palg-westbank-lib-2022-06-03-ke
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
- USDOS – US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Israel, West Bank and Gaza - West Bank and Gaza, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071205.html, Zugriff 24.5.2022 11. Wehrdienst und Rekrutierungen Gemäß den Osloer Abkommen ist der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) kein konventionelles Militär erlaubt, sie unterhält jedoch Sicherheits- und Polizeikräfte (CIA 16.5.2022). Es gibt keine Wehrpflicht (USDOL 29.9.2021). Anm.: Die Rekrutierung durch bewaffnete Gruppen ist nicht Gegenstand des Kapitels und kann bei Bedarf im Rahmen von Anfragebeantwortungen recherchiert werden. Quellen: - CIA – Central Intelligence Agency [USA] (Stand: 16.5.2022): The World Factbook – West Bank, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/west-bank/#military-and-security, Zugriff 24.5.2022 - USDOL – US Department of Labor [USA] (29.9.2021): 2020 Findings on the Worst Forms of Child Labor: West Bank and Gaza Strip, https://www.ecoi.net/de/dokument/2061993.html, Zugriff 24.5.2022 12. Allgemeine Menschenrechtslage Im Februar 2021 entschied der Internationale Strafgerichtshof, dass er Jurisdiktion über schwere Verbrechen in den besetzten palästinensischen Gebieten hat, und im März folgte die Eröffnung einer formalen Ermittlung zur dortigen Lage (HRW 13.1.2022). Die israelische Militärbesatzung des Westjordanlandes bringt schwerwiegende physische Barrieren und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit mit sich, ebenso wie den Abriss von Häusern und anderen Bauten, Restriktionen der politischen Rechte und bürgerlichen Freiheiten sowie eine Ausweitung israelischer Siedlungen, die verbreitet als Verletzung des Völkerrechts gelten. Mit Stand 2021 gab es ungefähr 700.000 jüdische Siedler im Westjordanland, einschließlich Ost-Jerusalem, welche israelische Staatsbürger mit vollen politischen Rechten in Israel sind (FH 28.2.2022). Mit Stand 1.10.2022 hielt Israel 4.4.60 PalästinenserInnen für sicherheitsbezogene Straftaten fest, darunter 200 Kinder – viele für Steinewerfen – sowie 492 Personen in Administrativhaft ohne formale Anklage oder Prozeß und basierend auf geheimen Beweisen. Die meisten palästinensischen Gefangenen wurden im Staat Israel festgehalten, was Besuche durch Familienangehörige kompliziert, und gegen das Völkerrecht verstößt, das den Transfer außerhalb eines besetzten Gebiets untersagt (HRW 13.1.2022). Anm.: Nähere Informationen zu den menschenrechtlichen Auswirkungen der israelischen Politik sind auch in den jeweiligen anderen Kapiteln des Länderinformationsblatts zu finden. .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 26 von 52

Aktuell gibt es keine Hinweise auf die Abhaltung der nationalen (Präsidenten- und Parlaments-) Wahlen trotz ihrer ursprünglichen Ankündigung Anfang 2021. Die palästinensische Menschenrechtsorganisation Al-Haq konstatiert hierfür einen fehlenden politischen Willen. Dem palästinensischen Parlament wird zudem von internationalen Organisationen eine zentrale Rolle bei der Umsetzung von Menschenrechtskonventionen wie zum Beispiel zu Frauen- oder Kinderrechten zugeordnet. Das Fehlen des Engagements der Zivilgesellschaft und des Palästinensischen Legislativrats [Anm.: offizieller Name des Parlaments] sowie der breite Einsatz von Dekreten haben zu einer Monopolisierung von Macht und der Marginalisierung öffentlicher Institutionen geführt – und auch zum Niedergang des palästinensischen Justizwesens. Dies hat negative Auswirkungen auf die Menschenrechtslage (Al-Haq 2.5.2022). Bezüglich der Palästinensischen Autonomiebehörde