2025-09-05-coi-cms-laenderinformationen-afghanistan-version-12-3379
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
■ AI - Amnesty International (7.8.2023): Zukunft auf Null gesetzt, https://www.amnesty.de/informieren /amnesty-journal/deutschland-exil-afghanistan-frauenrechtlerin-bildung-soraya-sobhrang-zukunft -auf-null-gesetzt , Zugriff 1.9.2023 ■ Independent - Independent, The (19.1.2024): Afghan activists document forced marriages as Taliban chief says women have better rights under them, https://www.independent.co.uk/asia/south-asi a/taliban-afghanistan-women-forced-marriages-hibatullah-akhundzada-b2481426.html , Zugriff 15.3.2024 ■ MRG - Minority Rights Group (5.2.2021a): Pashtuns, https://minorityrights.org/minorities/pashtuns, Zugriff 19.12.2022 ■ STDOK - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (7.2016): Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur, https://www.ecoi.net/en/file/local/1236701/90_14700577 16_afgh-stammes-und-clanstruktur-onlineversion-2016-07.pdf , Zugriff 19.12.2022 ■ STDOK - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (1.7.2016): AfPak - Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur, https://www.ecoi.net/en/file/loc al/1236701/90_1470057716_afgh-stammes-und-clanstruktur-onlineversion-2016-07.pdf , Zugriff 23.1.2023 ■ STDOK/Nassery - Nassery, Idris (Autor), Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (Herausgeber) (4.2024): Themenbericht der Staatendokumentation: Afghan legal system under the Taliban, https://www.ecoi.net/en/document/2106982.html, Zugriff 10.4.2024 ■ STDOK/VQ AFGH - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Öster reich], Journalist aus Afghanistan [Vertrauliche Quelle 1] (4.2024): Themenbericht der Staatendoku mentation: Pashtuns and the Pashtunwali, https://www.ecoi.net/en/document/2106990.html, Zugriff 10.4.2024 19.2 Tadschiken Letzte Änderung 2024-03-28 12:44 Die Volksgruppe der Tadschiken ist die zweitgrößte Volksgruppe in Afghanistan. Sie machen etwa 27 bis 30 % der afghanischen Bevölkerung aus (MRG 5.2.2021b; vgl. AA 26.6.2023). Sie üben einen bedeutenden politischen Einfluss in Afghanistan aus und stellen den Großteil der afghanischen Elite, die über ein beträchtliches Vermögen innerhalb der Gemeinschaft verfügt. Während sie in der vor-sowjetischen Ära hauptsächlich in den Städten, in und um Kabul und in der bergigen Region Badakhshan im Nordosten siedelten, leben sie heute in verschiede nen Gebieten im ganzen Land, allerdings hauptsächlich im Norden, Nordosten und Westen Afghanistans (MRG 5.2.2021b). Als rein sesshaftes Volk kennen die Tadschiken im Gegensatz zu den Paschtunen keine Stam mesorganisation (MRG 5.2.2021b). Heute werden unter dem Terminus tājik - „Tadschike“ - fast alle Dari/persisch sprechenden Personen Afghanistans, mit Ausnahme der Hazara, zusammen gefasst (STDOK 7.2016). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.6.2023): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in Afghanistan - Lagefortschreibung - (Stand: Juni 2023), https://www.ec oi.net/en/document/2094871.html, Zugriff 9.8.2023 [Login erforderlich] ■ MRG - Minority Rights Group (5.2.2021b): Tajiks, https://minorityrights.org/minorities/tajiks, Zugriff 19.12.2022 ■ STDOK - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (7.2016): Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur, https://www.ecoi.net/en/file/local/1236701/90_14700577 16_afgh-stammes-und-clanstruktur-onlineversion-2016-07.pdf , Zugriff 19.12.2022 104

19.3 Hazara Letzte Änderung 2025-01-31 16:37 Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 9 bis 15 % der afghanischen Bevölkerung aus (AA 26.6.2023; vgl. BAMF 5.2022). Die Mehrheit der Hazara lebt im Hazarajat (oder „ Land der Hazara“) (MRG 5.1.2022; vgl. EB o.D., BAMF 5.2022), das im zerklüfteten zentralen Bergland Afghanistans liegt und eine Fläche von etwa 50.000 Quadratkilometern umfasst. Die Region erstreckt sich auf die Provinzen Bamyan und Daikundi sowie mehrere angrenzende Distrikte in den Provinzen Ghazni, Uruzgan, (Maidan) Wardak, Parwan, Baghlan, Samangan und Sar-e Pul. Es gibt auch sunnitische Hazara-Gemeinschaften in den Provinzen Badghis, Ghor, Kunduz, Baghlan, Panjsher und anderen Gebieten im Nordosten Afghanistans (MRG 5.1.2022). Eth nische Hazara sind mehrheitlich Zwölfer-Schiiten (JP o.D.; vgl. BAMF 5.2022), auch bekannt als Jaafari-Schiiten (USDOS 15.5.2023). Eine Minderheit der Hazara ist ismailitisch (USDOS 