handbuchinformationsfreiheitsgesetz_geschwaerzt
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Leitlinien, Regeln und Handlungsanweisungen zur Informationsfreiheit“
Handbuch Informationsfreiheitsgesetz Handbuch zur Implementierung im BMF Wien, 2025

Handbuch Informationsfreiheitsgesetz 2 von 51 Inhalt Vorbemerkungen ........................................................................................... 4 1. Grundsätzliches ........................................................................................ 6 2. Regelungskreis 1: proaktive Information ............................................... 15 2.1. Wer ....................................................................................................... 15 2.2. Was ....................................................................................................... 17 2.3. Wo ........................................................................................................ 20 2.4. Wann .................................................................................................... 22 2.5. Dokumentation und Kommunikation zur proaktiven Information ...... 23 2.6. In kurzen Worten – Checkliste ............................................................. 23 2.7. Musterprozess ...................................................................................... 24 2.8. Beispiele von in Betracht kommenden Informationen zur proaktiven Veröffentlichung ....................................................................... 25 3. Regelungskreis 2: Informationserteilung auf Anfrage ............................ 26 3.1. Wer ....................................................................................................... 26 3.1.1. Auskunftspflichtig ......................................................................... 26 3.1.2. 4.1.2. Auskunftsberechtigt ........................................................... 26 3.2. Was ....................................................................................................... 27 3.2.1. Ausnahmetatbestand „Interesse der unbeeinträchtigten Vorbereitung einer Entscheidung“ ........................................................ 29 3.2.2. Ausnahmetatbestand „Abwehr eines erheblichen wirtschaftlichen oder finanziellen Schadens einer Gebietskörperschaft“ ............................................................................. 30 3.2.3. Ausnahmetatbestand „Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines anderen“ ..................................................................... 31 3.2.4. Interessenabwägung .................................................................... 31 3.3. Wie ....................................................................................................... 34

Handbuch Informationsfreiheitsgesetz 3 von 51 3.4. Wo ........................................................................................................ 36 3.5. Wann: ................................................................................................... 38 3.6. In kurzen Worten – Checkliste ............................................................. 38 3.7. Musterprozess für Anfragen ................................................................ 39 4. Organisatorische Verantwortungsbereiche ........................................... 41 4.1. Informationsfreiheitsbeauftragte/r ..................................................... 41 4.2. Informationsfreiheitskoordinator/innen (IFK) ..................................... 42 5. Zusammenfassung .................................................................................. 44 6. Begleitmaßnahmen ................................................................................ 45 7. Mustervorlagen ...................................................................................... 46 7.1. Musterschreiben zur Fristerstreckung auf 8 Wochen ......................... 46 7.2. Musterschreiben zur Informationsgewährung .................................... 46 7.3. Musterschreiben zur Nichtgewährung der Information ...................... 47 7.4. Musterschreiben „Anhörung betroffene Person“ ............................... 48 7.5. „Interessenabwägung“ ......................................................................... 48