liegen glaubhafte Berichte über ungesetzliche oder willkürliche Tötungen durch ihre MitarbeiterInnen vor, ebenso Folter oder unmenschliche oder herabwürdigende Behandlungen und Bestrafungen, willkürliche Verhaftungen und Haft, politische Gefangene, bedeutende Probleme bei der Unabhängigkeit der Justiz, willkürliche oder ungesetzliches Eingreifen in die Privatsphäre, schwere Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit, einschließlich durch Gewalt, Androhungen von Gewalt, ungerechtfertigten Verhaftungen und Strafverfolgungen gegen JournalistInnen sowie Zensur. Hinzukommen substanzielle Eingriffe in die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, einschließlich Schikanen gegen NGOs und schwerer Restriktionen der politischen Beteiligung mangels nationaler Wahlen seit 2006. Erhebliche Regierungskorruption, ein Mangel an Ermittlungen und Zurrechenschaftziehung bei geschlechtsspezifischer Gewalt sowie bei antisemitischer Gewalt liegen ebenso vor wie Gewaltverbrechen gegen sexuelle Minderheiten und Berichte über schlimmste Formen von Kinderarbeit (USDOS 12.4.2022, für Details zu Rechtsverstößen bei Verhaftungen vgl. Al-Haq 2.5.2022) Der anhaltende Ausnahmezustand und die Absage der Legislativ- und Präsidentschaftswahlen im April 2021 stellten große Rückschritte für die Menschenrechtslage in der Westbank dar. Die willkürlichen Verhaftungen erreichten nach der Ermordung des Aktivisten Nizar Banat durch palästinensisches Sicherheitspersonal am 24. Juni 2021 ihren Höhepunkt: Dutzende Protestierende, welche friedlich Gerechtigkeit für Banat und die Abhaltung der Präsidenten- und Parlamentswahlen forderten, wurden bei gewaltsamen Auflösungen der Versammlungen und unter Einsatz exzessiver Gewalt festgenommen und inhaftiert (Al Haq 2.5.2022). Der zivilgesellschaftliche Aktivist Nizar Banat, war in Hebron gewaltsam festgenommen und misshandelt worden und verstarb in Haft (FH 28.2.2022). Weil viele Palästinenserinnen und Palästinenser für den personell aufgeblähten Regierungsapparat arbeiten, sind ihre Möglichkeiten, offen gegen das System von Präsident Abbas und seiner PA-Regierung vorzugehen, jedoch begrenzt. Die Autonomiebehörde hat damit „eine Atmosphäre der Angst, Repression und Abhängigkeit“ geschaffen (KAS 9.2021). Auch .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 27 von 52

JournalistInnen, AktivistInnen und andere, welche die PA-Politik hinterfragen, unterliegen Einschüchterungen und Schikanen (FH 28.2.2022). Die Bedingungen in den Gefängnissen und Haftanstalten der PA im Westjordanland sind Berichten zufolge schlecht, was weitgehend auf Überfüllung und strukturelle Probleme zurückzuführen ist. Die Gefängnisse der PA sind weiterhin überfüllt und verfügten nicht über Lüftungs-, Heizungs-, Kühlungs- und Beleuchtungssysteme, die internationalen Standards entsprachen. Die Behörden hielten zeitweise männliche Jugendliche zusammen mit erwachsenen männlichen Gefangenen fest. Die Sicherheitsdienste haben getrennte Haftanstalten. Die Haftbedingungen für Frauen sind ähnlich wie die für Männer (USDOS 12.4.2022). Die PA gestattete dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) Zugang zu den Gefangenen, um die Behandlung und die Bedingungen zu beurteilen. Menschenrechtsgruppen, humanitäre Organisationen und Rechtsanwälte wiesen darauf hin, dass es wie in den vergangenen Jahren einige Schwierigkeiten beim Zugang zu bestimmten Gefangenen gab, die von der PA festgehalten wurden, je nachdem, welche Sicherheitsorganisation der PA die Einrichtung verwaltete (USDOS 12.4.2022). Anm.: Israel hält oft palästinensische Gefangene im Staat Israel fest - für nähere Informationen