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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
zu den Kommunalwahlen in Eriwan und der Militäraktion Aserbaidschans vom 19. September in Berg-Karabach sowie den darauf folgenden politischen Protesten. Nach Angaben der NRO kam es bei Demonstrationen, Versammlungen und anderen Veranstaltungen zu zwei Fällen von körperlicher Gewalt sowie zu verschiedenen anderen Formen von Angriffen in den sozialen Medien und zu Gerichtsverfahren gegen Medienvertreter, die von Personen eingeleitet wurden, die mit der Regierung verbunden sind (USDOS 23.4.2024). Journalisten sind, außer in Fällen schwerer Straftaten, nicht verpflichtet, vertrauliche Quellen offen zu legen. Das Fernsehen ist nach wie vor das am weitesten verbreitete Informationsmedi um. Zahlreiche TV-Medien werden von alten Einflussgruppen kontrolliert und versuchen gezielt, die öffentliche Meinung zu manipulieren. Die Printmedien genießen große Unabhängigkeit, ha ben jedoch – insbesondere außerhalb der Hauptstadt – ein wesentlich kleineres Publikum als die elektronischen Medien. Internationale Medienrepräsentanten arbeiten frei. Die erhältlichen ausländischen Zeitungen und Zeitschriften werden nicht zensiert. Internetseiten sind frei zu gänglich (AA 5.3.2024). Obwohl das Online-Umfeld in Armenien nach wie vor offen ist, hat sich die Internetfreiheit während des Berichtszeitraums Juni 2022 - Mai 2023 leicht verschlechtert, was in erster Linie auf Beschränkungen des freien Informationsflusses im Zusammenhang mit den Übergriffen des aserbaidschanischen Militärs auf armenisches Territorium in der zweiten Hälfte des Jahres 2022 sowie auf eine Zunahme von Cyberangriffen zurückzuführen ist (FH 4.10.2023). Am 25. Mai verabschiedeten regierungsnahe Gesetzgeber ein Gesetz, das es staatlichen Stellen erlaubt, Journalisten die Zulassung zu entziehen, wenn sie zweimal innerhalb eines Jahres gegen die „Arbeitsregeln“ der zuständigen Stellen verstoßen haben (USDOS 20.3.2023). Die Regierung hat den Zugang zum Internet nicht eingeschränkt oder gestört und keine Online- Inhalte zensiert (USDOS 23.4.2024). Die Verfassung verbietet willkürliche oder unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre, die Fa milie, die Wohnung oder die Korrespondenz, aber es gab Berichte, dass die Regierung diese Verbote nicht immer einhielt. Die Behörden konnten nicht legal Telefone abhören, Korrespondenz abfangen oder Durchsuchungen durchführen, ohne die Erlaubnis eines Richters einzuholen, der zwingende Beweise für kriminelle Aktivitäten vorlegte. Die Verfassung sah jedoch Ausnahmen vor, in denen die Vertraulichkeit der Kommunikation zum Schutz der Staatssicherheit ohne rich terliche Anordnung eingeschränkt werden konnte. Obwohl sich die Strafverfolgungsbehörden im Allgemeinen an die gesetzlichen Verfahren hielten, behaupteten Beobachter, dass Richter Abhörmaßnahmen und andere Überwachungsanfragen des Nationalen Sicherheitsdienstes und der Polizei ohne die gesetzlich vorgeschriebenen zwingenden Beweise genehmigten. Darüber hinaus berichteten die Beobachter von einigen wenigen Fällen, in denen die Strafverfolgungsbe hörden die Kommunikation von Anwälten unter Verletzung des Anwaltsgeheimnisses abhörten (USDOS 23.4.2024). Die CPFE (Committee to Protect Freedom of Expression) verzeichnete zwischen Januar und September 2023 drei Fälle von körperlicher Gewalt gegen Journalisten (FH 2024a). Auf der Rangliste der Pressefreiheit für 2024 der NRO Reporter ohne Grenzen (RSF) befindet sich 28

