2025-09-05-coi-cms-laenderinformationen-afghanistan-version-12-3379
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Disclaimer Das gegenständliche Produkt der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde gemäß den vom Staatendokumentationsbeirat beschlossenen Standards und der Methodologie der Staatendokumentation erstellt. Das Country of Origin Information - Content Management System (COI-CMS) ist eine Da tenbank mit COI-Inhalten, welche beruhend auf den Bedürfnissen in Verfahren des Asyl- und Fremdenwesens (BFA, BVwG etc.) mit Informationen aus vorhandenen, vertrauenswürdigen und vorrangig öffentlichen Quellen und gemäß den Standards der Staatendokumentation befüllt wird. Das COI-CMS gibt eine einzelfallunabhängige Darstellung über die Lage betreffend rele vanter Tatsachen in Herkunftsländern bzw. in EU-Mitgliedsstaaten. Der jeweilige Bedarfsträger kann aus dem COI-CMS Länder und Themen selektieren und so die für den spezifischen Bedarf relevante Länderinformation zusammenstellen. Das COI-CMS dient den Bedarfsträgern der Instanzen des Asyl- und Fremdenwesens. Es gilt § 5 Abs. 5 BFA-G, d.h. das COI-CMS ist nicht Teil der allgemein zugänglichen, öffentlichen Staatendokumentation. Fallspezifisch relevante Kapitel aus dem COI-CMS werden aber der jeweiligen Partei durch Parteiengehör zugänglich und durch Verwendung in Entscheidungen (Bescheid, Erkenntnis, Urteil) öffentlich gemacht. Wie bereits erwähnt, ist dieses Produkt als Arbeitsbehelf für österreichische Behörden und Ge richte entworfen worden. In diesem Sinne stehen Lesbarkeit, flexible Nutzbarkeit und einfache Verwertbarkeit in Entscheidungen im Vordergrund. Grundsätzlich wird jede Information mit min destens einer Quelle belegt; aus vorgenannten Gründen wird jedoch auf die Hervorhebung von Originalzitaten verzichtet – nicht zuletzt auch deshalb, weil sich daraus für die Entscheidungs findung kein Mehrwert ergibt. Das gegenständliche Produkt erhebt bezüglich der zur Verfügung gestellten Informationen kei nen Anspruch auf Vollständigkeit. Aus dem vorliegenden Produkt ergeben sich keine Schlussfol gerungen für die rechtliche Beurteilung eines konkreten Verfahrens. Das COI-CMS stellt keine allgemeine oder individuelle Entscheidungsvorgabe dar. Das vorliegende Dokument kann ins besondere auch nicht als politische Stellungnahme seitens der Staatendokumentation oder des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gewertet werden. Qualitäts- und Aktualisierungshinweis Die einzelnen Kapitel werden gemäß vorliegenden Ressourcen möglichst aktuell gehalten. Eine Gesamtaktualisierung eines Landes erfolgt alle 12 Monate. Bei bestimmten Ländern wird zu sätzlich eine Teilaktualisierung durchgeführt, die in der Regel sechs Monate nach der Gesamtak tualisierung durchgeführt wird. Sollten es in einem Land zu einer kurzfristigen und maßgeblichen Änderung der Lage kommen, können zusätzliche Aktualisierungen durchgeführt werden. Die Aktualität der verwendeten Quellen wird seitens der Staatendokumentation überprüft. Folglich können auch verwendete Quellen älteren Datums als inhaltlich aktuell erachtet werden. II

Übersetzungen der Länderinformationen ins Englische Bei den von der Staatendokumentation bereitgestellten Übersetzungen der Länderinformationen ins Englische handelt es sich um Arbeitszusammenfassungen. Anderes als bei den automati schen Übersetzungen (siehe unten) werden diese einer eigenen Überprüfung unterzogen. Die Staatendokumentation ist bemüht, dass die jeweiligen deutsch- und englischsprachigen Versionen (so vorhanden) zum selben Zeitpunkt veröffentlicht werden. Jedoch kann es, aufgrund der umfangreichen Qualitätssicherung vorkommen, dass sich das Datum der Veröffentlichung der beiden Versionen geringfügig unterscheidet. Es sei darauf verwiesen, dass trotz eines möglichen geringfügig unterschiedlichen Veröffentlichungsdatums, der Inhalt der deutsch- und englischsprachigen Version derselbe ist. Automatische Übersetzungen Bei der automatischen Übersetzung handelt es sich um eine maschinelle Übersetzung einer Län derinformation mittels einer Übersetzungssoftware, in eine vom Nutzer