2025-09-05-coi-cms-laenderinformationen-tuerkei-version-10-d827
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
durch die PKK aufgerufen wurde, unabhängig davon, ob dieser Aufruf bzw. die Nutzung dem Betroffenen bekannt war. Teilnehmer müssen, auch bei Demonstrationen im Ausland, mit einer strafrechtlichen Verfolgung wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung rechnen (AA 20.5.2024, S. 8). [Anm.: Die diesbezüglichen rechtlichen Auswirkungen der Auflösung der PKK sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht absehbar.] Urteile des Verfassungsgerichtes Im September 2019 kam das Verfassungsgericht in seinem Urteil zur Demonstration am 1.5.2009 zu dem Schluss, dass die Versammlungsfreiheit der Demonstranten verletzt wurde. Dies war das erste innerstaatliche Urteil des Gerichtshofs zur willkürlichen Verhinderung der Gedenkfei ern zum 1. Mai (EC 6.10.2020, S. 37). In einem weiteren Fall urteilte das Verfassungsgericht am 8.9.2021, dass das vom Gouverneursamt verhängte Verbot aller Proteste in der südöstlichen Stadt Kahramanmaraş das verfassungsmäßige Recht der Kläger auf Versammlung und De monstration verletzt habe. Das Verfassungsgericht ordnete zudem eine Schadensersatzzahlung an jeden der vier Kläger an, welche eine Klage beim Verfassungsgericht einbrachten, nachdem andere Rechtsmittel nicht dazu geführt hatten, dass die Entscheidung des Gouverneursamtes von Kahramanmaraş, alle Proteste in der Stadt für einen Monat zu verbieten und anschließend viermal zu verlängern, aufgehoben wurde (BAMF 13.9.2021, S. 16f; vgl. TM 8.9.2021). Das Verfassungsgericht hob im Frühjahr 2024 jenen den Artikel des Hochschulgesetzes auf, der Disziplinarstrafen für das Verteilen von Flugblättern und das Aufhängen von Plakaten oder Ban nern an Universitäten sowie die Organisation von Versammlungen ohne Genehmigung vorsah. Die Sanktion der Organisation von Versammlungen in geschlossenen oder offenen Räumen von Hochschuleinrichtungen ohne Genehmigung der Behörden, die eine temporäre Suspendie rung von der Schule vorsah, wurde ebenfalls für verfassungswidrig erklärt. In der Entscheidung wurde betont, dass diese Vorschrift das Recht der Hochschulstudierenden einschränke, Ver sammlungen und Demonstrationen zu organisieren. Außerdem erklärte das Verfassungsgericht hierbei, dass die bisherigen Sanktionen nicht mit den Erfordernissen einer demokratischen Gesellschaftsordnung vereinbar gewesen seien (BAMF 30.6.2024, S. 7; vgl. Duvar 19.4.2024). Zum Thema Versammlungsfreiheit siehe auch die (Unter-)Kapitel: Folter und unmenschliche Behandlung, Relevante Bevölkerungsgruppen / Frauen sowie Relevante Bevölkerungsgruppen / Sexuelle Minderheiten (LGBTIQ+) und Ethnische Minderheiten / Kurden VEREINIGUNGSFREIHEIT Das Gesetz sieht zwar die Vereinigungsfreiheit vor, doch die Regierung schränkt dieses Recht weiterhin ein. Die Regierung nutzt Bestimmungen des Anti-Terror-Gesetzes, um die Wiedereröff nung von Vereinen und Stiftungen zu verhindern, die sie zuvor wegen angeblicher Bedrohung der nationalen Sicherheit geschlossen hatte. Vertreter von Anwaltskammern und Organisatio nen der Zivilgesellschaft berichten, dass die Polizei manchmal an Vereinstreffen teilnimmt und diese aufzeichnet, was die Vertreter der Vereinigungen als einen Versuch sie einzuschüchtern interpretieren (USDOS 22.4.2024, S.40). 168

