2025-09-05-coi-cms-laenderinformationen-afghanistan-version-12-3379
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
■ AJ - Al Jazeera (20.6.2023): Afghanistan’s Taliban publicly executes man convicted of murder, https://www.aljazeera.com/news/2023/6/20/afghanistans-taliban-publicly-executes-man-convicted -of-murder, Zugriff 26.2.2024 ■ AP - Associated Press (20.6.2023): Taliban carry out 2nd known public execution since seizing power in Afghanistan, https://apnews.com/article/afghanistan-taliban-public-execution-f224fd940a8ce34 7bc89eb08f7d77325, Zugriff 26.2.2024 ■ BBC - British Broadcasting Corporation (7.12.2022): Murderer publicly executed by his victim’s father, Taliban say, https://www.bbc.com/news/world-asia-63884696, Zugriff 16.12.2022 ■ BBC - British Broadcasting Corporation (14.11.2022): Afghanistan: Taliban leader orders Sharia law punishments, https://www.bbc.com/news/world-asia-63624400, Zugriff 16.12.2022 ■ Guardian - The Guardian (14.11.2022): Afghan supreme leader orders full implementation of sharia law, https://www.theguardian.com/world/2022/nov/14/afghanistan-supreme-leader-orders-full-imp lementation-of-sharia-law-taliban , Zugriff 16.12.2022 ■ REU - Reuters (7.12.2022): Taliban publicly execute man accused of murder, in a first since takeover, https://www.reuters.com/world/middle-east/taliban-publicly-execute-man-accused-murder-senior-o fficials-attend-2022-12-07 , Zugriff 16.12.2022 ■ RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (7.12.2022): Taliban Holds First Public Execution In Afghanistan Since Retaking Power, https://www.rferl.org/a/taliban-holds-first-public-execution-afg hanistan/32165979.html, Zugriff 16.12.2022 ■ UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (8.5.2023): Corporal Punishment and the Death Penalty in Afghanistan, https://reliefweb.int/attachments/f937287a-5d85-4549-b171-ebf ca2999b90/hr_brief_on_cpdp_03052023-_english.pdf, Zugriff 16.1.2024 18 Religionsfreiheit Letzte Änderung 2024-04-05 14:09 Etwa 99 % der afghanischen Bevölkerung sind Muslime. Die Sunniten werden auf 80 bis 89,7 % und die Schiiten auf 7 bis 15% der Gesamtbevölkerung geschätzt (CIA 1.2.2024; vgl. AA 26.6.2023). Andere Glaubensgemeinschaften machen weniger als 0,3 % der Bevölkerung aus (CIA 1.2.2024; vgl. USDOS 15.5.2023). Die Zahl der Ahmadiyya-Muslime im Land geht in die Hunderte. Zuverlässige Schätzungen über die Gemeinschaften der Baha’i und der Christen sind nicht verfügbar. Es gibt eine geringe Anzahl von Anhängern anderer Religionen. Es gibt keine bekannten Juden im Land (USDOS 15.5.2023). Anhänger des Baha’i-Glaubens leben vor allem in Kabul und in einer kleinen Gemeinde in Kanda har. Im Mai 2007 befand der Oberste Gerichtshof, dass der Glaube der Baha’i eine Abweichung vom Islam und eine Form der Blasphemie sei. Auch wurden alle Muslime, die den Baha’i-Glau ben annehmen, zu Abtrünnigen erklärt. Internationalen Quellen zufolge leben Baha’is weiterhin in ständiger Angst vor Entdeckung und zögerten, ihre religiöse Identität preiszugeben (USDOS 15.5.2023). Sikhs sehen sich seit Langem Diskriminierungen im mehrheitlich muslimischen Afghanistan ausgesetzt (EUAA 23.3.2022; vgl. DW 8.9.2021). Als die Taliban im August 2021 nach dem Abzug der US-Truppen die Macht in der Hauptstadt wiedererlangt hatten, floh eine weitere Welle von Sikhs aus Afghanistan (EUAA 23.3.2022; vgl. TrI 12.11.2021). Nach der Machtübernahme gaben die Taliban öffentliche Erklärungen ab, wonach deren Rechte geschützt werden würden (EUAA 23.3.2022; vgl. USCIRF 3.2023, USDOS 15.5.2023). Trotz dieser Zusicherungen äußerten sich Sikh-Führer in Medienerklärungen im Namen ihrer Gemeinschaft jedoch besorgt über deren 94