15.5.2023; vgl. MRG 5.1.2022). Ismailitische Hazara leben in den Provinzen Parwan, Baghlan und Bamyan. Darüber hinaus sind sowohl schiitische als auch sunnitische Hazara in erheblicher Zahl in mehreren städtischen Zentren Afghanistans vertreten, darunter Kabul, Mazar-e Sharif und Herat (MRG 5.1.2022). Die Taliban haben insbesondere den überwiegend der schiitischen Konfession angehörigen Hazara, die während des ersten Taliban-Regimes benachteiligt und teilweise verfolgt wurden, Zusicherungen gemacht (AA 26.6.2023). Dennoch berichtete AI (Amnesty International) bereits im Juli 2021 über die Tötung von neun Angehörigen der Hazara in der Provinz Ghazni, nachdem die Taliban dort die Kontrolle übernommen hatten (AI 19.8.2021; vgl. BBC 20.8.2021a), und im August 2021 sollen nach Angaben der NGO in der Provinz Daikundi 13 Angehörige der Hazara-Minderheit, darunter ein 17-jähriges Mädchen, von den Taliban getötet worden sein (AI 5.10.2021; vgl. BBC 5.10.2021). Es gibt weiters Berichte, dass Angehörige der Taliban beschuldigt werden, Zwangsumsiedlun gen, vor allem unter Angehörigen der schiitischen Hazara, vorzunehmen, um das Land unter ihren eigenen Anhängern aufzuteilen. Die Quellen verweisen auf Vertreibungen in Daikundi, Uruzgan, Kandahar, Helmand und Balkh (HRW 22.10.2021). In der Provinz Daikundi sollen im September 2021 ca. 400 Hazara-Familien gewaltsam von ihrem Land vertrieben worden sein. Laut Erkenntnissen der UN konnten die meisten mittlerweile wieder zurückkehren (AA 26.6.2023). In Helmand und Balkh wurden Anfang Oktober „ Hunderte von Hazara-Familien“, und in 14 Dörfern in Daikundi und Uruzgan im September mindestens 2.800 Hazara-Bewohner vertrieben (HRW 22.10.2021; vgl. USDOS 12.4.2022a). Nach Einschätzung von HRW beruht die Diskriminierung von Hazara bei illegaler Landnahme v. a. auf lokalen Konflikten, wird aber von der Taliban-Führung toleriert. Es gibt darüber hinaus weitere Berichte über lokale Diskrimi nierung, u. a. durch Enteignungen und besondere Besteuerung, die von der Taliban-Regierung mindestens geduldet wird (AA 26.6.2023). So kam es auch im Frühjahr 2022 dazu, dass Hazara ihre Häuser nach Streitigkeiten mit Nomaden verlassen mussten (AAN 11.1.2023). Am 2.9.2023 wurde berichtet, dass die Taliban Hazara in der Provinz Maidan Wardak befohlen haben, Kutschis eine Entschädigung für den Verlust ihres Viehs zu zahlen. Berichten zufolge 105

ist der Viehbestand der Kutschis vor einigen Jahren in dem Gebiet verschwunden. Auch hier wurde den Taliban Voreingenommenheit vorgeworfen (KaN 2.9.2023). Auch sind Hazara weiterhin besonders gefährdet, Opfer von Anschlägen des Islamischen Staats Khorasan Provinz (ISKP) zu werden (AA 26.6.2023: vgl. HRW 25.10.2021). So kam es auch im Jahr 2022 zu Angriffen des ISKP, welche auf Hazara abgezielt haben (AA 20.7.2022; vgl. UNGA 14.9.2022, HRW 12.1.2023). Beispielsweise wurden bei einem Anschlag auf eine schiitische Moschee in Mazar-e Sharif im April 2022 mindestens 31 Menschen getötet (UNGA 15.6.2022; vgl. PAN 23.4.2022). Am 24.1.2022 wurden bei einem ISKP-Anschlag im Hazara-Viertel Haji Abbas in Herat sieben Menschen getötet und zehn Weitere verletzt (8am 24.1.2022; vgl. REU 23.1.2022). Ebenso in Herat kam es am 1.4.2022 im Hazara-Viertel Jebrail zu einem Bombenanschlag, bei dem 12 junge Männer getötet und 25 weitere verletzt wurden (8am 6.4.2022; vgl. TN 24.1.2023). Mindestens 26 junge Hazara wurden bei zwei Angriffen auf Bildungseinrichtungen in Kabul am 19.4.2022 getötet (8am 20.10.2022; vgl. AN 19.4.2022). Acht Menschen wurden im August in Kabul getötet, als eine Bombe in der Nähe einer schiitischen Moschee explodierte (VOA 5.8.2022; vgl. REU 5.8.2022). Am 13.10.2023 kam es zum Freitagsgebet in der schiitischen Imam-Zaman-Moschee in der Hauptstadt Pul-e Khumri in Baghlan zu einer Explosion (Afintl 13.10.2023; vgl. RFE/ RL 14.10.2023). Berichten zufolge sollen bis zu 30 Personen getötet worden sein (BAMF 31.12.2023). Der ISKP bekannte sich zu der Tat (BAMF 31.12.2023; vgl. RFE/RL 14.10.2023). In einem mehrheitlich von Hazara bewohnten Viertel in Herat (BAMF 31.12.2023) wurden am 1.12.2023 bei einem Angriff unbekannter bewaffneter Personen mindestens sechs Menschen, darunter zwei Geistliche, getötet und drei weitere verwundet (KP 1.12.2023; vgl. PAN 1.12.2023). Berichten zufolge wurden in den letzten anderthalb Monaten mindestens vier Hazara-Kleriker oder religiöse Führer in Herat getötet (KP 1.12.2023). Zwischen Oktober 2023 