Die Verordnung von 2018 und das geänderte Gesetz, das im März 2020 im Rahmen eines Omnibus-Gesetzes verabschiedet wurde, machen es für alle Vereinigungen zur Pflicht, alle ihre Mitglieder und nicht nur ihre Vorstandsmitglieder im Informationssystem des Innenministeri ums zu registrieren. Diese gesetzliche Verpflichtung steht nicht im Einklang mit den Richtlinien der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und des Europarates hinsichtlich der Vereinigungsfreiheit (EC 6.10.2020, S. 15). Diese Gesetzesänderung verpflich tet die Vereine, die lokalen Verwaltungsbehörden innerhalb von 30 Tagen über Änderungen in der Mitgliedschaft zu informieren, sonst drohen Strafen (USDOS 30.3.2021, S. 44). Auch der UN-Menschenrechtsausschuss zeigte sich „ besorgt über die Bestimmungen des Geset zes Nr. 7262, die dem Innenministerium einen weiten Ermessensspielraum einräumen, um die Aktivitäten unabhängiger Organisationen einzuschränken, sie auf der Grundlage vager Ri sikobewertungskriterien und schwacher Beweisstandards zu prüfen und Vorstandsmitglieder zu suspendieren, was eine abschreckende Wirkung hat, die Einzelpersonen davon abhält, in Vorständen mitzuarbeiten oder Mitglieder dieser Organisationen zu werden“ [Übersetzung des englischen Originalzitates] (UNHRCOM 28.11.2024, S. 14). Gesetze und Verordnungen erlegen Vereinigungen zahlreiche administrative Anforderungen auf. Komplexe Bestimmungen, die unterschiedlich ausgelegt werden können und über verschiedene Rechtsvorschriften verstreut sind, sowie der Mangel an Fachleuten, die sich mit diesem Bereich befassen, führen dazu, dass Vereinigungen in ihrem Bemühen um die Einhaltung der Gesetze in einem Zustand der Unsicherheit verharren. Die Vereinigungen unterliegen der Prüfung durch mehrere Behörden, darunter das Finanzamt, die Nationale Bildungsdirektion, die zuständigen Gouvernements sowie die Direktion für Zivilgesellschaft, zuständig für Vereinigungen im Innen ministerium sowie die Generaldirektion für Stiftungen im Kulturministerium (FIDH/OMCT/İHD/ HRA 5.2021, S. 26). Laut Abschlussbericht der Berufungskommission zum Ausnahmezustand [türk. OHAL] betrafen mit Jahresende 2022 von 17.960 aller positiven Entscheidungen der Kommission 72 die Wie dereröffnung geschlossener Institutionen, wie Vereinigungen und Stiftungen (ICSEM 1.2023, S. 9/ Tab, 26). Berufungsverfahren von Einrichtungen, die Rechtsmittel gegen die Schließung einlegten, verliefen intransparent und blieben unwirksam (USDOS 20.3.2023, S. 54). Der Men schenrechtsausschuss der Vereinten Nationen zeigte sich ob dieser Entwicklungen besorgt, dass nämlich die große Mehrheit der Organisationen geschlossen bliebt, deren „ Schließung auf der Grundlage vager, in Notstandsverordnungen festgelegter Kriterien und ohne wirksame richterliche Aufsicht oder die Einhaltung der Garantien für ein ordnungsgemäßes Verfahren erfolgten“ (UNHRCOM 28.11.2024, S. 14). Streikrecht und gewerkschaftliche Aktivitäten Gewerkschaftsaktivitäten, einschließlich des Streikrechts, sind gesetzlich und in der Praxis eingeschränkt. Gewerkschaftsfeindliche Aktivitäten der Arbeitgeber sind weit verbreitet, und der gesetzliche Schutz wird nur unzureichend durchgesetzt. Kollektivverhandlungsrechte der Gewerkschaften sind eingeschränkt. Ein System von Schwellenwerten [Anm.: hinsichtlich der 169