festgelegte Zielsprache. Diese Übersetzung wird, da vom Nutzer direkt generiert, weder im Hinblick auf Grammatik und Rechtschreibung noch auf Sinnerhaltung kontrolliert und soll lediglich dazu dienen, einen Ein druck über den Inhalt des Originaldokuments bzw. der verwendenten Quellen zu erlangen. Die Staatendokumentation übernimmt keinerlei Gewähr für die Richtigkeit der maschinellen Über setzung. Sollte das Produkt vom Nutzer für eine weitere Verwendung herangezogen werden, insbesondere für eine behördliche Entscheidung, so wird dringend empfohlen die Übersetzung durch einen professionellen Übersetzer kontrollieren bzw. durchführen zu lassen. Qualitätssicherung der maschinellen Übersetzung von DeepL Die Übersetzung, welche nicht als „ automatische Übersetzung“ ausgewiesen wird, wurde von einer/einem professionellen Übersetzer/in qualitätsgesichert. Etwaige in der Übersetzung ent stehende Unstimmigkeiten oder Differenzen sind nicht bindend und haben keine rechtliche Wirkung für Compliance- oder Durchsetzungszwecke. Sollten Fragen zur Richtigkeit der quali tätsgesicherten Übersetzung entstehen, nehmen sie bitte Kontakt mit der Staatendokumentation des BFA unter BFA-Staatendokumentation@bmi.gv.at auf. III

Inhalt 1 Vergleichende Länderkundliche Analyse (VLA) i.S. § 3 Abs. 4a AsylG 1 2 Länderspezifische Anmerkungen 1 3 Regionen Afghanistans 9 3.1 Kabul-Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 3.2 Nord-Afghanistan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 3.3 West-Afghanistan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 3.4 Zentral-Afghanistan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 3.5 Ost-Afghanistan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3.6 Süd-Afghanistan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 3.7 Erreichbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 4 Politische Lage 28 5 Sicherheitslage 37 5.1 Sicherheitsrelevante Vorfälle und zivile Opfer nach Provinzen (25.11.2023 - 25.11.2024) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 5.2 Verfolgungungspraxis der Taliban, neue technische Möglichkeiten . . . . . . . 45 6 Zentrale Akteure 47 6.1 Taliban . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 6.2 Anti-Taliban-Widerstandsgruppen / politische Opposition . . . . . . . . . . . . . 50 6.2.1 National Resistance Front (NRF) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 6.2.2 Weitere Widerstandsbewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 6.3 Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 6.4 Al-Qaida und weitere bewaffnete Gruppierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 7 Rechtsschutz / Justizwesen 68 7.1 Familienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 7.1.1 Eheschließung und Registrierung der Ehe / Scheidung . . . . . . . . . . 72 7.1.2 Staatsbürgerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 8 Sicherheitsbehörden 76 9 Folter und unmenschliche Behandlung 77 10 Korruption 78 11 NGOs und Menschenrechtsaktivisten 80 12 Wehrdienst und Zwangsrekrutierung 83 13 Allgemeine Menschenrechtslage 85 14 Meinungs- und Pressefreiheit 86 IV

15 Versammlungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit 89 16 Haftbedingungen 90 17 Todesstrafe 93 18 Religionsfreiheit 94 18.1 Schiiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 18.2 Apostasie, Blasphemie, Konversion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 19 Ethnische Gruppen 98 19.1 Paschtunen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 19.1.1 Paschtunwali . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 19.2 Tadschiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 19.3 Hazara . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 19.4 Usbeken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 19.5 Kutschi-Nomaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 20 Relevante Bevölkerungsgruppen 110 20.1 Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 20.1.1 Politische Partizipation und Berufstätigkeit von Frauen . . . . . . . . . . 