2025-09-05-coi-cms-laenderinformationen-syrien-version-12-73ab
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Teil der Bewohner dieser Komplexe Anhänger des ehemaligen Regimes waren und zu dessen sozialer Basis gehörten, insbesondere in Wohnungen, die Ärzten, Polizisten, Militärangehörigen oder Mitarbeitern in wissenschaftlichen Forschungszentren, die dem Verteidigungsministerium angegliedert sind, zugewiesen wurden. Bei den Bewohnern dieser Wohnkomplexe handelt es sich oft um Angestellte aus entfernten Gebieten, die in der Nähe dieser Komplexe arbeiten. Diese Immobilien werden in der Regel entweder als Mitarbeiter- oder als Arbeiterwohnungen bezeich net und sind Teil der sozialen Wohnungsbauprogramme Syriens. Die Eigentumsverhältnisse sind aufgrund sich überschneidender Gesetze und der für die Wohnungen zuständigen Regie rungsbehörde unklar. So sind beispielsweise Mitarbeiterwohnungen für eine vorübergehende Nutzung vorgesehen, wobei das Eigentum beim Staat verbleibt. Bewohner von Arbeitnehmer wohnungen werden als Mieter behandelt, die die Immobilie während ihrer Beschäftigung vom Staat mieten, bis sie kündigen oder in den Ruhestand gehen. Zu diesem Zeitpunkt endet der Mietvertrag und die Immobilie muss geräumt werden. Bei Sozialwohnungen hingegen müssen die Mieter 10 % ihres Einkommens als Miete zahlen, zusammen mit den Nebenkosten und den Kosten für die Instandhaltung, Verbesserungen und Reparaturen der Wohnung. Bewohner von Sozialwohnungen haben gemäß dem Gesetzesdekret Nr. 46 von 2002 Anspruch auf Eigen tum, sofern sie die Immobilie in Raten bezahlen (HLP Syria 14.1.2025a). Nach Angaben der Bewohner wurden für manche geräumte Militärwohnungen keine offiziellen Räumungsbefehle ausgestellt. Einige Familien erwägen jedoch, aus Angst vor der Zukunft wegzuziehen. Aus lo kalen Quellen kursieren Berichte, die darauf hindeuten, dass HTS und andere Fraktionen diese Immobilien kürzlich geräumt haben, obwohl es dafür keine offizielle Bestätigung gibt (HLP Syria 5.2.2025). Nach dem Sturz des Assad-Regimes am 8.12.2024 versuchten die Eigentümer einiger Immo bilien, die im Rahmen des Systems der Zwangsverlängerung vermietet worden waren, ihre Immobilien zurückzufordern und die Mieter zu vertreiben. In einigen Fällen beauftragten die Vermieter die Streitkräfte von Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) mit der Räumung der Wohnun gen, ohne den Rechtsweg zu beschreiten. Seit dem 8.12.2024 haben einige Immobilienbesitzer Immobilien, die einer Zwangsverlängerung unterlagen, gewaltsam zurückgefordert (HLP Syria 14.1.2025b). [Weiterführende Informationen zur aktuellen Gesetzeslage finden sich im Kapi tel Rechtsschutz / Justizwesen (Entwicklungen seit dem Sturz des al-Assad-Regimes (seit 8.12.2024))]. Viele Flüchtlinge und Vertriebene sind nach dem Sturz des Regimes bei der Rückkehr in ihre Ge biete, Städte und Dörfer schockiert, wenn sie feststellen, dass andere in ihren Häusern wohnen. In einigen Fällen besitzen diese derzeitigen Bewohner Dokumente, die belegen, dass sie die Immobilien gekauft haben, aber Untersuchungen zeigen, dass diese Dokumente oft gefälscht sind, einschließlich gefälschter Eigentumsnachweise und Gerichtsurteile, die äußerst schwer aufzuspüren sind. Die betreffenden Immobilien befinden sich oft in informellen Siedlungen, in nicht lizenzierten Gebäuden in Zonen oder in Kollektiveigentum mit ungelösten Erbstreitigkeiten. Viele dieser Immobilien sind nicht im offiziellen Grundbuch eingetragen und erscheinen nur als unbebautes Land, was bedeutet, dass die darauf errichteten Gebäude nicht erfasst, ungeteilt und nicht auf die Namen ihrer rechtmäßigen Eigentümer eingetragen sind. Die Abwesenheit 288

der rechtmäßigen Eigentümer, die oft auf Vertreibung oder Verfolgung aus Sicherheitsgründen zurückzuführen ist, hat es anderen erleichtert, sich diese Grundstücke anzueignen, indem sie sie unrechtmäßig in Besitz nahmen und sie später verkauften, wobei sie die Käufer täusch ten, indem sie ihnen vorgaukelten, sie seien die rechtmäßigen Eigentümer. Darüber hinaus hat die weitverbreitete Übertragung von Eigentum ohne Einhaltung ordnungsgemäßer rechtlicher Verfahren in den von dem Regime kontrollierten Gebieten in den letzten Jahren in Verbindung mit einer schwachen Rechenschaftspflicht und Strafverfolgung bei Betrug und Fälschung das Problem verschärft. Dies wurde durch Korruption in Gerichten und Grundbuchämtern sowie den Einfluss der Sicherheitskräfte von Assad auf die Justiz, die korrupte Beamte und diejenigen, die Eigentum beschlagnahmt hatten, schützten, von denen viele dem