Mitgliederzahl] schränkt die Möglichkeiten der Gewerkschaften ein, sich das Recht auf Tarif verhandlungen zu sichern. Gewerkschaften und Berufsverbände sind mit staatlichen Eingriffen und Repressalien für Aktivitäten konfrontiert, die als feindlich gegenüber den Interessen der po litischen Führung angesehen werden (FH 26.2.2025, E3; vgl. ITUC-IGB o.D.), wie etwa bei der Auflösung eines Streiks im Jahr 2018 ersichtlich, mit dem gegen unsichere Arbeitsbedingungen auf der Baustelle des neuen Istanbuler Flughafens protestiert wurde (FH 10.3.2023, E3). Laut dem Internationalen Gewerkschaftsbund (IGB) sind die Freiheiten und Rechte erwerbstäti ger Menschen in der Türkei seit Jahren gnadenlos angegriffen worden. Gewerkschaften und ihre Mitglieder wurden systematisch ins Visier genommen, insbesondere durch die strafrechtliche Verfolgung aufgrund erfundener Anschuldigungen. Arbeitgeber haben weiterhin Gewerkschaf ten zerschlagen und Beschäftigte, die versucht haben, sich gewerkschaftlich zu organisieren, systematisch entlassen. In einem Klima der Angst und unter permanenter Androhung von Ver geltungsmaßnahmen konnten die Beschäftigten sich nur mit großer Mühe zusammenschließen und Gewerkschaften gründen. Mitunter werden Gewerkschaftsvertreter physisch angegriffen oder wegen Terrorismusunterstützung angeklagt. Der IGB bezeichnet die Türkei als eines der zehn schlimmsten Länder der Welt für erwerbstätige Menschen (ITUC-IGB 2024). Das Gesetz erlaubt es der Regierung, das Streikrecht in jeder Situation zu untersagen, wenn eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Das Gesetz verlangt von den Gewerkschaften zudem, dass sie ihre Versammlungen oder Kundgebungen, die in offiziell ausgewiesenen Bereichen stattfinden müssen, bei der Regierung anmelden, und erlaubt es Regierungsvertretern, Gewerkschaftsversammlungen beizuwohnen und deren Ver lauf aufzuzeichnen (USDOS 22.4.2024, S.82). Laut Gesetz müssen Personen, die eine Vereinigung organisieren, die Behörden nicht vorher benachrichtigen, aber eine Vereinigung muss die Behörden verständigen, bevor sie mit interna tionalen Organisationen in Kontakt tritt oder finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhält, und sie muss detaillierte Dokumente über solche Aktivitäten vorlegen (USDOS 22.4.2024, S.40). Siehe auch Kapitel: Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (20.5.2024): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei (Stand: Januar 2024), https://www.ecoi.net/en/file /local/2110308/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_ der_Republik_Türkei,_20.05.2024.pdf, Zugriff 27.6.2024 [Login erforderlich] ■ AI - Amnesty International (29.4.2025): Amnesty Report 2024/25: Zur Lage der Menschenrechte weltweit; Türkei 2024, https://www.ecoi.net/de/dokument/2124776.html, Zugriff 20.5.2025 ■ AlMon - Al Monitor (1.5.2024): Turkey: Over 200 detained in May Day demonstrations, https://ww w.al-monitor.com/originals/2024/05/turkey-over-200-detained-may-day-demonstrations , Zugriff 20.6.2024 ■ AnA - Anadolu Agency (27.3.2015): Turkey: Parliament approves domestic security package, https: //www.aa.com.tr/en/turkey/turkey-parliament-approves-domestic-security-package/63105 , Zugriff 6.10.2023 ■ BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (30.6.2024): Briefing Notes Zusam menfassung - Türkei – Januar bis Juni 2024, https://milo.bamf.de/otcs/cs.exe/fetchcsui/-30238391/ 170

