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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Milizen, der Hay’at Tahrir ash-Sham [ehem. An-Nusra Front Anm.] und Spione für die Türkei, die Kurdische Regionalregierung im Irak oder die syrische Regierung (NPA 13.6.2023). Die Gerichte stehen unter Kritik, den Angeklagten das Recht auf Verteidigung zu verweigern (OSS 4.3.2022). Auch die kurdische Nachrichtenseite North Press Agency schreibt, dass IS-Mitglieder zwar das Recht auf einen Anwalt, in der Praxis aber selten Zugang dazu hätten (NPA 13.6.2023). Amnesty International wirft der DAANES im Zusammenhang mit der Anti-Terror-Gesetzgebung zudem vor, dass sie sich auf Beweise, die durch Folter oder unmenschliche Behandlung erhalten wurden, verlassen würden, keinen Rechtsbeistand zur Verfügung stellen würden und dass das Recht auf Berufung wirkungslos wäre (AI 2024). Unzufriedenheit mit den Gerichten, Korruption und Beeinflussung führte dazu, dass 2021 kurdi sche, jesidische, arabische und assyrische Stämme eigene Gerichte in der Provinz al-Hasakah wieder einführten. Dort kann bei Streitereien zwischen Clans und in Fällen von Raub, Rache und Plünderung vorgesprochen werden (BS 19.3.2024). Als der Bürgerkrieg in Syrien zur geografischen und politischen Zersplitterung des Landes führte, kam es zu einer weiteren Fragmentierung des Familienrechts, insbesondere in den kurdischen Provinzen im Norden. Da diese kurdischen Regionen de facto autonom sind, hat ihre Zivilverwal tung schnell umfassende Reformen des Familienrechtssystems in Kraft gesetzt, das zuvor unter der Zentralregierung vorherrschte. In dem Bestreben, den Einfluss der Religion auf Familienan gelegenheiten zu verringern, begannen die kurdischen Behörden bereits 2013, standesamtliche Ehen anzuerkennen. Was als lokale Praxis in der nordöstlichen Stadt Qamishli begann, hat sich inzwischen in den mehrheitlich kurdischen Provinzen Syriens verbreitet. Diese Entwicklung stellt eine bedeutende Veränderung dar, da sie die traditionellen religiösen Familienrechtssys teme umgeht und eine säkulare Alternative bietet, die dem Wunsch der Kurden nach größerer Autonomie entspricht (LSE 15.1.2025). Am 17.7.2024 erließ die DAANES eine Amnestie für Straftaten im Zusammenhang mit Terro rismus. Das Amnestiegesetz gilt speziell für Syrer, die „ terroristische“ Verbrechen gegen die Sicherheit der DAANES und der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) begangen haben, wie das Strafrecht und das Anti-Terrorgesetz vorsehen, gab ein Beamter der DAANES an. Von der Amnestie ausgeschlossen sind Emire, Anführer terroristischer Gruppen und Beteiligte an Bombenanschlägen und Feindseligkeiten gegen die SDF sowie Verbrechen, die zum Tod eines Menschen führen (NPA 17.7.2024). Quellen ■ AI - Amnesty International (2024): AFTERMATH - INJUSTICE, TORTURE AND DEATH IN DETEN TION IN NORTH-EAST SYRIA, https://www.ecoi.net/en/file/local/2107362/MDE2477522024ENGL ISH.pdf, Zugriff 24.6.2024 [Login erforderlich] ■ BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report Syria, https://www.ecoi.net/en/file /local/2105866/country_report_2024_SYR.pdf, Zugriff 3.5.2024 ■ LSE - London School of Econonomics and Political Science (15.1.2025): Between religious diversity and national unity: The role of family law in Syrias transitional justice journey, https://blogs.lse.ac.u k/religionglobalsociety/2025/01/between-religious-diversity-and-national-unity-the-role-of-family-l aw-in-syrias-transitional-justice-journey , Zugriff 7.2.2025 83

■ NPA - North Press Agency (17.7.2024): AANES grants general amnesty for terrorism-related offenses, https://npasyria.com/en/115426, Zugriff 31.7.2024 ■ NPA - North Press Agency (13.6.2023): AANES trials for foreign ISIS members what is to be expec ted?, https://npasyria.com/en/99485, Zugriff 11.7.2024 ■ OSS - Omran Center for Strategic Studies (4.3.2022): The Autonomous Administration: A Judicial Approach to Understanding the Model and Experience, https://omranstudies.org/index.php/publicati ons/books/the-autonomous-administration-a-judicial-approach-to-understanding-the-model-and-e xperience.html, Zugriff 9.7.2024 ■ RIC - Rojava Information Center (14.12.2023): AANES Social Contract, 2023 Edition, https://rojava informationcenter.org/2023/12/aanes-social-contract-2023-edition , Zugriff 24.6.2024 ■ SYD - Syria Direct (30.1.2023): Northeastern Syria marks two years of legal paralysis as de facto authorities struggle to issue new land registry, https://syriadirect.org/northeastern-syria-marks-t wo-years-of-legal-paralysis-as-de-facto-authorities-struggle-to-issue-new-land-registry , Zugriff 9.7.