Sicherheits- und Militärappa rat angehörten, noch verschlimmert (HLP Syria 20.1.2025). Nach dem Sturz des Assad-Regimes am 8.12.2024 kehrten die meisten gewaltsam vertriebenen Menschen aus Lagern in Nordsyrien in ihre Heimatstädte und auf ihr Ackerland in den ländlichen Gebieten der Gouvernements Hama und Idlib zurück. Die Bauern fordern ihr Land einzeln zurück und verlassen sich dabei manchmal auf lokale Streitkräfte, um ihr Eigentum geltend zu machen und diejenigen zu entfernen, die ihr Land übernommen hatten. Viele dieser landwirtschaftlichen Flächen waren in den letzten Jahren über öffentliche Auktionen an Investoren vergeben worden. Bisher hat „The Syria Report“ keine Fälle von Widerstand seitens dieser Investoren dokumentiert, möglicherweise aus Angst vor Re pressalien, aus Akzeptanz der neuen Realität oder sogar aus impliziter Anerkennung der Rechte der Rückkehrer. Die Verwaltungen der Gouvernements Idlib und Hama, die zuvor dem Ministeri um für lokale Verwaltung und Dienstleistungen des Assad-Regimes unterstanden, hatten diese Ländereien als unbewohnt eingestuft, weil ihre ursprünglichen Eigentümer gewaltsam in von der Opposition kontrollierte Gebiete im Nordwesten Syriens vertrieben worden waren. In einem systematischen und organisierten Prozess, der sich schrittweise von 2020 bis zum Sturz des Regimes Ende 2024 entwickelte, wurden alle diese brachliegenden Grundstücke, einschließlich unbebauter („ saleekh“) und mit Obstbäumen bepflanzter Grundstücke, in öffentlichen Auktionen zum Kauf angeboten. Im Gegensatz zur Pistazienernte, die bereits vor dem Sturz des Regimes eingeholt worden war, fanden die Bauern, die in die Städte im westlichen ländlichen Hama – wie Kafr Nabuda, Hayalin al-Ghab und al-Jalma – zurückkehrten, ihre Felder mit Feldfrüchten bepflanzt vor, die noch auf die Ernte warteten, wie z. B. Kartoffeln. Diese Ländereien waren über öffentliche Auktionen für leer stehende Saleekh-Ländereien gepachtet worden, die von den Provinzbehörden von Hama für die Landwirtschaftssaison 2024–2025 organisiert worden waren. Die zurückkehrenden Landbesitzer ernteten die Kartoffeln, ohne dass die Investoren Einwände erhoben, und verkauften sie zu ihrem eigenen Vorteil. Einige von ihnen forderten auch eine Entschädigung von den früheren Investoren für die vergangenen Jahre (HLP Syria 3.2.2025a). [Weitere Informationen zu den Herausfordrungen von Rückkehrern im Zusammenhang mit Woh nungen sind dem Kapitel Rückkehr - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) zu entnehmen.] Quellen 289

■ AJ - Al Jazeera (9.2.2025): فيك ودبت ﺭاعسﺃ ﺕﺍﺭاقعلﺍ يف ايﺭوس دعب ﻁوقس ماظن ؟دسألﺍ [Wie sehen die Immo bilienpreise in Syrien nach dem Sturz des Assad-Regimes aus?], https://www.aljazeera.net/ebusi ness/2025/2/9/دعب-ايﺭوس-يف-ﺕﺍﺭاقعلﺍ-ﺭاعسﺃ-ودبت-فيك Zugriff 10.2.2025 ■ AJ - Al Jazeera (15.12.2024d): Israel intensifies Syria attacks, but HTS leader says doesnt want conflict, https://www.aljazeera.com/news/2024/12/15/israel-intensifies-syria-attacks-but-hts-leade r-says-doesnt-want-conflict , Zugriff 16.12.2024 ■ Akhbar - Al Akhbar (19.4.2025): انويلم ٍلزنم ٍرّمدُم ًايّلك وﺃ ًايئزج يف ايﺭوس [Zwei Millionen Häuser in Syrien teilweise oder vollständig zerstört], https://www.al-akhbar.com/arab/832109/-ايئزج-وﺃ-ايلك-رمدم-لزنم-انويلم ايﺭوس-يف Zugriff 22.4.2025 ■ Bourse & Bazaar - Bourse & Bazaar Foundation (1.4.2025): Prospects for Syrian Civil Society Remain Dim While Sanctions Linger, https://www.bourseandbazaar.org/articles/2025/4/1/prospect s-for-syrian-civil-society-remain-dim-while-sanctions-linger , Zugriff 23.4.2025 ■ FR - Frankfurter Rundschau (20.1.2025b): Expertin über Minen und Blindgänger in Syrien: Das bleibt eine riesige Bedrohung für die Bevölkerung, https://www.fr.de/politik/expertin-ueber-minen-in-syrie n-so-viele-baustellen-gleichzeitig-93525782.html , Zugriff 29.1.2025 ■ GPC - Global Protection Cluster (3.4.2025): Protection Landscape in Syria; A Snapshot; March 2025, https://globalprotectioncluster.org/sites/default/files/2025-04/250325_protection_landscape_in_syr ia_vfinal.pdf, Zugriff 23.4.2025 ■ HLP Syria - Housing, Land & and Property Rights Syria (5.2.2025): Military Housing in Damascus After the Fall of Assad: Violations and Legal Ambiguity, https://hlp.syria-report.com/hlp/military-hou sing-in-damascus-after-the-fall-of-assad-violations-and-legal-ambiguity , Zugriff 7.2.2025 ■ HLP Syria - Housing, Land & and Property Rights Syria (3.2.2025a): Return of Farmers to Idlib and Hama Generate Legal Disputes Over Land Property and Use, https://hlp.syria-report.com/hlp/re