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13.1 Opposition Letzte Änderung 2025-08-06 13:32 Der politische Pluralismus wird weiterhin dadurch untergraben, dass die Justiz gegen Oppositi onsparteien und Parlamentsabgeordnete vorgeht (EC 30.10.2024, S. 19). Obwohl Verfassung und Gesetze den Bürgern die Möglichkeit bieten, ihre Regierung durch Wahlen zu wechseln, schränkt die Regierung den fairen politischen Wettbewerb ein. Unter anderem werden die Ak tivitäten oppositioneller politischer Parteien und deren Anführer und Funktionäre limitiert. Dies geschieht zudem durch die Begrenzungen der grundlegenden Versammlungs- und Meinungs freiheit, aber auch durch Verhaftungen. Mehrere Parlamentarier sind nach der Aufhebung ihrer parlamentarischen Immunität im Jahr 2016 weiterhin der Gefahr einer möglichen Strafverfol gung ausgesetzt (USDOS 22.4.2024, S.55). Anfang Juli 2025 drohten den Vorsitzenden von drei der fünf größten Parteien im Parlament – politischen Gegnern der AKP-Regierung – eine Haftstrafe (YR 3.7.2025). Bereits im März 2025 verlautbarte der Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates angesichts der Verhaftungen bzw. Absetzungen mehrerer demokratisch gewählter Bürgermeis ter eine Deklaration, dass diese „ der lokalen Demokratie weiteren Schaden zufügen und dass das Land derzeit von demokratischen Normen und Standards abweicht.[…] Es besteht kein Zweifel daran, dass diese Ereignisse letztendlich darauf abzielen, den Pluralismus zu unter drücken und die Freiheit der politischen Debatte einzuschränken, die den Kern des Konzepts einer demokratischen Gesellschaft bildet“ (CoE-CLRA 27.3.2025, Pt. 8). Im Mai 2025 verurteilte das Europäische Parlament aufs Schärfste die demokratisch gewählten Bürgermeister ihrer Ämter zu entheben und an ihrer Stelle vom Innenministerium ernannte Treuhänder einzusetzen und „ fordert[e] die HR/VP erneut auf, die Verhängung restriktiver Maßnahmen gegen türkische Amtsträger, die die Rolle eines Treuhänders übernehmen, sowie gegen diejenigen, die sie er nennen, zu erwägen“ [HR/VP ist die Hohe Repräsentantin und Vizepräsidentin für die externen Beziehungen der EU, z. Z. Kaja Kallas](EP 7.5.2025, S. 22). Während das Europäische Parlament (EP) im Juni 2022 und September angesichts der an haltenden Übergriffe auf die Oppositionsparteien sich insbesondere über die Unterdrückung der pro-kurdischen HDP (Demokratische Partei der Völker - Halkların Demokratik Partisi) und das anhaltende harte Vorgehen gegen kurdische Politiker besorgt zeigte (EP 7.6.2022, S. 16f., Pt. 22; vgl. EP 13.9.2023, Pt. 13), lag in der Entschließung des EP vom Mai 2025 der Schwer punkt der Kritik an den Repressionen gegenüber der Republikanischen Volkspartei - CHP, der größten Oppositionspartei des Landes. - Das EP „ verurteilt[e] aufs Schärfste die kürzlich er folgte Verhaftung und Absetzung des Bürgermeisters der Großstadtverwaltung Istanbul, Ekrem İmamoğlu, von der Partei CHP sowie der Bürgermeister von Şişli und Beylikdüzü [und] fordert[e] die türkischen Staatsorgane nachdrücklich auf, die Unterdrückung der politischen Opposition unverzüglich einzustellen und rückgängig zu machen“ (EP 7.5.2025, Pt. 27,28). Vorgehen gegen die CHP Die CHP, derzeit größte Oppositionspartei, steht seit Monaten unter zunehmendem politischem und juristischem Druck (TA 1.7.2025). Im Rahmen der Ermittlungen gegen CHP-Gemeinden 173