Sicherheit (EUAA 23.3.2022; vgl. USDOS 15.5.2023). Berichten zufolge lebten mit Ende 2022 nur noch neun Sikhs und Hindu in Afghanistan (USDOS 15.5.2023). Die Möglichkeiten der konkreten Religionsausübung für Nicht-Muslime waren und sind durch gesellschaftliche Stigmatisierung, Sicherheitsbedenken und die spärliche Existenz von Gebets stätten extrem eingeschränkt (USCIRF 3.2023; vgl. AA 26.6.2023). Mit der rigorosen Durchset zung ihrer strengen Auslegung der Scharia gegenüber allen Afghanen verletzen die Taliban die Religions- und Glaubensfreiheit von religiösen Minderheiten (USCIRF 3.2023). Nominal haben die Taliban religiösen Minderheiten die Zusicherung gegeben, ihre Religion auch weiterhin aus üben zu können (USCIRF 3.2023; vgl. AA 26.6.2023); insbesondere der größten Minderheit, den überwiegend der schiitischen Konfession angehörigen Hazara. In der Praxis ist der Druck auf Nicht-Sunniten jedoch hoch und die Diskriminierung von Schiiten im Alltag verwurzelt (AA 26.6.2023). Trotz ständiger Versprechen, alle in Afghanistan lebenden ethnischen und religiösen Gemein schaften zu schützen, ist die Taliban-Regierung nicht in der Lage oder nicht willens, religiöse und ethnische Minderheiten vor radikaler islamistischer Gewalt zu schützen, insbesondere in Form von Angriffen der Gruppierung Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP) und Fraktionen der Taliban selbst (USCIRF 3.2023). In einigen Gebieten Afghanistans (unter anderem Kabul) haben die Taliban alle Männer zur Teilnahme an den Gebetsversammlungen in den Moscheen verpflichtet und/oder Geldstrafen gegen Einwohner verhängt, die nicht zu den Gebeten erschienen sind (RFE/RL 19.1.2022) bzw. gedroht, dass Männer, die nicht zum Gebet in die Moschee gehen, strafrechtlich verfolgt werden könnten (BAMF 10.1.2022; vgl. RFE/RL 19.1.2022). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.6.2023): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in Afghanistan - Lagefortschreibung - (Stand: Juni 2023), https://www.ec oi.net/en/document/2094871.html, Zugriff 9.8.2023 [Login erforderlich] ■ BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (10.1.2022): Briefing Notes, https: //www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/EN/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2022/briefi ngnotes-kw02-2022.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 16.12.2022 ■ CIA - Central Intelligence Agency [USA] (1.2.2024): Afghanistan - The World Factbook, https://www. cia.gov/the-world-factbook/countries/afghanistan/#people-and-society , Zugriff 7.2.2024 ■ DW - Deutsche Welle (8.9.2021): What Taliban rule means for Sikhs and Hindus, https://www.dw .com/en/afghanistan-what-does-taliban-rule-mean-for-sikhs-and-hindus/a-59122249 , Zugriff 15.12.2022 ■ EUAA - European Union Agency for Asylum (23.3.2022): Afghanistan - Situation of Sikhs, https: //www.ecoi.net/en/file/local/2070022/2022_03_23_EUAA_COI_Query_Response_AFGHANISTAN_ SIKH.pdf, Zugriff 15.12.2022 ■ RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (19.1.2022): Afghans Fear For Their Rights As Taliban Resurrects Religious Policing, https://www.rferl.org/a/afghanistan-taliban-religious-policing/316426 88.html, Zugriff 16.12.2022 ■ TrI - Tribune India, The (12.11.2021): Afghan Sikhs, Hindus among 104 airlifted, scriptures brought back, https://www.tribuneindia.com/news/nation/afghan-sikhs-hindus-among-104-airlifted-scripture s-brought-back-348846 , Zugriff 16.12.2022 ■ USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom [USA] (3.2023): Annual Report 2023, https://www.uscirf.gov/sites/default/files/2024-01/AR 2023.pdf, Zugriff 5.3.2024 95

■ USDOS - United States Department of State [USA] (15.5.2023): 2022 Report on International Reli gious Freedom: Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2091855.html, Zugriff 16.5.2023 18.1 Schiiten Letzte Änderung 2024-04-05 15:38 Gemäß Vertretern der Religionsgemeinschaft sind die Schiiten Afghanistans mehrheitlich Jaafari- Schiiten (Zwölfer-Schiiten), 90 % von ihnen gehören zur ethnischen Gruppe der Hazara. Unter den Schiiten gibt es auch Ismailiten (USDOS 15.5.2023). Trotz ständiger Versprechen, die Hazara zu schützen, kommt es immer wieder zu An griffen auf diese durch den Islamischen Staat Khorasan Provinz (ISKP) und Fraktionen der Taliban selbst (USCIRF 3.2023). Die Taliban haben der schiitischen Gemeinschaft auch untersagt, während des islami schen Neujahrsmonats Muharram religiöse Fahnen und Banner zu hissen, die üblichen Erfrischungsstände aufzustellen, in Konvois zu fahren und in öffentlichen Verkehrs mitteln Klagegedichte zu rezitieren (BAMF 31.12.2023; vgl. KaN 