und Jänner 2024 kam es zu einer Reihe von IED (Improvised Explosive Devices)-Angriffen im vornehmlich von Hazara besiedelten Distrikt Dasht-e Barchi, für die der ISKP die Verantwortung übernahm. So wurden am 26.10.2023 bei einem Angriff auf einen Sportklub mindestens vier Menschen getötet (FR24 27.10.2023; vgl. VOA 28.10.2023). Bei einem Angriff auf einen Minibus am 7.11.2023 wurden mindestens sieben Menschen getötet und etwa 20 verwundet (UNAMA 22.1.2024; vgl. TN 7.11.2023). Am 6.1.2024 kam es zu einer weiteren Explosion eines Minibusses (VOA 6.1.2024; vgl. RFE/RL 7.1.2024). Die Angaben zu den Opferzahlen schwanken, jedoch wurden nach Angaben von UNAMA mindestens 25 Menschen getötet oder verwundet (RFE/RL 7.1.2024; vgl. AP 7.1.2024). Quellen ■ 8am - Hasht-e Sobh (20.10.2022): Ethnic Cleansing: Hazaras in Afghanistan Are on the Verge of Extinction, https://8am.media/eng/ethnic-cleansing-hazaras-in-afghanistan-on-the-verge-of-extinct ion, Zugriff 24.1.2023 ■ 8am - Hasht-e Sobh (6.4.2022): The Death Toll of Explosion in Jibraiel Townhship, Anjil District, Herat Rises to Five, https://8am.media/eng/the-death-toll-of-explosion-in-jibraiel-townhship-anjil-distric t-herat-rises-to-five , Zugriff 24.1.2023 106

■ 8am - Hasht-e Sobh (24.1.2022): ISKP Claims Responsibility for a Deadly Attack in Herat, https: //8am.media/eng/iskp-claims-responsibility-for-a-deadly-attack-in-herat/ , Zugriff 22.12.2022 ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.6.2023): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in Afghanistan - Lagefortschreibung - (Stand: Juni 2023), https://www.ec oi.net/en/document/2094871.html, Zugriff 9.8.2023 [Login erforderlich] ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (20.7.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Afghanistan (Stand: 20.06.2022), https://www.ecoi.net/de/doku ment/2076733.html, Zugriff 14.12.2022 [Login erforderlich] ■ AAN - Afghanistan Analysts Network (11.1.2023): Conflict Management or Retribution? How the Taleban deal with land disputes between Kuchis and local communities, https://www.ecoi.net/en/do cument/2085566.html, Zugriff 18.1.2023 ■ Afintl - Afghanistan International (13.10.2023): Explosion Rocks Shia Mosque In Baghlan, https: //www.afintl.com/en/202310139901, Zugriff 31.1.2024 ■ AI - Amnesty International (5.10.2021): Afghanistan: Angehörige der Hazara von Taliban getötet, darunter ein 17-jähriges Mädchen, https://www.amnesty.at/news-events/afghanistan-angehoerige -der-hazara-von-taliban-getoetet-darunter-ein-17-jaehriges-maedchen/ , Zugriff 22.12.2022 ■ AI - Amnesty International (19.8.2021): Afghanistan: Taliban responsible for brutal massacre of Hazara men - new investigation, https://www.amnesty.org/en/latest/news/2021/08/afghanistan-talib an-responsible-for-brutal-massacre-of-hazara-men-new-investigation/ , Zugriff 22.12.2022 ■ AN - Arab News (19.4.2022): At least 6 dead after explosions hit Kabul schools, https://www.arabne ws.com/node/2066081/world, Zugriff 24.1.2023 ■ AP - Associated Press (7.1.2024): Islamic State group claims responsibility for a minibus explosion in Afghan capital that killed 5, https://apnews.com/article/islamic-state-claims-kabul-minibus-explo sion-8e99f158da8d0f53835c5592d74433e0, Zugriff 20.2.2024 ■ BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (31.12.2023): Briefing Notes Zu sammenfassung: Afghanistan - Juli bis Dezember 2023, https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/app/nod es/29188455, Zugriff 22.1.2024 [Login erforderlich] ■ BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (5.2022): Lage der Hazaras in Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2074186.html, Zugriff 24.1.2023 ■ BBC - British Broadcasting Corporation (5.10.2021): Afghanistan: Taliban unlawfully killed 13 ethnic Hazara people, Amnesty says, https://www.bbc.com/news/world-asia-58807734, Zugriff 24.1.2023 ■ BBC - British Broadcasting Corporation (20.8.2021a): Afghanistan: Taliban ’tortured and massacred’ men from Hazara minority, https://www.bbc.com/news/world-asia-58277463, Zugriff 7.9.2021 ■ EB - Encyclopaedia Britannica (o.D.): Hazara - Definition, Culture, History, Population, https://www. britannica.com/topic/Hazara, Zugriff 24.1.2023 ■ FR24 - France 24 (27.10.2023): Islamic State jihadist group claims deadly blast in Kabul sports club, https://www.france24.com/en/asia-pacific/20231027-islamic-state-jihadist-group-claims-deadly-bla st-in-kabul, Zugriff 