2025-09-05-coi-cms-laenderinformationen-tuerkei-version-10-d827
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
■ TM - Turkish Minute (8.4.2021): Top court annuls state of emergency decree that closed down media outlets, https://www.turkishminute.com/2021/04/08/top-court-annuls-state-of-emergency-decree-t hat-closed-down-media-outlet/ , Zugriff 21.2.2024 ■ UNESCO - United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization (13.1.2025): UNESCO Director-General condemns killing of journalists Nazim Daştan and Cîhan Bilgin in Syria, https: //www.unesco.org/en/articles/unesco-director-general-condemns-killing-journalists-nazim-dastan-a nd-cihan-bilgin-syria , Zugriff 30.6.2025 ■ UNHRCOM - United Nations Human Rights Committee (28.11.2024): Concluding observations on the second periodic report of Türkiye [CCPR/C/TUR/CO/2, https://www.ecoi.net/en/file/local/21203 09/g2420766.pdf, Zugriff 24.1.2025 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (22.4.2024): Country Report on Human Rights Practices 2023 – Turkey (Türkiye), https://www.state.gov/wp-content/uploads/2024/02/528267_TU ̈RKIYE-2023-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf , Zugriff 23.4.2024 [Login erforderlich] ■ Zeit Online - Zeit Online (14.10.2022): Türkei führt Haftstrafen für Verbreitung von „ Falschnachrich ten“ ein, https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-10/tuerkei-parlament-desinformation-gesetz-hafts trafen, Zugriff 21.2.2024 13 Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit Letzte Änderung 2025-08-06 13:33 Die Verfassung garantiert Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Meinungs- und Pressefrei heit. In der Praxis sind diese Rechte jedoch stark beschränkt. Die Freiheit, auch ohne vorherige Genehmigung unbewaffnet und gewaltfrei Versammlungen abzuhalten, unterliegt Einschrän kungen, soweit Interessen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung, die Vorbeugung von Straf taten bzw. die allgemeine Gesundheit oder Moral betroffen sind (AA 20.5.2024, S. 8; vgl. DFAT 16.5.2025, S.9, 19). Restriktive und vage formulierte Gesetze, z. B. Vorgaben des Gesetzes 2911 über Veranstaltungen und Demonstrationen, erlauben es den Behörden, unverhältnismäßige Maßnahmen zur Einschränkung der Versammlungsfreiheit zu verhängen und sogar die legitime Ausübung dieses Rechts durch einen Diskurs zu stigmatisieren, der Demonstranten immer wie der mit Extremismus und gewalttätigen Gruppen in Verbindung bringt (FIDH/OMCT/İHD/HRA 5.2021, vgl. UNHRCOM 28.11.2024, S. 13). Die Gesetzgebung und ihre Umsetzung stehen nicht im Einklang mit den europäischen Stan dards und den internationalen Konventionen, denen die Türkei beigetreten ist (EC 30.10.2024, S. 33), auch nicht mit der türkischen Verfassung (EC 8.11.2023, S.6, 37f.). - Die Gesetze erlauben es den Behörden, Versammlungen und Demonstrationen auf der Grundlage vager, willkürlicher Kriterien zu verbieten. Verbote friedlicher Versammlungen sind weit verbreitet, und öffentliche Veranstaltungen werden häufig mit unverhältnismäßiger Gewaltanwendung durch die Polizei aufgelöst. Eine positive Entwicklung war die Aufhebung des 2018 ausgesprochenen Verbots von Protesten der Samstagsmütter, auf dem Istanbuler Galatasaray-Platz, durch den Innen minister im November 2023. Die Gerichtsverfahren gegen Menschenrechtsverteidiger werden jedoch fortgesetzt (EC 30.10.2024, S. 33; vgl. EP 7.6.2022, S. 9, Pt. 12). Gegen Demonstranten werden zudem häufig Ermittlungen, Gerichtsverfahren und Bußgelder wegen des Vorwurfs des Terrorismus oder des Verstoßes gegen das Gesetz über Demonstrationen und Aufmärsche eingeleitet (EP 7.6.2022, S. 9, Pt. 12). Infolgedessen haben viele Menschen in der Türkei Angst davor, den öffentlichen Raum für die Ausübung ihres Rechts auf friedliche Versammlung zu be anspruchen (FIDH/OMCT/İHD/HRA 5.2021). Beispielsweise intervenierten die Sicherheitskräfte 164

laut Jahresstatistik 2023 der türkischen Menschenrechtsvereinigung bei 256 Demonstrationen und Versammlungen (2022: 571), wobei 3.487 Personen (2022: 4.553) durch das gewaltsame Einschreiten geschlagen und verletzt wurden (İHD/HRA 23.8.2024; vgl. İHD/HRA 27.9.2023b, S. 4, 6). Jüngstes Beispiel sind die Massenproteste gegen die Absetzung des CHP-Bürgermeisters von Istanbul, Ekrem İmamoğlu. - In dem Schreiben von Human Rights Watch, Amnesty International und 13 weiteren Organisationen hieß es, man sei alarmiert „ über die jüngste Eskalation des staatlichen Vorgehens gegen die Meinungs- und Versammlungsfreiheit nach der Verhaftung des Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu“. Die Menschenrechtsorganisationen beklagten in ihrer Stellungnahme, die Proteste seien mit „ ungerechtfertigter und unrechtmäßiger Polizeigewalt beantwortet“ worden. Menschen seien mit Schlagstöcken geschlagen und getreten worden, wenn sie am Boden lagen. Polizisten hätten wahllos Pfefferspray, Tränengas, Plastikgeschos se und Wasserwerfer gegen die Demonstranten eingesetzt, was zu zahlreichen Verletzungen geführt habe. Pauschale Demonstrationsverbote wie in Istanbul, Ankara, Antalya und Izmir sei en unverhältnismäßig und nicht zu rechtfertigen (Tagesschau 28.3.2025; vgl. WOZ 1.4.2025). Die Parlamentarische Versammlung des Europarates (PACE) „ verurteilt[e] aufs Schärfste die ungerechtfertigten Festnahmen und Inhaftierungen von Demonstranten sowie die unverhältnis mäßige Anwendung von Gewalt durch die Strafverfolgungsbehörden während der Proteste und Fälle von Misshandlungen oder anderen Menschenrechtsverletzungen an inhaftierten Perso nen […] Ebenso [brachte] die Versammlung ihre Besorgnis über Berichte über tätliche Angriffe auf Journalisten und Medienmitarbeiter während der Berichterstattung über die Proteste so wie über deren Festnahmen und Inhaftierungen im Zusammenhang mit ihrer Berichterstattung zum Ausdruck. Mindestens 20 Lokaljournalisten wurden während der Berichterstattung über die Proteste von der Polizei oder von Demonstranten tätlich angegriffen und mindestens zehn von ihnen wurden inhaftiert“ [Anm.: Originalzitat aus dem Englischen] (CoE-PACE 9.4.2025, Pt. 5 u.6). Im gleichen Sinne äußerte sich das Europäische Parlament und „ fordert[e] die türki schen Staatsorgane nachdrücklich auf, alle Vorwürfe der Schikanierung und der übermäßigen Anwendung von Gewalt gegen Demonstranten unverzüglich und wirksam zu untersuchen und die Versammlungs- und Protestfreiheit zu wahren“ (EP 7.5.2025, Pt. 23). - Nach den Protesten erhob die Staatsanwaltschaft in Istanbul Anklage gegen 819 Personen. Ihnen wurde die Teil nahme an nicht genehmigten Demonstrationen vorgeworfen. 