siehe Kapitel „Rechtsschutz / Justizwesen“ sowie „Folter und unmenschliche Behandlung“. Zu Menschenrechtsverletzungen durch israelische Siedler siehe auch Kapitel „Sicherheitslage“ und Kapitel „Religionsfreiheit“. Zu Todesfällen allgemein siehe auch Kapitel „Sicherheitslage“. Quellen: - Al-Haq (Autor), veröffentlicht von UN Human Rights Committee (2.5.2022): Al-Haq report to the Human Rights Committee on the List of Issues in relation to the comprehensive initial report of the State of Palestine, https://tbinternet.ohchr.org/Treaties/CCPR/Shared%20Documents/PSE/ INT_CCPR_ICO_PSE_48534_E.pdf, Zugriff 24.5.2022 - FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - West Bank*, https://www.ecoi.net/de/dokument/2072102.html, Zugriff 19.5.2022 - HRW – Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Israel and Palestine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066491.html, Zugriff 24.5.2022 - KAS – Konrad-Adenauer-Stiftung (9.2021): Ein Sicherheitsapparat ohne Gewaltmonopol, https://www.ecoi.net/en/file/local/2061704/Pal%C3%A4stinensische+Gebiete+Sicherheitsapparat. pdf, Zugriff 28.5.2022 - USDOS – US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Israel, West Bank and Gaza - West Bank and Gaza, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071205.html, Zugriff 24.5.2022 .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 28 von 52

13. Meinungs- und Pressefreiheit Private offene Diskussionen sind mit einiger Freiheit möglich, obwohl israelische und PA- Sicherheitskräfte bekanntermaßen Onlineaktivitäten überwachen, und Verhaftungen wegen des Vorwurfes von Aufrufen zu Gewalt oder Kritik an den palästinensischen Behörden durchführen (FH 28.2.2022) Die Nachrichtenmedien sind im Westjordanland nicht frei: JournalistInnen werden überwacht und sind Repressalien sowohl seitens der palästinensischen wie der israelischen Behörden ausgesetzt. Soziale Medien blockieren manchmal die Konten der palästinensischen JournalistInnen (FH 28.2.2022). - Die Palästinensische Autonomiebehörde Im Jahr 2018 kamen Beweise ans Licht, wonach die PA eine breite Überwachung von RechtsanwältInnen, AktivistInnen, politischen Persönlichkeiten und anderen durchführt, was eine abschreckende Wirkung auf die Meinungsäußerung haben könnte (FH 28.2.2022). Nach PA-Gesetz können JournalistInnen mit Geld- und Haftstrafen belegt, und Zeitungen geschlossen werden, wenn sie Informationen publizieren, welche “der nationalen Einheit schade”, “der nationalen Verantwortung widerspräche” oder zu Gewalt aufrufe. Diese und weitere vage formulierte Vergehen können auch auf Basis des Electronic Crimes Law (ECL) z.B. zum Blockieren von Nachrichtenwebsites herangezogen werden. Das Palestinian Center for Development and Media Freedoms (MADA) berichtete von 111 Verstößen in Form physischer Übergriffe, Verhaftungen und Folter bis hin zu Drohungen und Verhinderung von Berichterstattung (FH 28.2.2022). Auch Beiträge in den Sozialen Medien zu geplanten Protesten, Kritik an der Regierung bezüglich der Covid-19-Pandemie oder auch Kritik an der Beziehung der PA zu Israel führten zu scharfen Verhören (FH 28.2.2022). Im Juni 2021 nahmen PA-Sicherheitskräfte den in den Sozialen Medien als PA-kritisch bekannten Aktivisten Nizar Banat fest und misshandelten ihn, was zu seinem Tod in Haft führte. Die PA- Sicherheitskräfte setzten dann Gewalt und willkürlich Verhaftungen ein, um die resultierenden Proteste aufzulösen (FH 28.2.2022). Friedliche politische Meinungsäußerungen wurden mit politisch motivierten Anklagen als Schaffung “konfessionellen Unfriedens” oder Beleidigung “höherer Behörden” kriminalisiert (HRW 13.1.2022). - Israel Das Palestinian Center for Development and Media Freedoms (MADA) berichtete von 314 Verstößen in Form physischer Übergriffe, Verhaftungen und Folter bis hin zu Drohungen und Verhinderung von Berichterstattung (FH 28.2.2022). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 29 von 52

Die israelischen Behörden überwachen genau die Online-Äußerungen von PalästinenserInnen und stützen sich bei der Festlegung der Zielpersonen teilweise auf Vorhersagen von Algorithmen und nehmen PalästinenserInnen auf Basis von Beiträgen in den Sozialen Medien und anderen Meinungsäußerungsaktivitäten fest (HRW 13.1.2022). Quellen: - FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - West Bank*, https://www.ecoi.net/de/dokument/2072102.html, Zugriff 19.5.2022 - HRW – Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Israel and Palestine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066491.html, Zugriff 28.5.2022 14. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition Artikel 26 des Grundgesetzes bestätigt das Recht der PalästinenserInnen auf das Gründen von politischen Parteien, bzw. den Eintritt in eine Partei. Im „Gesetz über politische Parteien“ von 1955 sind die Bedingungen und das Prozedere für die Registrierung von Parteien und die Rolle des Innenministeriums festgelegt. Allerdings hat das PA-Innenministerium keinen derartigen Mechanismus. Aufgrund der absehbaren Abweisung werden keine Anträge auf die Registrierung von Parteien behandelt. Es können sich keine neuen Parteien registrieren lassen (Al-Haq 2.5.2022). Aktuell umfasst die politische Bühne Parteien, welche in der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) vertreten sind [Anm.: darunter führend die Fatah von PA-Präsident Mahmoud Abbas] sowie Hamas und Islamischer Jihad [Anm.: In der EU beide als Terrororganisationen klassifiziert] (Al-Haq 2.5.2022). Mit den Auseinandersetzungen zwischen Hamas und Fatah ab 2007 wurden in beiden Gebieten Aktivisten der jeweils anderen Seite inhaftiert und misshandelt (GIZ 11.2020a). Human Rights Watch berichtet, dass die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) „DissidentInnen systematisch willkürlich verhafte und foltere.“ Zwischen Jänner und September 2021 erhielt die ICHR 87 Beschwerden wegen willkürlicher Verhaftung, 15 wegen Haft ohne Gerichtsprozess oder Anklage auf Anordnung eines Gouverneurs und 76 Beschwerden wegen Folter und Misshandlung (HRW 13.1.2022) Anm.: Zum Tod von Nizar Banat und den daraus resultierenden Vorfällen siehe auch Kapitel Meinungs- und Pressefreiheit. Im April 2021 verschob die PA die geplanten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Diese wären die ersten in 15 Jahren gewesen (HRW 13.1.2022). Für Details dazu siehe Kapitel “Politische Lage”. Die PA hat die Verwaltungsbefugnis über das palästinensische Bildungssystem. Politischer Aktivismus an den palästinensischen Universitäten ist verbreitet, und die Wahlen der .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 30 von 52

Studentenräte verlaufen im Allgemeinen frei. Ein islamistischer Block mit Sympathien für die Hamas schnitt z.B. in den letzten Jahren stark bei den Wahlen zum Studentenrat der Universität Birzeit ab. Doch nahmen israelische und palästinensische Sicherheitskräfte StudentInnen mit Verbindung zu dem Block fest. Israelische Einheiten betreten regelmäßig für Razzien Universitätsgelände und nehmen Verhaftungen vor. Schulen sind auch manchmal von israelischen Razzien betroffen (FH 28.2.2022). Die PA verlangt Genehmigungen für Demonstrationen. Proteste gegen die PA oder ihre Politik werden im Allgemeinen verboten und oft von den PA-Sicherheitskräften gewaltsam aufgelöst (FH 28.2.2022) Die israelische Militärorder 101 von 1967 sieht eine Erlaubnis für alle politischen Demonstrationen von mehr als 10 Personen vor, wobei in der Praxis selten Genehmigungen erteilt werden. Die israelische Militärorder 1651 von 2009 wird zur Strafverfolgung und Verurteilung von Personen angewendet, die beschuldigt werden, die öffentliche Ordnung gestört oder angebliche Aufhetzung zu betreiben. Die israelischen Behörden schränken häufig Demonstrationen ein und lösen die Proteste auf, von denen manche gewaltsam werden. Bestimmte Gebiete für Kundgebungen sind als gesperrte Militärgelände definiert. Protestierende riskieren Verletzungen durch Tränengaskartuschen, Gummigeschosse oder scharfe Munition (FH 28.2.2022). Zusammenstöße zwischen DemonstrantInnen und israelischen Truppen haben regelmäßig Todesfälle zur Folge. Die israelischen Behörden setzten exzessive Gewalt in Reaktion auf Proteste ein, die im April 2021 anlässlich der drohenden Delogierung palästinensischer Familien im Ost- Jerusalemer Stadtteil Scheich Jahrah begannen und sich im Mai von dort aus ausbreiteten (FH 28.2.2022). Anm.: Für weitere Informationen siehe dazu auch Kapitel “Sicherheitslage” und für Details zur rechtlichen Ausgangslage von Versammlungen siehe Al-Haq (2.5.2022) ArbeiterInnen dürfen ohne PA-Erlaubnis Gewerkschaften gründen, aber der Arbeitnehmerschutz wurde kaum durchgesetzt. Streiks müssen zur Schlichtung dem PA-Arbeitsministerium vorgelegt werden und auch weitere Gesetze erschweren einen gesetzeskonformen Streik (FH 28.2.2022). Die PA übt Druck auf die Gewerkschaften mit dem Ziel einer Kooptierung aus, bzw. der Aufrechterhaltung der Dominanz der Fatah [Anm.: die Partei von Präsident Mahmoud Abbas]. Nichtsdestotrotz wurde eine Kritikerin der PA, Nadia Habash, Im August 2021 zur Leiterin der Vereinigung der Ingenieure gewählt. Im März 2021 trat die Ärztevereinigung einen Streik über die Beendigung ihrer Arbeitsvereinbarung durch die PA an. Der Leiter der Gewerkschaft und zwei Mitglieder wurden daraufhin verhaftet. Die Anwaltsvereinigung hielt während des Jahres 2021 zahlreiche Streiks und Proteste gegen die Einmischung von PA-Sicherheitskräften, Menschenrechtsverletzungen und den Mangel an justizieller Unabhängigkeit ab (FH 28.2.2022). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 31 von 52

Quellen: - Al-Haq (Autor), veröffentlicht von UN Human Rights Committee (2.5.2022): Al-Haq report to the Human Rights Committee on the List of Issues in relation to the comprehensive initial report of the State of Palestine, https://tbinternet.ohchr.org/Treaties/CCPR/Shared%20Documents/PSE/ INT_CCPR_ICO_PSE_48534_E.pdf, Zugriff 24.5.2022 - FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - West Bank*, https://www.ecoi.net/de/dokument/2072102.html, Zugriff 19.5.2022 - GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, Länderinformationsportal (11.2020a) [Archivversion vom 14.5.2021]: Palästinensische Gebiete, Geschichte & Staat, https://web.archive.org/web/20210514035926/https://www.liportal.de/palaestinensische-gebiete/ geschichte-staat/, Zugriff 19.5.2022 - HRW – Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Israel and Palestine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2066491.html, Zugriff 24.5.2022 15. Todesstrafe Die Strafgesetzbücher, welche in der Westbank Anwendung finden, erlauben die Todesstrafe, aber seit 2005 wurden keine Hinrichtungen mehr durchgeführt. Im Jahr 2018 unterzeichnete der „Staat Palästina“ die International Covenant on Civil and Political Rights (ICCPR), welche den Einsatz der Todesstrafe stark einschränkt (FH 28.2.2022). Jedes Todesurteil muss vom Präsidenten der PA unterzeichnet werden (USDOS 12.4.2022). Trotz der Unterzeichnung des Zweiten Protokolls des ICCPR ist die Todesstrafe u.a. im jordanischen Strafgesetzbuch, Gesetz Nr. 16 (1960) in Kraft – 18 Fälle – und auf Basis des Militärstrafgesetzes liegen 44 Fälle vor. Deshalb müssten diese Gesetze geändert werden. Die palästinensische Menschenrechtsorganisation al-Haq fordert daher eine Klarstellung der ergriffenen Maßnahmen zur Abschaffung der Todesstrafe in Übereinstimmung mit dem Zweiten Optionalen Protokoll des ICCPR (Al-Haq 2.5.2022). Die israelischen Militärgerichte – die sich auch mit Fällen befassen, in denen PalästinenserInnen im besetzten Westjordanland involviert sind – können die Todesstrafe verhängen (Reuters 3.1.2018), obwohl dies nie ausgeführt wurde (Stroum 31.3.2022). Anfang 2018 gab das israelische Parlament jedoch eine vorläufige Zustimmung zu einem Gesetz, das es einem Gericht erleichtern würde, ein Todesurteil gegen Angreifer zu verhängen, die wegen Mordes in als Terrorismus eingestuften Anschlägen verurteilt wurden (Reuters 3.1.2018). Quellen: - Al-Haq (Autor), veröffentlicht von UN Human Rights Committee (2.5.2022): Al-Haq report to the Human Rights Committee on the List of Issues in relation to the comprehensive initial report of the State of Palestine, https://tbinternet.ohchr.org/Treaties/CCPR/Shared%20Documents/PSE/ INT_CCPR_ICO_PSE_48534_E.pdf, Zugriff 24.5.2022 - FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - West Bank*, https://www.ecoi.net/de/dokument/2072102.html, Zugriff 19.5.2022.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 32 von 52

- Reuters (3.1.20018): Israeli death penalty advocates win preliminary vote in parliament, https://www.reuters.com/article/us-israel-palestinians-deathpenalty/israeli-death-penalty- advocates-win-preliminary-vote-in-parliament-idUSKBN1ES1DT, Zugriff 5.5.2020 - Stroum – Stroum Center for Jewish Studies, University of Washington (Ben-Natan, Smadar) (31.3.2022): The shadow of the death penalty in Israel: Why is a legal punishment never used?, https://jewishstudies.washington.edu/israel-hebrew/death-penalty-in-israel-history/, Zugriff 25.5.2022 - USDOS – US Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Israel, West Bank and Gaza - West Bank and Gaza, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071205.html, Zugriff 24.5.2022 16. Religionsfreiheit Die US-Regierung schätzt die palästinensische Bevölkerung der Westbank auf 2,8 Millionen. Die überwiegende Mehrheit der palästinensischen Bewohner dieser Gebiete sind sunnitische MuslimInnen. Das israelische Zentralamt für Statistik berichtet, dass schätzungsweise 441,600 jüdische Israelis in israelischen Siedlungen im Westjordanland (ohne Ost-Jerusalem) leben. Verschiedenen Schätzungen zufolge leben 50.000 ChristInnen im Westjordanland und in Jerusalem. Die Auswanderung palästinensischer ChristInnen setzte sich fort. Die Mehrheit der ChristInnen sind griechisch-orthodox. Ansonsten gibt u.a. ChristInnen folgender Konfessionen: römisch-katholisch, melkitisch-griechisch-katholische, syrisch-orthodox, armenisch-apostolisch, armenisch-katholisch, koptisch-orthodox, maronitisch, äthiopisch-orthodox, syrisch-katholisch, lutheranisch sowie andere protestantische Konfessionen, einschließlich evangelikaler ChristInnen. Die ChristInnen konzentrieren sich vor allem in Bethlehem, Ramallah und Nablus; kleinere Gemeinschaften gibt es auch an anderen Orten. Etwa 360 SamaritanerInnen leben vor allem im Gebiet von Nablus (USDOS 2.6.2022). Es gibt kein festgelegtes Verfahren, nach dem religiöse Organisationen offiziell anerkannt werden; jede religiöse Gruppe muss ihre Beziehung zur PA bilateral aushandeln. Die PA unterhält einige ungeschriebene Absprachen mit offiziell nicht-anerkannten Kirchen, auf Grundlage von Status-quo- Vereinbarungen: dies betrifft u.a. Assemblies of God, Nazarener und einige evangelikale christliche Kirchen, die frei agieren dürfen. Für die Registrierung von Personenstandsangelegenheiten wie etwa Eheschließungen bei der PA ist für jeden Fall vorher eine Lizenz bei der PA zu beantragen. Missionieren ist ihnen nicht erlaubt (USDOS 2.6.2022). Islamische oder christliche geistliche Gerichte sind zuständig, über Personenstandsfragen wie Ehe, Scheidung und Erbschaft zu entscheiden. Es ist gesetzlich vorgesehen, dass Mitglieder einer Religionsgemeinschaft einen Streit betreffs Personenstatus einer anderen Religionsgruppe zur Entscheidung vorlegen können, wenn die Streitparteien zustimmen (USDOS 2.6.2022). Das Grundgesetz der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) erklärt den Islam zur offiziellen Religion Palästinas (FH 28.2.2022), und sieht vor, dass die Prinzipien der Scharia die Hauptquelle der Gesetzgebung sind. Es sieht jedoch auch die Freiheit des Glaubens, des Gottesdienstes und .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 33 von 52

der Durchführung religiöser Riten vor, sofern diese nicht gegen die öffentliche Ordnung oder die Moral verstoßen (USDOS 2.6.2022). Das Grundgesetz besagt außerdem, dass „Respekt und Heiligkeit aller anderen himmlischen Religionen (Judentum, Christentum) gewahrt werden sollen“. Blasphemie ist ein kriminelles Vergehen. Das Gesetz über elektronische Straftaten von 2017 kriminalisiert Äußerungen, die darauf abzielen, moralische und religiöse Werte zu verletzen, ohne diese Werte zu definieren, was eine willkürliche Anwendung ermöglicht (FH 28.2.2022). Religiöse Minderheiten genießen nach den Gesetzen der PA formelle politische Gleichberechtigung, und ChristInnen haben 6 Sitze im seit 2007 disfunktionalen Palestinian Legislative Council (PLC). Allerdings sind sie in politischen Ämtern tendenziell unterrepräsentiert und ihre besonderen Interessen werden vom politischen System nicht unbedingt berücksichtigt (FH 2020; vgl. USDOS 21.6.2019). Für andere religiöse Minderheiten sind keine Sitze im PLC reserviert. Ein Präsidialerlass schreibt vor, dass ChristInnen 9 Gemeinderäte („municipal councils“) im Westjordanland (einschließlich Ramallah, Bethlehem, Birzeit und Beit Jala) leiten müssen. Obwohl die Palästinensische Autonomiebehörde die Kategorie der Religionszugehörigkeit aus den seit 2014 ausgestellten palästinensischen Personalausweisen gestrichen hat, sind ältere Personalausweise weiterhin im Umlauf, die den Inhaber entweder als MuslimIn oder als ChristIn ausweisen (USDOS 2.6.2022). Laut Gesetz gewährt die PA islamischen Institutionen und Gotteshäusern finanzielle Unterstützung, einige christliche Organisationen und Geistliche erhalten begrenzte finanzielle Unterstützung . Der Religionsunterricht ist Teil des Lehrplans für SchülerInnen der Klassen eins bis sechs an öffentlichen Schulen. Es gibt getrennten Religionsunterricht für MuslimInnen und ChristInnen. Anerkannte Kirchen unterhalten Privatschulen in der Westbank mit Religionsunterricht, ebenso wie private islamische Schulen (USDOS 2.6.2022). Es gibt gesellschaftlichen Druck, innerhalb der eigenen Religionsgemeinschaft zu verbleiben (USDOS 2.6.2022). D ie meisten christlichen und muslimischen Familien übten Druck auf ihre Kinder – besonders ihre Töchter – aus, innerhalb ihrer jeweiligen Religionsgruppe zu heiraten. Interreligiöse Paare – besonders christliche oder muslimische PalästinenserInnen, die