31.1.2024 ■ HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Afghanistan, https://www.ecoi.net/e n/document/2085369.html, Zugriff 18.1.2023 ■ HRW - Human Rights Watch (25.10.2021): Afghanistan: Surge in Islamic State Attacks on Shia, https://www.hrw.org/node/380231/printable/print, Zugriff 24.1.2023 ■ HRW - Human Rights Watch (22.10.2021): Afghanistan: Taliban Forcibly Evict Minority Shia, https: //www.hrw.org/news/2021/10/22/afghanistan-taliban-forcibly-evict-minority-shia , Zugriff 24.1.2023 ■ JP - Joshua Projekt (o.D.): Hazara in Afghanistan Profile, https://joshuaproject.net/people_groups/ print/12076/AF, Zugriff 24.1.2023 ■ KaN - Kabul Now (2.9.2023): Taliban orders Hazaras to pay penalty to Kuchis for lost livestock – KabulNow, https://kabulnow.com/2023/09/taliban-orders-hazaras-to-pay-penalty-to-kuchis-for-los t-livestock, Zugriff 21.2.2024 ■ KP - Khaama Press (1.12.2023): 6 killed, 3 injured in attack on clerics in Herat, Afghanistan, https: //www.khaama.com/6-killed-3-injured-in-attack-on-clerics-in-herat-afghanistan , Zugriff 7.2.2024 ■ MRG - Minority Rights Group (5.1.2022): Hazaras, https://minorityrights.org/minorities/hazaras , Zugriff 19.12.2022 ■ PAN - Pajhwok Afghan News (1.12.2023): Clerics among 6 killed in Herat attack, https://pajhwok.co m/2023/12/01/women-and-clerics-among-six-people-were-killed-in-herat-city , Zugriff 7.2.2024 ■ PAN - Pajhwok Afghan News (23.4.2022): Last week deadliest since regime change last year, https: //pajhwok.com/2022/04/23/last-week-deadliest-since-regime-change-last-year/ , Zugriff 20.12.2022 107

■ REU - Reuters (5.8.2022): Blast in Kabul, Afghanistan kills 8; Islamic State claims responsibility, https: //www.reuters.com/world/asia-pacific/blast-hits-afghanistans-capital-kabul-official-2022-08-05 , Zugriff 17.1.2023 ■ REU - Reuters (23.1.2022): Islamic State claims responsibility for attack in Herat, Afghanistan, https://www.reuters.com/world/asia-pacific/islamic-state-claims-responsibility-attack-heart-afghani stan-2022-01-23/ , Zugriff 20.12.2022 ■ RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (7.1.2024): Islamic State Claims Responsibility For Deadly Minibus Blast In Kabul, https://www.rferl.org/a/afghanistan-kabul-bus-attack-islamic-state/3 2764607.html, Zugriff 20.2.2024 ■ RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (14.10.2023): Islamic State Claims Responsibility For Deadly Suicide Bombing At Mosque In Afghanistan, https://www.rferl.org/a/afghanistan-shiite-mos que-bombing-islamic-state-responsibility/32637481.html , Zugriff 31.1.2024 ■ TN - Tolonews (7.11.2023): 7 People Killed, 20 Wounded in Blast in Kabul, https://tolonews.com/ afghanistan-185928#:~:text=At least seven people were,have arrived in the area., Zugriff 20.2.2024 ■ TN - Tolonews (24.1.2023): Four Civilians Killed in Two Explosions in Herat, https://tolonews.com/a fghanistan-177387, Zugriff 24.1.2023 ■ UNAMA - United Nations Assistance Mission in Afghanistan (22.1.2024): Human rights situation in Afghanistan: October - December 2023 Update, https://unama.unmissions.org/sites/default/files/e nglish_hr_update_22jan_2024.pdf, Zugriff 20.2.2024 ■ UNGA - United Nations General Assembly (14.9.2022): The situation in Afghanistan and its implica tions for international peace and security, https://www.ecoi.net/en/file/local/2079419/N2259109.pdf, Zugriff 12.1.2023 ■ UNGA - United Nations General Assembly (15.6.2022): The situation in Afghanistan and its implica tions for international peace and security, https://www.ecoi.net/en/file/local/2074514/N2237309.pdf, Zugriff 4.1.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (15.5.2023): 2022 Report on International Reli gious Freedom: Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2091855.html, Zugriff 16.5.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022a): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Afghanistan, https://www.ecoi.net/en/document/2071122.html, Zugriff 15.12.2022 ■ VOA - Voice of America (6.1.2024): Bomb Hits Minibus in Kabul, Killing 2 Afghan Civilians, https: //www.voanews.com/a/bomb-hits-minibus-in-kabul-killing-2-afghan-civilians/7429329.html , Zugriff 20.2.2024 ■ VOA - Voice of America (28.10.2023): Islamic State Group Claims Deadly Blast in Kabul, https: //www.voanews.com/a/islamic-state-group-claims-deadly-blast-in-kabul-/7330748.html , Zugriff 31.1.2024 ■ VOA - Voice of America (5.8.2022): Islamic State Bombing Kills 8 Afghan Shiite