25.7.2023). Bereits im Jahr 2022 strich das Ministerium für Arbeit und Soziales der Taliban den Feiertag Aschura [Anm.: 10. Tag des Monats Muharram. An diesem Tag gedenken die Schii ten des Todes des für sie dritten Imams Husain in der Schlacht von Kerbela. Er gilt als Märtyrer, dessen Ermordung sowohl für Schiiten und Aleviten als auch generell in der Geschichte des Islam ein besonderes Ereignis bedeutet (Crisis 24 24.7.2023)] aus dem afghanischen Kalender. Diese Entscheidung der Taliban wurde von afghanischen Bürgern, insbesondere schiitischen, scharf kritisiert (Afintl 13.7.2023). Trotz der weitver breiteten Kritik und Verurteilung hat das Innenministerium der Taliban versichert, dass die Gruppe ernsthafte Maßnahmen ergriffen hat, um die Sicherheit bei den Trauerzere monien und Paraden während des Muharram-Festes zu gewährleisten (KaN 25.7.2023; vgl. Afintl 13.7.2023). Während einer Gedenkfeier zu Aschura im Jahr 2023 wurden in der Provinz Ghazni drei Menschen, darunter ein Kind, durch die Taliban getötet. Sechs weitere Menschen wurden dabei verletzt (AMU 29.7.2023; vgl. 8am 29.7.2023). Eine andere Quelle berichtet von vier Toten und bis zu 33 Verletzten. Das Gouverneursbüro der Taliban in Ghazni hat in einer Erklärung die Aschura-Teilnehmer als „ Randalierer“ bezeichnet und sie beschuldigt, die Sicherheit zu stören (KaN 31.7.2023). [Anm.: für weitere Information zu Hazara bzw. zu Angriffen auf Schiiten/Hazara sei auf das Kapitel „ Hazara“ verwiesen]. Quellen ■ 8am - Hasht-e Sobh (29.7.2023): Taliban Shooting Targets Shiites in Ghazni; Death Toll Reaches Four, https://8am.media/eng/taliban-shooting-targets-shiites-in-ghazni-death-toll-reaches-four , Zugriff 30.1.2024 ■ Afintl - Afghanistan International (13.7.2023): Taliban Imposes New Restrictions on Shia Practices Regarding Celebration of Muharram, https://www.afintl.com/en/202307133587, Zugriff 30.1.2024 ■ AMU - Amu Tv (29.7.2023): Three killed in Taliban gunfire during Ashura ceremony in Ghazni, https://amu.tv/58550, Zugriff 30.1.2024 96

■ BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (31.12.2023): Briefing Notes Zu sammenfassung: Afghanistan - Juli bis Dezember 2023, https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/app/nod es/29188455, Zugriff 22.1.2024 [Login erforderlich] ■ Crisis 24 - Crisis24 (24.7.2023): Increased security in place across Afghanistan for Shi’a observance of Ashura July 28. Disruptions…, https://crisis24.garda.com/alerts/2023/07/afghanistan-authorities-i ncreasing-security-nationwide-for-ashura-july-28 , Zugriff 7.3.2024 ■ KaN - Kabul Now (31.7.2023): Death toll of Taliban crack down on Ashura mourners rises, https: //kabulnow.com/2023/07/death-toll-of-taliban-crack-down-on-ashura-mourners-rises , Zugriff 30.1.2024 ■ KaN - Kabul Now (25.7.2023): Taliban’s strict restrictions on Muharram processions continue across Afghanistan, https://kabulnow.com/2023/07/talibans-strict-restrictions-on-muharram-processions-c ontinue-across-afghanistan, Zugriff 30.1.2024 ■ USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom [USA] (3.2023): Annual Report 2023, https://www.uscirf.gov/sites/default/files/2024-01/AR 2023.pdf, Zugriff 5.3.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (15.5.2023): 2022 Report on International Reli gious Freedom: Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2091855.html, Zugriff 16.5.2023 18.2 Apostasie, Blasphemie, Konversion Letzte Änderung 2024-04-05 14:10 Es liegen keine zuverlässigen Schätzungen zur Anzahl der Christen in Afghanistan vor (US DOS 15.5.2023), jedoch gibt es Schätzungen, wonach sich etwa 10.000 bis 12.000 Christen im Land befinden (USCIRF 8.2022; vgl. ICC 29.9.2021). Bereits vor der Machtübernahme der Taliban waren die Möglichkeiten der konkreten Religionsausübung für Nicht-Muslime durch gesellschaftliche Stigmatisierung, Sicherheitsbedenken und die spärliche Existenz von Gebets stätten extrem eingeschränkt (AA 26.6.2023). Nach Angaben der NGO International Christian Concern arbeiten die Taliban daran, das Christentum vollständig aus dem Land zu entfernen, und behaupten sogar, dass es in Afghanistan keine Christen gibt. Viele Christen sind