278 Festgenommene waren in Untersuchungshaft. Einigen Protestierenden drohten bis zu fünf Jahre und in einem Fall bis zu neun Jahre Haft (Zeit Online 8.4.2025; vgl. SRF 23.3.2025). Anlässlich der Verhaftung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu am 19.3.2025 ver abschiedete der Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates am 27.3.2025 eine Deklaration, in welcher u. a. auf starken Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungs freiheit in den letzten Monaten hingewiesen wird. Der Kongress verurteilte insbesondere den Rückgriff auf pauschale Verbote öffentlicher Demonstrationen, wie sie in Gemeinden verhängt wurden, in denen Bürgermeister abgesetzt oder verhaftet wurden, darunter Istanbul. Dem fol gend verlangte der Kongress, den übermäßig weit gefassten Einschränkungen der Versamm lungs- und Meinungsfreiheit ein Ende zu setzen, die den politischen Pluralismus einschränken, 165

die Menschenrechte verletzen und die Grundlagen der Demokratie untergraben und sich nach teilig auf die lokale Selbstverwaltung in der Türkei auswirken (CoE-CLRA 27.3.2025, Pt. 7, 13b). Die Parlamentarische Versammlung des Europarates (PACE) sah ein generelles Verbot von Demonstrationen als unverhältnismäßig und nicht zu rechtfertigen (CoE-PACE 9.4.2025, Pt. 8). Die Sprecherin des Büros des Hochkommissars für Menschenrechte (OHCHR) nannte das generelle behördliche Verbot von Protesten in drei türkischen Städten als rechtswidrig (OHCHR 25.3.2025). Während regierungskritische Versammlungen routinemäßig verboten werden, dürfen regie rungsfreundliche Kundgebungen stattfinden (FH 26.2.2025, E1). Polizeiliche Gewalt bei Versammlungen Die Polizei geht häufig mit Gewalt gegen friedliche Proteste vor. In den letzten Jahren haben die Sicherheitskräfte Tränengas, Pfefferspray und andere gewalttätige Maßnahmen eingesetzt, um Proteste zum 1. Mai, Gedenkfeiern zu den Gezi-Park-Protesten 2013, LGBT+-Paraden, Feiern zum Frauentag, Märsche gegen geschlechtsspezifische Gewalt, Proteste gegen Preiserhöhun gen und die steigende Inflation, Mahnwachen für die Opfer des Militärputsches von 1980 und andere Versammlungen aufzulösen (FH 26.2.2025, E1). Einige konkrete Beispiele der letzten Monate: In Istanbul gingen Bereitschaftspolizisten mit Pfefferspray gegen Teilnehmerinnen einer Demonstration anlässlich des Internationalen Frauentages 2023 vor (Spiegel 8.3.2023). Min destens 50 Personen wurden am 25.6.2023 während der jährlichen Pride-Parade in Istanbul von der Polizei festgenommen. Die Demonstration wurde von der Polizei gewaltsam aufgelöst. In Izmir nahm die Polizei mindestens 44 Personen fest, nachdem die Behörden den Pride-Marsch verboten hatten (BAMF 12.6.2023, S. 12; vgl. Zeit Online 25.6.2023). Die Istanbuler Polizei nahm während der Maidemonstrationen (2024) in der ganzen Provinz mehr als 200 Menschen fest, als sie die Menschenmenge daran hinderte, den Istanbuler Taksim-Platz zu erreichen, einen symbolischen Ort für den Internationalen Tag der Arbeit. Die Bereitschafts polizei setzte Pfefferspray und Gummigeschosse ein, um Zehntausende zu vertreiben, die sich im Istanbuler Stadtteil Sarachane versammelt hatten, nachdem Demonstranten versucht hat ten, zum Taksim-Platz zu marschieren. Dutzende Personen wurden verletzt, und Aufnahmen vom Tatort zeigten, wie die Polizei Demonstranten misshandelte. In einer Live-Übertragung war zu hören, wie ein Polizeibeamter andere Beamte anwies, „ die Presse“ aus dem Gebiet zu entfernen, was bei Menschenrechtsgruppen Empörung auslöste (AlMon 1.5.2024; vgl. Stern 1.5.2024, REU 1.5.2024, SWI 2.5.2024, AI 29.4.2025). 2023 hatte das türkische Verfassungs gericht eigentlich entschieden, dass die Abriegelung des Taksim-Platzes zur Verhinderung von Demonstrationen rechtswidrig sei. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte die Entscheidung bestätigt (Stern 1.5.2024; vgl. SWI 2.5.2024, AI 29.4.2025). Die Mahnwachen der Samstagsmütter, einer Gruppe von Menschenrechtsverteidigerinnen und Angehörigen von Opfern des Verschwindenlassens, werden weiterhin durch Einschränkungen behindert. Beispielsweise durften sie sich maximal zu zehnt versammeln. Für die 1000. Mahn wache im Mai 2024 wurden diese Einschränkungen ausnahmsweise aufgehoben. Im Oktober 2024 sprach ein erstinstanzliches Gericht 20 Personen frei, die während der 950. Mahnwache 166

der Samstagsmütter/-menschen im Juni 2023 willkürlich inhaftiert und wegen „ Verstoßes ge gen das Versammlungs- und Demonstrationsgesetz“ strafrechtlich verfolgt worden waren (AI 29.4.2025). Zum behördlichen Einschreiten beim kurdischen Frühlingsfest Newroz siehe das Unterkapitel: Ethnische Minderheiten / Kurden. Versammlungsverbote durch die Gouverneure Seit 2015 gab es im Bereich der Versammlungsfreiheit Rückschritte, insbesondere durch die während des Ausnahmezustands erfolgte Ausweitung der Befugnisse der Gouverneure, öffent liche Versammlungen untersagen zu können. Der breite Ermessensspielraum der Gouverneure wird für weitere Einschränkungen genutzt, sodass mittlerweile auch friedliche Kundgebungen mit langer Tradition verboten werden. Zahlreiche Demonstrationen und Zusammenkünfte werden entweder mit einem Blanko-Bann von vornherein untersagt bzw. unter Anwendung von Polizei gewalt aufgelöst (ÖB Ankara 4.2025, S.48f.; vgl. USDOS 22.4.2024, S.38). Die Provinzbehörden verbieten regelmäßig Proteste und Versammlungen von regierungskritischen Gruppen, wobei sie sich häufig über die Urteile der nationalen Gerichte hinwegsetzen, die solche Verbote als unverhältnismäßig einstufen (HRW 16.1.2025). Das Versammlungs- und Demonstrationsgesetz erlaubt es der Verwaltung, Versammlungen und Demonstrationen auf der Grundlage von vagen, ermessensabhängigen und willkürlichen Kriterien zu verbieten (EC 12.10.2022, S. 39; vgl. EP 7.6.2022, Pt. 12). Beispielsweise verbot der Gouverneur von Istanbul einen Nachtmarsch, der am 25.11.2024 anlässlich des Internationalen Tags zur Beseitigung von Gewalt gegen Frau en stattfinden sollte. Die Ordnungskräfte setzten unverhältnismäßige Gewalt gegen jene ein, die sich trotz des Verbots versammelten und nahmen mindestens 169 Menschen willkürlich in Gewahrsam, darunter auch mehrere Unbeteiligte (AI 29.4.2025; vgl. TR-Today 26.11.2024). Sicherheitsgesetz 2015, Strafgesetz und Urteile der Höchstgerichte Das Sicherheitsgesetz vom 23.5.2015 klassifiziert Steinschleudern, Stahlkugeln und Feuer werkskörper als Waffen und sieht eine Gefängnisstrafe von bis zu vier Jahren vor, so deren Besitz im Rahmen einer Demonstration nachgewiesen wird oder Demonstranten ihr Gesicht teil weise oder zur Gänze vermummen. Bis zu drei Jahre Haft drohen Demonstrationsteilnehmern für die Zurschaustellung von Emblemen, Abzeichen oder Uniformen illegaler Organisationen (HDN 27.3.2015). Teilweise oder gänzlich vermummte Teilnehmer von Demonstrationen, die in einen „ Propagandamarsch“ für terroristische Organisationen münden, können mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden (AnA 27.3.2015). Das Gesetz erlaubt es der Polizei, nicht nur gefärbtes Wasser zur späteren Identifikation von Demonstranten anzuwenden, sondern auch Personen ohne Genehmigung eines Staatsanwalts in „ Schutzhaft“ zu nehmen, wenn der be gründete Verdacht besteht, dass sie eine Bedrohung für sich selbst oder die öffentliche Ordnung darstellen (USDOS 22.4.2024, S.38). Die extensive Auslegung des unklar formulierten Art. 220 des Strafgesetzbuches hinsichtlich krimineller Vereinigungen durch den Kassationsgerichtshof führte zur Kriminalisierung von Teil nehmern an Demonstrationen, bei denen auch PKK-Symbole gezeigt wurden bzw. zu denen 167

durch die PKK aufgerufen wurde, unabhängig davon, ob dieser Aufruf bzw. die Nutzung dem Betroffenen bekannt war. Teilnehmer müssen, auch bei Demonstrationen im Ausland, mit einer strafrechtlichen Verfolgung wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung rechnen (AA 20.5.2024, S. 8). [Anm.: Die diesbezüglichen rechtlichen Auswirkungen der Auflösung der PKK sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht absehbar.] Urteile des Verfassungsgerichtes Im September 2019 kam das Verfassungsgericht in seinem Urteil zur Demonstration am 1.5.2009 zu dem Schluss, dass die Versammlungsfreiheit der Demonstranten verletzt wurde. Dies war das erste innerstaatliche Urteil des Gerichtshofs zur willkürlichen Verhinderung der Gedenkfei ern zum 1. Mai (EC 6.10.2020, S. 37). In einem weiteren Fall urteilte das Verfassungsgericht am 8.9.2021, dass das vom Gouverneursamt verhängte Verbot aller Proteste in der südöstlichen Stadt Kahramanmaraş das verfassungsmäßige Recht der Kläger auf Versammlung und De monstration verletzt habe. Das Verfassungsgericht ordnete zudem eine Schadensersatzzahlung an jeden der vier Kläger an, welche eine Klage beim Verfassungsgericht einbrachten, nachdem andere Rechtsmittel nicht dazu geführt hatten, dass die Entscheidung des Gouverneursamtes von Kahramanmaraş, alle Proteste in der Stadt für einen Monat zu verbieten und anschließend viermal zu verlängern, aufgehoben wurde (BAMF 13.9.2021, S. 16f; vgl. TM 8.9.2021). Das Verfassungsgericht hob im Frühjahr 2024 jenen den Artikel des Hochschulgesetzes auf, der Disziplinarstrafen für das Verteilen von Flugblättern und das Aufhängen von Plakaten oder Ban nern an Universitäten sowie die Organisation von Versammlungen ohne Genehmigung vorsah. Die Sanktion der Organisation von Versammlungen in geschlossenen oder offenen Räumen von Hochschuleinrichtungen ohne Genehmigung der Behörden, die eine temporäre Suspendie rung von der Schule vorsah, wurde ebenfalls für verfassungswidrig erklärt. In der Entscheidung wurde betont, dass diese Vorschrift das Recht der Hochschulstudierenden einschränke, Ver sammlungen und Demonstrationen zu organisieren. Außerdem erklärte das Verfassungsgericht hierbei, dass die bisherigen Sanktionen nicht mit den Erfordernissen einer demokratischen Gesellschaftsordnung vereinbar gewesen seien (BAMF 30.6.2024, S. 7; vgl. Duvar 19.4.2024). Zum Thema Versammlungsfreiheit siehe auch die (Unter-)Kapitel: Folter und unmenschliche Behandlung, Relevante Bevölkerungsgruppen / Frauen sowie Relevante Bevölkerungsgruppen / Sexuelle Minderheiten (LGBTIQ+) und Ethnische Minderheiten / Kurden VEREINIGUNGSFREIHEIT Das Gesetz sieht zwar die Vereinigungsfreiheit vor, doch die Regierung schränkt dieses Recht weiterhin ein. Die Regierung nutzt Bestimmungen des Anti-Terror-Gesetzes, um die Wiedereröff nung von Vereinen und Stiftungen zu verhindern, die sie zuvor wegen angeblicher Bedrohung der nationalen Sicherheit geschlossen hatte. Vertreter von Anwaltskammern und Organisatio nen der Zivilgesellschaft berichten, dass die Polizei manchmal an Vereinstreffen teilnimmt und diese aufzeichnet, was die Vertreter der Vereinigungen als einen Versuch sie einzuschüchtern interpretieren (USDOS 22.4.2024, S.40). 168

Die Verordnung von 2018 und das geänderte Gesetz, das im März 2020 im Rahmen eines Omnibus-Gesetzes verabschiedet wurde, machen es für alle Vereinigungen zur Pflicht, alle ihre Mitglieder und nicht nur ihre Vorstandsmitglieder im Informationssystem des Innenministeri ums zu registrieren. Diese gesetzliche Verpflichtung steht nicht im Einklang mit den Richtlinien der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und des Europarates hinsichtlich der Vereinigungsfreiheit (EC 6.10.2020, S. 15). Diese Gesetzesänderung verpflich tet die Vereine, die lokalen Verwaltungsbehörden innerhalb von 30 Tagen über Änderungen in der Mitgliedschaft zu informieren, sonst drohen Strafen (USDOS 30.3.2021, S. 44). Auch der UN-Menschenrechtsausschuss zeigte sich „ besorgt über die Bestimmungen des Geset zes Nr. 7262, die dem Innenministerium einen weiten Ermessensspielraum einräumen, um die Aktivitäten unabhängiger Organisationen einzuschränken, sie auf der Grundlage vager Ri sikobewertungskriterien und schwacher Beweisstandards zu prüfen und Vorstandsmitglieder zu suspendieren, was eine abschreckende Wirkung hat, die Einzelpersonen davon abhält, in Vorständen mitzuarbeiten oder Mitglieder dieser Organisationen zu werden“ [Übersetzung des englischen Originalzitates] (UNHRCOM 28.11.2024, S. 14). Gesetze und Verordnungen erlegen Vereinigungen zahlreiche administrative Anforderungen auf. Komplexe Bestimmungen, die unterschiedlich ausgelegt werden können und über verschiedene Rechtsvorschriften verstreut sind, sowie der Mangel an Fachleuten, die sich mit diesem Bereich befassen, führen dazu, dass Vereinigungen in ihrem Bemühen um die Einhaltung der Gesetze in einem Zustand der Unsicherheit verharren. Die Vereinigungen unterliegen der Prüfung durch mehrere Behörden, darunter das Finanzamt, die Nationale Bildungsdirektion, die zuständigen Gouvernements sowie die Direktion für Zivilgesellschaft, zuständig für Vereinigungen im Innen ministerium sowie die Generaldirektion für Stiftungen im Kulturministerium (FIDH/OMCT/İHD/ HRA 5.2021, S. 26). Laut Abschlussbericht der Berufungskommission zum Ausnahmezustand [türk. OHAL] betrafen mit Jahresende 2022 von 17.960 aller positiven Entscheidungen der Kommission 72 die Wie dereröffnung geschlossener Institutionen, wie Vereinigungen und Stiftungen (ICSEM 1.2023, S. 9/ Tab, 26). Berufungsverfahren von Einrichtungen, die Rechtsmittel gegen die Schließung einlegten, verliefen intransparent und blieben unwirksam (USDOS 20.3.2023, S. 54). Der Men schenrechtsausschuss der Vereinten Nationen zeigte sich ob dieser Entwicklungen besorgt, dass nämlich die große Mehrheit der Organisationen geschlossen bliebt, deren „ Schließung auf der Grundlage vager, in Notstandsverordnungen festgelegter Kriterien und ohne wirksame richterliche Aufsicht oder die Einhaltung der Garantien für ein ordnungsgemäßes Verfahren erfolgten“ (UNHRCOM 28.11.2024, S. 14). Streikrecht und gewerkschaftliche Aktivitäten Gewerkschaftsaktivitäten, einschließlich des Streikrechts, sind gesetzlich und in der Praxis eingeschränkt. Gewerkschaftsfeindliche Aktivitäten der Arbeitgeber sind weit verbreitet, und der gesetzliche Schutz wird nur unzureichend durchgesetzt. Kollektivverhandlungsrechte der Gewerkschaften sind eingeschränkt. Ein System von Schwellenwerten [Anm.: hinsichtlich der 169

Mitgliederzahl] schränkt die Möglichkeiten der Gewerkschaften ein, sich das Recht auf Tarif verhandlungen zu sichern. Gewerkschaften und Berufsverbände sind mit staatlichen Eingriffen und Repressalien für Aktivitäten konfrontiert, die als feindlich gegenüber den Interessen der po litischen Führung angesehen werden (FH 26.2.2025, E3; vgl. ITUC-IGB o.D.), wie etwa bei der Auflösung eines Streiks im Jahr 2018 ersichtlich, mit dem gegen unsichere Arbeitsbedingungen auf der Baustelle des neuen Istanbuler Flughafens protestiert wurde (FH 10.3.2023, E3). Laut dem Internationalen Gewerkschaftsbund (IGB) sind die Freiheiten und Rechte erwerbstäti ger Menschen in der Türkei seit Jahren gnadenlos angegriffen worden. Gewerkschaften und ihre Mitglieder wurden systematisch ins Visier genommen, insbesondere durch die strafrechtliche Verfolgung aufgrund erfundener Anschuldigungen. Arbeitgeber haben weiterhin Gewerkschaf ten zerschlagen und Beschäftigte, die versucht haben, sich gewerkschaftlich zu organisieren, systematisch entlassen. In einem Klima der Angst und unter permanenter Androhung von Ver geltungsmaßnahmen konnten die Beschäftigten sich nur mit großer Mühe zusammenschließen und Gewerkschaften gründen. Mitunter werden Gewerkschaftsvertreter physisch angegriffen oder wegen Terrorismusunterstützung angeklagt. Der IGB bezeichnet die Türkei als eines der zehn schlimmsten Länder der Welt für erwerbstätige Menschen (ITUC-IGB 2024). Das Gesetz erlaubt es der Regierung, das Streikrecht in jeder Situation zu untersagen, wenn eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Das Gesetz verlangt von den Gewerkschaften zudem, dass sie ihre Versammlungen oder Kundgebungen, die in offiziell ausgewiesenen Bereichen stattfinden müssen, bei der Regierung anmelden, und erlaubt es Regierungsvertretern, Gewerkschaftsversammlungen beizuwohnen und deren Ver lauf aufzuzeichnen (USDOS 22.4.2024, S.82). Laut Gesetz müssen Personen, die eine Vereinigung organisieren, die Behörden nicht vorher benachrichtigen, aber eine Vereinigung muss die Behörden verständigen, bevor sie mit interna tionalen Organisationen in Kontakt tritt oder finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhält, und sie muss detaillierte Dokumente über solche Aktivitäten vorlegen (USDOS 22.4.2024, S.40). Siehe auch Kapitel: Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (20.5.2024): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei (Stand: Januar 2024), https://www.ecoi.net/en/file /local/2110308/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_ der_Republik_Türkei,_20.05.2024.pdf, Zugriff 27.6.2024 [Login erforderlich] ■ AI - Amnesty International (29.4.2025): Amnesty Report 2024/25: Zur Lage der Menschenrechte weltweit; Türkei 2024, https://www.ecoi.net/de/dokument/2124776.html, Zugriff 20.5.2025 ■ AlMon - Al Monitor (1.5.2024): Turkey: Over 200 detained in May Day demonstrations, https://ww w.al-monitor.com/originals/2024/05/turkey-over-200-detained-may-day-demonstrations , Zugriff 20.6.2024 ■ AnA - Anadolu Agency (27.3.2015): Turkey: Parliament approves domestic security package, https: //www.aa.com.tr/en/turkey/turkey-parliament-approves-domestic-security-package/63105 , Zugriff 6.10.2023 ■ BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (30.6.2024): Briefing Notes Zusam menfassung - Türkei – Januar bis Juni 2024, https://milo.bamf.de/otcs/cs.exe/fetchcsui/-30238391/ 170

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13.1 Opposition Letzte Änderung 2025-08-06 13:32 Der politische Pluralismus wird weiterhin dadurch untergraben, dass die Justiz gegen Oppositi onsparteien und Parlamentsabgeordnete vorgeht (EC 30.10.2024, S. 19). Obwohl Verfassung und Gesetze den Bürgern die Möglichkeit bieten, ihre Regierung durch Wahlen zu wechseln, schränkt die Regierung den fairen politischen Wettbewerb ein. Unter anderem werden die Ak tivitäten oppositioneller politischer Parteien und deren Anführer und Funktionäre limitiert. Dies geschieht zudem durch die Begrenzungen der grundlegenden Versammlungs- und Meinungs freiheit, aber auch durch Verhaftungen. Mehrere Parlamentarier sind nach der Aufhebung ihrer parlamentarischen Immunität im Jahr 2016 weiterhin der Gefahr einer möglichen Strafverfol gung ausgesetzt (USDOS 22.4.2024, S.55). Anfang Juli 2025 drohten den Vorsitzenden von drei der fünf größten Parteien im Parlament – politischen Gegnern der AKP-Regierung – eine Haftstrafe (YR 3.7.2025). Bereits im März 2025 verlautbarte der Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates angesichts der Verhaftungen bzw. Absetzungen mehrerer demokratisch gewählter Bürgermeis ter eine Deklaration, dass diese „ der lokalen Demokratie weiteren Schaden zufügen und dass das Land derzeit von demokratischen Normen und Standards abweicht.[…] Es besteht kein Zweifel daran, dass diese Ereignisse letztendlich darauf abzielen, den Pluralismus zu unter drücken und die Freiheit der politischen Debatte einzuschränken, die den Kern des Konzepts einer demokratischen Gesellschaft bildet“ (CoE-CLRA 27.3.2025, Pt. 8). Im Mai 2025 verurteilte das Europäische Parlament aufs Schärfste die demokratisch gewählten Bürgermeister ihrer Ämter zu entheben und an ihrer Stelle vom Innenministerium ernannte Treuhänder einzusetzen und „ fordert[e] die HR/VP erneut auf, die Verhängung restriktiver Maßnahmen gegen türkische Amtsträger, die die Rolle eines Treuhänders übernehmen, sowie gegen diejenigen, die sie er nennen, zu erwägen“ [HR/VP ist die Hohe Repräsentantin und Vizepräsidentin für die externen Beziehungen der EU, z. Z. Kaja Kallas](EP 7.5.2025, S. 22). Während das Europäische Parlament (EP) im Juni 2022 und September angesichts der an haltenden Übergriffe auf die Oppositionsparteien sich insbesondere über die Unterdrückung der pro-kurdischen HDP (Demokratische Partei der Völker - Halkların Demokratik Partisi) und das anhaltende harte Vorgehen gegen kurdische Politiker besorgt zeigte (EP 7.6.2022, S. 16f., Pt. 22; vgl. EP 13.9.2023, Pt. 13), lag in der Entschließung des EP vom Mai 2025 der Schwer punkt der Kritik an den Repressionen gegenüber der Republikanischen Volkspartei - CHP, der größten Oppositionspartei des Landes. - Das EP „ verurteilt[e] aufs Schärfste die kürzlich er folgte Verhaftung und Absetzung des Bürgermeisters der Großstadtverwaltung Istanbul, Ekrem İmamoğlu, von der Partei CHP sowie der Bürgermeister von Şişli und Beylikdüzü [und] fordert[e] die türkischen Staatsorgane nachdrücklich auf, die Unterdrückung der politischen Opposition unverzüglich einzustellen und rückgängig zu machen“ (EP 7.5.2025, Pt. 27,28). Vorgehen gegen die CHP Die CHP, derzeit größte Oppositionspartei, steht seit Monaten unter zunehmendem politischem und juristischem Druck (TA 1.7.2025). Im Rahmen der Ermittlungen gegen CHP-Gemeinden 173