Armenien auf Platz 43 von 180 gelisteten Ländern, was eine Verbesserung um 6 Plätze im Vergleich zum Vorjahr darstellt (RSF 2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.3.2024): Auswärtiges Amt - Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in Armenien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105332/Auswärtiges_ Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Armenien,_05.03.2024.pdf , Zugriff 3.4.2024 [Login erforderlich] ■ AI - Amnesty International (24.4.2024): The State of the World’s Human Rights; Armenia 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107832.html, Zugriff 14.6.2024 ■ FH - Freedom House (2024a): Freedom in the World 2024 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2105009.html, Zugriff 3.4.2024 ■ FH - Freedom House (4.10.2023): Freedom on the Net 2023 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/do kument/2100657.html#alert, Zugriff 21.11.2023 ■ HRW - Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/do kument/2103145.html, Zugriff 16.1.2024 ■ RSF - Reporter ohne Grenzen (2024): Rangliste der Pressefreiheit 2024, https://www.reporter-ohn e-grenzen.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/Ranglisten/Rangliste_2024/RSF_Rangliste_der_Pr essefreiheit_2024.pdf, Zugriff 3.5.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107681.html, Zugriff 29.4.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089129.html, Zugriff 7.9.2023 14 Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition Letzte Änderung 2024-11-14 10:44 Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit ist nicht eingeschränkt. Die Verfassung (Art. 44) garantiert das Recht auf Organisation von und die Teilnahme an „ friedlichen und nicht bewaff neten“ Versammlungen. Das Versammlungsgesetz entspricht EU- und anderen internationalen Standards. Die Versammlungsfreiheit wird durch die Polizei respektiert (AA 5.3.2024). Die Re gierung respektierte die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit im Allgemeinen, aber es gab einige Einschränkungen (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024a). Die Vereinigungsfreiheit hat Verfassungsrang (Art. 45). Das Recht auf Streik gilt nicht uneinge schränkt (AA 5.3.2024). Nachdem Aserbaidschans Militäroperation in Berg-Karabach am 19. September begonnen hatte, kam es in Eriwan zu Protesten, die bis zum 30. September allmählich abnahmen. Bei mehreren Gelegenheiten gingen die Demonstranten, die von der Opposition angeführt und Berichten zufolge von ausländischen Akteuren angestiftet wurden, zu aggressivem Verhalten und Gewalt über, forderten den Rücktritt des Premierministers und versuchten, das Regierungsgebäude zu stürmen, in dem der Premierminister arbeitete. Die Polizei reagierte mit einem begrenzten Einsatz von Gewalt und Betäubungsgranaten (USDOS 23.4.2024). Der große informelle Arbeitsmarkt behindert de facto die Wahrnehmung wirtschaftlicher und sozialer Grundrechte. Zudem machen wegen der ungünstigen Wirtschaftslage und der somit 29

unsicheren Arbeitsplätze nur wenige Arbeitnehmer von ihrem Recht Gebrauch, sich gewerk schaftlich zu organisieren. Dementsprechend spielen Gewerkschaften im öffentlichen Leben eine nur untergeordnete Rolle (AA 5.3.2024). Das Gesetz schützt das Recht aller Beschäftigten, unabhängige Gewerkschaften zu gründen und ihnen beizutreten (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2024a), mit Ausnahme des nicht zivilen Personals der Streitkräfte und der Strafverfolgungsbehörden (AA 5.3.2024). Das Gesetz sieht mit einigen Ausnahmen das Streikrecht vor und lässt Tarifverhandlungen zu (USDOS 23.4.2024). Am 11. April erklärte das Verfassungsgericht die pauschale Beschränkung der Mitgliedschaft in Gewerkschaften für Angehörige der Streitkräfte, der Polizei, der Staatssicherheit und der Staatsanwaltschaft sowie für Richter des Verfassungsgerichts für verfassungswidrig (USDOS 23.4.2024). Politische Parteien und Oppositionsgruppen können seit 2018 in einem wesentlich freieren Um feld agieren. Im Januar 2021 traten Änderungen des Parteiengesetzes in Kraft, die die öffentliche Finanzierung politischer Parteien an die Vertretung von Frauen und des Landes binden und die Spenden von Einzelpersonen begrenzen. An den vorgezogenen Parlamentswahlen im Juni 2021 nahm eine noch nie dagewesene Anzahl politischer Einheiten teil - 22 politische Parteien und vier Bündnisse (FH 2024a). Das Gesetz schränkt weder die Registrierung noch die Tätigkeit von politischen Parteien ein (USDOS 23.4.2024; vgl. AA 5.3.2024). Es gab keine glaubwürdigen Berichte über politische Gefangene (USDOS 23.4.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.3.2024): Auswärtiges Amt - Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in Armenien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105332/Auswärtiges_ Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Armenien,_05.03.2024.pdf , Zugriff 3.4.2024 [Login erforderlich] ■ FH - Freedom House (2024a): Freedom in the World 2024 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2105009.html, Zugriff 3.4.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107681.html, Zugriff 29.4.2024 15 Haftbedingungen Letzte Änderung 2024-11-15 16:07 Es gab Berichte über menschenunwürdige Bedingungen in den Haftanstalten, trotz der Be mühungen der Regierung, Renovierungsarbeiten durchzuführen. Laut der Prison Monitoring Group (PMG), einem Zusammenschluss lokaler Nichtregierungsorganisationen, waren die Haft bedingungen im Abovyan-Gefängnis unzureichend, obwohl die Wasserversorgung, die Toiletten und die Zellen modernisiert wurden. Die PMG führte an, dass es nach wie vor an grundlegen den Wohneinrichtungen für Frauen mangelt, die Luftfeuchtigkeit zu hoch ist und kein Zugang zu heißem Wasser besteht. Bei den Einrichtungen für Männer stellte die PMG fest, dass die 30

Bedingungen in der Justizvollzugsanstalt Nubarashen „ besorgniserregend“ sind, und in der Jus tizvollzugsanstalt Armavir herrscht, obwohl sie mit einem Belüftungssystem ausgestattet ist, in einigen Zellen übermäßige Feuchtigkeit (USDOS 23.4.2024). Nach Angaben der PMG und anderer Menschenrechtsorganisationen wurden LGBTQI+- Personen in den Gefängnissen diskriminiert und misshandelt (USDOS 23.4.2024). In mehreren Berichten wurden Menschenrechtsbedenken im Zusammenhang mit den Haftbe dingungen geäußert, einschließlich der physischen Bedingungen, des Zugangs zu medizinischer Versorgung und psychologischer Unterstützung, der Behandlung von LGBTQI+-Personen und der Ausbeutung durch hierarchische kriminelle/organisierte Verbrechensstrukturen (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2023). In Armenien gibt es zehn Haftanstalten. Die hygienischen Verhältnisse sind zufriedenstellend. Angebote für Freizeitaktivitäten gibt es kaum. Häftlinge dürfen Besuch empfangen und tele fonieren. Bewegungseinschränkende Maßnahmen wie z. B. Handschellen gibt es nicht. Der Überbelegung der Gefängnisse wurde durch Aussetzung von Haftstrafen zur Bewährung, Ver kürzung von Haftstrafen und Freilassung auf Kaution entgegengewirkt, sodass zum 1. Januar 2022 zwei Gefängnisse geschlossen werden konnten. Dennoch sind die Zellen überbelegt (AA 5.3.2024; vgl. USDOS 20.3.2023). Beobachtern zufolge besteht weiterhin Bedarf an besseren psychologischen Diensten und Per sonal in den Gefängnissen, obwohl die Regierung Programme zur Erhöhung der Gehälter und zur Umverteilung von Psychologen aus geschlossenen Haftanstalten aufgelegt hat (USDOS 20.3.2023). In seinem Bericht nahm das CPT[Committeefor the Preventionof Torture] die laufende Reform des Gesundheitsdienstes in den Gefängnissen und die Einrichtung eines strafvollzugsmedi zinischenZentrums, einer öffentlichen, nicht kommerziellen Organisation für die Gesundheits versorgung in den Gefängnissen, zur Kenntnis, äußerte jedoch seine Besorgnis darüber, dass sich die Insassen nach wie vor über mangelnden Zugang