turn-of-farmers-to-idlib-and-hama-generate-legal-disputes-over-land-property-and-use , Zugriff 7.2.2025 ■ HLP Syria - Housing, Land & and Property Rights Syria (20.1.2025): Explained: Recovering Extorted Properties Amid Fraud and Other Legal Challenges, https://hlp.syria-report.com/hlp/explained-rec overing-extorted-properties-amid-fraud-and-other-legal-challenges , Zugriff 7.2.2025 ■ HLP Syria - Housing, Land & and Property Rights Syria (14.1.2025a): Sectarian Tensions Force Out Some Residents in Government Housing, https://hlp.syria-report.com/hlp/sectarian-tensions-force -out-some-residents-in-government-housing , Zugriff 7.2.2025 ■ HLP Syria - Housing, Land & and Property Rights Syria (14.1.2025b): Explained: Compulsory Extension of Rented Properties, https://hlp.syria-report.com/hlp/explained-compulsory-extension-o f-rented-properties, Zugriff 7.2.2025 ■ IHH - İHH Humanitarian Relief Foundation (10.1.2025): IHH Syria Situation Report (10 January 2025) - Syrian Arab Republic, https://reliefweb.int/report/syrian-arab-republic/ihh-syria-situation-report-1 0-january-2025, Zugriff 15.1.2025 ■ NH - New Humanitarian, The (14.1.2025): Syria is still not safe: Refugees need protection, https: //www.thenewhumanitarian.org/opinion/2025/01/14/syria-still-not-safe-refugees-need-protection , Zugriff 3.2.2025 ■ ÖB Damaskus - Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (2023): Asylländerbericht 2023 - Syrien ■ REU - Reuters (18.3.2025): EU conference pledges $6.3 billion for Syria’s recovery, https://www.re uters.com/world/middle-east/syrias-new-rulers-seek-aid-boost-eu-conference-2025-03-16 , Zugriff 26.3.2025 ■ SCPR - Syrian Center for Policy Research (6.2024): SCPRS Annual Bulletin for CPI and Inflation in Syria 2023, https://scpr-syria.org/wp-content/uploads/2024/06/SCPRS-Annual-Bulletin-for-CPI-and -Inflation-in-Syria-2023-EN-1-1.pdf , Zugriff 22.8.2024 ■ SCPR/UniVie - Syrian Center for Policy Research, Universität Wien (8.2023): The Impact of the Earthquake in Syria: The Missing Developmental Perspective in the Shadow of Conflict, https:// reliefweb.int/attachments/194189d0-9897-4896-8feb-049e6d85f0fe/The Impact of the Earthquake in Syria - SCPR (EN).pdf, Zugriff 17.7.2024 ■ Sharq Bu - Al-Sharq Business (5.1.2025): ريﺯو ةيلاملﺍ يﺭوسلﺍ „ـل :“قرشلﺍ ﺱﺭدن ةصخصخ ﺕاكرشلﺍ ةيموكحلﺍ ﺓرساخلﺍ [Syrischer Finanzminister zu Al-Sharq: Wir prüfen die Privatisierung von verlustbringenden Staats betrieben], https://asharqbusiness.com/economics/65743/----- , Zugriff 30.1.2025 290

■ STDOK/SL - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich], Statistics Lebanon (14.2.2024): Socio-economic Survey - Syria, https://www.ecoi.net/en/file/local/ 2104296/SYRI_Socio-Economic Survey 2023.pdf, Zugriff 25.6.2024 [Login erforderlich] ■ STDOK/SL - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich], Stat istics Lebanon (2024): Dossier Syria - Socio-Economic Survey 2024, https://www.bmi.gv.at/114/file s/Umfrage_Syria_2024/Syria_Bericht_Final_nBF_28102024.pdf, Zugriff 27.11.2024 ■ UNHCHR - Hoher Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte (18.7.2024): The Right to Adequate Housing in Syria (July 2024), https://reliefweb.int/attachments/2432df33-3ea4-42ad-b031- 357e2a6e2fbb/OHCHR Syria_AN_housing_20240717_EN.pdf, Zugriff 17.12.2024 ■ WKO - Wirtschaftskammer Österreich (8.2024): WKO-Länderprofil Syrien [Stand: August 2024], https://www.wko.at/statistik/laenderprofile/lp-syrien.pdf, Zugriff 3.5.2024 15.2.1 Wohnsituation und Infrastruktur in den Gebieten unter der Kontrolle der kur disch dominierten SDF - Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES) Letzte Änderung 2025-05-08 20:42 [Im vorliegenden Dokument wurde auf die allgemeine Lage nach dem Umbruch am 8.12.2024 fokussiert. Die Lage in von den Kurden dominierten Gebieten unter der Kontrolle der kurdisch dominierten SDF – Demokratische Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES) hat sich bisher nicht wesentlich verändert und wurde daher aufgrund zeitlicher, personeller und finan zieller Ressourcen nicht in der gewohnten Tiefe bearbeitet. Für Fragestellungen dazu, bitten wir auf die Vorversion der Länderinformation zurückzugreifen bzw. uns mittels einer Anfrage zu kontaktieren. Die Einarbeitung aktueller Quellen und Informationen zur Lage in der DAANES wird zeitnah mittels Aktualisierung erfolgen. Weitere Informationen zur vorliegenden Länderin formation finden sich im Kapitel Länderspezifische Anmerkungen.] Im Sozialen Vertrag von 2023 ist im Artikel 70 geregelt, dass Privateigentum geschützt ist und nur im öffentlichen Interesse enteignet werden darf. Es muss eine angemessene Entschädigung gezahlt werden, die gesetzlich geregelt ist. Gemäß Artikel 71 ist der Besitz und die Schenkung von Eigentum zum Zwecke des demografischen Wandels verboten (RIC 14.12.2023). Rückkehrer in die von den Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF) kontrollierten Gebiete sehen sich der Herausforderung gegenübergestellt, ihr Eigentum zurück zufordern, insbesondere beim Nachweis der Echtheit ihrer Dokumente, die vor 2011 ausgestellt worden sind (OHCHR 1.2.2024). Im Jänner 2021 erließ die Demokratische Autonome Verwal tung Nord- und Ostsyriens (DAANES) einen Beschluss, der es ihren Gerichten untersagte, über Landbesitzstreitigkeiten zu entscheiden, bis ein neues Register erstellt werden konnte. Zwei Jahre später behinderte Beschluss 6 weiterhin den Zugang der Nordostsyrer zu Eigentumsrech ten und ihre Fähigkeit, sich rechtliche Dokumente zu sichern, ohne dass ein alternatives Kataster in Sicht ist. Die Katasterregistrierung ist das wirksamste Rechtsinstrument zur Erfassung von Immobilientransaktionen und hat eindeutig Vorrang vor anderen Arten von Rechtsdokumenten, einschließlich gerichtlicher Entscheidungen von DAANES-Richtern. Da das offizielle Katas ter jedoch in Damaskus verwaltet wird, kann nur das Regime Änderungen vornehmen (SYD 30.1.2023). 291

Rückkehrer prangerten zahlreiche Fälle von Beschlagnahmung und Aneignung von Eigentum durch von den SDF unterstützte Behörden an, insbesondere in Gebieten, in denen die Mehrheit der Bewohner Araber sind (OHCHR 1.2.2024). Das Waffenstillstandsabkommen zwischen der Übergangsregierung und den SDF sieht vor, dass die SDF die Kontrolle über alle Grenzübergänge, Flughäfen sowie Öl- und Gasfelder in ihren Gebieten abgeben muss. [Details zu diesem Abkommen sind dem Kapitel Politische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) / Politische Lage in den Gebieten unter der Kontrolle der kurdisch dominierten SDF - Demokratische Autonome Adminis tration von Nord- und Ostsyrien (DAANES) zu entnehmen.] Die syrische Übergangsregierung wird Berichten zufolge Ausschüsse einrichten, um die Kontrolle über die Ölfelder in den von der SDF kontrollierten Gebieten im Nordosten Syriens zu übernehmen. Diese Ausschüsse sol len die Felder untersuchen und ihre Produktionskapazitäten bewerten (ISW 24.3.2025). Diese wichtigen Ölfelder Syriens fielen in die Hände der Terrorgruppierung Islamischer Staat (IS), die von 2014 bis 2017 ein sogenanntes Kalifat in weiten Teilen Syriens und des Irak errichtete. Damals entstand ein Großteil der Schäden im Öl-Sektor. Nach dem Sturz des IS übernahmen die SDF die Kontrolle über wichtige Ölfelder. Die Felder produzieren nur noch einen Bruchteil ihrer früheren Menge. Das Rumeilan-Feld liefert nur 15.000 der etwa 100.000 Barrel, die es produziert, in andere Teile Syriens, um den Staat etwas zu entlasten (Independent 28.3.2025). Quellen ■ Independent - Independent, The (28.3.2025): Syrians left in the dark as the interim government struggles to restore electricity, https://www.independent.co.uk/news/syrians-damascus-assad-islam ic-electricity-b2723123.html, Zugriff 28.3.2025 ■ ISW - Institute for the Study of War (24.3.2025): Iran Update, March 24, 2025, https://www.understa ndingwar.org/backgrounder/iran-update-march-24-2025 , Zugriff 26.3.2025 ■ OHCHR - Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (1.2.2024): “We did not fear death but the life there”; The Dire Human Rights Situation Facing Syrian Returnees, https: //www.ecoi.net/de/dokument/2104660.html, Zugriff 23.5.2024 [Login erforderlich] ■ RIC - Rojava Information Center (14.12.2023): AANES Social Contract, 2023 Edition, https://rojava informationcenter.org/2023/12/aanes-social-contract-2023-edition , Zugriff 24.6.2024 ■ SYD - Syria Direct (30.1.2023): Northeastern Syria marks two years of legal paralysis as de facto authorities struggle to issue new land registry, https://syriadirect.org/northeastern-syria-marks-t wo-years-of-legal-paralysis-as-de-facto-authorities-struggle-to-issue-new-land-registry , Zugriff 9.7.2024 15.2.2 Wohnsituation und Infrastruktur (Stand Oktober 2024) Letzte Änderung 2025-05-08 20:49 Gebiete unter der Kontrolle der syrischen Regierung Privateigentum wurde in der syrischen Verfassung von 2012 im Artikel 15 geschützt und durfte nur im öffentlichen Interesse gegen eine angemessene Entschädigung, nicht ohne rechtskräf tiges Gerichtsurteil, im Kriegs- und Katastrophenfall gegen angemessene Entschädigung, be schlagnahmt werden (SeG 24.2.2012). Syrer griffen grundsätzlich auf vier Arten der Eigentums dokumentation zurück. Die häufigste Variante war es, das Eigentum im Zivilregister eintragen zu lassen. Eine weitere Möglichkeit war es, den Besitz durch einen richterlichen Beschluss zu 292

dokumentieren, der dann Eingang ins Zivilregister fand. Man konnte Eigentum auch notarisch begründen lassen. Dadurch erhielt man ein offizielles Dokument, dessen Wirksamkeit aber erst im Grundbuch eingetragen wurde, wenn die Übertragung der Eigentumsunterlagen abgeschlos sen war. Aus diesem Grund war diese Methode weniger zuverlässig als die beiden vorherig genannten. Die letzte der vier Möglichkeiten war es, einen einfachen Vertrag zwischen Verkäufer und Käufer aufzusetzen, der mit Fingerabdrücken und Unterschriften von Zeugen rechtswirksam wurde. Diese galt als die rechtlich schwächste Methode (SNHR 25.5.2023). Das Gesetz Nr. 10 von 2018 erlaubte es dem Staat, Gebiete für den Wiederaufbau und Sanierung per Dekret zu widmen. Personen, die gewisse Kriterien, um ihr Eigentum zu beweisen, nicht erfüllen konnten, riskierten dieses zu verlieren (FH 2023). Mitte des 20. Jahrhunderts trat das Phänomen informeller Siedlungen in Syrien auf, welches sich in den 1980ern ausbreitete. Es bildeten sich Wohngebiete, die eine große Anzahl erreichten. Der Prozentsatz an informellen Siedlungen wird auf 60 % der Wohngebiete in ganz Syrien ge schätzt. Durch die Krise wurde die Zahl weiter erhöht. Zusätzlich zu den informellen Siedlungen in den bis Anfang Dezember 2024 von der Regierung kontrollierten Gebieten wurde die Anzahl der informellen Siedlungen in den Gebieten außerhalb der Kontrolle des syrischen Regimes auf etwa 200.000 informelle Unterkünfte geschätzt (TDA-SY 1.11.2024). UNHCR beschreibt informelle Siedlungen im Allgemeinen durch eine hohe Unsicherheit der Besitzverhältnisse, das Fehlen einer angemessenen Infrastruktur und von Dienstleistungen, prekäre Sicherheit und Schutz, einschließlich des Aussetzens gegenüber Umwelt- und Gesundheitsrisiken sowie so zioökonomische Marginalisierung gekennzeichnet. In der Regel stehen sie auf Land, das nicht für eine Unterbringung vorgesehen ist. Informelle Siedlungen befinden sich oft auf staatlichem, privatem oder kommunalem Land, mit oder ohne Verhandlungen mit der lokalen Bevölkerung und/oder den Landbesitzern (UNHCR 5.11.2024). Die Verbindung von informellen Siedlungen und dem Mangel an grundlegenden Einrichtungen ist nicht immer zutreffend. In Syrien wur den einige informelle Wohngebiete aufgrund einer politischen Entscheidung mit grundlegenden Dienstleistungen und Einrichtungen ausgestattet und blieben als informelle Siedlungsgebiete bekannt. „The Day After“ definiert informelle Siedlungen als Ansammlungen von Häusern, die bei ihrer Errichtung, Planung oder Spezifikation nicht dem Immobilienrechtssystem entspre chen und auf Grundstücken gebaut werden, die dem Staat oder Einzelpersonen gehören, bei denen es sich um landwirtschaftliche Flächen oder nicht für Wohnzwecke vorgesehene Flä chen handeln kann, und die sich meist außerhalb des Bebauungsplans oder innerhalb eines Bebauungsplans, aber unter Verstoß gegen die Bauvorschriften, nach nicht genehmigten Auf teilungen und ohne Lizenzen befinden. Unter den stabilen Umständen der Vergangenheit war der Nachweis des Eigentums an informellen Siedlungen bereits eine komplexe Angelegenheit, die das Rechtssystem nicht lösen konnte, da das Eigentum nicht im Grundbuch als Gebäude und Wohneinheiten eingetragen ist. Der größte Teil ist als landwirtschaftliches Gemeineigentum eingetragen, da er auf staatseigenem Land gebaut ist, das nicht in Wohnhäuser unterteilt ist, und nicht aufgeteilt oder übertragen werden kann, oder das Land ist im Besitz von Einzelper sonen und nicht im Grundbuch eingetragen und kann nicht in der Gemeinde lizenziert werden. Daher wird das Eigentum entweder durch ein Gerichtsurteil bestätigt, dessen letztendliches Ziel darin besteht, eine Belastung im Grundbuch einzutragen, oder durch ein Urteil, das den Verkauf 293

bestätigt und auf die Notwendigkeit hinweist, die Beschreibungen zu sortieren und zu korrigie ren, was nicht geschieht. Der Verkauf kann über einen Notar erfolgen, der eine unwiderrufliche Vollmacht für den Inhalt des Grundstücks ausstellt. Der Eigentümer kann auch Steuern an die Finanzbehörde zahlen oder einen Versorgungsvertrag (Strom, Wasser) abschließen und eine Quittung für die Zahlung der Versorgungsrechnungen in seinem Namen erhalten. Der Eigentü mer einer Wohnung in informellen Siedlungen kann nicht mehr als die oben genannten Schritte unternehmen. Wenn kein Grundbuch erstellt wird, hat dies negative Folgen, einschließlich des mehrmaligen Verkaufs der Immobilie, was zu Überschneidungen zwischen den ursprünglichen Eigentümern führt, insbesondere wenn es sich um ein gemeinschaftliches Eigentum handelt. Unter den aktuellen Umständen und angesichts der Zerstörungen seit 2011 sowie der Sicher heitsherausforderung, die oben genannten Dokumente zu erhalten, wird der Nachweis des Eigentumsrechts noch weiter erschwert (TDA-SY 1.11.2024). Es gab unter der Assad-Regierung keine öffentlichen Bemühungen, Privathäuser wiederauf zubauen. Der Wiederaufbau wurde größtenteils von den Hausbesitzern selbst durchgeführt. NGOs und UNHCR leisteten Unterstützung bei Land- und Eigentumsrechten. Viele Menschen hatten ihre Landbesitzurkunden verloren. Die UN konzentrierte sich auf die Wiederherstel lung von Schulen und Gesundheitseinrichtungen, soweit diese nicht militärisch genutzt wurden (UNRCHCSYR 22.9.2024). Der Gouverneur von Latakia, der im Zuge der FFM 2024 der Staa tendokumentation interviewt wurde, gab an, dass es aufgrund der Sanktionen im Land keinen Wiederaufbau gab (GovLat/DirLatPort 15.9.2024). Der UN Resident Coordinator and Humani tarian Coordinator for Syria kannte ebenfalls keine staatlichen Projekte der Assad-Regierung in größerem Ausmaß. Als Grund sah er, dass das Regime mit den Grundlagen zu kämpfen hatte (UNRCHCSYR 22.9.2024). Gemäß dem Gouverneur von Homs bei einem Gespräch im Rah men der FFM 2024 der Staatendokumentation wurden viele Verfahren eingeleitet und Pläne für die Stadt aufgestellt. Das Problem für die Umsetzung aber war das mangelnde Geld (GovHoms 17.9.2024). In Latakia wurden acht Wohntürme errichtet mit 320 Wohnungen für diejenigen, deren Häuser durch das Erbeben zerstört wurden. Beim Erdbeben in Latakia wurden 105 Ge bäude vollständig zerstört, 36.000 sind einsturzgefährdet, 1.200 müssen abgerissen und neu aufgebaut werden (GovLat/DirLatPort 15.9.2024). Eine der Folgen des Konflikts und der daraus resultierenden territorialen, politischen und ad ministrativen Fragmentierung ist das Fehlen wirksamer, funktionierender und unabhängiger Institutionen, die die Einhaltung von Regeln und Verfahren überwachen und Rechenschafts pflicht garantieren. So konnten sich in den Jahren des Konflikts diejenigen, die Machtpositionen innerhalb der militärischen oder politischen Strukturen der regierungsfreundlichen Kräfte oder der nicht staatlichen bewaffneten Gruppen innehatten, zunehmend willkürlich Eigentum aneig nen oder beschlagnahmen. In einem solchen Kontext waren Rückkehrer und andere Syrer, die Opfer von Verletzungen ihrer Wohn-, Land- und Eigentumsrechte geworden sind, entweder nicht in der Lage oder zu ängstlich, um Rechtsmittel einzulegen, aus Angst vor Vergeltungsmaßnah men durch lokale Behörden und bewaffnete Gruppen oder weil sie sich der Erfahrungen anderer bewusst sind und einfach kein Vertrauen in das Verwaltungs- und Justizsystem hatten (OHCHR 1.2.2024). Verstöße gegen das Recht auf Wohnraum, Land und Eigentum hatten in Gebieten, die 294

die syrische Regierung durch Vereinbarungen mit Oppositionskräften im ganzen Land im Jahr 2018 wieder unter seine Kontrolle gebracht hat, sowie in Gebieten, die durch Militäroperationen im Süden Idlibs in den Jahren 2019 und 2020 erobert wurden, stark zugenommen. Zusätzlich zu Plünderungen und Zerstörungen wurde Land, das vertriebenen Bewohnern gehört, in öf fentlichen Auktionen angeboten und Ernten wurden erpresst. Laut Medienberichten schritt die systematische Plünderung des Eigentums vertriebener Syrer durch regimenahe Gruppen oder mit deren Wissen und Zustimmung im ganzen Land weiter voran (SYD 26.5.2023). Syrian Net work for Human Rights zufolge griff das Syrische Regime auf verschiedene Immobilien-Gesetze zurück, um insbesondere drei Hauptgruppen zu treffen: Zwangsvertriebene, Verschwundenge lassene und Opfer, die gezielt getötet wurden (SNHR 25.5.2023; vgl. SYD 30.1.2023). Neben den Gesetzen griff die syrische Regierung auch auf andere Instrumente zurück, wie gezielte, weitläufige Zerstörung, unvollständige Zivilregister und das Erfordern einer Sicherheitsfreigabe (SNHR 15.3.2024). Einem Medienbericht zufolge gab es regimenahe Netzwerke, die Vertrie benen ihre Eigentümer wegnahmen. Ein Anwalt zählte 125 Fälle im ersten Halbjahr 2022 in Damaskus. Bis zu 20 Netzwerke operierten unter anderem auch in Hama und Aleppo, wo die Bevölkerung vor den Kämpfen geflohen war. Die Netzwerke hatten bis zu 50 Mitglieder, wie Anwälte, Richter und Offiziere der Armee. Sie fanden leer stehende Wohnungen und Häuser, fälschten Kaufdokumente und brachten diese bei Gericht