Handbuch Informationsfreiheitsgesetz 4 von 51 Vorbemerkungen Das Bundesgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert und ein Informationsfreiheitsgesetz erlassen wird, wurde nach vorangegangener jahrelanger Diskussion über die Abschaffung der Amtsverschwiegenheit zu Gunsten eines transparenten Verwaltungshandelns am 31. Jänner 2024 vom Nationalrat beschlossen. Die wesentlichen die Informationsfreiheit betreffenden Bestimmungen treten nach einer längeren Phase der Legisvakanz zwecks Vorbereitung auf die Umsetzung mit 1. September 2025 in Kraft. Umfassendes Informationsfreiheitsanpassungsgesetz war erforderlich Die Zeit zwischen Beschlussfassung und Inkrafttreten wurde genutzt, um zunächst den sich daraus ergebenden legistischen Anpassungsbedarf in den Materiengesetzen zu prüfen und schließlich in einer Regierungsvorlage dem Nationalrat zur Beschlussfassung zuzuleiten. Allein für den Vollzugsbereich des Bundesministeriums für Finanzen waren 26 Bundesgesetze anzupassen. Einjährige Vorbereitung des Umsetzungsrahmens abgeschlossen Darüber hinaus hat eine Arbeitsgruppe unter Einbezug aller Sektionen sowie der Internen Revision und des Datenschutzbeauftragten die Arbeit zur Schaffung der Rahmenbedingungen für eine Umsetzung des Informationsfreiheitsgesetzes aufgenommen: nach einer Evaluierung und Abstimmung am 5. Juni 2024 wurde zunächst ein Grundlagenpapier mit einer Information zur geänderten Rechtslage gegenüber dem vormaligen Artikel 20 Abs. 5 B-VG (proaktive Information) und dem Auskunftspflichtgesetz (Informationszugang auf Anfrage) erstellt; dieses diente als Grundlage für die ressortweite Schaffung der Voraussetzungen für eine reibungslose Umsetzung mit 1.9.2025: es galt, Informationen aufzubereiten, Schulungen zu konzipieren, organisatorische Abläufe zu entwickeln und technische Unterstützungslösungen zu schaffen. Weiters waren Schnittstellen zur Datenschutzbehörde, welche nach der Intention des Gesetzgebers für Schulungen verantwortlich zeichnen sollte, und zum Bundeskanzleramt zwecks interministeriellen Austauschs zu Auslegungsfragen einzurichten. Handbuch als zentraler Einstieg in das Thema Das vorliegende Handbuch ist das zentrale Dokument zur Erleichterung eines reibungslosen Übergangs von der bereits vor dem 1.9.2025 bestanden habenden proaktiven Informationspflicht – nach Artikel 20 Abs. 5 B-VG waren Studien bereits zu

Handbuch Informationsfreiheitsgesetz 5 von 51 veröffentlichen – sowie der ebenfalls seit Jahrzehnten bestehenden Verpflichtung zur Erteilung von Auskünften auf entsprechende Anfrage auf das neue Regime der Informationsfreiheit. Es soll dabei einerseits sensibilisieren für das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf den für eine Demokratie unverzichtbaren Ansatz der Transparenz des Verwaltungshandelns ohne dabei auf die Wahrung schutzwürdiger Geheimhaltungsinteressen zu verzichten, andererseits die organisatorischen Abläufe und Zuständigkeiten ebenso vertraut machen wie ein Grundlagenwissen zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Informationsfreiheit. Das Handbuch wurde in Zusammenarbeit mit allen Sektionen erstellt. Informationsfreiheitskoordinatorinnen und –koordinatoren unterstützen Das Handbuch ist dabei so aufgebaut, dass zunächst das Regime der Informationsfreiheit dargestellt wird und im Anschluss auf die Besonderheiten der proaktiven Informationspflicht – bei jedem erstellten Dokument ist die Frage zu stellen, ob an diesem ein allgemeines Interesse besteht – sowie jener der Informationserteilung auf Anfrage eingegangen wird. Es werden dabei insbesondere die technischen Unterstützungen im Überblick vorgestellt, auch die organisatorische Unterstützung durch geschaffene Funktionen eines beziehungsweise einer Informationsfreiheitsbeauftragten sowie der Informationsfreiheitskoordinatorinnen und -koordinatoren wird skizziert. Werkzeugkoffer für eine reibungslose Umsetzung im BMF Das Handbuch als zentraler Einstieg in das Thema der Informationsfreiheit im Finanzressort wird neben zahlreichen weiteren unterstützenden Dokumenten auf der WIKI bereitgestellt: Mustererledigungen, Judikatur, Merkblätter, FAQ, Schulungsvideos und ein Forum für die Informationsfreiheitskoordinatorinnen und -koordinatoren, auf welchem Erfahrungswerte ausgetauscht werden können, sollen die Arbeit erleichtern und entsprechende Umsetzungssicherheit geben. Dieser Werkzeugkasten wird selbstverständlich laufend gewartet und erweitert werden.

