCHA mit der Hamas als de facto-Regierung im Gazastreifen zusammenarbeitete, um die Ein- und Ausreise sowie den Transport von UN-Mitarbeitern zu erleichtern. In anderen Fällen berichtete OCHA, dass seine Mitarbeiter Ausreisegenehmigungen erhielten, die israelischen Behörden ihnen jedoch nach stundenlangem Warten an den Grenzübergängen die Ausreise verweigerten (USDOS 12.4.2022). Reisen von/nach Ägypten: Der Grenzübergang Rafah stellt die hauptsächliche Ausreisemöglichkeit für den Großteil der zwei Millionen Einwohner des Gazastreifens dar, weil israelische Ausreisegenehmigungen für die beiden anderen, von Israel kontrollierten Grenzübergänge [Anm.: Erez für den Personenverkehr und Kerem Shalom für den Warenverkehr] schwer zu erhalten sind. Im Zuge der COVID-19- Pandemie war der Grenzübergang zeitweise geschlossen (Al-Jazeera 10.2.2021). Der Grenzübergang Rafah zwischen dem Gazastreifen und Ägypten wurde 2021 regelmäßiger geöffnet als 2020, aber die Bedingungen blieben weitgehend unvorhersehbar und restriktiv (FH 28.2.2022). Die von Israel 2007 verschärfte Blockade des Gazastreifens wird inzwischen auch von Ägypten mitgetragen, wobei Ägypten dies, wie auch Israel, mit Sicherheitsinteressen begründet. Beispielsweise im August 2021 war der Grenzübergang nach gewaltsamen Zusammenstößen zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern für einige Tage geschlossen (Spiegel 26.8.2021). Politische Entwicklungen in Ägypten haben direkte Auswirkungen auf den Gazastreifen, indem die ägyptischen Behörden die Grenze ohne Vorwarnung auf unbestimmte Zeit abriegeln (EDA 8.4.2022). Der Grenzübergang kann nach Angaben der ägyptischen Behörden regulär nur von Palästinensern mit gültigen Ausweispapieren der PA benutzt werden. Für die Ausreise aus dem Gazastreifen bedarf es der Zustimmung der ägyptischen und palästinensischen Grenzbehörden (AA 24.5.2022). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 37 von 50

Hier kann es auch bei erst kürzlich erfolgter Einreise in den Gazastreifen zu Wartezeiten von mehreren Wochen bei der Ausreise kommen (AA 24.5.2022; vgl. Gisha 1.9.2021). Personen, die via Rafah aus Gaza ausreisen wollen, müssen gemäß ägyptischen Vorgaben unter die folgenden Kategorien fallen, außerdem ist eine Vorabregistrierung erforderlich: Einwohner des Gazastreifens mit ausländischem Wohnsitz oder Reisepass, Patienten mit Überweisung zur medizinischen Behandlung in Ägypten und Personen mit Studien-, Arbeits- oder Familienbesuchsvisa für Drittländer. Viele derjenigen, die durch Ägypten reisen möchten, erfüllen diese Kriterien nicht (Gisha 1.9.2021). Die Vereinten Nationen und mehrere internationale NGOs berichteten, dass es für die Palästinenser im Gazastreifen äußerst schwierig war, von der Hamas-Regierung und der ägyptischen Regierung die Erlaubnis zu erhalten, durch Rafah zu reisen, und dass häufig Schmiergelder an die örtlichen Behörden gezahlt werden mussten (USDOS 12.4.2022). Im Jahr 2021 reisten insgesamt rund 100.000 Personen via Rafah aus dem Gazastreifen aus und rund 81.000 reisten ein. In den ersten vier Monaten des Jahres 2022 reisten rund 39.000 Personen aus Gaza aus und rund 41.000 reisten ein. Dies sind mehr monatliche Grenzübertritte als in allen anderen Monaten seit 2013 (OCHA o.D.b). Quellen: - AA – Auswärtiges Amt (24.5.2022): Palästinensische Gebiete: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/palaestinensischegebiete- node/palaestinensischegebietesicherheit/203674, Zugriff 