wurden zahlreiche CHP-Bürgermeister ihres Amtes enthoben. Dutzende weitere Beamte aus CHP-regierten Orten wurden inhaftiert und warten auf ihren Prozess (Zeit Online 11.6.2025; vgl. AP 5.6.2025). Und Anfang Juli 2025 wurde ein Antrag des Staatspräsidenten auf Aufhebung der parlamentarischen Immunität von 61 der 135 CHP-Abgeordneten im türkischen Parlament eingereicht (TM 7.7.2025a; vgl. Evrensel 7.7.2025). Vorgehen gegen Ekrem İmamoğlu, Istanbuler Bürgermeister und Präsidentschaftskandi dat Schon Anfang November 2024 hatte Staatspräsident Erdoğan İmamoğlu wegen unbegründe ter Anschuldigungen einschließlich Verleumdungen verklagt. Auch der CHP-Parteichef Özgür Özel wurde von Erdoğan wegen Präsidentenbeleidigung angeklagt (VOA 1.11.2024; vgl. Duvar 3.11.2024, NTV 1.11.2024). İmamoğlu wurde überdies seitens des Büros des Generalstaatsan walts vorgeworfen, er habe Beamte, die sich im mutmaßlichen Kampf gegen den Terrorismus befinden würden, ins Visier genommen und den Staatsanwalt bedroht (BAMF 27.1.2025, S. 12; vgl. SCF 20.1.2025a). Am 23.3.2025 haben die Behörden den Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu suspen diert, nachdem ein Istanbuler Gericht seine formelle Verhaftung wegen Korruptionsvorwürfen anordnete. Das Gericht führte jedoch nicht die vermeintliche Unterstützung einer terroristischen Organisation als Grund für eine Festnahme an. Somit war formal die Einsetzung eines Treu händers der Regierung rechtlich ausgeschlossen. Die Festnahme löste landesweite Massen proteste aus, dies trotz eines behördlichen Demonstrationsverbotes. Die Behörden hatten seit der Inhaftierung von İmamoğlu am 19.3.2025 etliche hundert Demonstranten in mehreren Pro vinzen festgenommen nebst Personen, die in den sozialen Medien aktiv waren. Einen Tag vor der Inhaftierung annullierte die Universität Istanbul İmamoğlus Hochschulabschluss. Ein gültiger Hochschulabschluss ist in der Türkei eine verfassungsrechtliche Voraussetzung für Prä sidentschaftskandidaten. Das Innenministerium gab bekannt, dass nebst İmamoğlu auch zwei weitere Istanbuler Bezirksbürgermeister suspendiert wurden (AlMon 23.3.2025; vgl. Standard 23.3.2025, FAZ 19.3.2025, Soufan 27.3.2025). - Der Bürgermeister von Beylikdüzü, Mehmet Murat Çalık, wurde wegen der Korruptionsvorwürfe in einem anhängigen Verfahren suspendiert und in Folge inhaftiert, während anstelle des Bürgermeisters von Şişli, Resul Emrah Şahan, der im Zusammenhang mit Terrorismusvorwürfen verhaftet wurde, ein Treuhänder ernannt wurde (Bianet 23.3.2025; vgl. HDN 23.3.2025). Überdies wurden gegen über 100 Personen, darunter städtische Beamte, Ermittlungen wegen Terrorismus einerseits und Korruption, Bestechung, Er pressung sowie Veruntreuung andererseits eingeleitet (Bianet 23.3.2025). Die Anschuldigungen im Zusammenhang