116 20.1.2 Bildung für Frauen und Mädchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 20.1.3 Frauenhäuser, sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt, Zwangs ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 20.2 Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 20.2.1 Schulbildung in Afghanistan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 20.3 Mitglieder der ehemaligen Regierung / Streitkräfte / ausländischer Organisationen 130 20.4 Personen denen vorgeworfen wird, von westlichen Werten beeinflusst zu sein 134 20.5 Sexuelle Orientierung und Genderidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 20.6 Personen mit physischen und psychischen Beeinträchtigungen . . . . . . . . . 138 21 Bewegungsfreiheit 140 22 IDPs und Flüchtlinge 142 23 Afghanische Flüchtlinge in Iran und Pakistan 142 23.1 Afghanische Flüchtlinge in Pakistan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 23.2 Afghanen in Iran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 24 Grundversorgung und Wirtschaft 167 24.1 Armut und Lebensmittelunsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 24.2 Wohnungsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 24.3 Arbeitsmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 24.4 Bank- und Finanzwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 25 Medizinische Versorgung 188 V

25.1 Zugangsbedingungen für Frauen und Mädchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 26 Rückkehr 193 26.1 Rückkehrunterstützung des österreichischen Staates . . . . . . . . . . . . . . 195 27 Dokumente 197 28 Impressum 202 28.1 Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 28.2 Hinweis zum Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 28.3 Veröffentlichte Versionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 VI

1 Vergleichende Länderkundliche Analyse (VLA) i.S. § 3 Abs. 4a AsylG Letzte Änderung 2022-05-04 08:51 Erläuterung Bei der Erstellung der vorliegenden Länderinformation wurde die im § 3 Abs. 4a AsylG festge schriebene Aufgabe der Staatendokumentation zur Analyse „ wesentlicher, dauerhafter Verände rungen der spezifischen, insbesondere politischen Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind“, berücksichtigt. Hierbei wurden die in der vorliegenden Länderinformation ver wendeten Informationen mit jenen in der vorhergehenden Version abgeglichen und auf relevante, im o. g. Gesetz definierte Verbesserungen hin untersucht. Als den oben definierten Spezifikationen genügend eingeschätzte Verbesserungen wurden einer durch Qualitätssicherung abgesicherten Methode zur Feststellung eines tatsächlichen Vorliegens einer maßgeblichen Verbesserung zugeführt (siehe Methodologie der Staatendoku mentation). Wurde hernach ein tatsächliches Vorliegen einer Verbesserung i.S. des Gesetzes festgestellt, erfolgte zusätzlich die Erstellung einer entsprechenden Analyse der Staatendoku mentation (siehe Methodologie der Staatendokumentation) zur betroffenen Thematik. Verbesserung i.S. § 3 Abs. 4a AsylG Titel Kapitel Ein Vergleich der Informationen zu asylrele vanten Themengebieten in der vorliegenden Länderinformation mit jenen der vormals ak tuellen Länderinformation hat ergeben, dass es zu keinen, wie im § 3 Abs. 4a AsylG be schriebenen Verbesserungen in Afghanistan gekommen ist. 2 Länderspezifische Anmerkungen Letzte Änderung 2025-01-31 16:37 Quellenangabe und -verwendung Administrative Einheiten (Distrikte und Provinzen von Afghanistan): • NSIA - National Statistics and Information Authority [Afghanistan] (7.2024): Estimated Po pulation of Afghanistan 2023-24, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf Angaben zur Anzahl der Distrikte, den Distriktgrenzen und der administrativen Zugehörigkeit der Distrikte variieren mitunter. Die Staatendokumentation stützt sich hier auf die regelmäßigen Veröffentlichungen der NSIA. Temporäre Distrikte sind Verwaltungseinheiten, die nach Inkrafttreten der Verfassung 2004 vom Präsidenten aus Sicherheits- oder anderen Gründen genehmigt, aber noch nicht vom Parlament beschlossen wurden (AAN 14.4.2020). 1