24.5.2022 - Al-Jazeera (10.2.2021): Egypt ‘indefinitely’ opens Rafah border crossing with Gaza Strip, https://www.aljazeera.com/news/2021/2/10/egypt-opens-rafah-border-crossing-with- blockaded-gaza-strip, Zugriff 24.5.2022 - BBC – British Broadcasting Corporation News (27.3.2022): The Palestinian cancer centre that can't take patients, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-60829319, Zugriff 31.5.2022 - BMEIA – Bundesministerium für Äußeres (24.5.2022): Palästina, Einreise & Ausreise, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/palaestina/, Zugriff 24.5.2022 - EDA – Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (8.4.2022): Reisehinweise für das Besetzte Palästinensische Gebiet (dazu gehören das Westjordanland, einschliesslich Ostjerusalem, und der Gazastreifen), https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/besetztes- palaestinensisches-gebiet/reisehinweise-besetztes-palaestinensisches-gebiet.html, Zugriff 24.5.2022FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - Gaza Strip, https://freedomhouse.org/country/gaza-strip/freedom-world/2022, Zugriff 19.5.2022 - Gisha – Legal Center for Freedom of Movement (11.5.2022): More collective punishment: Erez closed “until further notice”, https://gisha.org/en/more-collective-punishment-erez- closed-until-further-notice/, Zugriff 24.5.2022 - Gisha – Legal Center for Freedom of Movement (26.4.2022): Israel blocks exit from Gaza for work in Israel, https://gisha.org/en/israel-blocks-exit-from-gaza-for-work-in-israel/, Zugriff 24.5.2022 - Gisha – Legal Center for Freedom of Movement (18.11.2021): Gaza, near and far, https://gisha.org/en/gaza-near-and-far/, Zugriff 24.5.2022 - Gisha – Legal Center for Freedom of Movement (1.9.2021): Gaza Up Close, https://features.gisha.org/gaza-up-close/, Zugriff 24.5.2022 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 38 von 50

- GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, Länderinformationsportal (11.2020d) [Archivversion vom 14.5.2021]: Palästinensische Gebiete, Gesellschaft, https://web.archive.org/web/20210514035400/https://www.liportal.de/palaestinensische- gebiete/alltag/, Zugriff 24.5.2022 - Haaretz (14.4.2022): Toddler's Death in Gaza Exposes Israel's Arduous Permit System for Life-saving Treatment, https://www.haaretz.com/middle-east-news/toddler-s-death-in-gaza- exposes-israel-s-arduous-permit-system-for-life-saving-care-1.10741724, Zugriff 25.5.2022 - Hamoked/B’Tselem (1.2014): So Near and Yet So Far Implications of Israeli-Imposed Seclusion of Gaza Strip on Palestinians’ Right to Family Life, https://www.btselem.org/download/201401_so_near_and_yet_so_far_eng.pdf, 31.5.2022 - HRW – Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2021 - Israel and Palestine, https://www.hrw.org/world-report/2022/country-chapters/israel/palestine#b9d2a1, Zugriff 19.5.2022 - OCHA – United Nations Office for the Coordniation of Humanitarian Affairs (o.D.b): Gaza crossings: movement of people and goods, https://www.ochaopt.org/data/crossings, Zugriff 24.5.2022 - Spiegel – Spiegel Online (21.9.2021): Israel verkündet Reihe von Erleichterungen für Gazastreifen, https://www.spiegel.de/ausland/israel-verkuendet-reihe-von-erleichterungen- fuer-gazastreifen-a-19674e18-92ef-4bfb-adc4-291c64cf17f7, Zugriff 25.5.2022 - Spiegel – Spiegel Online (26.8.2021): Israel lockert Gaza-Blockade, auch Ägypten öffnet