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (22.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Syria, https://www.state.gov/reports/2023-country-reports-on-human-rights-pract ices/syria/, Zugriff 3.5.2024 5.2 Gebiete unter der Kontrolle des syrischen Regimes (Stand August 2024) Letzte Änderung 2025-05-08 14:03 In der Syrischen Verfassung von 2012 war verankert, dass die Syrische Arabisch Republik ei ne Demokratie (Artikel 1), die durch Wahlen gekennzeichnet ist (Artikel 8). In der Verfassung wurden auch Grundrechte festgehalten, wie z. B. das Recht auf Freiheit, die Gleichheit vor dem Gesetz (Artikel 33), das Recht auf Ausübung des Wahlrechts (Artikel 34), das Recht auf Arbeit und fairen Lohn (Artikel 40), das Recht auf Glaubens- und Meinungsfreiheit (Artikel 42) sowie Pressefreiheit (Artikel 43) und das Recht auf Versammlungsfreiheit (Artikel 44 und 45). Die Rechtsstaatlichkeit war in den Artikeln 50-53 verankert und im Titel III unter den Kapiteln 1-3 war das Prinzip der Gewaltenteilung geregelt (SeG 24.2.2012). Dieses wurde allerdings unter graben durch die dominierende Macht der Exekutive, allen voran des Präsidenten, zusammen mit der fast kompletten Macht und Immunität der Sicherheitsdienste (STJ 2.2.2024). So wurde der Oberste Justizrat in Artikel 133 der syrischen Verfassung dem Präsidenten unterstellt (SeG 24.2.2012), wodurch der Präsident zugleich an der Spitze sowohl der Exekutive als auch der Le gislative stand (STJ 2.2.2024). Richter wurden durch diesen Obersten Justizrat ernannt, versetzt und entlassen (BS 19.3.2024), auch die Mitglieder des Obersten Verfassungsgerichts wurden durch den Präsidenten per Dekret ernannt (Artikel 141) (SeG 24.2.2012). Richter und Staatsan wälte mussten grundsätzlich der Ba’ath Partei angehören und waren praktisch der politischen Führung verpflichtet (FH 2023). Obwohl die syrische Verfassung dem Thema Rechtsstaatlichkeit ein gesamtes Kapitel widmete, Gesetze durchaus im Einklang mit internationalen Erfordernis sen standen und Syrien Vertragspartei einer Reihe internationaler Übereinkommen war, konnte das Justizsystem in Syrien insgesamt nicht als unabhängig und transparent angesehen wer den und stand unter der Kontrolle der Exekutivgewalt und ihrer Zweige. Die Rechtsstaatlichkeit war schwach ausgeprägt, wenn nicht gänzlich durch eine Situation der Straffreiheit untergra ben, in der Angehörige von Sicherheitsdiensten mitunter willkürlich und ohne strafrechtliche Konsequenzen sowie ohne jegliche zivile Kontrolle operieren konnten (ÖB Damaskus 2023). Die Bertelsmann Stiftung schrieb in ihrem Bericht über das syrische Justizwesen von einem stark korrupten System, das Anweisungen von der Regierung und den Sicherheitsdiensten bekommt 84

(BS 19.3.2024). Dem stimmte der Global Organized Crime Index zu, wonach Justizbeamte nicht über eine angemessene Ausbildung verfügten und Mitglieder der regierenden Ba’ath- Partei sein mussten (GITOC 2023). Auch das deutsche Auswärtige Amt berichtete, dass die Unabhängigkeit syrischer Straf-, Zivil- oder Verwaltungsgerichte unverändert nicht gewährleistet war, diese wurden im Gegenteil vom Regime für politische Zwecke missbraucht. Vor allem vor Strafgerichten war eine effektive Verteidigung in Fällen mit politischem Hintergrund praktisch nicht möglich. Immer wieder wurden falsche Geständnisse durch Folter und Drohungen durch die Anklage erpresst und seitens der Gerichte weitestgehend vorbehaltlos akzeptiert (AA 2.2.2024). Richter in Syrien konnten durch den Präsidenten und die Exekutivbehörden bedroht werden. Der Justizminister konnte den Staatsanwalt anweisen, rechtliche Schritte gegen einen Richter einzuleiten. Weil der Staatsanwalt durch den Justizminister ernannt wurde und diesem auch zu berichten hatte, gab es keinen Rechtsschutz oder Immunität für Richter. Gerichtsprozesse gegen angeklagte Richter wurden im Geheimen abgehalten (STJ 2.2.2024). Menschenrechtsorganisationen berichteten, dass das Rechtssystem bekannt war für Sammel entscheidungen, Korruption und den Mangel an ordentlichen Gerichtsverfahren. Angeklagte wurden in ihrer Abwesenheit verurteilt, ohne angehört zu werden. Manche Gefangene und ihre Familien berichteten, dass sie nichts über die Beschuldigungen gegen sie wussten (USDOS 22.4.2024). Vertrauliche Quellen, die durch das niederländische Außenministerium befragt wur den, gaben zudem an, dass je höher die Bestechung war, die eine Person zahlte und je besser diese Person vernetzt war, umso eher bekam sie recht (MBZ 8.2023). Spezial- und