Handbuch Informationsfreiheitsgesetz 6 von 51 1. Grundsätzliches Das Informationsfreiheitsgesetz normiert zwei Regelungsbereiche: die proaktive Informationszurverfügungstellung sowie die Erledigung von Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern. Beide Zielrichtungen fanden sich bereits vor Inkrafttreten (im Wesentlichen 1.9.2025) in der Rechtsordnung: Bereits vor dem 1.9.2025 waren etwa Studien von allgemeinem Interesse proaktiv zu veröffentlichen, bereits vor dem 1.9.2025 waren Begehren von Bürgerinnen und Bürgern zu beantworten und war dazu gegebenenfalls ein Verwaltungsverfahren mit rechtsmittelfähigem Bescheid über eine allfällige Nichterteilung der gewünschten Auskünfte zu erlassen. Das Informationsfreiheitsgesetz normiert diese Informationsprozesse daher nicht erstmals, sondern gestaltet diese lediglich mit einigen ˜nderungen neu. Die Bedeutung von Transparenz als Inklusionsparameter für die Demokratie hat bereits in der Vergangenheit in der Rechtsordnung den skizzierten Raum eingenommen und wurde von der Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG), des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) und des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) entsprechend weiter ausdifferenziert im Aufeinandertreffen der einander entgegenstehenden Interessen einer gebotenen Geheimhaltung aus schutzwürdigen Interessen sowie einer Transparenz als Grundlage für demokratische Meinungsbildungsprozesse. Dabei hat auch die EMRK eine bedeutende Rolle gespielt. Das Informationsfreiheitsgesetz bildet somit vor dem dargestellten Hintergrund eine Kodifizierung der zur Auskunftspflicht entwickelten Judikatur ab. Dies wird beispielsweise deutlich an der dargestellten „Aufhebung der Amtsverschwiegenheit“, welche weitläufig so verstanden werden könnte, dass nunmehr keine Hindernisgründe mehr zu beachten wären bei der Zugänglichmachung von Informationen – proaktiv wie auch auf Antrag. Tatsächlich stellt das Informationsfreiheitsgesetz allerdings den von der Judikatur entwickelten Status quo der vorzunehmenden Interessenabwägung dar: „Soweit und solange“ die taxativ angeführten gewichtigen Schutzgüter zu wahren sind und gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist keine Information zu erteilen. Das informationspflichtige Organ hat im konkreten Fall zu beurteilen, abzuwägen und zu begründen, ob, inwieweit und warum eine Geheimhaltung erforderlich bzw. notwendig ist. Dabei spielt die Verhältnismäßigkeitsprüfung (der Geheimhaltung) eine wesentliche

Handbuch Informationsfreiheitsgesetz 7 von 51 Rolle, wie regelmäßig bei Grundrechtsvorbehalten. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit ergibt sich schon aus dem Begriff „erforderlich“ im grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt1. Die Vorgehensweise bei der erforderlichen Interessenabwägung ergibt sich grundsätzlich schon aus dem Erfordernis der verfassungskonformen Handhabung des Informationszugangsrechts gemäß den Vorgaben des Art. 10 MRK und der dazu ergangenen Rechtsprechung des EGMR, des VwGH2 und des VfGH3. Welche Interessen abzuwägen sind, ist von den im Einzelfall betroffenen Schutzgütern abhängig; diese sollen potenziell alle in die Abwägungsentscheidung einfließen. Eine grundrechtskonforme Abwägung hat sich am sogenannten „harm test“ zu orientieren, das ist die Prüfung, welcher tatsächliche Schaden einem legitimen Schutzgut durch die Informationserteilung oder -veröffentlichung droht. Zusätzlich wäre mittels „public interest test“ zu prüfen, ob ein überwiegendes öffentliches Interesse anzunehmen ist, das im Ergebnis für das Zugänglichmachen der Information spricht, obwohl ein gerechtfertigter Geheimhaltungszweck dadurch beeinträchtigt werden könnte (so etwa im Fall von Informationen betreffend Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Verletzungen von fundamentalen Grund- und Menschenrechten oder Korruption). Eine besondere Rolle in der Abwägung kommt „social watchdogs“ im Sinn der Rsp. des EGMR4 zu. Die Abwägungsentscheidung ist hinreichend zu begründen. Entscheidungen, mit denen der Informationszugang nicht gewährt wird, unterliegen der Kontrolle durch die unabhängigen