Mourners in Kabul, https://www.voanews.com/a/taliban-bombing-hits-shiite-area-of-kabul/6688865.html , Zugriff 17.1.2023 19.4 Usbeken Letzte Änderung 2025-01-14 15:59 Die usbekische Minderheit ist die viertgrößte Minderheit Afghanistans und umfasst etwa 9% der Gesamtbevölkerung (MRG 5.2.2021d; vgl. AA 26.6.2023). Usbeken sind Sunniten und leben vorwiegend im Norden des Landes, wo sie gemeinsam mit den Turkmenen den größten Teil des landwirtschaftlich genutzten Bodens kontrollieren (MRG 5.2.2021d). Sie siedeln sowohl im ländlichen Raum, wie auch in urbanen Zentren (Mazar-e Sharif, Kabul, Kandahar, Lashkargah u. a.), wo ihre Wirtschafts- und Lebensformen kaum Unterschiede zu Dari-sprachigen Gruppen aufweisen. In den Städten und in vielen ländlichen Gegenden beherrschen Usbeken neben dem Usbekischen in der Regel auch Dari auf nahezu muttersprachlichem Niveau. Heiratsbeziehun gen zwischen Usbeken und Tadschiken sind keine Seltenheit (STDOK 7.2016). 108

Die Usbeken haben Stammesidentitäten, die immer noch weitgehend die Strukturen innerhalb ihrer jeweiligen Gesellschaft bestimmen, was sich sowohl in ihrem sozialen als auch in ihrem politischen Leben widerspiegelt (MRG 5.2.2021d). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (26.6.2023): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in Afghanistan - Lagefortschreibung - (Stand: Juni 2023), https://www.ec oi.net/en/document/2094871.html, Zugriff 9.8.2023 [Login erforderlich] ■ MRG - Minority Rights Group (5.2.2021d): Uzbeks and Turkmens, https://minorityrights.org/minorit ies/uzbeks-and-turkmens, Zugriff 19.12.2022 ■ STDOK - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (7.2016): Grundlagen der Stammes- & Clanstruktur, https://www.ecoi.net/en/file/local/1236701/90_14700577 16_afgh-stammes-und-clanstruktur-onlineversion-2016-07.pdf , Zugriff 19.12.2022 19.5 Kutschi-Nomaden Letzte Änderung 2025-01-14 15:59 Ethnisch gesehen ist der Großteil der Kutschi (persisch: „ Nomaden“) paschtunisch und stammt vorwiegend aus dem Süden und Osten Afghanistans (MRG 5.2.2021c). Sie sind eher eine so ziale Gruppe, obwohl sie einige Charakteristiken einer eigenen ethnischen Gruppe aufweisen. Während des ersten Taliban-Regimes wurden viele Kutschi in den usbekisch und tadschikisch dominierten Gebieten im Nordwesten des Landes sesshaft. Die größte Kutschi-Population findet sich in der Wüste im Süden des Landes (Registan) (MRG 5.2.2021c). Die rund 2,4 Millionen Kutschi-Nomaden ziehen im Winter traditionell aus Ost- und Zentralafghanistan, um ihre Her den in den Grenzgebieten Pakistans zu weiden (ANPK 19.2.2018; vgl. FAO 30.3.2022). Viele Kutschi leben in informellen Siedlungen am Stadtrand von Kabul (MRG 5.2.2021c). Sie züchten Vieh und verkaufen die Tiere und ihre Nebenprodukte an lokale Gemeinschaften, um ihren Le bensunterhalt zu sichern. Obwohl sie für die Ernährungssicherheit Afghanistans unverzichtbar sind, ist die Mehrheit der Kutschi arm und führt ein schwieriges Leben. COVID-19, Konflikte und politische Umwälzungen haben ihre Lebensgrundlagen stark beeinträchtigt (FAO 30.3.2022). In den vergangenen zwei Jahrzehnten kam es gelegentlich zu Zusammenstößen zwischen Kut schi und sesshaften Hazara-Bauern (RFE/RL 8.4.2021; vgl. NFF 20.12.2021, AAN 11.1.2023, KaN 2.9.2023), wobei jede Seite die andere für die Gewalt verantwortlich machte (RFE/RL 8.4.2021). Die Kutschi beanspruchen Rechte auf die Sommerweiden im Hazarajat, einer his torischen Region in Zentralafghanistan, welche die heutigen Provinzen Bamyan und Daikundi sowie Teile von Maidan Wardak, Ghazni, Uruzgan, Ghor, Sar-e Pul, Samangan und Parwan umfasst, was der Mittelpunkt des Konfliktes ist (AAN 11.1.2023). Solche Spannungen haben sich auch in anderen Teilen Afghanistans zugespitzt, wo die schnell wachsende sesshafte Bevöl kerung, die Nomaden als Eindringlinge betrachtet, die ihr Land und ihre Ressourcen bedrohen (RFE/RL 8.4.2021). So kam es beispielsweise im Sommer 2022 zu Zusammenstößen zwischen Einheimischen und Kutschi in der Provinz Takhar (AAN 11.1.2023). Die Taliban werden bei Landstreitigkeiten von vielen als Unterstützer der Kutschi und somit als Streitpartei und nicht als neutraler Vermittler angesehen (AAN 11.1.2023; vgl. KaN 2.9.2023). 109