Grenzübergang, https://www.spiegel.de/ausland/israel-lockert-gaza-blockade-aegypten- oeffnet-rafah-grenzuebergang-a-29d0e8c1-8123-4d62-b5da-2900fa687450, Zugriff 24.5.2022 - USDOS – United States Department of State (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: West Bank and Gaza, https://www.state.gov/reports/2021-country-reports- on-human-rights-practices/israel-west-bank-and-gaza/west-bank-and-gaza/, Zugriff 19.5.2022 13. IDPs und Flüchtlinge Im Gazastreifen leben rund 2,1 Millionen Menschen, davon etwa 1,4 Millionen palästinensische Flüchtlinge (UNRWA 5.2021), die vom Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) betreut werden (GIZ 11.2020c). Acht offizielle palästinensische Flüchtlingslager der UNRWA erstrecken sich über den Gaza-Streifen und weisen eine der höchsten Bevölkerungsdichten der Welt auf (UNRWA 5.2021). Auf dem Höhepunkt der Kämpfe im Mai 2021 suchten rund 113.000 Binnenvertriebene in Gaza Schutz in Schulen der UNRWA oder bei Gastfamilien (USDOS 12.4.2022). Rund 8.250 von ihnen waren auch im Oktober 2021 noch binnenvertrieben, vor allem, weil ihre Häuser zerstört oder schwer beschädigt waren (HRW 13.1.2022; USDOS 12.4.2022). Während der Kämpfe zwischen Israel und bewaffneten palästinensischen Gruppen im Jahr 2014 haben laut OCHA mit Stand April 2019 über 12.000 Palästinensern ihr Heim verloren (HRW 14.1.2020). UNRWA beschäftigt über 13.000 Mitarbeiter in über 300 Einrichtungen im gesamten Gazastreifen und bietet registrierten palästinensischen Flüchtlingen Bildung, Gesundheits- und psychiatrische Versorgung, Hilfs- und Sozialdienste, Mikrokredite und Nothilfe. Die Zahl der Palästina-Flüchtlinge, .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 39 von 50

die von Nahrungsmittelhilfe der UNRWA abhängig sind, ist von weniger als 80.000 Menschen im Jahr 2000 auf fast eine Million gestiegen (UNRWA 5.2021) . Die sozioökonomischen Bedingungen in Gaza haben die Flüchtlinge schwer getroffen. UNRWA berichtete, dass die Ernährungssicherheit weiterhin gefährdet sei. Im März [2020] setzte UNRWA die Verteilung von Nahrungsmitteln in seinen offiziellen Verteilungszentren vorübergehend aus, um eine Ausbreitung von COVID-19 zu vermeiden, begann aber bald darauf mit der Haus-zu-Haus-Lieferung als Alternative (USDOS 12.4.2022). Unter anderem wird UNRWA 2022 in Gaza Lebensmittelhilfe und kurzfristige Beschäftigungsmöglichkeiten anbieten (UNRWA 2022). Mehr als 80 Prozent der gesamten Bevölkerung des Gazastreifens ist auf humanitäre Hilfe angewiesen (HRW 13.1.2022). UNRWA und andere humanitäre Organisationen versorgten Binnenvertriebene im Gazastreifen und im Westjordanland, allerdings mit einigen Einschränkungen aufgrund der israelischen Beschränkungen der Bewegungsfreiheit. Humanitäre Akteure, darunter UNRWA, das Internationale Rote Kreuz und NGOs, berichteten, dass sie während des Konflikts im Mai 2021 im Gazastreifen Schwierigkeiten hatten, Hilfe zu leisten. Gründe dafür waren unter anderem die Intensität der Bombardierung des Gazastreifens durch das israelische Militär, Schwierigkeiten bei der Koordinierung mit der israelischen Regierung, Beschränkungen des Waren- und Personenverkehrs durch die israelischen Behörden und – in einem bemerkenswerten Fall, in dem Israelis humanitäre Hilfslieferungen über den Kerem-Shalom- Übergang zuließen – ein Mörserangriff der Hamas (USDOS 12.4.2022). Im Herbst 2018 hat US-Präsident Trump die Hilfen für UNRWA eingestellt. Die USA