Verwaltungsgerichte (§ 11). Gegen ein (abweisendes) Erkenntnis des Verwaltungsgerichts kann mit der Behauptung, durch das Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Zugang zu Informationen (Art. 22a Abs. 2 B-VG) verletzt zu sein, Beschwerde beim VfGH erhoben werden. Als Ausnahmetatbestände sind zunächst besonders wichtige öffentliche Interessen genannt (Z 1 bis 4), die aus anderen Grundrechtsvorbehalten oder Verfassungsbestimmungen bekannt sind (Art. 22a Abs. 2 B-VG). So stehen unionsrechtliche Geheimhaltungsverpflichtungen (Z 1) der Preisgabe derart geschützter 1 vgl. Art. 22a Abs. 2 B-VG. 2 vgl. grundlegend VwGH 24.5.2018, Ro 2017/07/0026, und VwGH 29.5.2018, Ra 2017/03/0083, und die darin zitierten Urteile des EGMR. 3 vgl. zum Informationsanspruch auf Grund von Art. 10 MRK und dessen Abwägungskriterien grundlegend VfSlg. 20.446/2021. 4 Journalistinnen und Journalisten, die Informationen benötigen, um eine öffentliche Debatte zu ermöglichen, oder Nichtregierungsorganisationen, die im öffentlichen Interesse agieren; vgl. VfSlg. 20.446/2021; sogar ein rechtliches Interesse dieser bejahend OGH 5.12.2022, 5 Ob 178/22w.

Handbuch Informationsfreiheitsgesetz 8 von 51 Informationen entgegen5; ebenso können in Einzelfällen unionsrechtlich vorgesehene Konsultationsverfahren beim Zugang zu Informationen europäischer Institutionen einzuhalten sein. Aber auch genuin nationale Dokumente können unter den Schutz dieses Ausnahmetatbestandes fallen. Beim Geheimhaltungstatbestand der „nationalen Sicherheit“ (Z 2)6 und jenem der „umfassenden Landesverteidigung“ (Z 3) geht es primär um den Schutz von Informationen zur Gefahrenabwehr von außen, zur Militärischen Landesverteidigung (zum Beispiel militärischer Schutz der Neutralität und Verteidigung der Souveränität), zur Zivilen Landesverteidigung (zum Beispiel Vorsorge zum Schutz der Zivilbevölkerung und lebenswichtiger Einrichtungen zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Behörden), zur Wirtschaftlichen Landesverteidigung (zum Beispiel Maßnahmen gegen kriegsbedingte Störungen der Wirtschaft) und zur Geistigen Landesverteidigung (zum Beispiel Maßnahmen zur Förderung und Erhaltung des Wehrwillens der Bevölkerung). Unter das Interesse der „öffentlichen Ordnung und Sicherheit“ (Z 4) kann, abhängig von den konkreten Umständen, etwa der notwendige Schutz von Einrichtungen der Daseinsvorsorge und kritischen Infrastruktur zu subsumieren sein. Insbesondere Angelegenheiten des Staatsschutzes, des Krisenmanagements im eigenen Wirkungsbereich als auch im Zusammenhang mit dem Staatlichen Krisen- und Katatrophenmanagement (SKKM) und im Rahmen des Bundes-Krisensicherheitsgesetzes (B-KSG) und des Nachrichtendienstes sowie vom Bundeskriminalamt zu besorgende besonders sensible Angelegenheiten (zum Beispiel Zeugen- oder Opferschutz) werden regelmäßig unter diese Geheimhaltungstatbestände zu subsumieren sein. Auch im Rahmen der außenwirtschaftsrechtlichen Exportkontrolle kann das Interesse der Sicherheit (zum Beispiel betreffend den Verkehr mit Verteidigungsgütern) maßgeblich sein. Der Ausnahmetatbestand der „Vorbereitung einer Entscheidung“ (Z 5) soll laufende behördliche und gerichtliche Verfahren (zum Beispiel strafrechtliche oder auch andere Ermittlungs-, Verwaltungs-, Gerichts- und Disziplinarverfahren) schützen. Er betrifft aber auch generelles, nichthoheitliches und nicht unbedingt formgebundenes zu schützendes Handeln, wie zum Beispiel laufende Prüfungen, Kontroll- oder Aufsichtstätigkeiten etwa des Rechnungshofes oder der Volksanwaltschaft oder vorbereitende Tätigkeiten von gesetzlichen beruflichen Vertretungen. Ein Schutz ist einerseits erforderlich, wenn ansonsten der Zweck bzw. der Erfolg des behördlichen Tätigwerdens vereitelt würde (zum Beispiel im Fall von Ermittlungsverfahren, unangekündigten behördlichen Kontrollen oder Prüfungsfragen im Bildungsbereich). Andererseits kann der Prozess der internen 5 Z 1; vgl. zum Beispiel Art. 37 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank. 6 Z 2; vgl. Art. 10 Abs. 2 MRK; der EGMR gesteht der nationalen Gesetzgebung einen weiten Gestaltungsspielraum zu (vgl. EGMR 3.2.2022, Šeks, BeschwNr. 39325/20).