Ausnahme-Gerichte Nachdem im Jahr 1963 der Ausnahmezustand ausgerufen wurde, wurden in den letzten Jahr zehnten mehrere Spezialgerichte eingerichtet. Diese waren weder dem Obersten Justizrat un terstellt noch unabhängig. Darunter fielen die Ausnahme-Militärgerichte, Militärfeldgerichte, das Oberste Staatssicherheitsgericht und das Anti-Terrorgericht (STJ 2.2.2024). Spezialgerichte wa ren länger bestehende Gerichte, wie Militärgerichte, und Ausnahme-Gerichte waren temporäre Gerichte, wie Terrorgerichte (STJ 5.1.2022). Seit ihrer Einführung wurden Ausnahme-Gerichte benützt, um die Syrische Gesellschaft einzuschüchtern und zu unterdrücken, ein Verstoß ge gen den Zweck des Justizwesens, die Rechte, Freiheiten und Demokratie zu schützen. Diese Gerichte setzten sich entweder aus Armeeoffizieren zusammen, wie im Falle von Militärischen Feldgerichten, die nicht zwingend eine rechlichte Ausbildung erhalten hatten oder aus Richtern, die vom Präsidenten ausgewählt wurden, wie im Falle von dem Anti-Terrorgericht (STJ 2.2.2024). Der Nichtregierungsorganisation Syrian Network for Human Rights (SNHR) zufolge wurden An ti-Terrorgerichte von den Sicherheitsdiensten kontrolliert (SNHR 31.1.2022). Anti-Terrorgerichte waren also vielmehr Teil der Exekutive bzw. waren dieser untergeordnet(STJ 2.2.2024). Dem Gesetz zufolge mussten Ausnahme-Gerichte, wie das Anti-Terror-Gericht, das Militärgericht und die Militärfeldgerichte nicht den Regeln und Verfahren der Gesetzgebung, während der Anklage und dem Prozess, wie es für Gerichte normalerweise galt, folgen (STJ/AHR/WCDP 3.6.2024; vgl. USDOS 22.4.2024). Dementsprechend hatte ein Beschuldigter nicht mehr das Recht, einen Anwalt zu bestimmen oder das Recht auf einen öffentlichen Prozess (STJ/AHR/ WCDP 3.6.2024). Gegen die Regierung gerichtete Vergehen wurden aus der Zuständigkeit der 85

ordentlichen Zivilgerichte ausgenommen und besonderen Anti-Terrorgerichten unterworfen, die außerhalb des verfassungsrechtlichen Rahmens tätig waren (ÖB Damaskus 2023). Militärische Judikatur Die militärische Judikatur in Syrien war außergewöhnlich, weil die Richter dem Verteidigungsmi nister unterstellt waren und militärischen Regulierungen folgten. Die Militärgerichte fällten ihre Urteile nicht nur über Militärpersonen, sondern auch über Zivilisten, wobei die Gerichte selbst entschieden, was in ihre Zuständigkeit fällt (STJ 2.2.2024). Am 3.9.2023 wurde mit dem Gesetzesdekret Nr. 32 das Legislaturdekret 109 vom 17.8.1968 außer Kraft gesetzt und damit die Militärfeldgerichte (SNHR 3.6.2024).Omran Strategic Studies ging davon aus, dass sich die Situation trotzdem nicht wesentlich verbessert, weil einerseits die Sicherheitsbehörden weiterhin die Oberhand über die Feststellung und Einstufung von Straftaten haben und andererseits noch immer das Problem, dass in Militärgerichten über Zivilisten geurteilt wird, weiterbesteht (OSS 10.10.2023). Anti-Terror-Judikatur Das Justizwesen in den Gebieten unter der Kontrolle der Regierung war in den letzten Jah ren einigen Veränderungen unterlegen. Obwohl es institutionell abgegrenzt war, war es nie unabhängig. Die laut Bertelsmann Stiftung schlimmste Veränderung war die Einführung von Anti-Terror-Gerichten (Counter Terrorism Court - CTC) (BS 19.3.2024). Syriens Terrorgesetz gebung definierte Terrorismus sehr weit gefasst und erlaubte der Regierung fast jede Tat als terroristischen Angriff zu deklarieren (HRW 18.7.2024). Laut Bertelsmann Stiftung war sie poli tisch motiviert und wurde als Druckmittel gegen Andersdenkende und Oppositionelle, welche das Regime oft als „Terroristen“ bezeichnete, eingesetzt. Jede Art von ziviler Handlung in Be zug auf „Terroristen“, wie etwa die Bereitstellung von medizinischer Behandlung, Unterschlupf oder Unterstützung von oppositionellen Kämpfern wurde von der Regierung kriminalisiert (BS 19.3.2024). Richter des CTC wurden per Dekret durch den Präsidenten ernannt (STJ/AHR/ WCDP 3.6.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (2.2.2024): Auswärtiges Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: Ende Oktober 2023), https://www.ecoi.net/de/dokument/21043 40.html, Zugriff 26.2.2024 [Login erforderlich] ■ BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report Syria, https://www.ecoi.net/en/file /local/2105866/country_report_2024_SYR.pdf, Zugriff 3.5.2024 ■ FH - Freedom House (2023): Syria: Freedom in the World 2023 Country Report, https://freedomh ouse.org/country/syria/freedom-world/2023, Zugriff 25.6.2024 ■ GITOC - Global Initiative Against Transnational Organized Crime (2023): Global Organized Crime Index - Syria 2023, https://ocindex.net/assets/downloads/2023/english/ocindex_profile_syria_2023 .pdf, Zugriff 2.8.2024 ■ HRW - Human Rights Watch (18.7.2024): Syria: Mass Unlawful Asset Freezes, https://www.hrw.or g/news/2024/07/18/syria-mass-unlawful-asset-freezes , Zugriff 1.8.2024 ■ MBZ - Außenministerium der Niederlande [Niederlande] (8.2023): General Country of Origin Inform ation Report - August 2023, https://www.government.nl/binaries/government/documenten/reports/ 86