hatten bis dahin 30 Prozent zum UNRWA-Budget beigesteuert, so viel wie kein anderes Land. Es mussten Einsparungen vorgenommen werden (Zeit 8.7.2019; vgl. DW 18.2.2022). Unter Trumps Nachfolger, US-Präsident Biden, wurden die Zahlungen an UNRWA 2021 wieder aufgenommen, jedoch gab UNRWA Anfang 2022 bekannt, dass es immer noch unterfinanziert sei (DW 18.2.2022). Es gibt Andeutungen seitens des UNRWA-Chefs bezüglich einer möglichen Auslagerung von UNRWA-Aufgaben an andere UN-Organisationen angesichts der weiterhin prekären Finanzierungslage der Organisation (EURACTIV 9.5.2022). Im Gazastreifen kooperierten die de facto-Behörden der Hamas im Allgemeinen mit UNRWA und erlaubten dieser, ungehindert zu arbeiten. Nach dem Konflikt im Mai 2021 und einem umstrittenen Interview des UNRWA-Direktors für den Gazastreifen kündigte die Hamas an, nicht länger für seine Sicherheit und die seines Stellvertreters garantieren zu wollen, wodurch die beiden ranghöchsten UNRWA-Vertreter aus dem Amt gedrängt wurden (USDOS 12.4.2022). Quellen: .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 40 von 50

- DW – Deutsche Welle (18.2.2022): UN Palestinian refugee agency still short of cash, https://www.dw.com/en/un-palestinian-refugee-agency-still-short-of-funds/a-60816258, Zugriff 24.5.2022 - EURACTIV (9.5.2022): Palestine refugee agency could ‘implode’, UN warns, https://www.euractiv.com/section/global-europe/news/palestine-refugee-agency-could- implode-un-warns/, Zugriff 31.5.2022 - GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, Länderinformationsportal (11.2020c) [Archivversion vom 14.5.2021]: Palästinensische Gebiete, Gesellschaft, https://web.archive.org/web/20210514041258/https://www.liportal.de/palaestinensische- gebiete/gesellschaft/, Zugriff 23.5.2022 - HRW – Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2021 - Israel and Palestine, https://www.hrw.org/world-report/2022/country-chapters/israel/palestine#b9d2a1, Zugriff 19.5.2022 - HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 - Israel and Palestine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022793.html, Zugriff 24.5.2022 - UNRWA – United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (5.2021): Where we work, https://www.unrwa.org/where-we-work/gaza-strip, Zugriff 24.5.2022 - UNRWA - United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (o.D.): Gaza Emergency, https://www.unrwa.org/gaza-emergency, Zugriff 31.3.2020 - USDOS – United States Department of State (12.4.2022): 2021 Country Reports on Human Rights Practices: West Bank and Gaza, https://www.state.gov/reports/2021-country-reports- on-human-rights-practices/israel-west-bank-and-gaza/west-bank-and-gaza/, Zugriff 19.5.2022 - Zeit – Zeit Online (8.7.2019): "Es könnte eine Hungerkatastrophe geben", https://www.zeit.de/politik/ausland/2019-07/palaestina-unrwa-gazastreifen-fatah-hamas- israel, Zugriff 24.5.2022 14. Grundversorgung und Wirtschaft In den Jahren der vollständigen israelischen Besatzung ist die palästinensische Wirtschaft ein reiner Zulieferbetrieb für Israel, eine eigenständige Wirtschaftsentwicklung gibt es nicht. Auch nach der Schaffung der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) blieb die wirtschaftliche Entwicklung von Israel abhängig. Bis heute sind alle Exporte und Importe von der Zustimmung und Genehmigung der israelischen Behörden abhängig (GIZ 11.2020e). Die Blockade des Gazastreifens seit 2007 durch Israel, die durch die ägyptischen Beschränkungen an der Grenze zum Gazastreifen noch verschärft wird, schränkt den Zugang der fast zwei Millionen dort lebenden Palästinenser zu Bildung, wirtschaftlichen Möglichkeiten, medizinischer Versorgung, sauberem Wasser und Elektrizität ein (HRW 13.1.2022; vgl. FH 28.2.2022). Israelische Behörden schränken den Verkehr von Material, Waren und Personen in den und aus dem Gazastreifen ein (USDOS 12.4.2022), sowohl auf dem Land- als auch auf dem Seeweg. Für den Waren- und Personenverkehr nach bzw. aus Gaza gibt es drei Grenzübergänge: Rafah, Erez und Kerem Shalom (UNRWA o.D.). Kerem Shalom ist der einzige vom Handel genutzte Grenzübergang für den Warenverkehr zwischen dem Gazastreifen und Israel und damit de facto auch für das Westjordanland, obwohl er nie für diese Funktion ausgelegt war. Im Februar 2018 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 41 von 50

öffnete Ägypten den Grenzübergang Salah a-Din. Der Übergang wird von privaten Unternehmen auf beiden Seiten unter der Aufsicht des ägyptischen Militärs bzw. der Hamas-Behörden im Gazastreifen verwaltet. Er wird nur für den Warentransfer in eine Richtung, nach Gaza, und nur in begrenztem Umfang genutzt (Gisha 3.2020). Die „Coronavirus-Sperre“, die Israel über mehr als ein Jahr am Grenzübergang Erez verhängt hat, hat zusätzlich zu den seit Jahren bestehenden Beschränkungen des Personen- und Warenverkehrs den Verkehr von Händlern, Geschäftsleuten und Arbeitern unterbunden (Gisha 13.4.2021). Der Gazastreifen ist mit großen Einschränkungen im Warenverkehr konfrontiert. Ebenso limitiert Israel die Fischereizone. Vor dem Hintergrund der israelischen Versuche, den Konflikt einzudämmen, wurde 2021 erstmals nach vielen Jahren die Zahl der Arbeitserlaubnisse für Palästinenserinnen und Palästinenser in Israel erhöht (ADA 4.2022). Seit Verhängung der Blockade durch Israel 2007 sank die Zahl der Unternehmen in Gaza von rund 3.500 auf geschätzte 250. Mehr als 600 Fabriken wurden geschlossen. Aufgrund von drei großen militärischen Angriffen [Anm.: Stand 2020] übersteigt die Produktionskapazität der verbleibenden Einrichtungen nicht mehr als 16 Prozent der früheren Kapazität. Es wird geschätzt, dass der Privatsektor in Gaza in diesem Zeitraum Verluste in Höhe von etwa 11 Milliarden Dollar erlitten hat (EMHRM 1.2020). Die Blockade des Gazastreifens hat die wirtschaftlichen Möglichkeiten in dem Gebiet stark eingeschränkt. Israels zeitweilige Beschränkungen für die Einfuhr von Baumaterialien haben das Wachstum und die Erholung von den Konflikten behindert, und israelische Patrouillen schränken die Landwirtschaft in der Nähe des Grenzzauns sowie die Fischerei in den Küstengewässern ein. Die Hamas hat Preiskontrollen eingeführt, was die Wirtschaftstätigkeit weiter dämpfen könnte (FH 28.2.2022). Die palästinensische Wirtschaft stagnierte und die sozioökonomische Lage war bereits vor dem Ausbruch von COVID-19 schwierig. Dies wird auf die israelischen Beschränkungen (in Bezug auf Handel, Freizügigkeit und Zugang), die wiederkehrenden Feindseligkeiten, die interne Spaltung und den Rückgang der Hilfslieferungen zurückgeführt. Zwischen dem Westjordanland und dem Gazastreifen besteht ein erhebliches regionales Gefälle bei der Wirtschaftstätigkeit und dem Pro- Kopf-Einkommen. Die Armut ist in Gaza deutlich höher: 46 Prozent der Bevölkerung lebten 2016/17 (aktuellste offizielle Erhebung) unter der Armutsgrenze, verglichen mit nur 9 Prozent im Westjordanland (WB 14.4.2022). Im November 2021 schätzte die Weltbank die Armutsrate in Gaza auf 59 % (TRT 9.11.2021). Die wirtschaftlichen Folgen der russischen Invasion in der Ukraine und die damit verbundenen Sanktionen könnten den Wirtschaftsausblick durch zunehmenden Inflationsdruck beeinträchtigen, ebenso wie die anhaltende Pandemie (WB 14.4.2022). Die Preise für Lebensmittel sind in Gaza in den ersten drei Monaten des Jahres 2022 gestiegen. Der Status der Ernährungssicherheit hat sich im Gazastreifen nach Angaben des World Food Programme .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 42 von 50

(WFP) zuletzt verschlechtert: Der Anteil der Haushalte mit schwerer Ernährungsunsicherheit lag im März 2022 bei 40,7 %. Damit stieg der Gesamtanteil der Haushalte mit schwerer oder mittelschwerer Ernährungsunsicherheit im Gazastreifen auf 64,4 % (WFP 29.4.2022). Die Hälfte der Bevölkerung von Gaza ist unter 18 Jahren alt (Gisha 1.9.2021). Im dritten Quartal 2021 waren 50 Prozent der Erwerbsbevölkerung des Gazastreifens arbeitslos, wobei die Arbeitslosenquote bei den Jugendlichen zwischen 15 und 29 Jahren bei 70,4 Prozent lag (FH 28.2.2022; vgl. ILO 2022). Frauen waren häufiger arbeitslos als Männer (ILO 2022; vgl. Gisha 13.4.2021). Das Pro-Kopf-Einkommen liegt aktuell unter dem Wert von 1996. Vor allem im Gazastreifen geht die Wirtschaftsleistung weiterhin zurück (ADA 4.2022). Der durchschnittliche Monatslohn im Gazastreifen beträgt laut der palästinensischen Statistikbehörde 682 Neue Israelische Schekel (NIS) (~207 USD), im Westjordanland dagegen 1.062 NIS (~323 USD). Von den Beschäftigten im Gazastreifen arbeiten 39,2 % im öffentlichen Sektor, entweder für die Palästinensische Autonomiebehörde oder für die lokale Regierung des Gazastreifens. Viele dieser Beschäftigten sind auf Teilzeitbasis angestellt und verdienen im Durchschnitt 96 NIS (~29 USD) pro Tag. Die übrigen Arbeitsplätze befinden sich im privaten Sektor, wo die Beschäftigten im Durchschnitt nur 36,3 NIS (~11 USD) pro Tag verdienen. 79 % der Beschäftigten im privaten Sektor verdienen weniger als 1.450 NIS (~440 USD) pro Monat, was dem Mindestlohn in Gaza entspricht (Gisha 13.4.2021). 80 % der Bevölkerung im Gazastreifen sind von humanitärer Hilfe abhängig (HRW 13.1.2022; vgl. FH 28.2.2022). Zwei Drittel der Bevölkerung Gazas sind palästinensische Flüchtlinge, die vom Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) betreut werden (GIZ 11.2020e). Die Zahl der palästinensischen Flüchtlinge, die auf die Nahrungsmittelhilfe von UNRWA angewiesen sind, ist von weniger als 80.000 im Jahr 2000 auf heute fast eine Million gestiegen (UNRWA 5.2021). Der Hamas wird Korruption bei der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen und der Verteilung von Hilfsleistungen vorgeworfen (FH 28.2.2022). Die Versorgungslage im Gazastreifen ist schwierig (AA 24.5.2022).Der Zugang zu sauberem Wasser und Elektrizität ist nach wie vor krisenanfällig und wirkt sich auf fast jeden Aspekt des Lebens in Gaza aus. Sauberes Wasser ist für 95 Prozent der Bevölkerung nicht verfügbar (UNRWA 5.2021). Durch die israelische Abriegelung des Gazastreifens ist es schwierig, Geräte und Material für die Wiederinstandsetzung der Wasserinfrastruktur in den Küstenstreifen zu bekommen (Gisha 22.3.2022; vgl. Haaretz 14.7.2021). Aufgrund der Schäden, die während der Eskalation im Gazastreifen im Mai 2021 entstanden sind, ist der Zugang zu sauberem Trinkwasser und sanitären Einrichtungen für einen großen Teil der Bevölkerung nach wie vor ein täglicher Kampf (UNICEF 8.2.2022). Der reguläre Betrieb aller Anlagen – der Brunnen, Entsalzungs- wie .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 43 von 50