Handbuch Informationsfreiheitsgesetz 9 von 51 Willensbildung des Organs zu schützen sein, wenn ansonsten die unabhängige und ungestörte Beratung und Entscheidungsfindung (zum Beispiel Abstimmung) beeinträchtigt würden. Der Schutz der Vertraulichkeit von Beratungen bzw. Entscheidungsfindungsprozessen (Abstimmungs- bzw. Beratungsgeheimnis) kann unter diesen Ausnahmetatbestand subsumiert werden7. Über Aufzeichnungen, die über die unmittelbare Willensbildung solcher Organe Aufschluss geben (wie Beratungs- oder Sitzungsprotokolle, Erledigungsentwürfe, persönliche Notizen in dem Zusammenhang), soll daher nicht zu informieren sein. Eine Geheimhaltung dieser Informationen kann auch, nachdem die Entscheidung getroffen wurde, noch notwendig sein, wenn nämlich ansonsten der Schutz umgangen oder die künftige Entscheidungsfindung beeinträchtigt würde8; unabhängig davon kommen nach der Entscheidung womöglich auch noch andere Geheimhaltungstatbestände in Frage. Ein Organ wird unter anderem dann „sonst tätig“, wenn es kein konkretes Einzelverfahren führt. Zur Auslegung des Begriffs der „Abwehr eines erheblichen wirtschaftlichen oder finanziellen Schadens“ (Z 6) kann die Bestimmung des § 118 Abs. 3 des Aktiengesetzes – AktG, BGBl. Nr. 98/1965, herangezogen werden. Danach darf eine Auskunft unter anderem dann verweigert werden, wenn diese „nach vernünftiger unternehmerischer Beurteilung geeignet ist, dem Unternehmen oder einem verbundenen Unternehmen [hier: auch den Organen, Gebietskörperschaften bzw. gesetzlichen beruflichen Vertretungen] einen erheblichen Nachteil zuzufügen“. Auch die Tätigkeit von „Unternehmungen“, die nicht ausgegliedert sind, sondern Wirtschaftskörper bilden, die Teil einer Gebietskörperschaft sind, können unter diese Ausnahme fallen; sofern eine Tätigkeit am Markt vorliegt, zählt auch die Wettbewerbsfähigkeit zum abzuwägenden, der Gebietskörperschaft nicht nur abstrakt drohenden wirtschaftlichen Schaden. Als „überwiegende berechtigte Interessen eines anderen“ (Z 7) sollen (verfassungs)gesetzlich geschützte private Interessen, die das Informationsinteresse überwiegen, gelten9. Dazu zählt primär das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten (lit. a). Eine Information über personenbezogene Daten soll demnach nur erteilt werden dürfen, wenn und soweit das schutzwürdige Interesse des bzw. der datenschutzrechtlich Betroffenen an der Geheimhaltung der Information das Informationsinteresse des Informationswerbers nicht überwiegt oder in die Datenverarbeitung (Information) eingewilligt wurde. Die gemäß Art. 23 Abs. 1 DSGVO geschützten Interessen können in die Interessenabwägung einfließen. Im Fall besonderer 7 zum öffentlichen Interesse des Schutzes der unabhängigen Willensbildung von Kollegialorganen vgl. VfSlg. 17.863/2006. 8 vgl. Wieser in: Korinek/Holoubek et al. [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht [4. Lfg. 2001], Art. 20 Abs. 3 B-VG Rz. 34. 9 vgl. den Schutz der „Rechte anderer“ gemäß dem Informationsgrundrecht gemäß Art. 10 Abs. 2 MRK und Art. 22a Abs. 2 B-VG.

Handbuch Informationsfreiheitsgesetz 10 von 51 Kategorien personenbezogener Daten sind die Vorgaben des Art. 9 DSGVO einzuhalten. Das Informationsinteresse des Informationswerbers wird in aller Regel gegenüber dem Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten eines Sachverständigen, Gutachters oder einer anderen, auf Grund ihrer Stellung im Verfahren vergleichbaren Person insoweit überwiegen, als der Name, ein akademischer Grad, die Berufs- oder Funktionsbezeichnung und die dienstlichen Kontaktdaten angegeben werden dürfen. Über den Namen, den (Amts-)Titel, einen akademischen Grad, die Funktion und die dienstlichen Kontaktdaten eines Bearbeiters der Information soll demnach zu informieren sein, soweit diese Daten Bestand der Information und Ausdruck bzw. Folge der amtlichen Tätigkeit sind und kein sonstiger Geheimhaltungsgrund überwiegt10. „Berufs-, Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse“ (lit. b), die zum Teil überdies in den Schutzbereich von Art. 8 EMRK fallen, sollen zu wahren sein, beispielsweise solche von ˜rzten, Rechtsanwälten und Angehörigen anderer freier Berufe sowie Unternehmungen. Betreffend die Information über die Vergabe öffentlicher Aufträge wäre jeweils insbesondere zu prüfen, inwieweit ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis zu wahren oder ein erheblicher wirtschaftlicher oder finanzieller Schaden hintanzuhalten (vgl. Z 6) ist. Das Grundrecht auf Privatleben (Art. 8 EMRK) kann als „überwiegendes berechtigtes Interesse eines anderen“ zum Beispiel im Rahmen von besonders sensiblen und grundrechtsrelevanten Regelungsmaterien wie etwa dem Recht der Kinder- und Jugendhilfe ein gesetzliche Verschwiegenheitspflichten rechtfertigendes Geheimhaltungsinteresse darstellen. Auch eigene geschützte Interessen der Informationspflichtigen selbst (etwa von Unternehmungen oder von juristischen Personen im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung) können als „Rechte anderer“ gelten und zu wahren sein. Das „Bankgeheimnis“ dient einerseits dem Schutz von Berufs-, Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (von Geschäftskunden und der Bank) und andererseits dem Schutz personenbezogener Daten und des Privatlebens privater Kunden. Mangels einer eindeutigen systematischen Zuordenbarkeit wurde es daher in einer eigenen Litera angeführt (lit. c). Das gemäß § 31 Abs. 1 MedienG geschützte „Redaktionsgeheimnis“ umfasst auch den Quellenschutz (lit. d). „Rechte am geistigen Eigentum“11 sollen bei der Informationserteilung ebenfalls zu achten sein (lit. e). Gemäß Abs. 2 sollen die Geheimhaltungsgründe auch nur für Teile einer (teilbaren) Information 10 vgl. betreffend das vorgesehene Informationsregister Art. 86 DSGVO, wonach eine Veröffentlichung auch personenbezogener Daten in amtlichen Dokumenten erfolgen kann, wenn dies gemäß dem nationalen Recht zulässig ist. 11 Urheberrechte, Patentrechte; vgl. deren grundrechtlichen Schutz gemäß Art. 1 1. ZPMRK; vgl. auch die entsprechende Ausnahme in § 6 Abs. 2 Z 5 des Umweltinformationsgesetzes – UIG, BGBl. Nr. 495/1993.