durch, ohne dass der rechtmäßi ge Besitzer davon etwas mitbekam. Diese Fälschernetzwerke florierten während des Krieges, begünstigt durch den Verlust von Dokumenten durch Hausbesitzer, während Amtsgebäude, Gerichtsakten und Eigentumsurkunden zerstört wurden (Guardian 25.4.2023). In Syrien gab es zwar schon vor 2011 strukturelle Probleme im Zusammenhang mit Grundbesitz und Eigentum, doch diese hatten sich durch konfliktbedingte Faktoren, wie die großflächige Zer störung von Eigentum, Massenvertreibungen, die zunehmende Verbreitung informeller Siedlun gen, den Verlust von zivilen Dokumenten über Wohnraum, Land und Eigentum, die Verabschie dung zusätzlicher Gesetze wie das Gesetz 10/2018 und das Gesetz 6/2023 sowie die Erdbeben vom 6.2.2023, noch verschärft. Der Syrienkonflikt war durch eine Reihe von Verletzungen der Rechte auf angemessenen Wohnraum, Land und Eigentum im ganzen Land gekennzeichnet. Diese Verstöße hatten sich oft besonders auf Flüchtlinge und Binnenvertriebene ausgewirkt, da sie aufgrund der Tatsache, dass sie aus ihren Herkunftsorten geflohen waren, oft nicht in der Lage waren, ihr Eigentum zu verwalten und zu schützen, während sie unter den Auswirkungen der politischen Maßnahmen zur demografischen Steuerung litten, die von den Konfliktparteien nach und nach eingeführt wurden, um die Kontrolle über jeweils ihre Teile des syrischen Territo riums zu festigen (OHCHR 1.2.2024). Die Sicherheitskräfte des Regimes vertrieben Personen aus ihren Wohnorten und beschlagnahmten, versteigerten oder zerstörten routinemäßig das Eigentum und die persönlichen Gegenstände von Inhaftierten ohne ein ordentliches Verfahren oder eine angemessene Rückgabe (USDOS 22.4.2024). Medienberichten zufolge kam es in den Gebieten, die von der syrischen Regierung zurückerobert wurden, zu Zerstörungen und Plünderungen von Häusern von Syrern, die aus den vom Regime kontrollierten Gebieten durch mit der syrischen Regierung verbundene Gruppierungen vertrieben wurden. Die Quellen von Syria Direct gaben an, dass die Zerstörungen in Dörfern und Kleinstädten zunahmen, insbeson dere in solchen, die sich in der Nähe der Frontlinien zu den Oppositionskräften befanden. Diese 295

Gebiete sind praktisch entvölkert, da das Regime ihren Bewohnern die Rückkehr nicht erlaubt hatte. Außerdem sind die Dächer der örtlichen Gebäude mit großen Mengen an Eisen verstärkt, was sie zu bevorzugten Zielen für Zerstörungen und Plünderungen machte. Eine Quelle spricht von Verträgen, die an Händler vergeben wurden, um beispielsweise Elektrogeräte, Haushalts möbel, Keramik und Fliesen, elektrische Leitungen und Eisen von Dächern, Treppen etc. zu plündern. Auf Sozialen Medien wurde sogar für den Beitritt zu Sicherheits- und Militärdiensten mit einer Aufbesserung des Monatsgehalts durch Abrissarbeiten geworben (SYD 26.5.2023). Das Regime beschlagnahmte Land, Häuser und Kapital von vermeintlichen Oppositionellen, die im Ausland lebten, und verteilte es an seine Anhänger (USDOS 22.4.2024). Amnesty International berichtete, dass ein nach dem Erdbeben 2023 von den syrischen Behör den gebildetes Ingenieurskomitee Bewertungen über die Sicherheit von Gebäuden durchführte und dieses als Gefahr für die öffentliche Sicherheit eingestufte Gebäude zum Abriss freigab. Die se Bewertungen sollen möglicherweise nicht sorgfältig durchgeführt worden sein und die Abrisse ohne Einhaltung der Verfahrensanforderungen und ohne Schutzmaßnahmen gegen Zwangs räumungen gemäß internationalen Menschenrechtsstandards durchgeführt worden sein. Die Bewohner berichteten Amnesty International, dass Menschen, deren Häuser abgerissen wurden, weil sie als unbewohnbar eingestuft wurden, in vielen Fällen keine alternative Unterkunft oder Entschädigung angeboten wurde. Bewohner, deren Häuser durch die Erdbeben 2023 beschä digt wurden, berichteten Amnesty International, dass die Behörden sie nicht darüber informiert hätten, wie sie die Ausschüsse kontaktieren können, um sich nach der Sicherheit ihrer Häuser zu erkundigen. Sie haben keine finanzielle Unterstützung von den Behörden für die Reparatur ihrer beschädigten Häuser erhalten und die Behörden verlangten auch Genehmigungen, die für die Bewohner schwer zu bekommen waren, um Wohngebäude wieder instand zu setzen. Diese Genehmigungen sind besonders schwer zu erhalten, wenn es um die Reparatur informeller Gebäude geht, die den Großteil der Gebäude in den von den Erdbeben betroffenen Gebieten ausmachen (AI 5.9.2023). Die Anwohner konnten die Entscheidungen der Komitees nicht an fechten und hatten oft nicht genug Zeit, um ihr Hab und Gut vor den