auch Kläranlagen – war gestört, weil die konfliktbedingten Schäden vom Mai 2021 nicht behoben werden konnten und es an Ersatzteilen, Materialien für die regelmäßige Wartung der Rohre, Pumpen und Strom mangelte. Bei den Auseinandersetzungen im Mai 2021 wurde ein Drittel der Wasserrohre beschädigt, was zu offenen Abwasseransammlungen und dem Eindringen von Abwässern ins Grundwasser führte. Laut dem Wasserwerk des Gemeindeverbands von Gaza sank der häusliche Wasserverbrauch pro Person – zum Trinken, Baden und Reinigen – aufgrund der Schäden an der Infrastruktur von etwa 80 Litern pro Tag vor dem Konflikt auf 50-60 Liter pro Tag (die von der Weltgesundheitsorganisation empfohlene Mindestmenge liegt bei 100 Litern pro Tag). Auch die Qualität des Wassers hat sich verschlechtert, da der Chloridgehalt erheblich gestiegen ist (Haaretz 14.7.2021). Für Dezember 2021 meldete UNOCHA, dass 81 Liter Leitungswasser pro Kopf zur Verfügung standen (UNOCHA o.D.d). Im September 2021 hatte Israel angekündigt, dass d ie Wasserversorgung des Gazastreifens um fünf Millionen Kubikmeter erhöht würde (Spiegel 21.9.2021; vgl. UNSC 15.12.2021). Die öffentliche Stromversorgung ist auf wenige Stunden am Tag beschränkt (AA 24.5.2022), jedoch hat sich die Verfügbarkeit von Elektrizität vergleichsweise verbessert – von 4 bis 5 Stunden auf durchschnittlich bis zu 14 Stunden pro Tag im April 2021 (UNRWA 5.2021; vgl. OCHA o.D.c). Während und nach der militärischen Eskalation im Mai 2021 kam es aufgrund von Schäden an der Strominfrastruktur und Brennstoffmangel zu längeren Stromausfällen. Nach dem Ende der Feindseligkeiten wurde die Stromversorgung wiederhergestellt, und im Januar und Februar 2022 war Strom durchschnittlich 11 bzw. 12 Stunden pro Tag verfügbar (UNHCR 3.2022). Nach Angaben der Stromnetzgesellschaft von Gaza wurde damit 2022 weniger als die Hälfte des Strombedarfs in Gaza gedeckt (198 Megawatt wurden im Durchschnitt täglich durch die Stromversorgung aus Israel sowie Stromerzeugung in Gaza gedeckt, während der nicht gedeckte Bedarf auf rund 250 Megawatt geschätzt wurde) (OCHA o.D.c). Der anhaltende Strommangel beeinträchtigt die Verfügbarkeit wesentlicher Dienstleistungen, insbesondere in den Bereichen Gesundheit, Wasser und sanitäre Einrichtungen, stark und wirkt sich auch negativ auf die Wirtschaft, vor allem im Herstellungssektor und in der Landwirtschaft, aus (UNRWA 5.2021). Ebenso hat der Treibstoffmangel auch Auswirkungen auf öffentliche Dienstleistungen, wie z.B. Kläranlagen (AA 24.5.2022; vgl. Haaretz 14.7.2021). Bei den Kämpfen im Mai 2021 wurden nach Angaben der örtlichen Behörden durch die tagelangen schweren Bombardierungen 50.000 Häuser im Gazastreifen beschädigt. Mehr als 2.000 wurden entweder vollständig zerstört oder so stark beschädigt, dass sie unbewohnbar waren (TNH 2.5.2022). UNRWA kündigte Hilfen für schätzungsweise 10.000 bedürftige Familien an, deren Häuser beschädigt wurden (UNRWA 29.9.2021). Nach Angaben einer Gruppe, die Hilfsorganisationen koordiniert, welche im Gazastreifen mit dem Bau von Unterkünften befasst .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 44 von 50