So wurden in einem Landkonflikt zwischen Kutschi-Nomaden und der Bevölkerung des Distrikts Nawur, Provinz Ghazni,Anfang August 17 lokale Bewohner festgenom men, wobei den Taliban vorgeworfen wurde, parteiisch mit den Kutschi zu sein (BAMF 31.12.2023; vgl. KaN 1.8.2023). Berichten zufolge wurden die Festgenommenen ge schlagen und gefoltert (KaN 1.8.2023). Am 2.9.2023 wurde berichtet, dass die Taliban Hazara in der Provinz Maidan Wardak befohlen haben, Kutschi eine Entschädigung für den Verlust ihres Viehs zu zahlen. Berichten zufolge ist vor einigen Jahren in dem Gebiet der Viehbestand der Kutschi verschwunden. Auch hier wurde den Taliban Voreinge nommenheit vorgeworfen (KaN 2.9.2023). Quellen ■ AAN - Afghanistan Analysts Network (11.1.2023): Conflict Management or Retribution? How the Taleban deal with land disputes between Kuchis and local communities, https://www.ecoi.net/en/do cument/2085566.html, Zugriff 18.1.2023 ■ ANPK - Arab News Pakistan (19.2.2018): Afghan nomads trapped, hungry as Pakistan blocks access to grazing land, https://www.arabnews.pk/node/1249796/pakistan, Zugriff 19.12.2022 ■ BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (31.12.2023): Briefing Notes Zu sammenfassung: Afghanistan - Juli bis Dezember 2023, https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/app/nod es/29188455, Zugriff 22.1.2024 [Login erforderlich] ■ FAO - Food and Agriculture Organization of the United Nations (30.3.2022): Afghanistan: FAO supports Kuchi nomadic herding communities in southern Afghanistan with livestock protection packages, https://www.fao.org/emergencies/resources-repository/photo-collection/detail/fao-suppo rts-kuchi-nomadic-herding-communities-in-southern-afghanistan-with-livestock-protection-packa ges/en, Zugriff 19.12.2022 ■ KaN - Kabul Now (2.9.2023): Taliban orders Hazaras to pay penalty to Kuchis for lost livestock – KabulNow, https://kabulnow.com/2023/09/taliban-orders-hazaras-to-pay-penalty-to-kuchis-for-los t-livestock, Zugriff 21.2.2024 ■ KaN - Kabul Now (1.8.2023): Taliban detains 17 residents of Ghazni’s Nahur district over Kuchi dispute, https://kabulnow.com/2023/08/taliban-detains-17-residents-of-ghaznis-nahur-district-ove r-kuchi-dispute, Zugriff 30.1.2024 ■ MRG - Minority Rights Group (5.2.2021c): Kuchis, https://minorityrights.org/minorities/kuchis, Zugriff 19.12.2022 ■ NFF - Netzwerk Fluchtforschung (20.12.2021): Forced Displacement under the Taliban, also a Legacy of the Past (?), https://fluchtforschung.net/blogbeitraege/forced-displacement-under-the-taliban-als o-a-legacy-of-the-past , Zugriff 19.12.2022 ■ RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (8.4.2021): Afghan Nomads Mourn A Vanishing Way Of Life, https://www.rferl.org/a/afghan-nomads-mourn-a-vanishing-way-of-life/31192945.html , Zugriff 19.12.2022 20 Relevante Bevölkerungsgruppen 20.1 Frauen Letzte Änderung 2025-01-30 16:09 Bereits vor Machtübernahme der Taliban war die afghanische Regierung nicht willens oder in der Lage, die Frauenrechte in Afghanistan vollumfänglich umzusetzen, allerdings konnten Mädchen grundsätzlich Bildungseinrichtungen besuchen, Frauen studieren und weitgehend am Berufsleben teilnehmen, wenn auch nicht in allen Landesteilen gleichermaßen (AA 12.7.2024). Es gab eine Reihe von Gesetzen, Institutionen und Systemen, die sich mit den Rechten von Frauen und Mädchen in Afghanistan befassten. So hatte beispielsweise das Ministerium für 110

Frauenangelegenheiten mit seinen Büros in der Hauptstadt und in jeder der 34 Provinzen des Landes die Aufgabe, „ die gesetzlichen Rechte der Frauen zu sichern und zu erweitern und die Rechtsstaatlichkeit in ihrem Leben zu gewährleisten“ (AI 7.2022). In den letzten drei Jahren haben die Taliban Beschränkungen für Frauen eingeführt, die sie an der aktiven Teilnahme an der Gesellschaft hindern (AAN 8.2024; vgl. HRW 11.1.2024, IOM 22.2.2024). Rechte von Frauen und Mädchen auf Bildung, Arbeit und Bewegungsfreiheit wurden eingeschränkt (HRW 11.1.2024; vgl. IOM 22.2.2024, UNAMA 22.1.2024) sowie das System zum Schutz und zur Unterstützung von Frauen und Mädchen, die vor sexueller und / oder häuslicher Gewalt fliehen, zerstört (HRW 26.7.2023; vgl. AI 24.4.2024). Insbesondere das Taliban-Minis terium für die Verbreitung von Tugend und die Verhinderung von Lastern (MPVPV) und die entsprechenden Abteilungen auf Provinzebene übernehmen diese Durchsetzungsfunktion in Bezug auf Hidschab, Mahram (den „ Vormund“ einer Frau - ihren Vater, Ehemann oder Bruder) und andere Anforderungen an Frauen, indem sie öffentliche Orte, Büros und Bildungseinrichtun gen aufsuchen, Kontrollpunkte einrichten und die Einhaltung überwachen (UNAMA 22.1.2024). Darüber hinaus haben die Taliban Mechanismen zur Überwachung der Menschenrechte, wie die unabhängige afghanische Menschenrechtskommission, aufgelöst (AIHRC 26.5.2022; vgl. OH CHR 10.10.2022) und spezialisierte Gerichte für geschlechtsspezifische Gewalt und Unterstüt zungsdienste für die Opfer abgeschafft (OHCHR 10.10.2022; vgl. AI 24.4.2024). Kleidervorschriften Im Mai 2022 veröffentlichten die Taliban einen neuen Erlass, der eine strenge Kleiderordnung für Frauen festschreibt. Sie dürfen das Haus nicht „ ohne Not“ verlassen und müssen, wenn sie es dennoch tun, den sogenannten „ Scharia-Hijab“ tragen, bei dem das Gesicht ganz oder bis auf die Augen bedeckt ist. Die Anordnung macht den Mahram rechtlich verantwortlich für die Überwachung ihrer Kleidung, mit der Androhung, ihn zu bestrafen, wenn sie ohne Gesichts verschleierung aus dem Haus geht (AAN 15.6.2022; vgl. USIP 23.12.2022, HRW 12.1.2023). In Herat wurde im Juli 2023 die vermehrte Festnahme von Frauen gemeldet, die Kopftuch und Mantel anstatt Ganzkörperschleier trugen (BAMF 31.12.2023; vgl. KaN 22.7.2023, BNN 25.9.2023). Auch zu Beginn des Jahres 2024 wird berichtet, dass die Taliban weiterhin strenge Bekleidungsvorschriften für Frauen und Mädchen durchsetzen (RFE/RL 16.1.2024; vgl. UN AMA 22.1.2024). So gab es Anfang Januar 2024 Medienberichte über die Verhaftung mehrerer Frauen in Kabul (FR24 10.1.2024; vgl. AP 4.1.2024), weil sie den Hijab nicht ordnungsgemäß trugen (TN 6.1.2024). Auch aus den Provinzen Daikundi (UNAMA 11.1.2024; vgl. Rukhshana 21.1.2024), Mazar-e Sharif (Balkh) (RFE/RL 16.1.2024; vgl. Rukhshana 21.1.2024), Herat, Kun duz, Takhar (RFE/RL 16.1.2024), Bamyan und Ghazni wird von Verhaftungen von Frauen, in Zusammenhang mit Bekleidungsvorschriften, berichtet (Rukhshana 21.1.2024). Ein in Kabul arbeitender Anwalt gibt an, dass Mädchen nach islamischem Recht mit Beginn der Pubertät verpflichtet sind, ihren Körper zu bedecken, bzw. einen Hijab zu tragen, wobei keine Altersgrenze angegeben wird (RA KBL 4.12.2024). Auch nach Angaben von IOM ist kein bestimmtes Alter festgelegt, ab dem Mädchen einen Hijab oder einen Ganzkörperschleier tragen müssen, aber in der Praxis kann dies bereits im Alter von 6 bis 12 Jahren geschehen. Dies hängt 111

davon ab, wie konservativ die Familie ist und wann das Mädchen beginnt, eine Madrassa zu besuchen. Heutzutage wird in Schulen, wenn ein Kind im Alter von fünf oder sechs Jahren beginnt, durch die Uniform sichergestellt, dass der Kopf bedeckt ist, nicht aber das Gesicht (IOM 9.1.2025a). Bewegungsfreiheit Die Taliban schränken auch die Bewegungsfreiheit von Frauen und Mädchen zunehmend re pressiv ein. Zunächst ordneten sie an, dass Frauen und Mädchen auf Langstreckenreisen (mehr als 72 km) von einem Mahram begleitet werden müssen (Rukhshana 28.11.2022; vgl. AA 12.7.2024), wobei die Einschränkung, dass Frauen keine langen Strecken allein zurück legen dürfen, manchmal auch bei kürzeren Strecken als 72 km durchgesetzt wurde (UNGA 13.5.2024; vgl. HRW 12.2.2024). Wie ein afghanischer Forscher, der von der COI-Abteilung der schwedischen Migrationsbehörde befragt wurde, betonte, sind dieMahram-Bestimmungen schwer durchzusetzen, da es schwierig ist, zu wissen, welche Strecke eine Frau zurückgelegt hat oder zurücklegen möchte (Migrationsverket 16.4.2024). Im Jahr 2023 erklärte der Journalist Ali Latifi in einem Interview mit EUAA, dass die Beschränkung für Frauen, die im Inland reisen, uneinheitlich umgesetzt worden sei, und dass Tausende von Frauen sie ignoriert hätten und weiterhin allein oder mit anderen weiblichen Begleitpersonen täglich unterwegs seien. Er fügte hinzu, dass er zwar Frauen auf dem Weg nach Logar und Bamyan sowie in der Stadt Kabul ohne männlichen Vormund gesehen habe, aber auch von Frauen wisse, die nach Mazar-e Sharif reisten und Probleme hatten, als sie versuchten, ohne männlichen Vormund nach Kabul zurückzukehren. Ein weiterer Vorfall ereignete sich in Bamyan, wo einer Gruppe von Frauen kein Hotelzimmer gegeben wurde, weil sie nicht begleitet waren (EUAA 1.11.2024). Auch be suchten Beamte des MPVPV am 26.12.2023 beispielsweise in Kandahar einen Busbahnhof, um sicherzustellen, dass Frauen keine langen Strecken ohne Mahram zurücklegen, und wiesen die Busfahrer an, dass sie Frauen ohne Mahram nicht an Bord lassen sollten (UNAMA 22.1.2024). Nach der Rolle und Tätigkeit eines Mahrams gefragt, führt der afghanische Analyst aus, dass Frauen für Reisen, die