in den Untergrund gegangen, aus Angst vor den Gerichten (ICC 12.7.2023) oder Hausdurchsuchungen der Taliban (USDOS 15.5.2023). Der Übertritt vom Islam zu einer anderen Religion ist nach der vor Gericht geltenden Hana fi-Rechtsschule Apostasie. Proselytenmacherei, also der Versuch, Muslime zu einer anderen Religion zu bekehren, ist nach der hanafitischen Rechtsschule, die vor Gericht gilt, ebenfalls illegal. Diejenigen, die der Proselytenmacherei beschuldigt werden, werden mit der gleichen Strafe belegt wie diejenigen, die vom Islam konvertieren. Auch Blasphemie, zu der unter an derem islamfeindliche Schriften oder Äußerungen gehören können, ist nach der hanafitischen Schule ein Kapitalverbrechen. Angeklagte Gotteslästerer, einschließlich Apostaten, haben drei Tage Zeit, um zu widerrufen, sonst droht ihnen der Tod, obwohl es nach der Scharia kein klares Verfahren für einen Widerruf gibt. Einige Hadithe (Aussprüche oder Überlieferungen des Pro pheten Muhammad, die als Quelle des islamischen Rechts dienen) empfehlen Gespräche und Verhandlungen mit einem Abtrünnigen, um ihn zum Widerruf zu bewegen (USDOS 15.5.2023). Vor der Machtübernahme durch die Taliban berichteten christliche Vertreter, dass die öffentli che Meinung, wie sie in den sozialen Medien und anderswo zum Ausdruck kam, Konvertiten zum Christentum und der Idee christlicher Missionierung weiterhin feindselig gegenüberstand. Sie berichteten von Druck und Drohungen, vor allem vonseiten der Familie, dem Christen tum abzuschwören und zum Islam zurückzukehren. Sie sagten, dass Christen aus Angst vor 97

gesellschaftlicher Diskriminierung und Verfolgung weiterhin allein oder in kleinen Gemeinden, manchmal mit zehn oder weniger Personen, in Privathäusern beteten. Die Daten, Zeiten und Orte dieser Gottesdienste wurden häufig geändert, um nicht entdeckt zu werden. Öffentliche christliche Kirchen gibt es weiterhin nicht. Nach der Machtübernahme durch die Taliban berich ten Christen über Razzien der Taliban in den Häusern christlicher Konvertiten, selbst nachdem diese aus dem Land geflohen oder ausgezogen waren. Christliche Quellen gaben an, dass die Machtübernahme durch die Taliban intolerante Verwandte ermutigt, ihnen Gewalt anzudro hen und die Konvertiten zu verraten, falls sie das Christentum weiter praktizierten (USDOS 2.6.2022). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.6.2023): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in Afghanistan - Lagefortschreibung - (Stand: Juni 2023), https://www.ec oi.net/en/document/2094871.html, Zugriff 9.8.2023 [Login erforderlich] ■ ICC - International Christian Concern (12.7.2023): Afghanistan’s Christians Fight to Survive Under the Taliban, https://www.persecution.org/2023/07/13/afghanistans-christians-fight-to-survive-under -the-taliban, Zugriff 5.3.2024 ■ ICC - International Christian Concern (29.9.2021): New Senate Bill Addresses Afghanistan Crisis - International Christian Concern, https://www.persecution.org/2021/09/29/new-senate-bill-address es-afghanistan-crisis, Zugriff 16.12.2022 ■ USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom [USA] (8.2022): Religious Freedom in Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2081302/2022 Afghanistan Update.pdf, Zugriff 16.12.2022 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (15.5.2023): 2022 Report on International Reli gious Freedom: Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2091855.html, Zugriff 16.5.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (2.6.2022): 2021 Report on International Religious Freedom: Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2073953.html, Zugriff 15.12.2022 19 Ethnische Gruppen Letzte Änderung 2025-01-14 15:59 In Afghanistan leben laut Schätzungen zwischen 34,3 (NSIA 4.2022) und 38,3 Millionen Men schen (8am 30.3.2022; vgl. CIA 1.2.2024). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (STDOK 7.2016; vgl. CIA 1.2.2024), da die Behörden des Landes nie eine nationale Volkszählung durchgeführt haben. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass keine der ethnischen Gruppen des Landes eine Mehrheit bildet, und die genauen prozentualen Anteile der einzelnen Gruppen an der Gesamtbevölkerung Schätzungen sind und oft stark politisiert werden (MRG 5.1.2022). Die größten Bevölkerungsgruppen sind Paschtunen (32-42 %), Tadschiken (ca. 27 %), Hazara (ca. 9-20 %) und Usbeken (ca. 9 %), gefolgt von Turkmenen und Belutschen (jeweils ca. 2 %) (AA 26.6.2023). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 20.3.2023a). Die Taliban gehören mehrheitlich der Gruppe der Paschtunen an. Seit der Machtübernahme der Taliban werden nicht-paschtunische Ethnien in staatlichen Stellen zunehmend marginalisiert. So 98