Juden/Jüdinnen – heirateten, waren mit erheblichem gesellschaftlichem und familiärem Druck konfrontiert (USDOS 2.6.2022). Sicherheitsbedingte Einschränkungen der Bewegungsfreiheit sowie Vandalismus oder körperliche Angriffe gegen Besucher von Gottesdiensten oder Kultstätten betreffen jüdische, muslimische und christliche Bewohner des Westjordanlands in unterschiedlichem Maße ( FH 28.2.2022) . Es gab tödliche Vorfälle, welche religiös begründet wurden (USDOS 2.6.2022). Die Gewalt zwischen PalästinenserInnen und Israelis setzte sich fort, besonders im Westjordanland. E s gab Fälle von .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 34 von 52

Gewalt, deren Täter diese religiös begründeten, Vandalismus und Graffiti mit intolerantem Inhalt, Belästigungen von Geistlichen und religiöse Intoleranz (USDOS 21.6.2019, USDOS 2.6.2022). Aber weil Religion und Ethnizität oft eng verbunden waren, ist es schwer, viele Vorfälle als allein auf religiöse Identität beruhend zu kategorisieren (USDOS 2.6.2022). Die israelischen Behörden hindern palästinensische Muslime im Westjordanland regelmäßig daran, zum Beten nach Jerusalem zu gelangen, und beschränken im Allgemeinen freitags den Zugang für junge erwachsene Männer zum Tempelberg/Haram al-Sharif-Gelände (FH 28.2.2022). Anm.: Zur Lage von KonvertitInnen siehe auch ein Fallbeispiel im Kapitel “Kinder” unter “- Zugang zu einer Geburtsurkunde, bzw. Stigmatisierung unehelicher Kinder”. Zu den religiösen Personenstandsrechten in Bezug auf die Lage von Frauen siehe auch Kapitel „Frauen“. Quellen: - FH - Freedom House (28.2.2022): Freedom in the World 2022 - West Bank*, https://www.ecoi.net/de/dokument/2072102.html, Zugriff 19.5.2022 - FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020, West Bank, https://freedomhouse.org/country/west-bank/freedom-world/2020, Zugriff 5.5.2020 - USDOS – United States Department of State (2.6.2022): 2020 Report on International Religious Freedom: Israel: West Bank and Gaza, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2022/05/ISRAEL-INCLUDES-WEST-BANK-AND- GAZA-2021-INTERNATIONAL-RELIGIOUS-FREEDOM-REPORT.pdf, Zugriff 3.6.2022 - USDOS – United States Department of State (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Freedom: Israel: West Bank and Gaza, https://www.state.gov/reports/2020-report-on- international-religious-freedom/israel-west-bank-and-gaza/west-bank-and-gaza/, Zugriff 19.5.2022 - USDOS – US Department of State [USA] (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: Israel: West Bank and Gaza, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011172.html, Zugriff 7.5.2020 17. Relevante Bevölkerungsgruppen 17.1. Frauen Das Personenstandsrecht ist grundsätzlich abhängig von Religions- und Konfessionszugehörigkeit (WCLAC/DCAF 5.2012; vgl. USDOS 12.4.2022). Seine Gesetze diskriminieren Frauen in Bezug auf Heirat, Scheidung, Obsorge für Kinder und im Erbrecht (HRW 13.1.2022). Auch Christinnen können im jeweiligen für sie zuständigen kirchlichen Gericht in Personenstandsangelegenheiten einigen Nachteilen ausgesetzt sein. Auch soziale Normen benachteiligen Frauen in den Bereichen Heirat und Scheidung (FH 28.2.2022): Sie können für den Fall von Scheidung oder Sorgerechtsstreitigkeiten zusätzliche Konditionen in den Ehevertrag einfügen lassen, werden aber generell sozial unter Druck gesetzt, dies nicht zu tun (USDOS 12.4.2022). Die beschränkten Möglichkeiten einiger PA-Gesetze für die Gleichberechtigung von Frauen sind oft in der Praxis den sozialen Normen untergeordnet, und es fehlt an der Durchsetzung der Gesetze (FH 28.2.2022) . .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 35 von 52