Die Transkription afghanischer Eigennamen erfolgt im Allgemeinen nicht nach universell ange wandten Regeln. Im Folgenden wurde im Sinne einer Einheitlichkeit bezüglich der Distriktnamen weitgehend die Schreibweise der NSIA übernommen. Es wird allerdings darauf hingewiesen, dass Variationen möglich und üblich sind. Regionen Afghanistans Bei der regionalen Darstellung Afghanistans werden die 34 Provinzen in fünf Regionen (No rd- , Ost- , West- , Süd- und Zentral-Afghanistan ) aufgeteilt, wobei neben den regionalen Gegebenheiten auch sämtliche Distrikte aufgezählt werden. Grafiken und Tabellen des OSIF-Projektes Die in diesem Produkt abgebildeten und entsprechend gekennzeichneten Grafiken bzw. Ta bellen in den Kapiteln und Unterkapiteln zur Sicherheitslage sowie zu Grundversorgung und Wirtschaft wurden vom OSIF-Projekt der Staatendokumentation erstellt. Die den Grafiken zu grunde liegenden Daten stammen aus folgenden externen Quellen: Armed Conflict Location and Event Data (ACLED), Uppsala Conflict Data Program (UCDP) bzw. dem World Food Programme (WFP). Das OSIF-Projekt bereitet die zur Verfügung stehenden Daten so auf, dass eine Visualisierung der relevanten Themen für die Herkunftslanddarstellung ermöglicht wird. Die Darstellung und Hervorhebung bestimmter Aspekte wurde in enger Absprache mit den zuständigen Länderex perten festgelegt. Es wird darauf hingewiesen, dass unsere Arbeitsmethodik, wie auch in allen anderen Produkten der Staatendokumentation, auf einer neutralen und objektiven Herange hensweise basiert, bei der die präzise und sachlich korrekte Darstellung der Daten angestrebt wird. Der genaue Betrachtungszeitraum ist in der Grafik bzw. in der Beschreibung der Grafik angegeben. Die in den Grafiken verwendeten Farben haben keine politischen, rechtlichen oder andere Konnotationen. Die Farbauswahl wurde nach ästhetischen und didaktischen Gesichts punkten getroffen, um die Daten so klar und verständlich wie möglich darzustellen. Für die Visualisierung der Daten wurde das Tool Datawrapper benutzt. Die im Rahmen des Projekts erstellten Grafiken erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Trotz größtmöglicher Sorgfalt bei der Bearbeitung kann eine fehlerfreie Darstellungseitens des OSIF-Projekts nicht garantiert werden. Informationen zu den verwendeten Daten bzw. der zu Grunde liegenden Methodologie von ACLED und UCDP können den nachfolgenden Quellen entnommen werden: • Armed Conflict Location & Event Data (ACLED) Codebook (ACLED 3.10.2024) • UCDP Georeferenced Event Dataset Codebook Version 24.1 (UCDP 19.3.2024) Daten ACLED ACLED erklärt die Methodik, die für die Kodierung und Überwachung der Daten in einem Code buch und in einer spezifischen Methodik für Afghanistan angewendet wird (ACLED 3.10.2024). 2

Derzeit überprüfen ACLED-Forscher jede Woche etwa 110 Quellen in Englisch, Dari/Farsi, Paschtu und Arabisch, um die umfassendste Datenbank über politische Gewalt und Demons trationsaktivitäten in Afghanistan bereitzustellen. Davon sind fast zwei Drittel der Quellen auf Englisch und der Rest in den Landessprachen (Dari/Farsi und Paschtu) verfasst, wobei einige Quellen der Taliban und anderer aufständischer Gruppen auf Arabisch verfasst sind (ACLED 2.2022). ACLED weist darauf hin, dass der Leser einige Einschränkungen beachten sollte, darunter die Tatsache, dass die meisten Daten auf der Grundlage öffentlich zugänglicher Sekundärberichte erhoben werden. Daher spiegeln die Daten zum Teil die Berichterstattung und die Prioritäten der Medien und internationalen Organisationen wider. Dies kann dazu führen, dass das Ausmaß von Ereignissen von nicht strategischer Bedeutung (z. B. Konflikte auf niedriger Ebene oder Ereignisse in sehr abgelegenen Gebieten) unterschätzt wird. ACLED begegnet dieser Mög lichkeit, indem es Datenquellen trianguliert, um Berichte von humanitären und internationalen Organisationen einzubeziehen, anstatt nur Medienberichte, und indem es Feldüberprüfungen durchführt, bei denen es lokalen Organisationen und Partnern Daten vorlegt, um ihre Gültig keit unter Menschen zu bewerten, die direkt in von Konflikten betroffenen Kontexten arbeiten (ACLED 1.2015). ACLED sammelt und erfasst gemeldete Informationen über politische Gewalt, Demonstrationen (Ausschreitungen