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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Amayesh-Karteninhaber sowie durch den headcount registrierte Afghanen sind in ihrer Bewe gungsfreiheit im Land eingeschränkt (IOM 11.4.2024; vgl. UNHCR o.D.c, UNHCR 3.8.2022). Die Aufenthaltstitel sind an bestimmte Provinzen gebunden, die nicht ohne Genehmigung verlas sen werden dürfen. Inhaber von Amayesh-Karten oder headcount slips können sich auch nicht in einer anderen Provinz als der, in der sie registriert sind, für staatliche Leistungen wie zum Beispiel den Schulbesuch anmelden. Darüber hinaus sind 16 Provinzen [Anm.: von insg. 31] Betretungsverbotszonen für Afghanen (IOM 11.4.2024). Letzteres hat nach einer Ankündigung des BAFIA-Büros in Kermanshah Medienaufmerksamkeit erhalten (IOM 11.4.2024; vgl. RFE/ RL 4.12.2023, IRINTL 3.12.2023), allerdings ist diese Praxis laut Regierungsangaben nicht neu. Manche Provinzen, wie zum Beispiel Sistan und Belutschistan, sind seit langem Verbotszonen für afghanische Staatsbürger (IOM 11.4.2024). Besitzer gültiger Aufenthaltsvisa (Asghari/RLI 3.2024; vgl. IOM 4.5.2022), wie z. B. Studienvisa, können sich frei im Land bewegen (IOM 11.4.2024), so es sich dabei nicht um Verbotszonen für Ausländer handelt. Mit einem Aufent haltsvisum ist außerdem eine Reise ins Ausland möglich. Inhaber von Amayesh-Karten können das Land nicht verlassen, da sie ihren Status sonst verlieren (Asghari/RLI 3.2024). Die iranischen Behörden arbeiten mit UNHCR zusammen, um Flüchtlingen, aus Iran nach Afgha nistan zurückkehrenden Flüchtlingen, Asylwerbern und anderen Personen Hilfe bereitzustellen (USDOS 20.3.2023b), vor allem in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Lebensunterhalt (UNHCR 9.1.2024). Internationale Organisationen wie UNHCR und NGOs bestätigen, dass Iran afghanische Flüchtlinge einerseits in den vergangenen Jahren sehr großzügig aufgenom men und behandelt, andererseits aber sehr wenig internationale Unterstützung erhalten hat (ÖB Teheran 11.2021; vgl. IOM 11.4.2024). Von iranischer Seite gibt es einige NGOs, die sich um afghanische Flüchtlinge kümmern. Die iranischen Behörden haben den Spielraum dieser unabhängigen Organisationen in den letzten Jahren allerdings eingeschränkt (SEM 30.3.2022). Bildungswesen Seit 2015 haben afghanische Kinder Zugang zu kostenloser Bildung bis zum Ende der Ober stufe (IOM 11.4.2024; vgl. ÖB Teheran 11.2021). Afghanen mit Papieren können sich direkt bei den Schulen einschreiben. Der Zugang ist für Inhaber von Amayesh-Karten und headcount slips gewährleistet. Afghanen ohne Papiere haben formell Zugang zu Grund- und weiterfüh renden Schulen mit einigen Einschränkungen (zwei Jahre Wohnsitznachweis), in der Praxis ist der Zugang jedoch schwierig (IOM 11.4.2024). Sie können sich mit einer speziellen „ Bil dungsschutzkarte“ oder blue card an Schulen anmelden, die vom BAFIA ausschließlich für die Einschreibung an Schulen in einer bestimmten Provinz ausgestellt wird. Diese ist jeweils für ein Jahr gültig (UNHCR o.D.a). Während es ursprünglich vergleichsweise einfach war, eine blue card zu erhalten, ist dies nach Angaben eines Aktivisten für Flüchtlingsrechte in Iran zunehmend schwieriger geworden und blue cards werden vor allem für Afghanen ausgestellt, die vor 2021 ins Land gekommen sind (MMC 3.2023). Auch finden nicht alle Kinder einen Schulplatz, etwa weil erschwingliche Transportmöglichkeiten fehlen, die Kinder illegal arbeiten geschickt werden, die allgemeine Einschreibegebühr von umgerechnet 60 USD zu hoch ist, oder Eltern iranischer Kinder gegen die Aufnahme von afghanischen Kindern sind (ÖB Teheran 11.2021). 159