Abrissen zu entfernen(AI 24.4.2024). In den Gouvernements Aleppo, Hama, Idlib und Deir ez-Zour wurde ein informelles System öffentlicher Versteigerungen eingerichtet. Diese Versteigerungen wurden angeblich ins Leben gerufen, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, das Land in Abwesenheit der Eigentümer zu bewirtschaften. Aller Wahrscheinlichkeit nach war dies jedoch nur ein Vorwand, um sich das Land anzueignen. Im März 2022 wurden die Landauktionen systematischer, was darauf hindeutet, dass die Regierung die Politik bewusst so gestaltete, dass die Landaneignung legitimiert wurde. Die Eigentümer dieser Grundstücke wohnten in der Regel außerhalb der von der Regierung kontrollierten Gebiete oder außerhalb Syriens. Bei den Gewinnern der Auktionen handelte es sich häufig um hochrangige Mitglieder regierungsnaher Milizen oder um Personen mit engen Verbindungen zu Regierungsbehörden. In vielen Fällen besetzten die Auktionsgewin ner das angeeignete Land bereits unrechtmäßig, wobei das Auktionssystem als Methode zur Legitimierung der Aneignung genutzt wurde (BS 19.3.2024). Konkrete Pläne für die Einrichtung von Entwicklungszonen deuteten auf Gebiete hin, die ehemals von der Opposition gehalten wurden, da es sich dabei häufig um ohne Baugenehmigung errichtete illegal housing areas handelte. Von den großflächigen Eigentumstransfers dürften regierungsnahe Kreise profitiert 296

haben. Auf Druck von Russland und der Nachbarländer sowie der UN wurden einige Abände rungen vorgenommen, wie die Verlängerung des Fristenlaufes von 30 Tagen auf ein Jahr. Die grundsätzliche Stoßrichtung änderte sich aber nicht allzu sehr (ÖB Damaskus 2023). Syrische Medien berichteten im Juni 2024, dass die syrische Regierung verstärkt Listen mit Namen von Syrern veröffentlichte, gegen die der Finanzminister die „ präventive Beschlagnah me“ von beweglichem und unbeweglichem Vermögen angeordnet hatte. Der Grund für die Beschlagnahmung war laut den Beschlüssen die Verwicklung in „ aktuelle Ereignisse im Land“. Die Beschlüsse stützten sich auf Dekrete, Gesetze und Bücher, die von der Generaldirekti on des Geheimdienstes herausgegeben wurden. Die Mehrheit der Personen auf den an die Öffentlichkeit gelangten Listen sind Aktivisten der Anti-Regime-Bewegung, Überläufer aus den Regimekräften, Pflicht- und Reservedienstverweigerer, prominente Oppositionelle. Die Entschei dungen über die Präventivhaft waren so umfassend, dass sie sogar die Kinder und Ehefrauen der Betroffenen rückwirkend einschlossen, oft Personen betrafen, die in den ersten Jahren des Aufstandes unter verschiedenen Umständen gestorben waren, und einige „ willkürlich“ angeführt waren, einschließlich Personen, die sich nicht an regimefeindlichen Aktivitäten beteiligt hatten, aber enge Verbindungen zu anderen Personen, die zu Wahrzeichen der Rebellion geworden waren, unterhielten (Syria TV 1.6.2024). Frauen wurden im Bezug auf Besitz diskriminiert aufgrund des Personenstandsrechts, das auf der Scharia basierte, das sie in Erbschaften benachteiligte, aber auch aufgrund von sozialen Gepflogenheiten (FH 2024). Gebiete unter der Kontrolle der Opposition In den Oppositionsgebieten beschlagnahmten und besetzten die Syrische Nationale Armee (Syrian National Army - SNA) und die Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) das Privateigentum von vertriebenen Zivilisten (BS 19.3.2024). Gebiete unter der Kontrolle der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) In den Gebieten und der Kontrolle der HTS war die Infrastruktur ein wenig besser als in den Gebieten, die bis Anfang Dezember 2024 unter der Kontrolle der syrischen Regierung standen. Dort funktionierten Straßenbeleuchtung und Ampeln. Die als Syrische Heilsregierung (Syrian Salvation Government - SSG) bekannte Verwaltung war für die Wasser- und Stromversor gung, die Müllabfuhr und die Straßenbeläge zuständig. Die öffentlichen Dienstleistungen sowie die Militäroperationen wurden durch Steuern finanziert, die von Unternehmen, Landwirten und Grenzübergängen zur Türkei erhoben wurden (BBC 18.12.2024). Gebiete unter der Kontrolle der Syrian National Army (SNA) Der UN liegen Berichte vor, wonach in Gebieten unter der Kontrolle türkisch-verbündeter be waffneter Gruppen im Nordwesten Syriens die örtlichen Behörden Eigentum von Personen beschlagnahmt und verkauft haben, die das Land verlassen oder in Gebiete unter der Kontrolle anderer Konfliktparteien gezogen waren. Solche Richtlinien und Maßnahmen wurden insbeson dere in Gebieten durchgesetzt, in denen ursprünglich eine mehrheitlich kurdische Bevölkerung 297