länger als 57 km sind, jedenfalls eine männliche Begleitung in Form eines Mahrams benötigen. Eine Fahrt von Kabul nach Herat ist deshalb für eine Frau in der Regel alleine nicht möglich. Auch sollen Frauen und Männer (die kein Mahram sind) nicht im privaten oder semi-privaten Bereich alleine sein. Demnach darf eine Frau nicht alleine in einem Taxi mit einem männlichen Fahrer sitzen und Geschäftsfrauen berichten beispielsweise von Problemen mit den Taliban, wenn sie alleine in einem Taxi angetroffen wurden. Dies führt zu Problemen bei der Bewegungsfreiheit von Frauen auch bei kürzeren Distanzen aufgrund des Mangels an öffentlichen Verkehrmitteln (VQ AFGH 3 1.10.2024). Darüber hinaus wurde Frauen und Mädchen der Zugang zu öffentlichen Räumen wie öffent lichen Badehäusern (Hammams) (AAN 17.8.2023; vgl. Guardian 19.10.2022), Fitnessstudios und Parks verwehrt (AI 24.4.2024; vgl. AAN 17.8.2023), während beispielsweise in Herat und anderen Provinzen zusätzliche Beschränkungen eingeführt wurden, wie z. B. das Verbot für alleinstehende Frauen, Restaurants zu besuchen (AI 24.4.2024). Frauen und Mädchen erklärten 112

gegenüber Amnesty International, dass angesichts der zahlreichen und sich ständig weiterent wickelnden Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit jedes Auftreten in der Öffentlichkeit ohne einen Mahram ein ernsthaftes Risiko darstelle. Sie sagten auch, dass die Mahram-Anforde rungen ihr tägliches Leben fast unmöglich machten (AI 7.2022; vgl. Rukhshana 28.11.2022). Die zunehmende Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Frauen hat ihre Möglichkeiten, Zugang zu medizinischer Versorgung und Bildung zu erhalten, ihren Lebensunterhalt zu verdie nen, Schutz zu suchen und Gewaltsituationen zu entkommen, erheblich beeinträchtigt (OHCHR 10.10.2022; vgl. IOM 22.2.2024). Moralgesetz Sommer 2024 Im August 2024 erließ der oberste Führer der Taliban ein „ Moralgesetz“, das unter anderem vorschreibt, dass Frauen ihren gesamten Körper bedecken sollen, einschließlich des Gesichtes, um eine Fitna [Anm.: soziale Unordnung oder Chaos, das zu Sünde führen kann] zu verhindern. Es liegt in der Verantwortung der Frauen, ihren Körper und ihr Gesicht vor Männern zu verber gen, die nicht ihre Mahram sind. Des Weiteren sollen Frauen in der Öffentlichkeit nicht singen, einen Vortrag halten oder ihre Stimme erheben. Das MPVPV soll außerdem sicherstellen, dass Mitarbeiter und Fahrer von Nutzfahrzeugen bzw. Taxis keine unbedeckten oder unbegleiteten Frauen transportieren oder Frauen erlauben, sich zu einem unbekannten Mann zu setzen (AAN 8.2024). In zwei Interviews, durchgeführt von EUAA in Kooperation mit dem schwedischen Migrationsamt (Migrationsverket), der Staatendokumentation (VQ AFGH 2 12.9.2024) und Landinfo (VQ AFGH 3 1.10.2024) wurden ein afghanischer Forscher im September 2024 (VQ AFGH 2 12.9.2024) und ein afghanischer Analyst im Oktober 2024 (VQ AFGH 3 1.10.2024) zu diesen neuen Regeln befragt. Beide gaben an, dass viele der in dem neuen Gesetz enthaltenen Passagen bereits zuvor von den Taliban empfohlen bzw. praktiziert wurden (VQ AFGH 3 1.10.2024; vgl. VQ AFGH 2 12.9.2024). Nach Angaben des Analysten kam es nach Verlautbarung des Gesetzes zu stärkeren Kontrollen durch das MPVPV in Kabul. Dies vor allem zu gewissen Anlässen, wie während des Besuchs von Haibatullah Akhundzada in Kabul letztes Jahr, während es zu anderen Zeiten weniger Kontrollen geben würde (VQ AFGH 3 1.10.2024). Betreffend das Verbot für Frauen, in der Öffentlichkeit zu sprechen, führte der Analyst aus, dass es hier seiner Meinung nach nicht bedeutet, dass Frauen in der Öffentlichkeit kein Wort sagen dürfen, sondern darum, ihnen nicht zu erlauben, öffentlich Reden zu halten oder religiöse Texte zu rezitieren (VQ AFGH 3 1.10.2024), wobei die Direktorin der Iranian and Kurdish Women’s Rights Organisation (IKWRO), gegenüber New Arab erklärte, dass sich das Gesetz auf Frauen bezieht, die in der Öffentlichkeit sprechen, singen und laut vorlesen (TNA 29.8.2024). Sowohl der Analyst als auch der Forscher gaben an, dass bei der Durchsetzung der Scharia- Gesetze viele Unterschiede je nach Region wahrzunehmen sind (VQ AFGH 2 12.9.2024; vgl. VQ AFGH 3 1.10.2024). Nach Angaben des Forschers wird beispielsweise das Tragen einer Burka in Kandahar deutlich stärker durchgesetzt als beispielsweise in Jalalabad oder Herat. Es ist generell so, dass in Gegenden, wo eher reichere Leute leben, die Regeln (zumindest 113