Flüchtlingskinder lernen Seite an Seite mit ihren iranischen Klassenkameraden nach dem irani schen Lehrplan. Es gibt einige von der afghanischen Gemeinschaft betriebene Schulen, in denen in Dari oder anderen in Afghanistan gesprochenen Sprachen unterrichtet wird. Diese Schulen sind mittlerweile anerkannt, nachdem sie zuvor regelmäßig von den Behörden geschlossen wurden (ACCORD 4.5.2020). Bildung auf höherem Niveau ist nur für Inhaber eines Visums zugänglich. Inhaber einer Amayesh- Karte und Migranten ohne Registrierung können sich nicht für ein Hochschulstudium oder eine Berufsausbildung einschreiben (IOM 4.5.2022; vgl. IOM 11.4.2024). Um an einer Universität zu studieren, müssen Inhaber einer Amayesh-Karte und Inhaber einer Aufenthaltsgenehmigung ihren Status aufheben, das Land verlassen und erneut ein Visum für die Ausbildung beantra gen, um nach Iran einzureisen (IOM 4.5.2022; vgl. IOM 11.4.2024, TN 20.2.2023), bzw. ist eine Visumsbeantragung auch auf der Insel Kish in Südiran möglich (UNHCR 1.12.2023; vgl. UNHCR 26.10.2021). Nach Studienabschluss kann der Amayesh-Status nicht wiedererlangt werden. Ehemalige Amayesh-Kartenbesitzer können dann um eine jährlich zu verlängernde Aufenthaltsbewilligung ansuchen, die i.d.R. verlängert wird, solange die Antragsteller in Iran leben. Da es sich dabei um ein Dekret handelt, kann sich dies in der Zukunft allerdings auch ändern (Asghari/RLI 3.2024). Gesundheitswesen Medizinische Grundversorgung ist für alle Menschen in Iran gratis zugänglich, nicht registrier te Flüchtlinge haben jedoch oft Angst, abgeschoben zu werden, und nehmen diese nicht in Anspruch (ÖB Teheran 11.2021; vgl. Eurac 3.7.2023). Der Zugang zur staatlichen Krankenver sicherung ist hingegen abhängig vom konkreten Aufenthaltsstatus (SEM 30.3.2022). Seit 2016 können sich alle registrierten Flüchtlinge [Anm.: Inhaber einer Amayesh-Karte] zur staatlichen Krankenversicherung anmelden, müssen allerdings eine Gebühr zahlen, die sich viele nicht leisten können. UNHCR zahlt diese Gebühr für die vulnerabelsten Flüchtlinge (ÖB Teheran 11.2021). Inhaber der Amayesh-Karte sind über das von UNHCR unterstützte Versicherungs system krankenversichert, Visuminhaber meist über eine Beschäftigung bei einer iranischen Organisation oder einem Unternehmen. Das mit der Smart ID-Karte verbundene Investitions programm, an dem Inhaber von Amayesh-Karten und headcount slips teilnehmen können, soll eine Krankenversicherung beinhalten. Migranten ohne Papiere haben keinen Zugang zu einer Krankenversicherung, und wenn sie eine Gesundheitseinrichtung aufsuchen wollen, müssen sie alle Kosten selbst tragen. Es gibt keine ausreichenden Kapazitäten von NGOs, um Migranten ohne Aufenthaltstitel bei der Deckung medizinischer Kosten zu unterstützen. Lediglich bei den Grundkosten kann UNHCR teilweise helfen. Inhaber von headcount slips können in Ausnah mefällen bei schweren Fällen wie Krebs, Nierenversagen/Dialyse Zugang zu medizinischen Leistungen erhalten. Die Universelle Öffentliche Krankenversicherung (Universal Public He alth Insurance, UPHI), eine der nationalen Krankenversicherungen in Iran, ist die am besten zugängliche Versicherung für in Iran lebende Afghanen. Sie deckt jedoch nicht die gesamten Behandlungs- und Medikamentenkosten ab (IOM 11.4.2024). Arbeitsmöglichkeiten 160