mit Terrorismus gehen auf die Zusammenarbeit der CHP mit der „ Partei für Emanzipation und Demokratie der Völker“ - der DEM-Partei bei den Kommunalwahlen im Jahr 2024 zurück. Die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen zu dieser Zusammenarbeit ein und behauptete, dass sie von der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) organisiert wor den sei. Als Grundlage für die Anschuldigungen führte die Staatsanwaltschaft Aussagen von PKK-Führern aus der Wahlperiode an, in denen die DEM-Partei zur Zusammenarbeit mit der Opposition ermutigt wurde (Bianet 21.3.2025). Verhaftet wurden auch mehrere Journalisten, 174

darunter ausländische, sowohl bei den Demonstrationen vor Ort als auch bei Razzien an deren Wohnadressen (Bianet 24.3.2025; vgl. SZ 25.3.2025, Soufan 27.3.2025, Monde 28.3.2025). Am 26.3.2025 wählte der von der CHP dominierte Stadtrat von Istanbul Nuri Aslan zum Inte rims-Bürgermeister. Nur 176 der 185 CHP-Mandatare konnten abstimmen, da sich die neun restlichen in Untersuchungshaft befanden (TM 26.3.2025; vgl. AJ 26.3.2025). Am 14.4.2025 lehnte das Istanbuler Strafgericht die Haftentlassung İmamoğlus ab (DlF 14.4.2025; vgl. AP 14.4.2025). 100 Tage nach der Verhaftung İmamoğlus haben Zehntausende seiner Unterstützer gegen die türkische Regierung demonstriert und diese zum Rücktritt aufgefordert (Tagesschau 1.7.2025; vgl. BIRN 2.7.2025). 42 Personen wurden festgenommen. Ihnen wurden Beleidi gung von Staatspräsident Erdoğan und Widerstand gegen die Sicherheitskräfte vorgeworfen (Standard 2.7.2025; vgl. BIRN 2.7.2025). Vorgehen gegen Özgür Özel, CHP-Parteivorsitzender Im April 2025 wurde gegen Özel eine Klage wegen Präsidentenbeleidigung mit einer Schaden ersatzforderung von 12.000 Euro eingebracht, weil Özel angeblich Staatspräsident Erdoğan als „ Junta-Chef“ bezeichnet hatte (HB 8.4.2025). Anfang Juli wurden dem Parlament Präsidialdekre te übermittelt, um die parlamentarische Immunität von Özel und dem CHP-Abgeordneten Tuncay Özkan aus İzmir aufzuheben und sie vor Gericht zu stellen. Der Grund dafür ist ihre Anschul digung gegen Mitglieder des Kassationsgerichts, einen Putsch gegen das Verfassungsgericht im Fall von Can Atalay inszeniert zu haben, was der Beleidigung von Amtsträgern gleichkommt. Nach dem Strafgesetzbuch wird diese Straftat mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu zwei Jahren geahndet (YR 3.7.2025; vgl. FAZ 3.7.2025). Anfang Juli 2025 erfolgten neuerliche Er mittlungen wegen Präsidentenbeleidigung seitens der Generalstaatsanwaltschaft. Die Vorwürfe beziehen sich auf Äußerungen des CHP-Chefs bei einer Pressekonferenz am 5.7.2025. Özel habe dabei nicht nur Staatspräsident Erdoğan beleidigt, sondern auch Drohungen gegen Ent scheidungsträger in Behörden ausgestoßen (Standard 7.7.2025; vgl. TM 7.7.2025c). Die CHP als Ganzes betreffen die im Februar 2025 aufgenommenen Ermittlungen der Staatsan waltschaft in Ankara wegen des Vorwurfs des Stimmenkaufs am CHP-Parteitag, auf dem Ögür Özel Kemal Kılıçdaroğlu besiegte (DS 30.6.2025). CHP-Chef Özel wird beschuldigt, Delegierte beim Parteitag im Herbst 2023 mit Geld bestochen zu haben, damit sie für ihn stimmen. Die Staatsanwaltschaft fordert ein bis drei Jahre Haft sowie ein Politikverbot für Özel. