2025-09-05-coi-cms-laenderinformationen-russische-foederation-version-16-1b03
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
1.7.2024; vgl. Memorial o.D.a). Die Behörden nutzen neben der Gesetzgebung über „ auslän dische Agenten“ und „ unerwünschte Organisationen“ verschiedene weitere Maßnahmen, um Menschenrechtsverteidiger unter Druck zu setzen. Im November 2022 schloss Präsident Putin mehrere prominente Menschenrechtsverteidiger aus dem Menschenrechtsrat des Präsidenten aus und ersetzte sie durch regierungsfreundliche Personen (AI 28.3.2023). Menschenrechts anwälte geraten zunehmend unter Druck (UNHRC 13.9.2024; vgl. ÖB Moskau 1.7.2024), und Verteidiger sind strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt (UNHRC 13.9.2024). Mehreren Men schenrechtsanwälten wurde die Anwaltslizenz entzogen, ohne ihnen ein Beschwerderecht ein zuräumen (EUAA 16.12.2022b). [zum Thema Europarat/Klagemöglichkeiten wegen Menschen rechtsverletzungen siehe das Kapitel Rechtsschutz / Justizwesen] Ombudsperson Die Ombudsperson für Menschenrechte wird laut der Verfassung der Russischen Föderation vom Parlament (Duma) ernannt und entlassen (Verfassung RUSS 6.10.2022). Gemäß den gesetzlichen Vorgaben ist die Ombudsperson bei der Ausübung ihrer Befugnisse unabhängig und keinem staatlichen Organ oder Amtsträger gegenüber rechenschaftspflichtig (FVGOPMR RUSS 29.5.2023). Zu den Aufgaben der Ombudsperson für Menschenrechte gehören die Kon trolle der Tätigkeiten staatlicher Organe sowie die Bearbeitung von Beschwerden, welche von Bürgern der Russischen Föderation, Staatenlosen oder anderen Personen eingereicht werden (OPMR RUSS o.D.a). Jährlich erstellt die Ombudsperson einen Tätigkeitsbericht (OPMR RUSS o.D.b). Die Befugnisse der Ombudsperson für Menschenrechte gelten als begrenzt (USDOS 22.4.2024; vgl. OSCE/ODIHR/Nußberger 22.9.2022). In allen Regionen gibt es außerdem re gionale Ombudspersonen, deren Wirksamkeit sehr variiert. Örtliche Behörden untergraben oft die Unabhängigkeit der Ombudspersonen (USDOS 22.4.2024). Menschenhandel Gemäß dem Strafgesetzbuch zieht Menschenhandel eine Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren nach sich (StGB RUSS 9.11.2024). Das Strafgesetzbuch definiert den Begriff Menschenhan delsopfer nicht. Die meisten der an Behörden gemeldeten Menschenhandelsfälle werden von der Regierung nicht als Menschenhandel anerkannt, sondern anderen Gesetzesparagrafen zu geschrieben. Dadurch wird das Ausmaß des Problems verschleiert. Regierungsbeamte und die Polizei lassen sich regelmäßig bestechen, um Menschenhandelsfälle zu vertuschen. Die Re gierung zeigt wenig Bemühung zur Unterstützung von Menschenhandelsopfern. Auch existiert keine nationale Strategie zur Bekämpfung von Menschenhandel. Die Regierung hat Aktivitäten mehrerer zivilgesellschaftlicher Gruppen, die gegen Menschenhandel ankämpfen, unterbun den (USDOS 24.6.2024). Menschenhandelsopfer werden regelmäßig inhaftiert, abgeschoben und gerichtlich verfolgt (FH 2024). Die am weitesten verbreitete Form von Menschenhandel in Russland ist der Handel mit Arbeitskräften. Auch Sexhandel kommt vor. Zwangsarbeit ist weit verbreitet. Die Regierung stellt keine finanziellen Mittel für Bewusstseinskampagnen und andere Präventionstätigkeiten bereit (USDOS 24.6.2024). In der Russischen Föderation gibt es Unter kunftsmöglichkeiten für Opfer von Menschenhandel. Für gewöhnlich werden diese Unterkünfte von örtlichen NGOs verwaltet (IOM 8.2024). 68

Flüchtlinge Russland hat die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert (UNTC 29.11.2024) und gewährt laut der russischen Verfassung Asyl. Die Verfassung lässt die Auslieferung von Personen, welche aufgrund ihrer politischen Überzeugungen verfolgt werden, an andere Staaten nicht zu (Ver fassung RUSS 6.10.2022). Personen, welche nicht als Flüchtlinge anerkannt werden, wird von der Regierung das Recht auf temporären Schutz eingeräumt (USDOS 22.4.2024; vgl. FGFLÜ RUSS 13.6.2023). In der Praxis wird dieses Prinzip von Behörden nicht konsequent umgesetzt (USDOS 22.4.2024). Für ausländische Flüchtlinge ist es de facto schwierig, einen endgültigen oder zeitlich begrenzten Flüchtlingsschutz zu erlangen (AA 2.8.2024). Die Anerkennungsrate von Asylwerbern, die nicht aus der Ukraine stammen, ist niedrig (UNHRCOM 1.12.2022). Mit Stand Juni 2023 besaßen ungefähr 36.500 Personen einen temporären Schutzstatus. Es man gelt an klaren Verfahrensregeln. Der Non-Refoulement-Begriff ist gesetzlich nicht ausdrücklich festgeschrieben (USDOS 22.4.2024). Für Personen mit besonderen Bedürfnissen sind keine besonderen Verfahrensmaßnahmen vorgesehen. Personen, welchen Asyl gewährt wurde, sind mit Integrationsschwierigkeiten konfrontiert (UNHRCOM 1.12.2022). Gemäß Berichten sind Flüchtlinge aus der Ukraine in Russland in sogenannten Filtrationsla gern interniert oder sonstigen Bewegungseinschränkungen ausgesetzt. Es wird über Fälle von Folter, geschlechtsspezifischer Gewalt und Erniedrigung ukrainischer Staatsangehöriger sowie über gewaltsame Deportation/Verschleppung ukrainischer Kinder nach Russland und in rus sisch besetzte Gebiete berichtet (AA 2.8.2024). Mit Stand 31.12.2023 waren in der Russischen Föderation 1.227.555 Flüchtlinge aus der Ukraine registriert (UNHCR o.D.). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (2.8.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand: 4. Juli 2024), https://www.ecoi.net/en/file/local/2113358 /Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Russisch en_Föderation,_02.08.2024.pdf, Zugriff 19.8.2024 [Login erforderlich] ■ AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Russland 2022, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089408.html , Zugriff 13.11.2023 ■ BS - Bertelsmann Stiftung (2024): BTI (Bertelsmann Stiftung’s Transformation Index) 2024 Country Report — Russia, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report _2024_RUS.pdf, Zugriff 2.4.2024 ■ EEAS - European Union / European External Action Service (29.5.2024): EU Annual Report on Human Rights and Democracy in the Word 2023 Country Updates, https://www.eeas.europa.eu/ sites/default/files/documents/2024/2023 EU country updates on human rights and democracy_2.pdf, Zugriff 23.8.2024 ■ EUAA - European Union Agency for Asylum (16.12.2022b): The Russian Federation – Political opposition, https://euaa.europa.eu/sites/default/files/publications/2022-12/2022_EUAA_COI_Repo rt_Russian_Federation_Political_Opposition.pdf, Zugriff 16.4.2024 ■ FGFLÜ RUSS - Föderales Gesetz zu Flüchtlingen [Russland] (13.6.2023): Федеральный закон (N 4528-1): О беженцах [Föderales Gesetz: Über Flüchtlinge], https://www.consultant.ru/document/c ons_doc_LAW_4340, Zugriff 26.8.2024 ■ FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Russia, https://freedomhouse.org/count ry/russia/freedom-world/2024, Zugriff 3.4.2024 69

■ FVGOPMR RUSS - Föderales Verfassungsgesetz zur Ombudsperson für Menschenrechte [Russ land] (29.5.2023): Федеральный конституционный закон (N 1-ФКЗ): Об Уполномоченном по правам человека в Российской Федерации [Föderales Verfassungsgesetz: Über die Ombudsper son für Menschenrechte in der Russischen Föderation], https://www.consultant.ru/document/cons_ doc_LAW_13440, Zugriff 26.8.2024 ■ IOM - International Organization for Migration (8.2024): Russische Föderation - Länderinformations blatt 2024, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_ The Russian Federation 2024_DE.pdf, Zugriff 12.11.2024 ■ Memorial - Memorial (o.D.a): Что такое Международный Мемориал [Was ist Memorial International?], https://www.memo.ru/ru-ru/memorial/memorial-international-aims , Zugriff 10.5.2024 ■ ÖB Moskau - Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (1.7.2024): Asylländerbericht zur Russi schen Föderation 2024, https://www.ecoi.net/en/file/local/2116897/RUSS_ÖB-Bericht_2024_07.pdf, Zugriff 8.11.2024 [Login erforderlich] ■ OHCHR - Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (o.D.): Russian Feder ation - Status of Ratification - Interactive Dashboard, https://indicators.ohchr.org, Zugriff 11.11.2024 ■ OPMR RUSS - Ombudsperson für Menschenrechte [Russland] (o.D.a): Статус и полномочия [Sta tus und Befugnisse], https://ombudsmanrf.org/ombudsman/status_auth, Zugriff 26.8.2024 ■ OPMR RUSS - Ombudsperson für Menschenrechte [Russland] (o.D.b): Ежегодные доклады [Jähr liche Berichte], https://ombudsmanrf.org/documents/ezhegodnye-doklady, Zugriff 26.8.2024 ■ OSCE/ODIHR/Nußberger - Nußberger, Angelika (Autor), Organization for Security and Co-operation in Europe / Office for Democratic Institutions and Human Rights (Herausgeber) (22.9.2022): Report on Russia’s Legal and Administrative Practice in Light of its OSCE Human Dimension Commitments, https://www.osce.org/files/f/documents/7/5/526720.pdf, Zugriff 26.8.2024 ■ StGB RUSS - Strafgesetzbuch [Russland] (9.11.2024): Уголовный кодекс Российской Федерации (N 63-ФЗ) [Strafgesetzbuch der Russischen Föderation], https://www.consultant.ru/document/con s_doc_LAW_10699, Zugriff 18.11.2024 ■ SWP/Fischer - Stiftung Wissenschaft und Politik (Herausgeber), Fischer, Sabine (Autor) (19.4.2022): Russland auf dem Weg in die Diktatur - Innenpolitische Auswirkungen des Angriffs auf die Ukraine (SWP-Aktuell 31), https://www.swp-berlin.org/publications/products/aktuell/2022A31_Russland_Dik tatur.pdf, Zugriff 2.4.2024 ■ UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (o.D.): Operational Data Portal - Ukraine Refugee Situation, https://data.unhcr.org/en/situations/ukraine, Zugriff 29.11.2024 ■ UNHRC - United Nations Human Rights Council (13.9.2024): Situation of human rights in the Russian Federation - Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in the Russian Federation, Mariana Katzarova (Advance edited version; A/HRC/57/59), https://www.ohchr.org/site s/default/files/2024-09/A-HRC-57-59-aev-EN.docx , Zugriff 7.11.2024 ■ UNHRCOM - United Nations Human Rights Committee (1.12.2022): International Covenant on Civil and Political Rights - Concluding observations on the eighth periodic report of the Russian Federation (CCPR/C/RUS/CO/8), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083107/G2258965.pdf, Zugriff 16.4.2024 ■ UN News - United Nations News (7.4.2022): UN General Assembly votes to suspend Russia from the Human Rights Council, https://news.un.org/en/story/2022/04/1115782, Zugriff 29.11.2024 ■ UNTC - United Nations Treaty Collection (29.11.2024): Convention relating to the Status of Refugees, https://treaties.un.org/Pages/ViewDetailsII.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=V-2&chapter=5&Temp= mtdsg2&clang=_en, Zugriff 29.11.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (24.6.2024): 2024 Trafficking in Persons Report: Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2111585.html, Zugriff 26.8.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (22.4.2024): 2023 Country Reports on Human Rights Practices: Russia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2024/03/528267_RUSSIA-202 3-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 8.5.2024 ■ Verfassung RUSS - Verfassung [Russland] (6.10.2022): Конституция РФ с изменениями 2022 года [Verfassung der RF mit Änderungen des Jahres 2022], http://duma.gov.ru/news/55446, Zugriff 27.2.2024 70

11.1 Tschetschenien, Kritiker, Tschetschenienkrieg-Kämpfer Letzte Änderung 2024-12-04 09:14 In Tschetschenien stellt sich die Menschenrechtssituation als äußerst beunruhigend dar (FC DO 12.2022; vgl. AA 2.8.2024). Die weitverbreiteten Menschenrechtsverletzungen sind staat lichen Akteuren zuzuschreiben (EUAA 16.12.2022b). Um die Kontrolle über die Republik zu behalten (FH 2024), wendet das Regime von Republiksoberhaupt Kadyrow unterschiedliche Gewaltformen an, darunter Entführung, Folter und außergerichtliche Tötung (FH 2024; vgl. CoE- PACE 3.6.2022, UNGA 11.10.2024). Es kommt zu Massenrazzien und Massenentführungen (KR 27.3.2023). Auch kollektive Bestrafungen gelangen zur Anwendung (EUAA 16.12.2022b; vgl. UNGA 11.10.2024). Die Behörden gehen gegen Extremismusverdächtige menschenrechts- und rechtsstaatswidrig vor. Die kritische Zivilgesellschaft wird weitgehend unterdrückt. Die Bekämp fung von Extremisten geht mit rechtswidrigen Festnahmen, Sippenhaft, Kollektivstrafen, Ver schwindenlassen, Folter zur Erlangung von Geständnissen, fingierten Straftaten, willkürlichen Tötungen und Geheimgefängnissen, in welchen gefoltert wird, einher (AA 2.8.2024). Frauen werden Opfer von Ehrenmorden (USDOS 22.4.2024). Mit der Unterstützung Moskaus wird gewaltsam gegen religiöse Minderheiten vorgegangen (USCIRF 26.10.2021). Nach Angaben des Innenministeriums verschwanden 2022-2023 in Tschetschenien 3.209 Personen spurlos. Genaue Angaben zur Anzahl der verschollenen Personen sind sehr schwierig zu eruieren, da die Tätigkeit von Menschenrechtsverteidigern und unabhängigen Ermittlern in der Region prak tisch unmöglich ist (KR 30.8.2024). Tschetschenien gehört zu denjenigen Regionen, in welchen Verschwundene am seltensten wiedergefunden werden (KR 28.3.2023). Russland ist dem In ternationalen Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen nicht beigetreten (OHCHR o.D.). Schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, begangen von Vertretern der föderalen und re gionalen Behörden, bleiben straffrei (CoE-PACE 3.6.2022; vgl. UNGA 11.10.2024). Bestimmte Gruppen genießen keinen effektiven Rechtsschutz. Hierzu gehören Menschenrechtsverteidiger, sexuelle Minderheiten, Oppositionelle, Regimekritiker, Frauen, welche mit den Wertvorstellun gen ihrer Familie in Konflikt geraten, sowie Personen, die sich gegen das Republiksoberhaupt Kadyrow bzw. dessen Clan aufgelehnt haben. Kadyrow äußert regelmäßig Drohungen gegen Oppositionspolitiker, Menschenrechtsaktivisten und Minderheiten (AA 2.8.2024). Menschen rechtsaktivisten sind schweren Menschenrechtsverletzungen durch tschetschenische Sicher heitsorgane ausgesetzt, darunter Folter, Verschwindenlassen, rechtswidrige Festnahmen und Fälschung von Straftatbeständen (ÖB Moskau 1.7.2024; vgl. EEAS 31.7.2023). Entsprechen de Vorwürfe werden kaum untersucht, die Verantwortlichen genießen Straflosigkeit (ÖB Mos kau 1.7.2024). In Tschetschenien gibt es eine regionale Ombudsperson für Menschenrechte (OPMRT RUSS o.D.). Kritiker 71

Tschetschenische Behörden unterdrücken alle Formen abweichender Meinungen, nehmen Kri tiker ins Visier und bestrafen deren Familienangehörige. Zu den angewandten Methoden gehört die Zwangsrekrutierung von Männern zur Kampfteilnahme in der Ukraine (HRW 11.1.2024). Ka dyrow droht denjenigen Personen öffentlich, welche ihn und seine Familie kritisieren (GOV.UK 12.8.2024). Mit der Unterstützung Moskaus wird gewaltsam gegen Kritiker des Kadyrow-Re gimes vorgegangen (USCIRF 26.10.2021). Regimekritiker müssen mit Strafverfolgung aufgrund fingierter Straftaten sowie physischen Übergriffen bis hin zu Mord rechnen (AA 2.8.2024). Es kommt zu Folterungen (KR 27.3.2023). Auch Sippenhaft von Familienangehörigen ist mög lich (AA 2.8.2024; vgl. UNGA 11.10.2024). Bürger, welche sich über örtliche Angelegenheiten beschweren (beispielsweise Krankenhausschließung), sind Belästigungen und Demütigungen ausgesetzt (GOV.UK 12.8.2024). Kritiker des Kadyrow-Regimes werden systematisch zu Ent schuldigungen gezwungen (KK 8.8.2023). Wer aus politischen Gründen strafrechtlich verfolgt wird, kann nicht mit einem fairen Gerichts verfahren rechnen (GOV.UK 12.8.2024). Die Opposition hat sich wegen der Unmöglichkeit von Straßenprotesten in Tschetschenien in soziale Netze und Messenger verlagert. Einer der be kanntesten Oppositionskanäle ist der Telegram-Kanal 1ADAT. Die Inhalte von 1ADAT wurden gerichtlich als extremistisch eingestuft (KK 13.2.2022). 1ADAT steht dem tschetschenischen Republiksoberhaupt Kadyrow äußerst kritisch gegenüber (USDOS 20.3.2023) und lässt regel mäßig Stimmen tschetschenischer Dissidenten zu Wort kommen (HRW 12.1.2023). Der Kanal sammelt Informationen über Verbrechen in Tschetschenien und führt eine Entführungsstatistik. Mitarbeiter von 1ADAT sind Festnahmen und Folter durch Kadyrows Personal ausgesetzt (KK 13.2.2022). Grundsätzlich können Tschetschenen ebenso wie andere russische Staatsangehörige auch an einem anderen Ort in der Russischen Föderation außerhalb Tschetscheniens leben bzw. sich dorthin flüchten, solange sie nicht neuerlich ins Blickfeld der tschetschenischen Sicherheits kräfte geraten. Wird eine Person allerdings gesucht, so ist es den Sicherheitsorganen möglich, diese zu finden. Tschetschenen stehen in größeren russischen Städten unter Beobachtung ihrer Landsleute, und „ falsches“ Verhalten kann ebenfalls das Interesse der tschetschenischen Si cherheitsstrukturen wecken (ÖB Moskau 1.7.2024). Gemäß Berichten verfolgen in Einzelfällen die Familien der Betroffenen oder tschetschenische Behörden (welche Zugriff auf russlandweite Informationssysteme haben) Flüchtende in andere Landesteile. Die regionalen Strafverfolgungs behörden können Tschetschenen in anderen Gebieten Russlands in Gewahrsam nehmen und nach Tschetschenien verbringen. Sofern keine Strafanzeige vorliegt, können Untergetauchte durch eine Vermisstenanzeige ausfindig gemacht werden (AA 2.8.2024). Die russische Regie rung setzt Gesichtserkennungssoftware ein, um Personen festzunehmen (FH 16.10.2024). Es wird von verschiedenen Personengruppen berichtet, die gegen ihren Willen von einem inner staatlichen Zufluchtsort nach Tschetschenien zurückgeholt und dort Opfer von Menschenrechts verletzungen geworden sind. Zu den Betroffenen gehören Oppositionelle und Regimekritiker, darunter ehemalige Kämpfende und Mitglieder der tschetschenischen Unabhängigkeitsbewe gung (AA 2.8.2024). In mehreren Fällen wurden Kritiker Kadyrows, welche außerhalb Russlands lebten, Opfer von Attentaten (KR 31.1.2023). 72

Tschetschenienkrieg-Kämpfer Von einer Verfolgung von Kämpfern des ersten und zweiten Tschetschenienkrieges allein auf grund ihrer Teilnahme an Kriegshandlungen ist heute im Allgemeinen nicht mehr auszugehen; es wurden in den letzten Jahren keine Fälle der Verfolgung bekannt. Prominentes Beispiel dafür ist der Kadyrow‐Clan selbst, welcher im Zuge der Tschetschenienkriege vom Rebellen‐ zum Vasallentum wechselte (ÖB Moskau 1.7.2024). Ein weiteres Beispiel stellt der tschetschenische Premierminister Magomed Daudow dar, welcher an den zwei Tschetschenienkriegen aufsei ten der bewaffneten Kämpfer teilnahm, jedoch auf die Seite der föderalen Kräfte wechselte, nachdem ihm Achmat, der Vater von Ramsan Kadyrow, eine Amnestie versprochen hatte (WG 28.5.2024). Die Frauen von im Zusammenhang mit den zwei Tschetschenienkriegen verurteil ten oder getöteten Militanten berichten teils von Stigmatisierung und differenzierter, mitunter illegaler Behandlung durch Strafverfolgungsbehörden, auch ihre Kinder betreffend (ÖB Moskau 1.7.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (2.8.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand: 4. Juli 2024), https://www.ecoi.net/en/file/local/2113358 /Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Russisch en_Föderation,_02.08.2024.pdf, Zugriff 19.8.2024 [Login erforderlich] ■ CoE-PACE - Council of Europe - Parliamentary Assembly (3.6.2022): Report - The continuing need to restore human rights and the rule of law in the North Caucasus region, https://pace.coe.int/en/file s/30064/html?__cf_chl_tk=N0MvfyHujStO1y2i5De4AjF5sOdH0kwzw1IPrh2B99Q-1660131174-0-g aNycGzNCpE, Zugriff 12.4.2024 ■ EEAS - European Union / European External Action Service (31.7.2023): EU Annual Report on Hu man Rights and Democracy in the World 2022 Country Updates, https://www.eeas.europa.eu/sites/ default/files/documents/2023/2022 EU Annual Human Rights and Democracy Country Reports_- 0.pdf, Zugriff 10.5.2024 ■ EUAA - European Union Agency for Asylum (16.12.2022b): The Russian Federation – Political opposition, https://euaa.europa.eu/sites/default/files/publications/2022-12/2022_EUAA_COI_Repo rt_Russian_Federation_Political_Opposition.pdf, Zugriff 16.4.2024 ■ FCDO - Foreign, Commonwealth & Development Office [United Kingdom] (12.2022): Human Rights & Democracy - The 2021 Foreign, Commonwealth & Development Office Report, https://assets.p ublishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/1130821/hu man-rights-and-democracy-2021-foreign-commonwealth-development-office-report.pdf , Zugriff 26.8.2024 ■ FH - Freedom House (16.10.2024): Freedom on the Net 2024 - Russia, https://www.ecoi.net/de/do kument/2116582.html, Zugriff 5.11.2024 ■ FH - Freedom House (2024): Freedom in the World 2024 - Russia, https://freedomhouse.org/count ry/russia/freedom-world/2024, Zugriff 3.4.2024 ■ GOV.UK - Government Digital Service [United Kingdom] (12.8.2024): Guidance - Country policy and information note: critics of the state, Chechnya, https://www.gov.uk/government/publications/russi a-country-policy-and-information-notes/country-policy-and-information-note-critics-of-the-state-c hechnya-august-2022-accessible , Zugriff 27.8.2024 ■ HRW - Human Rights Watch (11.1.2024): World Report 2024 - Russia, https://www.ecoi.net/de/do kument/2103134.html, Zugriff 17.4.2024 ■ HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Russian Federation, https://www.ec oi.net/de/dokument/2085489.html, Zugriff 6.2.2024 ■ KK - Kaukasischer Knoten (8.8.2023): Мода на извинения: от Чечни до самых окраин [Entschul digungen in Mode: von Tschetschenien bis zu den äußersten Randgebieten], https://www.kavkaz-u zel.eu/articles/332678, Zugriff 27.8.2024 73

■ KK - Kaukasischer Knoten (13.2.2022): Онлайн оппозиция в Чечне: как устроен 1Adat* [On line-Opposition in Tschetschenien: 1ADAT], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/373106 , Zugriff 27.8.2024 ■ KR - Kawkas.Realii (30.8.2024): Похищенные: как исчезают люди в Чечне [Entführte: wie Leute in Tschetschenien verschwinden], https://www.kavkazr.com/a/pohischennye-kak-ischezayut-lyudi-v -chechne/33099503.html, Zugriff 29.11.2024 ■ KR - Kawkas.Realii (28.3.2023): Чужой титул. Как Кадыровы стали „ главными правозащит никами“ Чечни [Fremder Titel. Wie die Kadyrows die „ wichtigsten Menschenrechtsverteidiger“ Tschetscheniens wurden], https://www.kavkazr.com/a/chuzhoy-titul-kak-kadyrovy-stali-glavnymi-p ravozaschitnikami-chechni/32338770.html, Zugriff 29.11.2024 ■ KR - Kawkas.Realii (27.3.2023): „ Жертв собирают по цепочке“. Правозащитники – о судьбе похи щенных жителей Чечни [„ Die Opfer werden kettenweise gesammelt“. Menschenrechtsverteidiger - über das Schicksal entführter Bewohner Tschetscheniens], https://www.kavkazr.com/a/zhertv-s obirayut-po-tsepochke-pravozaschitniki-o-sudjbe-pohischennyh-zhiteley-chechni/32336286.html , Zugriff 26.8.2024 ■ KR - Kawkas.Realii (31.1.2023): Таинственное молчание. Соцсети об исчезновении критиков Ка дырова [Geheimnisvolles Schweigen. Soziale Medien über Verschwinden von Kritikern Kadyrows], https://www.kavkazr.com/a/tainstvennoe-molchanie-sotsseti-ob-ischeznovenii-kritikov-kadyrova/32 237111.html, Zugriff 27.8.2024 ■ ÖB Moskau - Österreichische Botschaft Moskau [Österreich] (1.7.2024): Asylländerbericht zur Russi schen Föderation 2024, https://www.ecoi.net/en/file/local/2116897/RUSS_ÖB-Bericht_2024_07.pdf, Zugriff 8.11.2024 [Login erforderlich] ■ OHCHR - Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (o.D.): Russian Feder ation - Status of Ratification - Interactive Dashboard, https://indicators.ohchr.org, Zugriff 11.11.2024 ■ OPMRT RUSS - Ombudsperson für Menschenrechte in Tschetschenien [Russland] (o.D.): Startseite, https://chechombudsman.ru, Zugriff 27.8.2024 ■ UNGA - United Nations General Assembly (11.10.2024): Situation of human rights in the Russian Federation (A/79/508), https://documents.un.org/doc/undoc/gen/n24/291/80/pdf/n2429180.pdf , Zugriff 18.11.2024 ■ USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom [USA] (26.10.2021): Issue Update Russia - Religious Freedom Violations in the Republic of Chechnya, https://www.uscirf.gov/ sites/default/files/2021-10/2021 Chechnya Issue Update.pdf, Zugriff 1.3.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (22.4.2024): 2023 Country Reports on Human Rights Practices: Russia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2024/03/528267_RUSSIA-202 3-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 8.5.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089062.html, Zugriff 7.12.2023 ■ WG - Wichtige Geschichten (28.5.2024): Админ телеграм-канала Кадырова пытался удалить критику со страницы Магомеда Даудова в «Википедии» в день его назначения премьером Чечни, выяснили «Важные истории» [Admin von Kadyrows Telegram-Kanal versuchte, Kritik von Magomed Daudows Seite auf „ Wikipedia“ zu entfernen, am Tag seiner Ernennung zum Premier Tschetscheniens, fand „ Wichtige Geschichten“ heraus], https://istories.media/news/2024/05/28/adm in-telegram-kanala-kadirova-pitalsya-udalit-kritiku-so-stranitsi-magomeda-daudova-v-vikipedii-v-d en-yego-naznacheniya-premerom-chechni-viyasnili-vazhnie-istorii , Zugriff 29.11.2024 74

11.2 Dagestan Letzte Änderung 2024-12-04 09:23 Die Menschenrechtslage in Dagestan ist grundsätzlich besser als im benachbarten Tschetsche nien. Jedoch auch in Dagestan gehen mit der Bekämpfung des islamistischen Untergrunds Menschenrechtsverletzungen durch lokale und föderale Sicherheitsbehörden einher, darun ter Entführungen und Verschwindenlassen. Davon sind auch Menschenrechtsorganisationen, NGOs im sozialen/humanitären Bereich und regierungskritische Journalisten betroffen. Im Ge gensatz zu Tschetschenien können NGOs in Dagestan tätig werden, sich mit Opfern von Men schenrechtsverletzungen treffen, vor Ort recherchieren und selbst Verfahren gegen Mitglieder der Sicherheitskräfte wegen Foltervorwürfen anstrengen. Die NGO „ Komitee zur Verhinderung von Folter“ arbeitet mit den Sicherheitsbehörden in Dagestan im Rahmen des Strafvollzugs zu sammen (AA 2.8.2024). In Dagestan gibt es eine regionale Ombudsperson für Menschenrechte (OPMRD RUSS o.D.). Die Mobilisierung führte im September 2022 zu einer Protestwelle in Dagestan. Die Massen proteste hielten mehrere Tage an und wurden von den Behörden gewaltsam niedergeschlagen (HRW 12.1.2023). Es kam zu Massenverhaftungen (KK 17.2.2023). Einige Verhaftete berichte ten über Folterungen durch die Polizei (KR 17.2.2023). Mehrere Strafverfahren gegen Protest teilnehmer wurden wegen angeblicher Gewalt gegen die Polizei eröffnet (HRW 12.1.2023). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (2.8.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand: 4. Juli 2024), https://www.ecoi.net/en/file/local/2113358 /Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Russisch en_Föderation,_02.08.2024.pdf, Zugriff 19.8.2024 [Login erforderlich] ■ HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Russian Federation, https://www.ec oi.net/de/dokument/2085489.html, Zugriff 6.2.2024 ■ KK - Kaukasischer Knoten (17.2.2023): Участник протестов против мобилизации в Махачкале освобожден в зале суда [Teilnehmer an Anti-Mobilisierungsprotesten in Machatschkala aus Ge richtssaal entlassen], https://www.kavkaz-uzel.eu/articles/386005, Zugriff 6.2.2024 ■ KR - Kawkas.Realii (17.2.2023): Участника протестов против мобилизации в Дагестане оштра фовали на 50 тысяч рублей [Geldstrafe von 50.000 Rubel für Teilnehmer an Antimobilisierungsprotesten in Dagestan], https://www.kavkazr.com/a/uchastnika-protestov-protiv-mobilizatsii-v-dagestane-osh trafovali-na-50-tysyach-rubley/32276048.html , Zugriff 27.8.2024 ■ OPMRD RUSS - Ombudsperson für Menschenrechte in Dagestan [Russland] (o.D.): Руководство [Leitung], https://dagombu.ru/ministry/management, Zugriff 27.8.2024 12 Meinungs- und Pressefreiheit, Internetfreiheit Letzte Änderung 2024-12-16 16:02 Die Verfassung der Russischen Föderation garantiert Meinungsfreiheit und verbietet Zensur (Verfassung RUSS 6.10.2022). Derzeit herrscht eine Kriegszensur (SWP/Fischer 19.4.2022). Pres se- und Meinungsfreiheit sind eingeschränkt (BS 2024; vgl. UNHRCOM 1.12.2022), insbeson dere in Bezug auf kriegskritische Aussagen (UNHRCOM 1.12.2022). Informationen über den Krieg werden von der Regierung massiv kontrolliert und manipuliert (AI 24.4.2024). Journalisten dürfen gemäß einer Entscheidung der Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor ausschließlich 75

Informationen der russischen Regierung verwenden, wenn sie über den Ukraine-Krieg berichten. Ansonsten drohen Geldstrafen und die Blockierung von Webseiten (UNHRCOM 1.12.2022). Die Verwendung der Begriffe Krieg, Angriff und Invasion im Zusammenhang mit dem Ukraine- Krieg ist verboten. Stattdessen ist der Begriff der „ militärischen Spezialoperation“ zu benutzen (SWP/Fischer 19.4.2022). Die Diskreditierung der Armee kann gemäß dem Strafgesetzbuch zu einer mehrjährigen Haftstrafe führen. Bei öffentlicher Verbreitung von Falschinformationen über die Armee droht eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren (StGB RUSS 9.11.2024). Der Begriff Diskreditierung ist nicht definiert (SFH 12.1.2023). Die Maßnahmen haben zur Folge, dass jegliche abweichende Meinung und alternative Informationen über den bewaffneten Konflikt in der Ukraine unterdrückt werden (FNS/Parchomenko 11.2022). Die Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor, welche vom Ministerium für digitale Entwicklung kontrolliert wird, handelt oft intransparent (FH 16.10.2024). Immer weniger Medien in Russland sind tatsächlich unabhängig von staatlicher Kontrolle tätig (FNS/Parchomenko 11.2022). Laut Berichten betreiben unabhängige Medien in großem Stil Selbstzensur (USDOS 22.4.2024). Es gibt Berichte über Schikanierung von Journalisten, darunter strafrechtliche Verfolgung, Haus durchsuchungen, Festnahmen, physische Angriffe und Drohungen, auch gegen Familienan gehörige von Journalisten (UNHRCOM 1.12.2022). Diesbezüglich herrscht Straflosigkeit (AI 4.2023). Seit Kriegsbeginn wurde gegen Journalisten und Medienmitarbeiter, darunter Blogger, eine beträchtliche Anzahl straf- und verwaltungsrechtlicher Anklagen erhoben. Beinahe alle führenden unabhängigen Medien haben mittlerweile ihren Sitz ins Ausland verlegt. Nach Ent ziehung der Drucklizenz entzog der Oberste Gerichtshof im September 2022 der unabhängigen Nowaja Gaseta [„ Neue Zeitung“] die Online-Medienlizenz. Die Nowaja Gaseta hatte alle ihre Ak tivitäten in Russland bereits im März 2022 ausgesetzt. Mehrere Journalisten der Nowaja Gaseta gründeten einen Online-Vertrieb in Europa, welcher in Russland ebenfalls blockiert ist (EUAA 16.12.2022b). Mit Echo Moskwy wurde der einzig verbliebene landesweite und vom Kreml un abhängige Rundfunksender, mit TV Doschd der letzte unabhängige Fernsehkanal, gesperrt (AA 2.8.2024). Zahlreiche Journalisten und unabhängige Medien wurden als „ ausländische Agenten“ und „ un erwünscht“ eingestuft, darunter Meduza, Bellingcat und Kaukasischer Knoten (FCDO 12.2022) [zur Gesetzgebung über „ unerwünschte Organisationen“ siehe NGOs und Menschenrechtsak tivisten, Anm.]. Als „ ausländische Agenten“ werden laut den gesetzlichen Vorgaben Personen oder Vereinigungen eingestuft, welche ausländische Unterstützung erhalten oder in irgendei ner anderen Form unter ausländischem Einfluss stehen. „Ausländische Agenten“ müssen sich in ein Register eintragen lassen. Die Entscheidung der Behörde über die Aufnahme ins Re gister kann gerichtlich angefochten werden (FGÜP RUSS 15.5.2024). Mit der Eintragung als „ ausländischer Agent“ gehen umfassende Kennzeichnungs‐ und Berichtspflichten sowie zahlrei che Einschränkungen einher (ÖB Moskau 1.7.2024). Gemäß dem Strafgesetzbuch drohen bei Verstößen gegen diese Verpflichtungen unter anderem Geld- oder Haftstrafen von bis zu fünf Jahren (StGB RUSS 9.11.2024; vgl. EUAA 16.12.2022b). Die Gesetzgebung zu „ ausländischen Agenten“ hat den Kreis betroffener Organisationen und Personen immer mehr erweitert, die Folgen einer Listung verschärft (AA 2.8.2024) und trägt zur Selbstzensur bei (FH 16.10.2024). 76

Die Regierung beschränkt und unterbricht den Zugang zum Internet, kontrolliert Online-Inhal te und überwacht die gesamte Internet-Kommunikation (USDOS 22.4.2024). Viele westliche Medien sind in Russland nicht mehr zugänglich (RSF o.D.). Soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram und Twitter [nunmehr genannt X; Anm. der Staatendokumentation] wurden ebenfalls gesperrt. Der Facebook-Konzern Meta wurde als extremistische Organisation eingestuft (SWP/ Fischer 19.4.2022). Die Anti-Extremismus-Gesetzgebung wird häufig dazu verwendet, die Mei nungsfreiheit zu beschränken (UNHRCOM 1.12.2022). Webseiteneigentümer sind berechtigt, Entscheidungen gerichtlich anzufechten. Dafür sind aber oft nur kurze Zeiträume vorgesehen (FH 16.10.2024). VPN-Kanäle werden von russischer Seite immer wieder gezielt unterbrochen (AA 2.8.2024; vgl. FH 16.10.2024). Der Föderale Sicherheitsdienst (FSB) betreibt ein Spiona gesystem, das sogenannte „ System für operative Ermittlungsmaßnahmen“ (SORM), mit dem Telefongespräche, der Internetverkehr und soziale Medien in Russland überwacht werden (SFH 12.1.2023). Auf der Rangliste der Pressefreiheit 2024 von Reporter ohne Grenzen rangiert Russland ge genwärtig auf Platz 162 von 180 gelisteten Staaten/Gebietseinheiten. Russland befindet sich damit zwischen Dschibuti und Nicaragua und verbesserte sich um zwei Plätze gegenüber der Reihung des Vorjahres (RSF 2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (2.8.2024): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation (Stand: 4. Juli 2024), https://www.ecoi.net/en/file/local/2113358 /Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Russisch en_Föderation,_02.08.2024.pdf, Zugriff 19.8.2024 [Login erforderlich] ■ AI - Amnesty International (24.4.2024): Amnesty International Report 2023/24; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Russland 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2108012.html , Zugriff 22.5.2024 ■ AI - Amnesty International (4.2023): Российская Федерация: Тёмные времена для прав человека [Russische Föderation: Dunkle Zeiten für Menschenrechte], https://eurasia.amnesty.org/wp-conte nt/uploads/2023/04/upr44-submission-russian-federation-ru-clean.pdf , Zugriff 28.8.2024 ■ BS - Bertelsmann Stiftung (2024): BTI (Bertelsmann Stiftung’s Transformation Index) 2024 Country Report — Russia, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report _2024_RUS.pdf, Zugriff 2.4.2024 ■ EUAA - European Union Agency for Asylum (16.12.2022b): The Russian Federation – Political opposition, https://euaa.europa.eu/sites/default/files/publications/2022-12/2022_EUAA_COI_Repo rt_Russian_Federation_Political_Opposition.pdf, Zugriff 16.4.2024 ■ FCDO - Foreign, Commonwealth & Development Office [United Kingdom] (12.2022): Human Rights & Democracy - The 2021 Foreign, Commonwealth & Development Office Report, https://assets.p ublishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/1130821/hu man-rights-and-democracy-2021-foreign-commonwealth-development-office-report.pdf , Zugriff 26.8.2024 ■ FGÜP RUSS - Föderales Gesetz zur Überwachung von Personen unter ausländischem Einfluss [Russland] (15.5.2024): Федеральный закон (N 255-ФЗ): О контроле за деятельностью лиц, находящихся под иностранным влиянием [Föderales Gesetz: Über die Überwachung der Tätigkeit von Personen, die unter ausländischem Einfluss stehen], https://www.consultant.ru/document/con s_doc_LAW_421788, Zugriff 10.5.2024 ■ FH - Freedom House (16.10.2024): Freedom on the Net 2024 - Russia, https://www.ecoi.net/de/do kument/2116582.html, Zugriff 5.11.2024 ■ FNS/Parchomenko - Friedrich Naumann Stiftung (Herausgeber), Parchomenko, Sergej (Autor) (11.2022): Impulspapier - Russlands unabhängiger Journalismus - Der harte Überlebenskampf unter 77