Amayesh-registrierte Afghanen [Anm.: Hier sind nur Männer gemeint] im Alter von 18 bis 60 Jahren müssen um eine Arbeitserlaubnis ansuchen, um legal in Iran arbeiten zu dürfen (IOM 11.4.2024). Die Arbeitsgenehmigung wird gemeinsam mit der Amayesh-Verlängerung beantragt (Diaran 25.7.2022). Amayesh-registrierte Frauen können keine offizielle Arbeitserlaubnis in Iran beantragen, aber in der Praxis arbeiten auch einige afghanische Frauen, oft zu Hause (Migra tionsverket 10.4.2018). Bei Erhalt einer Smart ID-Karte müssen Inhaber von Amayesh-Karten und headcount slips separat für eine Arbeitserlaubnis bezahlen. Die Kosten für ein Arbeitsvisum in Iran belaufen sich auf neun Mio. IRR (197,12 EUR) bei erstmaligem Erhalt, bei Verlängerung acht Mio. IRR (175,21 EUR). Das mit der Smart ID-Karte verbundene Investitionsprogramm soll eine Sozialversicherung beinhalten (IOM 11.4.2024). Der headcount slip alleine enthält keine Arbeitserlaubnis (Asghari/RLI 3.2024). Die meisten Afghanen arbeiten im informellen Sektor (IOM 11.4.2024) und gehen eher schlecht bezahlten Tätigkeiten nach (am Bau, Reinigung/Müllabfuhr oder in der Landwirtschaft), die offiziell versicherungspflichtig sind (AA 30.11.2022). Selbst mit einer Arbeitserlaubnis können Afghanen nur in bestimmten, vorher festgelegten Arbeitsbereichen wie Bauwesen, Reinigung usw. arbeiten. Es gibt keine offizielle Bekanntgabe dieser Arbeitsbereiche. Dies wird in der Regel durch interne Richtlinien des Arbeitsministeriums bekannt gegeben. Die afghanische Bevölkerung in Iran hat meist keinen Zugang zu qualifizierter Arbeit. Wenn qualifizierte Ausländer jedoch ein Arbeitsvisum beantragen und es erhalten, können sie in ihrem jeweiligen Bereich arbeiten (IOM 11.4.2024). Zugang zu Wohnraum Nach iranischem Recht ist es Ausländern nicht gestattet, unbewegliches Eigentum wie Grund stücke und Gebäude zu besitzen, es sei denn, es gelten ganz besondere Bedingungen und Ver einbarungen zwischen Iran und anderen Ländern. Legale Migranten und Inhaber einer Amayesh- Karte können Geschäftsräume und Wohnungen zu Wohnzwecken mieten. Es ist verboten, Im mobilien an Migranten ohne Papiere zu vermieten (IOM 11.4.2024). Die Wohnungskosten stellen einen der größten Ausgabenposten für Afghanen in Iran dar. Bei der Anmietung eines Hauses wird eine Kaution an den Besitzer bezahlt, und je größer die Kaution, die hinterlegt werden kann, desto billiger werden die Mietkosten (Migrationsverket 10.4.2018). Nach Angaben des UNHCR wohnen trotzdem nur etwa sechs Prozent der Afghanen in Iran in Lagern, während die überwiegende Mehrheit unter der iranischen Bevölkerung lebt (AJ 12.6.2022). Es gibt offiziell ausgewiesene Siedlungen, meist in abgelegenen Gebieten, die in Iran „ Gaststädte“ heißen und in denen rund drei Prozent der Amayesh-Karteninhaber leben (Asghari/RLI 3.2024). Zugang zu afghanischen Dokumenten, Heirat und Staatsbürgerschaft von Kindern Nach Angaben des UNHCR Iran konnten sich afghanische Staatsangehörige mit Wohnsitz in Iran früher an die afghanische Botschaft in Teheran oder das Konsulat in Mashhad wenden, um sich beraten zu lassen und Unterstützung bei der Beschaffung von Ausweispapieren zu erhalten, wenn die Person keine Tazkira und/oder keinen gültigen Reisepass besaß. Dies hat sich jedoch nach der Machtübernahme der Taliban in der Praxis geändert. Laut IOM Teheran kann die Botschaft der afghanischen De-facto-Behörden in Teheran keine Tazkira ausstellen, 161

es ist nur möglich, eine Tazkira in Afghanistan zu erhalten. Verwandte väterlicherseits, die sich in Afghanistan aufhalten, können die Tazkira im Namen des Migranten entgegennehmen. Für die Ausstellung eines Reisepasses innerhalb Irans ist in Teheran, Mashhad und Zahedan eine Tazkira zusammen mit einer iranischen Aufenthaltsgenehmigung erforderlich. Die Pässe wer den in Afghanistan gedruckt, und das gesamte Verfahren dauert etwa zwei Monate. Diejenigen, die keine Tazkira und keine Verwandten väterlicherseits haben, müssen nach Afghanistan zu rückkehren, um eine Tazkira zu erhalten, oder sie müssen das Land mit einem Laissez-Passer verlassen (IOM 11.4.2024). Afghanische Staatsangehörige können unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus in Iran heiraten, sofern sie ein gültiges Ausweisdokument besitzen. Ihre Ehe unterliegt den afghanischen Geset zen und wird bei der afghanischen Botschaft registriert (IOM 4.5.2022). Hochzeiten zwischen Iranern und afghanischen Flüchtlingen sind, obwohl keine Seltenheit, schwierig, da die irani schen Behörden dafür Dokumente der Botschaft oder der afghanischen Behörden benötigen (ÖB Teheran 11.2021; vgl. IOM 4.5.2022). Eine Ehe führt nicht automatisch zu Papieren. Ein Amayesh-Karteninhaber gibt seinen Aufent haltsstatus nicht mit der Heirat an den Ehepartner weiter (IOM 11.4.2024). Wenn die Inhaber einer Amayesh-Karte und eines Aufenthaltsvisums heiraten, können die Ehepartner jeweils ihren eigenen Aufenthaltsstatus behalten. Sollte das Paar Kinder haben, können die Kinder allerdings nur Papiere bekommen, wenn der Elternteil mit der Amayesh-Karte seinen Aufenthaltstitel auf ein Aufenthaltsvisum umändert (Asghari/RLI 3.2024). Seit 2019 ist es möglich, dass iranische Frauen ihre Staatsbürgerschaft an Kinder mit einem ausländischen Vater weitergeben können, auch wenn dies nicht automatisch geschieht, sondern beantragt werden muss (USDOS 15.6.2023b; vgl. IOM 11.4.2024). Ein Kind eines iranischen Vaters und einer afghanischen Mutter, das im Rahmen einer offiziellen Ehe geboren wird, erhält automatisch die iranische Staatsangehörigkeit (IOM 4.5.2022). Weitere Aspekte Kulturell, sprachlich, religiös und in den Grenzbereichen auch ethnisch bestehen Gemeinsam keiten zwischen Iranern und Afghanen (ÖB Teheran 11.2021). Die iranischen Behörden sind sich jedoch uneins darüber, wie sie mit der wachsenden Zahl illegaler afghanischer Einwanderer um gehen sollen (IRINTL 28.9.2023). Iranische Behörden fürchten einerseits einen noch größeren Zustrom von Afghanen und verweisen auf die bereits große afghanische Gemeinde in Iran und die schlechte Wirtschaftslage. Es werden Spannungen zwischen ansässiger Bevölkerung und Neuankömmlingen befürchtet (ÖB Teheran 11.2021). Afghanische Medien berichten, dass sich afghanische Migranten in Iran mit zahlreichen Herausforderungen durch iranische Behörden und Bürger gleichermaßen konfrontiert sehen. Zu diesen Herausforderungen gehören Schika nen, Inhaftierung, Missachtung ihrer Rechte und Zwangsabschiebung (KP 25.2.2024; vgl. 8am 24.2.2024). Es gibt wachsende Ressentiments gegen Afghanen in der iranischen Bevölkerung (IOM 11.4.2024), wobei Afghanen auch schon bisher teilweise diskriminiert wurden (ÖB Tehe ran 11.2021; vgl. Stimson 24.10.2023). Es kam zu anti-afghanischen Protesten (ÖB Teheran 11.2021; vgl. IRINTL 14.10.2023), z. B. gegen die Aufnahme afghanischer Kinder in Schulen 162