zu spezialisierter Versorgung beklag ten. In den meisten Gefängnissen fehlte es an Unterbringungsmöglichkeiten für Insassen mit Behinderungen (USDOS 12.4.2022). Die Regierung bekräftigte ihre Null-Toleranz-Politik gegenüber Korruption in den Gefängnis sen und brachte ihre Entschlossenheit zum Ausdruck, die organisierte, hierarchische kriminelle Struktur, die das Leben in den Gefängnissen beherrschte, zu beseitigen. Beobachter stellten ei nige Fortschritte bei der Bekämpfung der systemischen Korruption fest, doch Experten schätzten ein, dass die Korruption so lange fortbestehen wird, wie die kriminelle Subkultur weiter besteht (USDOS 20.3.2023). Die PMG berichtete über einen Mangel an Rechenschaftspflicht seitens des Untersuchungs ausschusses, der für die Untersuchung von Todesfällen in Gefängnissen zuständig ist, und über einen Mangel an Informationen über die Ergebnisse seiner Untersuchungen (USDOS 23.4.2024). 31

Obwohl die Regierung im Jahr 2022 Verfahren zur Bewertung von Selbstverletzungen und Selbstmordprävention eingeführt hat, sind Fälle von Selbstverletzungen nach wie vor ein großes Problem, ebenso wie der Zugang zu medizinischen und psychologischen Diensten, so die PMG (USDOS 23.4.2024). Nach Angaben der PMG und anderer Beobachter führten die Behörden keine zeitnahen Ermitt lungen bei glaubwürdigen Misshandlungsvorwürfen durch (USDOS 23.4.2024). Die Regierung gestattete in- und ausländischen Menschenrechtsgruppen, darunter dem Euro päischen Komitee zur Verhütung von Folter (CPT), die Bedingungen in den Gefängnissen und Haftanstalten zu überwachen, was sie auch regelmäßig taten (USDOS 23.4.2024). Das Büro der Ombudsperson wies weiterhin auf das systemische Problem der inakzeptablen Bedingungen in den Haftanstalten im ganzen Land hin (USDOS 23.4.2024). Menschenrechtsanwälten zufolge führte die übermäßige Inanspruchnahme der Untersuchungs haft zu einer Überfüllung einiger Gefängnisse, obwohl die Regierung begann, in begrenzten Fällen Hausarrest als Mittel zur Lösung dieses Problems einzusetzen (USDOS 23.4.2024). Nach Angaben der Regierung hat der Strafvollzugsdienst in den ersten zehn Monaten des Jahres in mehreren Einrichtungen, darunter auch in der Justizvollzugsanstalt Nubarashen, die Entwässerungs- und Wasserversorgungssysteme repariert, die Dächer mehrerer Einrichtungen, darunter auch der Justizvollzugsanstalt Nubarashen, instand gesetzt und eine Reihe anderer Reparaturen durchgeführt, darunter Notsanierungsarbeiten in den Badezimmern, die Renovie rung von Zellen und Zimmern sowie die Reparatur von Heizkesseln und Warmwasserbereitern (USDOS 23.4.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.3.2024): Auswärtiges Amt - Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in Armenien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105332/Auswärtiges_ Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Armenien,_05.03.2024.pdf , Zugriff 3.4.2024 [Login erforderlich] ■ FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2088482.html, Zugriff 7.9.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107681.html, Zugriff 29.4.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089129.html, Zugriff 7.9.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (12.4.2022): 2021 Country Report on Human Rights Practices: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071159.html, Zugriff 7.9.2023 16 Todesstrafe Letzte Änderung 2024-11-15 16:12 Armenien hat im September 2003 die Todesstrafe abgeschafft; dies ist in Artikel 24 der Ver fassung verankert (AA 5.3.2024). Im Oktober ratifizierte Armenien das Protokoll Nr. 13 der 32

Europäischen Menschenrechtskonvention und vollendete damit die Abschaffung der Todes strafe unter allen Umständen, auch für Verbrechen, die in Kriegszeiten oder bei unmittelbarer Kriegsgefahr begangen werden (AI 24.4.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.3.2024): Auswärtiges Amt - Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in Armenien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105332/Auswärtiges_ Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Armenien,_05.03.2024.pdf , Zugriff 3.4.2024 [Login erforderlich] ■ AI - Amnesty International (24.4.2024): The State of the World’s Human Rights; Armenia 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107832.html, Zugriff 14.6.2024 17 Religionsfreiheit Letzte Änderung 2024-11-15 17:22 Religionsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert (Art. 41) und darf nur durch Gesetz und nur soweit eingeschränkt werden, wie dies für den Schutz der staatlichen und öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral notwendig ist. Nach Art. 17 der Verfassung wird zudem die Freiheit der Tätigkeit von religiösen Organisationen garantiert. Es gibt keine verlässlichen Angaben zum Anteil religiöser Minderheiten an der Gesamtbevölkerung; Schätzungen zufolge machen sie weniger als 5 Prozent aus. Religionsgemeinschaften sind nicht verpflichtet, sich amtlich registrieren zu lassen. Religiöse Organisationen mit mindestens 200 Anhängern können dies jedoch tun. Bekehrungen durch religiöse Minderheiten sind zwar gesetzlich verboten, missionarisch aktive Glaubensgemeinschaften wie die Zeugen Jehovas oder die Mormonen sind jedoch tätig und werden staatlich nicht behindert. Es gibt wenige Muslime in Armenien, diese vor allem in Eriwan. Sie können ihren Glauben frei ausüben (AA 5.3.2024; vgl. USDOS 2.6.2022). Das Gesetz verbietet die „ Behinderung des Rechts auf freie Religionsausübung“, Hassreden und öffentliche Aufrufe zur Gewalt gegen eine Person oder eine Gruppe aus religiösen Gründen durch öffentliche Äußerungen, Massenmedien oder unter Ausnutzung der eigenen öffentlichen Stellung (USDOS 30.6.2024). Laut der Volkszählung von 2022 bekennen sich etwa 97,5 Prozent der Bevölkerung zur arme nisch-apostolischen Kirche. Zu den anderen religiösen Gruppen gehören römische Katholiken, armenische unierte Katholiken, orthodoxe Christen und evangelische Christen, darunter Anhän ger der Armenischen Evangelischen Kirche, Pfingstler, Siebenten-Tags-Adventisten, Baptisten, charismatische Christen und Zeugen Jehovas. Außerdem gibt es Anhänger der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage (Kirche Jesu Christi) und der Heiligen Apostolischen Katho lischen Assyrischen Kirche des Ostens sowie Molokan-Christen, Jesiden, Personen jüdischen Glaubens, Bahais, schiitische Muslime, sunnitische Muslime und Heiden, die einem vorchristli chen Glauben anhängen (USDOS 30.6.2024). 33

Beobachter schätzten die jüdische Bevölkerung des Landes auf 500 bis 1.000 Personen, zu denen seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine im Jahr 2022 mehrere hundert weitere Perso nen aus Russland hinzukamen. Es gab keine bestätigten Berichte über antisemitische Vorfälle (USDOS 23.4.2024; vgl. USDOS 30.6.2024). In Artikel 18 der Verfassung wird die armenisch-apostolische Kirche als „ Nationalkirche“ aner kannt, die für die Erhaltung der armenischen nationalen Identität verantwortlich ist (FH 2024a; vgl. USDOS 30.6.2024). Die Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund der Religion und schreibt die Trennung von religiösen Organisationen und dem Staat vor (). Die meisten religiösen Minderheiten, einschließlich der Siebenten-Tags-Adventisten, evangeli kaler christlicher Gruppen, der Zeugen Jehovas und der Bahais, berichteten, dass die öffentliche Einstellung ihnen gegenüber im allgemeinen positiv ist und dass es nur wenig oder gar keine negative Medienberichterstattung über sie gibt, obwohl mehrere Medien im Laufe des Jahres negative Berichte über sie brachten (USDOS 15.5.2023). Gesellschaftlicher und familiärer Druck war weiterhin eine große Abschreckung für ethnische Ar menier, eine andere Religion als den armenisch-apostolischen Glauben zu praktizieren (USDOS 2.6.2022). Das Gesetz verbietet Proselytismus, der als Zwangsbekehrung interpretiert werden kann, defi niert ihn aber nicht (USDOS 30.6.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.3.2024): Auswärtiges Amt - Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in Armenien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105332/Auswärtiges_ Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Armenien,_05.03.2024.pdf , Zugriff 3.4.2024 [Login erforderlich] ■ FH - Freedom House (2024a): Freedom in the World 2024 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2105009.html, Zugriff 3.4.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (30.6.2024): 2023 Report on International Reli gious Freedom: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2111638.html, Zugriff 11.7.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107681.html, Zugriff 29.4.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (15.5.2023): 2022 Report on International Reli gious Freedom: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2091908.html, Zugriff 7.9.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (2.6.2022): 2021 Report on International Religious Freedom: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2073981.html, Zugriff 8.9.2023 18 Ethnische Minderheiten Letzte Änderung 2024-11-15 17:24 Die Bevölkerung setzt sich aus ca. 96 Prozent armenischen Volkszugehörigen und ca. 4 Prozent Angehörigen von Minderheiten zusammen. Die Volkszugehörigkeit wird in armenischen Rei sepässen nur eingetragen, wenn der Passinhaber dies beantragt. Die jesidischen, russischen, kurdischen und assyrischen Minderheitengruppen sind die vier größten, ihnen steht nach der Verfassung bzw. dem Wahlgesetz jeweils ein Parlamentssitz zu. Die Verfassung garantiert na tionalen Minderheiten das Recht, ihre kulturellen Traditionen und ihre Sprache zu bewahren, in 34

der sie u. a. studieren und veröffentlichen dürfen. Zugleich verpflichtet ein Gesetz alle Kinder zu einer Schulausbildung in armenischer Sprache. Angehörige der jesidischen Minderheit berich teten in der Vergangenheit vereinzelt über Diskriminierungen; systematische und zielgerichtete staatliche Repressionen sind jedoch nicht bekannt (AA 5.3.2024). Die Verfassung verbot Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit oder anderer persönlicher oder sozialer Umstände (USDOS 23.4.2024; vgl. AA 5.3.2024). Das Strafgesetzbuch verbot die ungleiche Behandlung von Personen aus diesen Gründen, wenn dadurch die Menschenrechte und die rechtmäßigen Interessen einer Person verletzt wurden, und betrachtete die gleiche Handlung, die von Beamten begangen wurde, als einen erschwerenden Umstand. Die Durchsetzung des Gesetzes gegen ethnische Gewalt oder Diskriminierung durch die Regierung war uneinheitlich (USDOS 23.4.2024). Es gibt keine Gesetze, die die Beteiligung von Angehörigen von Minderheitengruppen am po litischen Prozess einschränken, und sie haben sich auch beteiligt (USDOS 20.3.2023). Ein im Rahmen der Verfassungsreformen von 2015 eingeführtes System sieht die Aufnahme von bis zu vier Abgeordneten vor, die ethnische Minderheiten vertreten; alle vier müssen auf einer Par teiliste gewählt werden. Im Jahr 2021 gewann die Partei Civil Contract drei Minderheitensitze, die ethnische Russen, Jesiden und Kurden vertraten, während die Armenia Alliance den Sitz für die ethnischen Assyrer gewann (FH 2024a). Nach der Schließung der Grenze zwischen Armenien und Aserbaidschan im Jahr 1991 wurden hetzerische Rhetorik und Hassreden immer häufiger, zumal ganze Generationen ohne Kontakt zur anderen Seite aufwuchsen. Die Regierung förderte zwar keine Hassreden gegen Aserbai dschaner, verurteilte aber auch keine solchen Reden, wenn sie auftraten (USDOS 23.4.2024). Jesiden berichteten, dass sie regelmäßig diskriminiert wurden, auch in Fällen, in denen es um Eigentumsstreitigkeiten ging. Die Bewohner einiger jesidischer Dörfer in der Region Aragatsotn betrachteten die schlechten sozioökonomischen Bedingungen in den Dörfern und das Fehlen von Straßen, Wasser und anderer Infrastruktur als indirekte Diskriminierung (USDOS 23.4.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.3.2024): Auswärtiges Amt - Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in Armenien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105332/Auswärtiges_ Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Armenien,_05.03.2024.pdf , Zugriff 3.4.2024 [Login erforderlich] ■ FH - Freedom House (2024a): Freedom in the World 2024 - Armenia, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2105009.html, Zugriff 3.4.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107681.html, Zugriff 29.4.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089129.html, Zugriff 7.9.2023 35

19 Relevante Bevölkerungsgruppen 19.1 Frauen Letzte Änderung 2024-11-04 16:13 Männer und Frauen sind in allen Bereichen rechtlich gleichgestellt, aber Diskriminierung auf grund des Geschlechts ist sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor ein Problem (US DOS 23.4.2024; vgl. AA 5.3.2024, FH 2024a). Der patriarchalische Charakter der Gesellschaft verhinderte eine umfassende Beteiligung von Frauen am politischen und wirtschaftlichen Leben und an Entscheidungspositionen im öffentlichen Sektor (USDOS 23.4.2024). Frauen besetzten zwei von 16 Kabinettsposten, etwa 36 % der Sitze in der Nationalversammlung und etwa 31 % der Sitze in den Kommunalparlamenten - ein Anstieg von 8,7 %, verglichen mit dem Stand vor den Kommunalwahlen 2021. In der Nationalversammlung gab es keine weiblichen Vizepräsiden ten oder Fraktionsvorsitzenden, und nur zwei der 12 ständigen Parlamentsausschüsse hatten weibliche Vorsitzende. In den 10 Regionen des Landes gab es eine Gouverneurin (USDOS 20.3.2023). Frauen sind in Politik und Regierung nach wie vor unterrepräsentiert, und die meisten Parteien tun wenig, um die Interessen von Frauen zu berücksichtigen, abgesehen von der Erfüllung der Geschlechterquote auf den Kandidatenlisten (FH 2024a). Die Gesetzgebung schreibt vor, dass Frauen und Männer jeweils mindestens 30 % der Kandidaten bei den Wahlen zur Nationalver sammlung stellen müssen, was eine Erhöhung der zuvor geltenden Quote von 25 % bedeutet. Nach der Änderung des Wahlgesetzes im Jahr 2020 wurde die 30-%-Quote auch auf alle Kom munalwahlen angewandt, die ab 2021 nach dem Verhältniswahlsystem stattfanden (USDOS 20.3.2023). Frauen hatten in der Regel nicht die gleichen beruflichen Möglichkeiten oder das gleiche Einkom men wie Männer, und die Arbeitgeber wiesen Frauen häufig auf minderwertige oder schlechter bezahlte Stellen zurück. Das Arbeitsgesetzbuch sieht zwar die „ rechtliche Gleichstellung“ aller Parteien am Arbeitsplatz vor, verbietet jedoch nicht ausdrücklich die geschlechtsspezifische Diskriminierung beim Zugang zu Krediten und schreibt nicht vor, dass gleicher Lohn für gleiche Arbeit gezahlt werden muss, sodass weiterhin ein Lohngefälle zwischen Männern und Frauen besteht (USDOS 23.4.2024). Glaubhafte Berichte über Zwangsheiraten liegen nicht vor (AA 5.3.2024). Die Vergewaltigung einer Person, gleich welchen Geschlechts, war eine Straftat, die mit einer Freiheitsstrafe von höchstens 15 Jahren geahndet wurde; für die Verfolgung von Vergewaltigung in der Ehe galten die allgemeinen Vergewaltigungsgesetze (USDOS 23.4.2024). Häusliche Gewalt gegen Frauen war weit verbreitet und wurde nicht angemessen verfolgt (US DOS 23.4.2024; vgl. FH 2024a). Die Dienste für die Opfer sind unzureichend (FH 2024a). Das 2022 in Kraft getretene Strafgesetzbuch führte zwar den Begriff der Gewalt durch einen Intim partner ein, definierte häusliche Gewalt jedoch nicht (USDOS 23.4.2024). Häusliche Gewalt wurde im Rahmen der allgemeinen Gewaltgesetze unter Strafe gestellt und je nach Ankla gepunkt (Mord, Gesundheitsschädigung, Vergewaltigung usw.) mit unterschiedlichen Strafen belegt (USDOS 23.4.2024). 36

Das Gesetz gegen häusliche Gewalt wurde Ende 2017 vom Parlament verabschiedet (AA 5.3.2024; vgl. HRW 13.1.2022). Das Gesetz über Gewalt in der Familie aus dem Jahr 2017 verpflichtet die Polizei zum sofortigen Eingreifen, „ wenn die begründete Annahme besteht, dass eine unmittelbare Gefahr einer Wiederholung oder Fortsetzung der Gewalt“ in der Familie be steht (HRW 13.1.2022). Die Strafverfolgungsbehörden sind nicht ausreichend für die gesetzlich vorgeschriebenen Schutzmechanismen zur Verhinderung häuslicher Gewalt, wie etwa Schutz anordnungen, sensibilisiert und geschult und wenden diese nicht angemessen an bzw. setzen sie nicht angemessen durch (HRW 12.1.2023). Enge Definitionen im Gesetz gegen Gewalt in der Familie verhinderten, dass Missbrauchsopfer, die nicht verheiratet waren oder in einer Lebensgemeinschaft mit ihrem Partner lebten, Schutz und Unterstützung durch das Gesetz erhielten (USDOS 12.4.2022). Im Laufe des Jahres stellte die Regierung weiterhin begrenzte Mittel zur Unterstützung von zwei Zentren zur Betreuung von Opfern häuslicher Gewalt bereit (USDOS 20.3.2023). Am 3. Mai nahm das Parlament Änderungen am Arbeitsgesetz an, die Gewalt und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verbieten. Das Gesetz sah vor, dass Verstöße nicht strafrechtliche Verwaltungsstrafen nach sich ziehen. Die Änderung trat am 31. Juli in Kraft (USDOS 23.4.2024). Nach Angaben der NRO Coalition to Stop Violence against Women (Koalition zur Beendigung der Gewalt gegen Frauen) erschwerten Lücken in der Gesetzgebung und eine unsachgemäße Durchsetzung des Gesetzes den Zugang von Opfern häuslicher Gewalt zu Dienstleistungen. Die Polizei verwarnte die Täter weiterhin, ohne Maßnahmen zum Schutz der Überlebenden zu ergreifen. Die Polizei kann in Notfällen Schutzanordnungen für bis zu 20 Tage erteilen, wenn ein Familienmitglied Gewalt gegen ein anderes ausgeübt hat und die begründete Annahme besteht, dass eine unmittelbare Gefahr wiederholter Gewalt besteht; für längerfristige Schutzanordnun gen müssen die Betroffenen einen Antrag bei einem Gericht stellen (USDOS 12.4.2022). In Armenien gibt es nur zwei Unterkünfte für Opfer häuslicher Gewalt, die zusammen Platz für 24 Frauen und ihre Kinder bieten. Nach Angaben des Women’s Support Center, einer lokalen Gruppe, sind die Frauenhäuser ständig überfüllt, und der Schutz von Frauen ist nach wie vor unwirksam und wird durch Gerichtsurteile beeinträchtigt, die Anordnungen der Polizei zum sofortigen Eingreifen für ungültig erklären (HRW 11.1.2024; vgl. USDOS 20.3.2023). Armenien verfügt auch nicht über einen allgemeinen Hotlinedienst für Opfer häuslicher Gewalt (HRW 13.1.2022). Das Gesetz befasst sich zwar mit unzüchtigen Handlungen und unanständigem Verhalten, deckt aber nicht alle Elemente sexueller Belästigung ab. Das Gesetz betrachtet sexuelle Belästigung als eine Form der geschlechtsspezifischen Diskriminierung. Das Arbeitsgesetzbuch enthält kei nen Hinweis auf sexuelle Belästigung, und es gibt kein spezielles Gesetz, das sexuelle Belästi gung am Arbeitsplatz verbietet oder strafrechtliche oder zivilrechtliche Sanktionen für sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz vorsieht (USDOS 20.3.2023). Es gab keine Berichte über erzwungene Abtreibungen oder unfreiwillige Sterilisationen seitens der Regierungsbehörden (USDOS 23.4.2024). 37