und Proteste) und andere ausgewählte gewaltfreie, politisch wichtige Ereig nisse. Ziel ist es, die Art, Häufigkeit und Intensität von politischer Gewalt und Demonstrationen zu erfassen. Politische Gewalt ist definiert als die Anwendung von Gewalt durch eine Gruppe mit einem politischen Ziel oder einer politischen Motivation oder mit eindeutigen politischen Auswirkungen. Ein Ereignis politischer Gewalt ist eine einzelne Auseinandersetzung, bei der eine oder mehrere Gruppen Gewalt für ein politisches Ziel anwenden (ACLED 3.10.2024). ACLED kategorisiert „ sicherheitsrelevante Vorfälle“ in: Battles, Explosions/remote violence, vio lence agains civilians, protests, riots und strategic developments (ACLED 3.10.2024). In der vorliegenden Tabelle im Kapitel Sicherheitsrelevante Vorfälle und zivile Opfer (25.11.2023 - 25.11.2024) wurden nur Vorfälle inkludiert, die den drei Kategorien Battles (Kämpfe), Explo sions/remote violence (Explosionen/ferngesteuerte Gewalt), violence against civilians (Gewalt gegen Zivilisten) zugerechnet wurden. In der letzten Veröffentlichung des Afghanistan Country Focus von EUAA (European Union Agency for Asylum) wurde dieselbe Auswahl vorgenommen (EUAA 1.11.2024). Definitionen laut ACLED: • Battle (Kampf): eine gewaltsame Interaktion zwischen zwei politisch organisierten bewaff neten Gruppen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt und an einem bestimmten Ort zwischen bewaffneten und organisierten staatlichen, nicht-staatlichen und externen Gruppen und in jeder Kombination daraus stattfindet. Es gibt keine Mindestzahl an Todesopfern, damit ein Vorfall berücksichtigt wird. Subkategorien im Zusammenhang mit „ Kämpfen“ werden entsprechend dem Ergebnis des Ereignisses bezeichnet und bestehen aus „ bewaffnetem 3

Zusammenstoß“, „ Regierung erobert Gebiet zurück“ und „ nicht-staatlicher Akteur erobert Gebiet“ (ACLED 3.10.2024). • Explosions/remote violence (Explosionen/ferngesteuerte Gewalt): Vorfälle, bei denen eine Seite Waffentypen einsetzt, die aufgrund ihrer Beschaffenheit weitreichende Zerstörun gen anrichten können. Die mit „ Explosionen/Gewalt aus der Ferne“ verbundenen Unterereig nistypen sind „ Chemiewaffe“, „ Luft-/Drohnenangriff“, „ Selbstmordattentat“, „ Beschuss/Artil lerie-/Raketenangriff“, „ Ferngezündeter Sprengsatz/Landmine/IED“ und „ Granate“ (ACLED 3.10.2024). • Violence against civilians (Gewalt gegen Zivilisten): Gewalttätige Ereignisse, bei denen eine organisierte bewaffnete Gruppe absichtlich Gewalt gegen unbewaffnete Nichtkom battanten anwendet, und Versuche, Schaden zuzufügen (z. B. Schläge, Schüsse, Folter, Vergewaltigung, Verstümmelung) oder gewaltsames Verschwindenlassen von zivilen Ak teuren. Unterereignisse im Zusammenhang mit „ Gewalt gegen Zivilisten“ sind: „ sexuelle Gewalt“, „Angriff“ und „ Entführung/Verschwindenlassen“. Es ist zu beachten, dass nicht jede Gewalt gegen Zivilisten unter diese Kategorie fällt, da Zivilisten auch als „ Kollateralschaden“ bei „ Explosionen“ und „ Kämpfen“ zu Schaden kommen können. In solchen Fällen wird kein gesondertes Ereignis für Zivilisten erfasst, obwohl die Zahl der Todesopfer steigt (ACLED 3.10.2024). Weitere Informationen zu Methodologie, Definitionen und Datengrundlage können den hier zitierten Publikationen von ACLED entnommen werden. Daten UCDP Das Uppsala Conflict Data Program (UCDP) ist ein „ Datenerfassungsprojekt für Bürgerkriege“ (UCDP o.D.a). UCDP stellte dem OSIF-Projekt der Staatendokumentation einen georeferen zierten Ereignisdatensatz (GED) für den Zeitraum 15.8.2021 - 30.11.2024 zur Verfügung (UCDP 9.12.2024). Die Methodik von UCDP wird auf der Website sowie im GED-Codebuch erläutert (UCDP 19.3.2024). Die Analyseeinheit des UCDP ist das „ event“ (Ereignis), das definiert ist als ein Vorfall, bei dem bewaffnete Gewalt von einem organisierten Akteur gegen einen anderen organisierten Akteur oder gegen Zivilisten eingesetzt wurde und der an einem bestimmten Ort und zu einem bestimmten Zeitpunkt mindestens einen direkten Todesfall zur Folge hatte. Dies führt unter anderem zu scheinbar niedrigen Schätzungen, da eine Reihe von Faktoren verhin dern können, dass ein potenzielles Konfliktgeschehen in die UCDP GED aufgenommen wird, z. B. unklare Akteure oder Unsicherheit darüber, ob es zu Todesfällen gekommen ist (UCDP o.D.b). Die Grundlage für die Datenerfassung bilden Suchanfragen, die über den Dow Jones Factiva- Aggregator laufen. Diese Ereignisdatensuche ruft alle Artikel innerhalb bestimmter Parameter ab, in diesem Fall alle Nachrichtenberichte, die Informationen über getötete oder verletzte Per sonen enthalten. Welche Medienquellen herangezogen werden, hängt davon ab, wie ausführlich sie über den spezifischen Konflikt und/oder die Region berichten. Andere lokale und spezia lisierte Nachrichtenquellen oder Social-Media-Kanäle, die über Konfliktereignisse berichten, werden ebenfalls hinzugefügt, um die Berichterstattung weiter zu verbessern. Da viele dieser 4

Berichte denselben Vorfall doppelt abdecken oder über Vorfälle berichten, die nicht den Auf nahmekriterien von UCDP entsprechen, werden jährlich etwa 10.000 bis 12.000 Ereignisse kodiert. UCDP konsultiert auch Berichte und Daten von Nichtregierungsorganisationen (NGO) und internationalen Organisationen (wie den Vereinten Nationen), Fallstudien, Berichte von Wahrheitskommissionen, historische Archive und andere Informationsquellen (UCDP o.D.b). Das UCDP liefert für jedes Ereignis drei Schätzungen für Todesfälle - eine niedrige Schätzung, eine bestmögliche Schätzung und eine hohe Schätzung. Darüber hinaus liefert das UCDP eine Schätzung der Zahl der zivilen Todesfälle (UCDP 19.3.2024). Laut UCDP ist es ziemlich wahrscheinlich, dass es mehr Todesfälle gibt als in der besten Schätzung angegeben, aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass es weniger gibt (UCDP o.D.b). Die strengere Definition eines Ereignisses des UCDP schließt gewalttätige Vorfälle aus, die von ACLED erfasst werden. Dies schließt die Option von ACLED ein, gewalttätige Ereignisse „ nicht identifizierten bewaffneten Gruppen“ zuzuordnen. Der Unterschied in den Definitionen ist ein Erklärungsfaktor dafür, warum die Zahl der von ACLED erfassten Ereignisse deutlich höher sein kann als die Zahl der von UCDP erfassten Ereignisse (EUAA 1.11.2024). Studien zu sozio-ökonomischen Faktoren von ATR Consulting Im Auftrag der Staatendokumentation führte ATR Consulting, ein in Kabul ansässiges Bera tungsunternehmen, das sich auf Überwachung, Bewertung und Lernen spezialisiert hat, im November 2021 eine Studie zu sozio-ökonomischen Faktoren in den Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif durch. ATR Consulting befragte hierbei 150 männliche und 150 weibliche Haus haltsmitglieder der Altersgruppe 16-35 Jahre. Insgesamt wurden 30 Gemeinden (10 Gemeinden in den drei Städten) für die Stichprobenziehung ausgewählt. Die Gemeinden wurden mithilfe ei nes Zufallsprotokolls nach Sprache, ethnischer Zugehörigkeit und sozio-ökonomischem Status ausgewählt. Anfang November 2021 wurden insgesamt 150 Frauen und 150 Männer persönlich befragt, wobei 100 Befragte aus jeder Stadt stammten und die Geschlechter gleichmäßig verteilt waren. Für weitere Informationen zu Methodologie und Ergebnissen sei auf die nachfolgend zitierte Studie verwiesen (ATR/STDOK 18.1.2022). Im Dezember 2022 führte ATR Consulting im Auftrag der Staatendokumentation eine weitere Studie durch, diesmal wurden ausschließlich Bewohner von Kabul befragt. ATR Consulting befragte hier 334 Männer und 172 Frauen im Alter zwischen 15 und 35 Jahren persönlich. Für weitere Informationen zu Methodologie und Ergebnissen sei auf die nachfolgend zitierte Studie verwiesen (ATR/STDOK 3.2.2023). Eine weitere Studie wurde von ATR Consulting im Jahre 2024 durchgeführt. Diese fand ebenso in Kabul statt. Die Umfrage wurde unter insgesamt 294 Befragten im Alter zwischen 16 und 35 Jahren in Kabul durchgeführt. Die Datenerhebung erfolgte mittels computergestützter Telefon interviews zwischen 13.11.2024 und 27.11.2024. Herausforderungen bestanden zum einen im Hinblick darauf, dass viele Nummern nicht erreicht werden konnten und zum anderen darauf, dass viele weibliche Teilnehmer keinen oder nur einen zeitlich begrenzten Zugang zu ihren 5