gibt es in der Taliban-Regierung z. B. nur wenige Vertreter der usbekischen und tadschikischen Minderheit sowie lediglich einen Vertreter der Hazara (AA 26.6.2023). Die Taliban haben wiederholt erklärt, alle Teile der afghanischen Gesellschaft zu akzeptieren und ihre Interessen berücksichtigen zu wollen. Aber selbst auf lokaler Ebene werden Minder heiten, mit Ausnahmen in ethnisch von Nicht-Paschtunen dominierten Gebieten vor allem im Norden, kaum für Positionen im Regierungsapparat berücksichtigt, da diese v. a. paschtuni schen Taliban-Mitgliedern vorbehalten sind. Darüber hinaus lässt sich keine klare, systematische Diskriminierung von Minderheiten durch die Taliban-Regierung feststellen, solange diese den Machtanspruch der Taliban akzeptieren (AA 26.6.2023). Quellen ■ 8am - Hasht-e Sobh (30.3.2022): NSIA Estimates Afghanistan’s Population 34.3 Million, https://8am. media/eng/nsia-estimates-afghanistans-population-34-3-million , Zugriff 19.12.2022 ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.6.2023): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in Afghanistan - Lagefortschreibung - (Stand: Juni 2023), https://www.ec oi.net/en/document/2094871.html, Zugriff 9.8.2023 [Login erforderlich] ■ CIA - Central Intelligence Agency [USA] (1.2.2024): Afghanistan - The World Factbook, https://www. cia.gov/the-world-factbook/countries/afghanistan/#people-and-society , Zugriff 7.2.2024 ■ MRG - Minority Rights Group (5.1.2022): Hazaras, https://minorityrights.org/minorities/hazaras , Zugriff 19.12.2022 ■ NSIA - National Statistic and Information Authority [Afghanistan] (4.2022): Estimated Population of Afghanistan 2022-2023, availiable in the archive of the Staatendokumentation [Estimated Population of Afghanistan 2022-2023, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf], https://cloud.staatendok umentation.at/index.php/apps/files/?dir=coi-cms-archive/9b/86&fileid=04439056o [liegt im Archiv der Staatendokumentation auf] ■ STDOK - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (7.2016): Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur, https://www.ecoi.net/en/file/local/1236701/90_14700577 16_afgh-stammes-und-clanstruktur-onlineversion-2016-07.pdf , Zugriff 19.12.2022 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023a): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2089060.html, Zugriff 15.5.2023 19.1 Paschtunen Letzte Änderung 2024-04-10 20:16 Ethnische Paschtunen sind mit ca. 42% der Gesamtbevölkerung die größte Ethnie Afghani stans (MRG 5.2.2021a; vgl. AA 26.6.2023). Sie sprechen Paschtu/Pashto; als Verkehrssprache sprechen viele auch Dari. Sie sind sunnitische Muslime und leben hauptsächlich im Süden und Osten des Landes (MRG 5.2.2021a; vgl. Print 21.9.2021). Sie teilen sich in zwei große Gruppen auf - Durrani und Gheljai (auch Ghilzai or Ghilzay) - und in weitere Untergruppen von mehr als hundert kleineren Stämmen. Die Durrani sind vor allem in den südlichen Provinzen des Landes wie Kandahar, Zabul, Helmand, Uruzgan, sowie verstreut in anderen Provinzen verbreitet, während die Gheljai eher in Provinzen wie Paktia, Logar, Khost, Paktika, Maidan Wardak und anderen anzutreffen sind (STDOK/VQ AFGH 4.2024). Traditionell waren die Pasch tunen nomadisierende oder halbnomadische Viehzüchter, Ackerbauern und Händler. Seit langer Zeit sind sie in Städten ansässig geworden, wo sie verschiedensten Tätigkeiten nachgehen. Paschtunische Stämme waren stets die militärische Stütze des afghanischen Königshauses 99