2023/08/07/general-country-of-origin-information-report-syria-august-2023/General Country of Ori gin Information Report Syria August 2023.pdf, Zugriff 5.7.2024 ■ ÖB Damaskus - Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (2023): Asylländerbericht 2023 - Syrien ■ OSS - Omran Center for Strategic Studies (10.10.2023): Military Field Court: Nullification and a No Change Approach, https://omranstudies.org/index.php/publications/articles/military-field-court-nullifi cation-and-a-no-change-approach-202310061150.html , Zugriff 26.6.2024 ■ SeG - Syrian E-Government [Syrien] (24.2.2012): Syrian Constitution, https://egov.sy/page/en/137/ 0/Constitution.html, Zugriff 25.6.2024 ■ SNHR - Syrian Network for Human Rights (3.6.2024): SNHR Report for the UN Human Rights Committee 141 Session, https://tbinternet.ohchr.org/_layouts/15/TreatyBodyExternal/DownloadDraf t.aspx?key=YT9VK9E6jAj6S4CPg6EyUoNF6jqA79AijK6BXw/MgaKBA3DMUzN0xvGGS4JikqUZ8 zibRMibJY9Dviylc8E3lg==, Zugriff 25.6.2024 ■ SNHR - Syrian Network for Human Rights (31.1.2022): The Most Notable Hay’at Tahrir al Sham Violations since the Establishments of Jabhat al Nusra to Date, https://snhr.org/wp-content/pdf/engli sh/The_Most_Notable_Hayat_Tahrir_al_Sham_Violations_Since_the_Establishment_of_Jabhat_al _Nusra_to_Date_1_en.pdf, Zugriff 8.8.2024 ■ STJ - Syrians for Truth and Justice (2.2.2024): Syria: The Interference of the Executive Branch in the Judiciary and its Impact on Safeguarding Democracy, https://stj-sy.org/en/syria-the-interfere nce-of-the-executive-branch-in-the-judiciary-and-its-impact-on-safeguarding-democracy , Zugriff 21.6.2024 ■ STJ - Syrians for Truth and Justice (5.1.2022): Governance and Judicial Systems in the Syrian Constitution - Syrians for Truth and Justice, https://stj-sy.org/en/governance-and-judicial-systems-i n-the-syrian-constitution , Zugriff 21.6.2024 ■ STJ/AHR/WCDP - Syrians for Truth and Justice, Advocates for Human Rights, The, World Coalition against the Deaht Penalty (3.6.2024): Input to the Human Rights Committee Regarding Syria’s Com pliance with the ICCPR, https://tbinternet.ohchr.org/_layouts/15/TreatyBodyExternal/DownloadDraft. aspx?key=YT9VK9E6jAj6S4CPg6EyUnlmE/bpQ2 a2w9FdQr2eP2OD4O5vSl1O2hnBD3mdX7GtO GjQ4S7O/NSravpyZtstQ==, Zugriff 26.6.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (22.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Syria, https://www.state.gov/reports/2023-country-reports-on-human-rights-pract ices/syria/, Zugriff 3.5.2024 5.3 Gebiete unter der Kontrolle der Oppositionsgruppierungen (Stand August 2024) Letzte Änderung 2025-05-08 14:12 In den Gebieten außerhalb der Kontrolle des syrischen Regimes war die Lage von Justiz und Verwaltung von Region zu Region und je nach den örtlichen Herrschaftsverhältnissen unter schiedlich (AA 2.2.2024). In den von der Opposition gehaltenen Gebieten wurden zum Teil Sharia-Gerichte eingerichtet, die nun die staatliche Gerichtsbarkeit ersetzen. Die Praxis und der Charakter dieser Gerichte variieren ebenso stark, wie die Art des angewandten Rechts, je nachdem welche bewaffnete is lamistische Gruppierung das Terrain hält. Auch die Härte des angewandten islamischen Rechts unterschied sich, sodass keine allgemeinen Aussagen getroffen werden konnten (ÖB Damaskus 2023). Extremistische Gruppen hatten in ihren Gebieten religiöse Gerichte eingerichtet, die für angebliche religiöse Vergehen von Zivilisten harte Strafen verhängten. Der allgemeine Zusam menbruch staatlicher Autorität und die Ausbreitung von Milizen in weiten Teilen des Landes führ ten zu willkürlichen Verhaftungen, Schnelljustiz und außergerichtlichen Strafen auf allen Seiten des Bürgerkriegst (FH 2024). Nicht staatliche Akteure hielten sich oft nicht an die Garantien für faire Verfahren. In den von der Opposition kontrollierten Gebieten variierten die Rechtsverfahren der rechtlichen Rechenschaftspflicht je nach Ort und der nicht staatlichen bewaffneten Gruppe, 87