(ÖB Teheran 11.2021). Auch wurde von einzelnen Vorfällen gewalttätiger Angriffe auf Afghanen (8am 24.2.2024, IRINTL 14.10.2023) bzw. einem gewaltsamen Zusammenstoß zwischen Af ghanen und Iranern berichtet (IOM 11.4.2024). Andererseits werben manche Hardliner-Medien angesichts der gesunkenen Geburtenrate und gestiegenen Emigration von Iranern auch um eine Akzeptanz der Afghanen (IRINTL 28.9.2023). Die meisten Flüchtlinge gehen gering qualifi zierten und schlecht bezahlten Arbeiten nach (AA 30.11.2022) und sehen sich mit Vorurteilen und negativen Stereotypen konfrontiert (Stimson 24.10.2023). Sie sind im Großen und Ganzen - auch wenn sie zum Teil bereits in der zweiten Generation in Iran leben - wenig integriert (AA 30.11.2022). Die Revolutionsgarden sollen Tausende von in Iran lebenden afghanischen Migranten mithilfe von Zwangsmaßnahmen für den Kampf in Syrien rekrutiert haben. Human Rights Watch berich tete, dass sich unter den Rekrutierten auch Kinder im Alter von 14 Jahren befanden (FH 2024; vgl. USDOS 15.6.2023b). Das US-amerikanische Außenministerium berichtete zudem, dass die iranischen Behörden ehemalige Mitglieder der afghanischen Spezialeinheiten gezwungen haben, für die von Iran unterstützten Houthis im Jemen zu kämpfen, um ihren legalen Aufent haltsstatus in Iran zu behalten, nachdem sie eine Verlängerung ihres Visums für den Verbleib in Iran beantragt hatten (USDOS 15.6.2023b). Freiwillige und zwangsweise Rückkehr Es existieren keine verlässlichen Daten zur freiwilligen wie auch unfreiwilligen Rückkehr aus Iran nach Afghanistan. Verschiedene Quellen geben zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Schätzungen wieder (SEM 29.8.2023). Die freiwillige Rückkehr von registrierten afghanischen Flüchtlingen findet gemäß Daten von UNHCR seit August 2021 auf einem niedrigeren Niveau statt als zuvor (UNHCR 31.12.2023), wobei im Jahr 2023 mit insgesamt 521 Personen mehr registrierte afghanische Flüchtlinge mit UNHCR-Unterstützung freiwillig nach Afghanistan zu rückkehrten als 2022 (379 Personen) (UNHCR 9.1.2024). IOM verzeichnete im ersten Jahr nach der Machtübernahme der Taliban (15.8.2021-14.8.2022) mit rund einer Million Rückkehrern da gegen eine höhere Anzahl als im zweiten Jahr (15.8.2022-15.8.2023), als ca. 838.000 Personen erfasst wurden, die von Iran nach Afghanistan zurückkehrten (IOM 5.2.2024). Die Literatur unterscheidet bei der unfreiwilligen Rückkehr zwischen Pushbacks von neu einrei senden Flüchtlingen an der Grenze und Rückführungen von Flüchtlingen aus dem Landesinnern. Auch zu diesem Verhältnis existieren keine genauen Zahlen. Die iranischen Behörden schieben irregulär einreisende Afghanen nach Möglichkeit umgehend nach Afghanistan zurück. Auch für Afghanen ohne legalen Aufenthalt in Iran besteht das Risiko einer Rückführung nach Afghanistan (SEM 29.8.2023). Abschiebungen finden in großer Zahl statt (IOM 11.4.2024), wobei die Abschie bung illegaler Einwanderer in großem Umfang entgegen der Meinung vieler Iraner schon immer auf der Agenda der Islamischen Republik stand. In den letzten Jahren wurden Hunderttausende der Einwanderer aus Iran abgeschoben, wobei zu ihrer Anzahl keine konsistenten Statistiken veröffentlicht wurden (Diaran 1.1.2024). Mit einer Ankündigung, alle Migranten ohne Papiere auszuweisen, wurden Abschiebungen Ende 2023 intensiviert (RFE/RL 18.10.2023). Zwischen September und Dezember 2023 betraf dies laut Taliban-Angaben über 345.000 Afghanen (TN 163

11.12.2023). Anfang 2024 hat der iranische Innenminister erneut betont, dass Afghanen ohne Aufenthaltsdokumente des Landes verwiesen werden, auch zwangsweise (8am 24.2.2024). Nach Schätzungen von UNHCR wurden 2023 rund 40 % der neu ankommenden Afghanen abgeschoben und Berichte von IOM legen nahe, dass jeden Monat rund 40.000 Afghanen an der Grenze abgewiesen wurden (USDOS 23.4.2024a). IOM führte die Zahl der Ausreisen von Afghanen aus Iran, die beispielsweise im März 2023 über jenen der Einreisen lag, vor allem auf „ systematische Pushbacks“ durch die iranischen Behörden zurück (IOM 26.5.2023). Die bislang ausführlichsten Informationen zu Pushbacks aus Iran stammen von Amnesty International (AI) und decken einen Zeitraum bis Mitte 2022 ab (SEM 29.8.2023). AI berichtet dabei über Fälle von zwangsweisen Rückschiebungen von Afghanen durch die iranischen Sicherheitsbehörden an der Grenze zu Afghanistan, ohne dass deren individueller Bedarf an internationalem Schutz bewertet worden wäre, und dokumentierte Fälle, bei denen die iranischen Sicherheitsbehör den das Feuer auf Afghanen eröffneten, die versuchten, die Grenze zu überqueren, und sie erschossen (AI 8.2022). Der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen zeigte sich besorgt über Berichte zur gewaltsamen Abschiebung einer großen Zahl von Afghanen seit August 2021 ohne individuelle Prüfung des Schutzbedarfs, und über Pushback-Operationen, die durch übermäßige Gewalt anwendung gekennzeichnet sind, ebenso wie über Berichte zur Inhaftierung von Ausländern ohne Papiere im Rahmen von Razzien, die zu Abschiebungen, auch von Kindern, führen kön nen, ohne dass ein Prüfverfahren durchgeführt wird (UNHRCOM 23.11.2023). Die iranischen Behörden haben keine Anstrengungen unternommen, um Opfer von Menschenhandel in dieser besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppe zu ermitteln oder zu identifizieren. Nach Angaben einer internationalen Organisation nahmen die Behörden später sowohl dokumentierte als auch undokumentierte Afghanen fest, denen die Einreise nach Iran gelungen war. Während sie sich in staatlichem Gewahrsam befanden, wurden einige der inhaftierten Migranten - darunter auch Kin der - schwer misshandelt, erhielten über längere Zeit keine Nahrung und kein Wasser und hatten keinen Zugang zu medizinischer Versorgung, auch nicht zur Behandlung von Schusswunden, die sie an der Grenze von iranischen Behörden erlitten hatten (USDOS 15.6.2023b). UNHCR erwähnt mehrere „Transit- oder Deportationszentren“ entlang der iranisch-afghanischen Gren ze sowie „ formale Haftzentren“ in verschiedenen Städten. Diese Einrichtungen werden oft als überfüllt und schmutzig beschrieben, mit mangelnder Ernährung und medizinischer Versorgung (SEM 29.8.2023). Andererseits arbeitet die Regierung an neuen Strategien und Maßnahmen, darunter auch einige Bestimmungen zum Thema Schutzbedürftigkeit. Ein Gesetzentwurf sieht u. a. vor, dass die iranischen Behörden schutzbedürftige Migrantengruppen wie Kinder, schwangere Frauen, ältere Menschen und kranke Migranten nicht abschieben werden (IOM 11.4.2024). Quellen ■ 8am - Hasht-e Sobh (24.2.2024): Iran and Afghan Refugees: Mistreatment, Disrespect and Expulsion, https://8am.media/eng/iran-and-afghan-refugees-mistreatment-disrespect-and-expulsion/ , Zugriff 28.2.2024 164

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UNDP 7.3.2024) und die sozioökonomische Situation in Afghanistan ist weiterhin durch Armut, Ernährungsunsicherheit und Arbeitslosigkeit gekennzeichnet (WB 4.2024). Laut einem Bericht des World Food Programmes hatten im Dezember 2023 38% der Haushalte im Rahmen der Nahrungsmittelaufnahme hohe Bewältigungsstrategien aufzuwenden, was ei nen Rückgang um 5% gegenüber September 2023 bedeutet. Zu diesen verbrauchsorientierten Bewältigungsstrategien zählen beispielsweise der Kauf billigerer Nahrungsmittel, das Borgen von Lebensmitteln von Verwandten oder Freunden, die Einschränkung der Portionsgröße bei Erwachsenen oder das Reduzieren der Anzahl der Mahlzeiten pro Tag (WFP 11.2.2024). Weite re Strategien zur Bewältigung der grundlegenden Bedürfnisse der Haushalte sind die Aufnahme von Schulden, der Verkauf von Eigentum (UNOCHA 23.12.2023; vgl. ACAPS 3.6.2024), Betteln (ACAPS 3.6.2024), die (Zwangs)verheiratung von Mädchen (UNOCHA 23.12.2023), Kinderar beit (STC 2023; vgl. UNOCHA 23.12.2023) oder der Verkauf von Organen (NYT 19.3.2024; vgl. FR24 28.2.2022). ImHinblick auf die Frage der Lebenserhaltungskosten in Afghanistan gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen Afghanistans sowie dem städtischen und ländlichen Bereich. Aber auch die diesbezüglichen Quellen weichen teilweise voneinander ab. So gibt ein Experte aus Afghanistan an, dass ein durchschnittliches Drei-Zimmer-Appartement in Kabul ca. 14.000 AFN in Monat an Miete kostet. Für die Lebenserhaltungskosten einer fünf- bis sechsköpfigen Familie würde noch einmal ca. derselbe Betrag benötigt. Damit würde sich die monatlichen Lebenserhaltungskosten für eine fünf- bis sechsköpfige Familie auf ca. 28.000 AFN belaufen (STDOK/VQ AFGH 4 8.12.2024). Eine weitere in Afghanistan lebende Quelle gibt an, dass die monatlichen Lebenserhaltungskosten stark vom Lebensstandard und den wirtschaftlichen Be dingungen abhängig sind. Die folgende Tabelle zeigt monatliche Kosten für Alleinstehende und Familien für die verschiedenen Bereiche und unterscheidet zwischen städtischen und ländlichen Gebieten. Kosten in Afghani (AFN) mit Stand Dezember 2024 (RA KBL 7.12.2024): Kategorie Städtische Gebiete Ländliche Gebiete Alleinstehend Familie Alleinstehend Familie Einfache Unterkunft 8.000 - 12.000 10.000 - 30.000 4.000 - 7.000 8.000 - 20.000 Lebensmittel 8.000 - 10.000 15.000 - 25.000 6.000 - 9.000 10.000 - 15.000 Hygiene produkte 500 - 1.000 1.000 - 1.500 200 - 500 800 - 1.000 Energiekosten 1.500 - 2.000 3.000 - 4.000 1.000 - 1.500 2.000 - 3.000 Verschiedene Ausgaben 2.000 - 3.000 3.000 - 6.000 1.000 - 2.000 1.500 - 3.000 Gesamt 20.000 - 28.000 32.000 - 66.500 12.000 - 20.000 22.300 - 42.000 Quelle 8: RA KBL 7.12.2024 Eine von IOM durchgeführte Befragung betreffend den monatlichen Lebenserhaltungskosten in Afghanistan ergab hingegen die folgenden Daten (IOM 2.12.2024). 168