und wurden dafür mit einigen Privilegien (Steuervergünstigungen, weitgehende Autonomie in inneren Angelegenheiten u. a.) versehen (STDOK 1.7.2016). Bei den Paschtunen haben Familienstand, Stammeseinfluss, Besitz und Einfluss einen hohen Stellenwert. Ein hoher Anteil von Männern in paschtunischen Familien gilt als ein Zeichen der Stärke. Aufgrund der bedeutenden Rolle der Familie kann individuelles Fehlverhalten auch der Familie schaden und unschuldige Familienmitglieder zu Opfern machen. Die meisten Paschtu nen bevorzugen Ehen mit anderen Paschtunen und sind ggf. mit der Heirat von nahen Verwand ten einverstanden. Ehen zwischen Paschtunen und Mitgliedern anderer Ethnien wie Hazara, Usbeken oder Tadschiken sind selten (STDOK/VQ AFGH 4.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.6.2023): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in Afghanistan - Lagefortschreibung - (Stand: Juni 2023), https://www.ec oi.net/en/document/2094871.html, Zugriff 9.8.2023 [Login erforderlich] ■ MRG - Minority Rights Group (5.2.2021a): Pashtuns, https://minorityrights.org/minorities/pashtuns, Zugriff 19.12.2022 ■ Print - Print, The (21.9.2021): Who are Pashtuns? Afghan majority with countless tribes that Imran Khan got wrong, https://theprint.in/theprint-essential/who-are-pashtuns-afghan-majority-with-count less-tribes-that-imran-khan-got-wrong/737916/ , Zugriff 19.12.2022 ■ STDOK - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (1.7.2016): AfPak - Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur, https://www.ecoi.net/en/file/loc al/1236701/90_1470057716_afgh-stammes-und-clanstruktur-onlineversion-2016-07.pdf , Zugriff 23.1.2023 ■ STDOK/VQ AFGH - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Öster reich], Journalist aus Afghanistan [Vertrauliche Quelle 1] (4.2024): Themenbericht der Staatendoku mentation: Pashtuns and the Pashtunwali, https://www.ecoi.net/en/document/2106990.html, Zugriff 10.4.2024 19.1.1 Paschtunwali Letzte Änderung 2024-04-10 20:16 Die Sozialstruktur der Paschtunen basiert auf dem Paschtunwali-Kodex (oder Pukhtunwali-Ko dex) (MRG 5.2.2021a; vgl. STDOK/VQ AFGH 4.2024, STDOK 7.2016), der als Verhaltens- und Moralsystem angesehen werden kann. Obwohl die paschtunischen Stämme unterschiedliche Sitten und Gebräuche haben, ist der gemeinsame Nenner all dieser Stämme der Paschtunwali- Kodex, und alle Paschtunen sind verpflichtet, ihn zu befolgen. Paschtunwali umfasst bestimmte Verhaltensgrundsätze, die sich im Laufe der Geschichte herausgebildet haben und die von Generation zu Generation durch Jirgas, Volksversammlungen (Marakas) und traditionelle Er ziehung weitergegeben werden (STDOK/VQ AFGH 4.2024). Obwohl es nicht schriftlich nieder gelegt oder genau definiert ist, stellt es den Kern der sozialen Verhaltensregeln der Paschtunen dar (STDOK 1.7.2016). Die Einhaltung der Grundsätze des Paschtunwali sind den Paschtunen sehr wichtig, und jede Missachtung wird mit harten Strafen geahndet. Das Paschtunwali umfasst Verhaltensregeln, in denen Macht, Stolz und Ehre einen besonderen Platz einnehmen, und im Prinzip wird Macht eingesetzt, um Ehre und Stolz zu bewahren. Während die paschtunische Sprache eine hohe 100

Bedeutung hat, sind Dinge wie Alkohol, Glückspiel oder Ehebruch laut Paschtunwali verboten (STDOK/VQ AFGH 4.2024). Das Paschtunwali umfasst Verhaltensregeln, durch deren Umsetzung die Rechte des Einzelnen in gewisser Weise gesichert werden, z. B. die Achtung des Eigentums anderer, das Verbot der Vergewaltigung, die Bestrafung von Mördern, der Schutz der Dorfbewohner, die finanzielle Hilfe für arme Menschen sowie der Schutz gefährdeter Menschen. Doch gleichzeitig hat ein Teil der bestehenden Gesetze im Rahmen des Paschtunwali negative Auswirkungen und kann die soziale Stabilität bedrohen, wie z. B. Rache, Verbot der Ausbildung von Mädchen, Zwangsehe, Fortbestehen von Feindschaft über lange Zeit und damit einhergehende bewaffnete Auseinan dersetzungen (STDOK/VQ AFGH 4.2024). Obwohl die ehemalige afghanische Regierung in den zwanzig Jahren vor der Machtübernahme der Taliban 2021 zahlreiche Einrichtungen für den Zugang der Menschen zur Justiz und zu den Justizbehörden geschaffen hat, haben die Menschen aufgrund der unsicheren Lage in einigen Gebieten und der weitverbreiteten Korruption im Justizsystem kein Vertrauenin diese Behörden [Anmerkung: der ehemaligen Regierung] (STDOK/Nassery 4.2024). Vor allem in ländlichen Gebieten lösen Paschtunen Probleme und Streitigkeiten meist mit den Mechanismen des Paschtunwali (STDOK/VQ AFGH 4.2024). Auch wenn die Umsetzung des Paschtunwali und seiner speziellen Gesetze in den Zentren der Großstädte nachgelassen haben, so bedeutet dies jedoch nicht das völlige Verschwinden des Paschtunwali in diesen Regionen. Zwar sind Paschtunen in ländlicheren Gebieten generell eher gegen die (höhere) Bildung von Mädchen, während die Bewohner von größeren Städten dem eher offen gegenüber stehen. Andere Bereiche des Paschtunwali haben aber nach wie vor große Bedeutung für alle Paschtunen, auch jene die in den städtischen Zentren des Landes leben (STDOK/VQ AFGH 4.2024). Im Folgenden werden die wichtigsten Teile des Paschtunwali erörtert: Jirga und Maraka Jirgas und Marakas sind Versammlungen zwischen Ältesten der jeweiligen Gemeinschaften und den Konfliktparteien, um Streitigkeiten zu lösen, wobei Marakas eher bei kleineren Differenzen angewandt werden. Marakas werden auch abgehalten, um Freundschaften zu schließen und die Gemeinschaft zu fördern. Eine Jirga hat qualitativ und quantitativ einehöhere Wertigkeit als eine Maraka und wird angewandt, um größere Probleme und Konflikte (wie zum Beispiel Mord, Land- oder Ehestreitigkeiten) zu lösen. So ist die Loya Jirga beispielsweise die größte Jirga des Landes, die auch dafür genutzt wurde, die Verfassung der ehemaligen Regierung zu beschließen. Die Ältesten bzw. die Gelehrten der Gemeinschaft fungieren hierbei als Richter und entscheiden in den einzelnen Fällen, was Tage, aber auch Wochen oder Monate dauern kann (STDOK/VQ AFGH 4.2024: vgl. STDOK 1.7.2016). Ein afghanischer Journalist gab an, dass die Taliban seit ihrer Machtübernahme versuchen, den Jirga-Mechanismus unter die Verwaltung ihrer Regierung zu bekommen, um ethnische Konflik te zu lösen. Die Taliban versuchen hierbei, einen Waffenstillstand zu verhandeln, notfalls mit 101

Gewalt, um im Anschluss durch Gespräche und Vermittlung zwischen den Parteien im Rahmen einer Jirga Frieden zu schließen und den Konflikt beizulegen. So reisten Taliban-Regierungs beamte beispielsweise mehrfach in die Provinzen Khost, Paktia und Paktika, um Streitigkeiten im Rahmen von Jirgas zu lösen (STDOK/VQ AFGH 4.2024). Bad o Por (Blutpreis) Der Preis, um gewisse Feindschaften und Streitigkeiten zu lösen, nennt sich Bad o Por. Wenn eine Person, oder ein Mitglied einer Familie, die Rechte anderer verletzt oder gegen die Grund sätze des Paschtunwali verstößt, muss sie den Preis bzw. Bad o Por zahlen. Je nach Art und Bedeutung der Streitigkeit kommt es hierbei zur Zahlung eines Geldbetrages, der Ausrichtung eines Festes oder einer Entschuldigung. Bei größeren Streitigkeiten werden jedoch auch um strittene Handlungen wie das „ Verschenken“ von Frauen an die Gegenseite angewandt, um den Konflikt beizulegen (STDOK/VQ AFGH 4.2024). Vor allem Streitigkeiten, die die Ehre (der Familie) betreffen, sind sehr heikel. Dazu gehören beispielsweise das unerlaubte Fortlaufen eines Mädchens von zu Hause oder vorehelicher Geschlechtsverkehr. So erklärt ein paschtunischer Stammesältester, dass, wenn ein Mann mit einer Frau unerlaubt flieht, er zwei Möglichkeiten hat: Entweder er kehrt nie wieder zurück oder er zahlt Bad o Por. Hier muss im Rahmen einer Jirga entschieden werden, dass die Frau zu ihm gehört, und er muss den Vater des Mädchens auszahlen. Dann kann er der Ehemann der Frau werden. Die Frau hingegen wird aus ihrer Familie ausgestoßen und ihr wird auch das Erbrecht entzogen (STDOK/VQ AFGH 4.2024). Als die Taliban die Macht in Afghanistan übernahmen, wurde mittels speziellem Erlass die Zwangsverheiratung von Frauen (STDOK/VQ AFGH 4.2024; vgl. Independent 19.1.2024) und die Abgabe von Mädchen für Bad o Por verboten. Die Taliban fügten hinzu, dass Stämme, die sich nicht an diesen Erlass hielten, mit schweren Strafen belegt würden (STDOK/VQ AFGH 4.2024). Die Zwangsverheiratung von Mädchen zur Beilegung von Feindseligkeiten ist unter den Paschtunen in den Provinzen jedoch immer noch weit verbreitet (STDOK/VQ AFGH 4.2024; vgl. AA 26.6.2023, AI 7.8.2023). Badal (Vergeltung, Blutfehden) und Nanawatai (Abbitte leisten) Badal, bedeutet in Paschto „ Vergeltung“ und soll die Gerechtigkeit wiederherstellen oder an den Übeltätern Rache nehmen (STDOK 1.7.2016). Die Feindschaft zwischen Familien und Stämmen beginnt manchmal mit sehr kleinen Vorfällen und entwickelt sich schließlich zu einer großen Feindschaft. Zu diesen Fällen gehören beispielsweise verbale Auseinandersetzungen um Land, Spannungen um die Stammesführung oder körperliche Auseinandersetzungen zwischen den Jugendlichen zweier Stämme (STDOK/VQ AFGH 4.2024), die nach und nach größer und größer werden und Jahre oder auch Generationen andauern können (STDOK/VQ AFGH 4.2024; vgl. STDOK 1.7.2016). So führt ein paschtunischer Ältester aus, dass die Strafe für Mord der Tod ist, und dass sich daraus eine Feindschaft entwickeln kann, der Dutzende andere Menschen 102

zum Opfer fallen können. Feindseligkeiten können durch Jirgas (oder im Falle „ kleiner“ Strei tigkeiten durch Marakas) beendet werden und es kommt, wie bereits ausgeführt, weiterhin zur „ Schenkung“ von Frauen, um Feindseligkeiten zu beenden (STDOK/VQ AFGH 4.2024). Eine längere Blutfehde kann jedoch auch durch Versöhnung, genannt Nanawatai (Abbitte leisten) vermieden werden. Hinter Nanawatai steht der Gedanke, dass sich jemand seinem Gegner vollständig unterwirft und ausliefert, ihn um Verzeihung bittet und um den Erlass des Badal, das von ihm eingefordert werden soll. Wer Abbitte leistet, muss dann um jeden Preis geschützt werden. Außerdem muss Flüchtigen vor der Justiz Zuflucht gewährt werden, bis die Lage nach dem Paschtunwali entschieden ist. Nanawatai wird jedoch in Fällen von Namoos (Bewahrung der Keuschheit der Frauen) abgelehnt oder wenn jemand anderer als der Ehemann einer Frau beischlief (STDOK 1.7.2016). Gastfreundschaft (Mailmastia oder Melmastiya) und Schutz (Panah) Die paschtunische Kultur betrachtet den Gast als eine ehrenwerte und wichtige Person und be zeichnet ihn sogar als einen Freund Gottes. Mailmastia bedeutet allen Besuchern Gastfreund schaft und tief empfundenen Respekt entgegenzubringen, unabhängig von Rasse, Religion, nationaler Zugehörigkeit und wirtschaftlichem Status und ohne Erwartung einer Belohnung oder von Vorteilen. Die Paschtunen haben großen Respekt vor ihren Gästen und bemühen sich sehr, sie glücklich und zufrieden zu machen. In der paschtunwalischen Kultur wird dem Gast ein gutes Essen zubereitet, eine Unterkunft geboten und er darf nicht belästigt werden. Gast freundschaft spielt eine besondere Rolle, wenn es darum geht, Feindschaften zu überwinden, Freundschaften zu schließen und Stammesherausforderungen zu meistern. Mit einem Fest oder einer Bewirtung wollen die Familien ihre wirtschaftliche Stärke und ihr familiäres Können unter Beweis stellen. Wenn der Gast mit dem Essen, der Gastfreundschaft und der Unterstützung des Gastgebers zufrieden ist, ist der Gastgeber ebenso stolz und zufrieden (STDOK/VQ AFGH 4.2024; vgl. STDOK 1.7.2016). Die Paschtunen legen besonderen Wert auf Schutz und Sicherheit. Bei den Paschtunen ist es verboten, jemandem zu schaden, der bei einer Familie oder einem Stamm Zuflucht gesucht hat. Nachdem sie jemandem Zuflucht gewährt haben, halten die Paschtunen kleine Marakas ab, um über das Schicksal der Person zu entscheiden. Es sollte jedoch klargestellt werden, dass die Aufnahme einer Person, die ein Verbrechen wie Mord begangen hat, von den paschtunischen Stämmen nicht akzeptiert wird und dazu führt, dass der Asylsuchende nach einer kurzen Jirga wieder aus dem Stamm verstoßen wird (STDOK/VQ AFGH 4.2024). Anmerkung: Ausführliche Informationen zu Paschtunen und dem Paschtunwali können dem Themenbericht der Staatendokumentation: Pashtuns and the Pashtunwali und dem dem Dossier der Staatendokumentation (7.2016) entnommen werden. Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.6.2023): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in Afghanistan - Lagefortschreibung - (Stand: Juni 2023), https://www.ec oi.net/en/document/2094871.html, Zugriff 9.8.2023 [Login erforderlich] 103