die die Kontrolle ausübte, wenn lokale Regierungsstrukturen diese Verantwortung übernahmen. Nichtregierungsorganisationen berichteten, dass Zivilisten diese Prozesse durchführten und sich dabei in manchen Fällen an die gewohnten Scharia-Gesetzte hielten und in anderen an die nationalen Gesetze. Manche Verurteilungen durch oppositionelle Scharia-Gerichte endeten in öffentlichen Hinrichtungen ohne Berufungsprozess (USDOS 22.4.2024). Gebiete unter der Kontrolle der Ha’yat Tahrir ash-Sham (HTS) In Idlib übernahmen quasi-staatliche Strukturen der sogenannten Heilsregierung (Syrische Heils regierung - Syrian Salvation Government - SSG) der Terrororganisation Ha’yat Tahrir ash-Sham (HTS) Verwaltungsaufgaben (AA 2.2.2024). Die SSG hatte ein Justizministerium eingerichtet, das aus sechs Hauptabteilungen bestand. Die zivile bzw. allgemeine Justiz, die Verwaltungsjus tiz und die Militärjustiz waren dem Justizministerium angegliedert. Die Sicherheitsjustiz, die Jus tiz von Organisationen und Verbänden und die Interne Justiz waren nicht beim Justizministerium angegliedert. In diesem Justizsystem gab es viele Behörden, die fast vollständig voneinander getrennt waren Die Zivile bzw. allgemeine Justiz befasste sich mit Fällen des Personen- und Zivilstandsrechts und mit Straftaten, die von Zivilisten begangen wurden. Es gab fünf Gerichte der allgemeinen Justiz. Richter waren in der Regel Geistliche oder Scheichs. Die Verfahren in diesen Gerichten waren nicht kostenlos (SNHR 31.1.2022). Es gab viele örtliche Gerichte, die über das gesamte Gebiet verteilt waren, und diese stellten den häufigsten Kontaktpunkt der Zivilbevölkerung mit dem Justizsystem dar. Offiziell unterstanden diese Gerichte dem Justizmi nisterium, das in bestimmten Fällen eingreifen konnte. Laut örtlichen Quellen schienen diese Gerichte ihre Arbeit jedoch regelmäßig an Stammesnetzwerke auszulagern (OFPRA 27.4.2023). Die Verwaltungsjustiz war auf Streitigkeiten zwischen den Ministerien der SSG oder in Streit fällen mit einer Verwaltungsbehörde spezialisiert. Es gab dafür nur ein einziges Gericht in Idlib. Die Militärjustiz fokussierte auf militärische Angelegenheiten, wie Schlachten und Gefechte und überschnitt sich mit der Sicherheitsjustiz bei der Verfolgung von Mitgliedern der Oppositions fraktionen. Die Nichtregierungsorganisation Syrian Network for Human Rights (SNHR) doku mentierte zwei Militärgerichte. Die Sicherheitsjustiz galt als die einflussreichste und autoritärste der Justizbehörden von HTS und unterstand dem Sicherheitsapparat. Die Sicherheitsjustiz um fasste keine erkennbaren Gerichte, sondern Sicherheitszentren mit sowohl geheimen als auch nicht-geheimen Haftzentren. Die Arbeit der Sicherheitszentren war in Kategorien unterteilt, die sich beispielsweise auf die Verfolgung von Agenten des Syrischen Regimes, auf organisierte Kriminalität, auf Personen, die mit der US-Koalition in Verbindung standen oder auf Angehörige des Islamischen Staates spezialisierten. Die Gesamtanzahl der Sicherheitszentren wurde auf 112 geschätzt. Die Justizbehörde für Organisationen und Vereine war auf die Verfolgung von Mitgliedern zivilgesellschaftlicher Organisationen spezialisiert und hatte ihren Sitz in der Nä he des Grenzübergangs Bab al-Hawa. Die Interne Justiz war eine Sondereinrichtung, die sich mit der Lösung von HTS-internen Konflikten befasste. Sie wurde direkt von HTS-Anführer Abu Mohammad al-Joulani geleitet. Diese Einrichtung verfügte über geheime Gefängnisse (SNHR 31.1.2022). Die Sicherheitstribunale, die nicht in den Zuständigkeitsbereich des Justizministe riums fielen, schienen die eigentliche Justizmacht von HTS zu sein. Diese Tribunale befanden sich in etwa hundert „ Sicherheitszentren“, die als Haftanstalten dienten und dem „Allgemeinen 88

Sicherheitsapparat“ unterstellt waren, der Polizeieinheit, die von HTS kontrolliert wurde. Die verschiedenen Abteilungen dieser Institution waren für die Bearbeitung von Fällen Organisierter Kriminalität und von Fällen zuständig, in denen Personen beschuldigt wurden, das Regime oder rivalisierende Oppositionsgruppen, den Islamischen Staat oder die Vereinigten Staaten zu unterstützen (OFPRA 27.4.2023). Kurdischen Medienberichten zufolge gab es 25 Gefängnisse in Idlib und Umgebung, die zur HTS gehören. 20 davon wurden von ihrem Sicherheitsapparat geführt. Als Folge von Protesten etablierte die SSG der HTS ein „ Zweites Sicherheitsgericht“ in Idlib für die Rechtssprechung über Sicherheitsstraftaten (SOHR 30.6.2024; vgl. Enab 30.3.2024), sobald der Oberste Justizrat Regulierungen für die Arbeit dieses Gerichts erlassen hatte (SOHR 30.6.2024). Entscheidungen der Justizbehörden wurden nicht auf Grundlage spezifischer und bekannter Gerichtsurteile und Vorschriften getroffen, sondern stützten sich hauptsächlich auf ministerielle Rundschreiben, das waren Anweisungen, die als Rechtskodex für die Gerichte gelten. Da es kein formelles Gesetz gab, das die Verfahren für die Arbeit der Gerichte regelte, kam die Pro zessordnung einer solchen Gesetzgebung am nächsten, während die Gerichte in zwei Instanzen arbeiteten, wobei einige wenige in drei Instanzen arbeiteten. Für die Allgemeine Justiz waren das islamische Recht, einige syrische Gesetze und Rundschreiben des Justizministeriums die Rechtsgrundlage (SNHR 31.1.2022). Auch eine kurdische Medienorganisation berichteten, dass Aktivisten zufolge die Judikatur der HTS nicht auf Gesetzen basierte (NPA 20.4.2023). SNHR berichtete, dass es zu wenige Richter und Anwälte für die hohe Menge an zu erledigender Arbeit gab. In vielen Bereichen griff die HTS daher auf loyal zu ihr stehende Studierende der Religions- oder Rechtswissenschaften zurück, wodurch die Unabhängigkeit und Effizienz der Justiz nicht gegeben war (SNHR 31.1.2022). Menschenrechtsgruppierungen und Medienorgani sationen berichteten, dass die HTS denen, die sie verhaftet hatte, die Möglichkeit verwehrte, die Rechtsgrundlage oder den ungerechten Charakter ihrer Haft im Scharia-Justizsystem anzufech ten. HTS ließ Geständnisse, die unter Folter erhalten wurden, zu und richtete als Oppositionelle wahrgenommene und ihre Familien hin oder lies diese verschwinden (USDOS 22.4.2024). Gebiete unter der Kontrolle von der Türkei nahestehenden Gruppierungen - Syrian Na tional Army (SNA) Die Syrian National Army (SNA) umfasste mehrere Gruppierungen, die jeweils die Kontrolle über ein bestimmtes Gebiet ausübten, wo sie auch die zivile Struktur verwalteten. Oft waren also auch diese Gruppierungen für das Justizsystem verantwortlich (MBZ 8.2023). Ein Ge richtssystem, Gefängnisse und Haftanstalten wurden von der Syrischen Übergangsregierung (Syrian Interim Government - SIG) betrieben, ebenfalls mit erheblicher türkischer Beteiligung (UNHRC 12.7.2023). Eine vertrauliche Quelle des niederländischen Außenministeriums gab an, dass es dort einen hohen Grad an Straffreiheit gab, weil die lokalen Anführer auch die Judikatur bestimmten (MBZ 8.2023). Der Nichtregierungsorganisation Syrians for Truth and Justice (STJ) zufolge bestimmte auch die Türkische Regierung über rechtliche Angelegenheiten, wo die von ihr unterstützten Gruppierungen operierten (STJ 1.11.2023). 89

Im Februar 2018 richtete das Verteidigungsministerium der syrischen Übergangsregierung (Sy rian Interim Gouvernment - SIG) ein Militärjustizsystem ein, das Verstöße innerhalb der SNA- Gruppierungen, insbesondere die Misshandlung von Zivilisten und mögliche Kriegsverbrechen durch die SNA und ihre Verbündeten, ahnden sollte. Diese Initiative, die während der Operation Euphrates Shield ins Leben gerufen wurde, führte Militärgerichte und Militärpolizei in von der Türkei besetzten Gebieten ein und erweiterte die Gerichtsbarkeit später auf Afrin und Tell Abyad, als die territoriale Kontrolle der Türkei zunahm (HSC 6.5.2024). Die Militärpolizei galt als Exe kutive der Militärgerichte, die eingesetzt wurden, um sowohl Mitglieder der SNA-Fraktionen als auch vermeintliche Aufständische vor Gericht zu stellen. Die Militärpolizeiabteilung bestand aus einem Hauptquartier, Zweigstellen in den Regionen und Unterabteilungen in den verschiedenen Städten unter der Kontrolle der SNA. Sie betrieb Gefängnisse, darunter in den Städten al-Bab, Afrin und Ra’s al-’Ayn, und Dutzende von Haftanstalten in den türkisch besetzten Gebieten. Vie le SNA-Fraktionen betrieben auch ihre eigenen inoffiziellen Haftanstalten in kleineren Städten und Dörfern unter ihrer Kontrolle, trotz der Versuche der syrischen Übergangsregierung, diese Praxis zu unterbinden (HRW 29.2.2024). Viele Richter an den Militärgerichten waren ehemalige SNA-Funktionäre oder hatten SNA-Ver bindungen zu aktuellen Funktionären. Sie wurden oft in Abstimmung mit türkischen Geheim diensten ernannt (HSC 6.5.2024; vgl. HRW 29.2.2024), was ihren großen Interessenkonflikt aufzeigte und die Vertrauenswürdigkeit des neuen Systems bewusst beeinträchtigte (HSC 6.5.2024). Obwohl auch zivile Gerichte eingerichtet wurden, waren es oft die Militärgerichte, die Häftlinge, die willkürlich durch verschiedene Fraktionen gemeinsam mit der Militärpolizei verhaftet und eingesperrt wurden, vor Gericht stellten unter der Anschuldigung, dass sie kur dischen bewaffneten Gruppierungen, der syrischen Regierung oder dem Islamischen Staat angehörten oder Verbindungen zu den genannten unterhielten. Diesen Militärgerichten fehlte es an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Sie folgten oft nicht einem ordentlichen Verfahren, mit Richtern, die militärischen Kommandos unterlagen und Befehlen von oben (HRW 29.2.2024). Darüber hinaus wurde Häftlingen, die diesem System unterworfen sind, während ihrer gesam ten Haft routinemäßig Rechtsbeistand verweigert, wobei erzwungene Geständnisse oft den Eckpfeiler der Strafverfolgung bilden (HSC 6.5.2024; vgl. HRW 29.2.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (2.2.2024): Auswärtiges Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: Ende Oktober 2023), https://www.ecoi.net/de/dokument/21043 40.html, Zugriff 26.2.2024 [Login erforderlich] ■ Enab - Enab Baladi (30.3.2024): Salvation Govt establishes security court in Idlib, https://english.en abbaladi.net/archives/2024/03/salvation-govt-establishes-security-court-in-idlib , Zugriff 5.7.2024 ■ FH - Freedom House (2024): Syria: Freedom in the World 2024 Country Report, https://freedomh ouse.org/country/syria/freedom-world/2024, Zugriff 3.5.2024 ■ HRW - Human Rights Watch (29.2.2024): “Everything is by the Power of the Weapon” - Abuses and Impunity in Turkish-Occupied Northern Syria, https://www.hrw.org/report/2024/02/29/everything-p ower-weapon/abuses-and-impunity-turkish-occupied-northern-syria , Zugriff 15.5.2024 ■ HSC - Human Security Center (6.5.2024): The Militarization and Exploitation of Northern Syria, http://www.hscentre.org/uncategorized/militarization-exploitation-northern-syria , Zugriff 25.6.2024 ■ MBZ - Außenministerium der Niederlande [Niederlande] (8.2023): General Country of Origin Inform ation Report - August 2023, https://www.government.nl/binaries/government/documenten/reports/ 90

2023/08/07/general-country-of-origin-information-report-syria-august-2023/General Country of Ori gin Information Report Syria August 2023.pdf, Zugriff 5.7.2024 ■ NPA - North Press Agency (20.4.2023): HTS executes 19 people in Syrias Idlib since early 2023, https://npasyria.com/en/96731, Zugriff 5.7.2024 ■ ÖB Damaskus - Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (2023): Asylländerbericht 2023 - Syrien ■ OFPRA - Amt zum Schutz von Flüchtlingen und Staatenlosen [Frankreich] (27.4.2023): Syria: The Situation in the Idlib Governorate since 2016, https://www.ofpra.gouv.fr/libraries/pdf.js/web/viewer. html?file=/sites/default/files/ofpra_flora/2304_syr_situation_in_idlib_governorate_eng.pdf , Zugriff 15.5.2024 ■ SNHR - Syrian Network for Human Rights (31.1.2022): The Most Notable Hay’at Tahrir al Sham Violations since the Establishments of Jabhat al Nusra to Date, https://snhr.org/wp-content/pdf/engli sh/The_Most_Notable_Hayat_Tahrir_al_Sham_Violations_Since_the_Establishment_of_Jabhat_al _Nusra_to_Date_1_en.pdf, Zugriff 8.8.2024 ■ SOHR - Syrian Observatory for Human Rights (30.6.2024): To investigate security crimes Salvation Government establishes new criminal court in Idlib, https://www.syriahr.com/en/337574 , Zugriff 5.7.2024 ■ STJ - Syrians for Truth and Justice (1.11.2023): Syria: The SIG Fringes on Freedom of Speech and Suffocates Detractors - Syrians for Truth and Justice, https://stj-sy.org/en/syria-the-sig-fringes-on-f reedom-of-speech-and-suffocates-detractors , Zugriff 5.7.2024 ■ UNHRC - United Nations Human Rights Council (12.7.2023): “No End in Sight”: Torture and ill- treatment in the Syrian Arab Republic 2020-2023* - Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (A/HRC/53/CRP.5), https://www.ohchr.org/sites/default/files/document s/hrbodies/hrcouncil/coisyria/A-HRC-53-CRP5-Syria-Torture.pdf , Zugriff 15.7.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (22.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Syria, https://www.state.gov/reports/2023-country-reports-on-human-rights-pract ices/syria/, Zugriff 3.5.2024 6 Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024) Letzte Änderung 2025-05-08 22:36 [Die Lage bezüglich Sicherheitsbehörden befindet sich derzeit im Umbruch. Teilweise liegen nicht ausreichend Informationen zu bestimmten Aspekten vor (wie z. B. Struktur, Aufbau, Aus rüstung etc.). Im Folgenden wird der aktuelle Stand dargelegt, wie er sich aus öffentlich zugäng lichen Quellen ergibt. Teilweise werden Falschinformationen, insbesondere auf Social Media Kanälen verbreitet, die in weiterer Folge auch Eingang in andere Berichte finden. Die Vorgehens weise der Recherche und Ausarbeitung der vorliegenden Länderinformationen entspricht den in der Methodologie der Staatendokumentation festgeschriebenen Standards. Weder wird ein Anspruch auf Vollständigkeit noch auf Richtigkeit der vorliegenden Informationen erhoben. Wei tere Informationen zur vorliegenden Länderinformation finden sich im Kapitel Länderspezifische Anmerkungen.] Seitdem der friedliche Aufstand gegen das Assad-Regime Ende 2011 in den bewaffneten Konflikt überging, bildeten sich bewaffnete Gruppierungen auf fast der gesamten syrischen Landkarte, angefangen bei Offizieren und Soldaten, die vom Regime übergelaufen waren, bis hin zu Grup pierungen, die sich aus lokalen und religiösen Gruppierungen zusammensetzten. Sie standen im Konkurrenzkampf einerseits untereinander und andererseits kämpften sie gegen die Re gimekräfte, die ihnen bis 2018 schwere Verluste zufügten. Danach wurden viele Gruppierungen 91

aufgelöst. Andere übersiedelten unter russischer Schirmherrschaft im Rahmen von Abkom men nach Nordsyrien oder blieben auf der Basisvon „ Versöhnungsabkommen“ unter russischer Schirmherrschaft und Garantien bzw. direkten Abmachungen mit dem Assad-Regime weiter be stehen. Im Zuge der Kampfhandlungen im Spätherbst 2024 schienen die Oppositionskämpfer gut organisiert zu sein und arbeiteten in einem Bündnis unter dem Namen Abteilung für militäri sche Operationen (Department of Military Operations - DMO) zusammen (Asharq 9.12.2024). Für die Großoffensive „Abschreckung der Aggression“, die am 17.11.2024 startete und zum Sturz des Präsidenten al-Assad führte, hatten sich die Rebellen monatelang vorbereitet (NYT 1.12.2024). Im Laufe des vergangenen Jahres entwickelten die Kämpfer eine neue Methode, die sich auf die Verwendung von Drohnen stützte (Guardian 8.12.2024). Von den ersten Tagen der Offensive an veröffentlichte die von den Rebellen geführte DMO mehrere Videos von Angriffen auf Militärfahrzeuge und Versammlungen von Soldaten des syrischen Regimes mit sogenannten Shaheen-Drohnen, die eine große Effektivität und Genauigkeit beim Treffen der Ziele zeigten. Für diese Drohnen wurden eigens die Shaheen-Bataillone geschaffen (AJ 10.12.2024). Diese Bataillone sind für ihr hohes Maß an Fachwissen und ihre Präzision bekannt. Sie sollen von Offizieren aus Osteuropa ausgebildet worden sein (IndepAr 5.12.2024). Für die Ausbildung soll die Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) sogar eine eigene Drohnenakademie betrieben haben (LF 13.12.2024). Zum ersten Mal in der Geschichte des Syrienkonflikts war die bewaffnete Oppo sition nun in der Lage, den Luftraum zu kontrollieren (IndepAr 5.12.2024). Die verschiedenen Drohnentypen trugen dazu bei, eine Art Gleichgewicht im Luftraum zu erreichen, gemeinsam mit der Tatsache, dass die Russen den Großteil ihres Luftarsenals aus Syrien abgezogen hat ten, weil sie mit dem Krieg in der Ukraine beschäftigt waren (AJ 10.12.2024). Die Drohnen, die in niedriger Höhe fliegen, greifen Fahrzeuge und gepanzerte Fahrzeuge an, feuern Raketen auf Soldaten ab, oder es sind Selbstmorddrohnen, die sich schnell auf Fahrzeuge und Panzer stürzen und sich sofort mit jedem Objekt, das mit ihnen kollidiert, in die Luft sprengen. Einer War nung Russlands zufolge soll die HTS über mehr als 250 fortschrittlicher Drohnen verfügt haben. Gerüchten zufolge unterhielt die HTS im Nordwesten Syriens eine Fabrik zur Herstellung von Drohnen mit Düsentriebwerken und Sprengbomben gemeinsam mit ausländischer Unterstüt zung (IndepAr 5.12.2024), wie beispielsweise durch uigurische Ingenieure der Turkistan Islamic Party (TIP, die aus Dschihadisten besteht, die aus China stammen und sich im ländlichen La takia und Idlib niedergelassen haben). Sie beaufsichtigen die Herstellung der Drohnen für ein monatliches Gehalt von bis zu 4.000 Dollar (Nahar 29.11.2024). Die Entwicklung dieser Waffen soll in kleinen Werkstätten, untergebracht in Garagen, Häusern, ehemaligen Schulgebäuden, Lagerhäusern und anderen Orten, die schwer zu entdecken sind, passiert sein (LF 13.12.2024). HTS hat eine komplexe Infrastruktur aufgebaut, um den Einsatz von Drohnen zu ermöglichen. Dazu gehört auch der Einsatz von 3-D-Drucktechnologie zur Herstellung von Teilen, die nicht ohne Weiteres aus kommerziellen Quellen bezogen werden können (LF 13.12.2024). Der Interimsregierung unter der Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) fehlt es an ausrei chendem Personal, um das ganze Land zu verwalten und die Posten zu bemannen. Es werden entweder andere Gruppierungen mit an Bord geholt werden müssen, oder möglicherweise auch ehemalige Soldaten (PBS 16.12.2024). Die einzigen Ordnungskräfte sind diejenigen Gruppie rungen, die aus Idlib mitgekommen sind und die sich – personell überlastet – um ein Minimum 92
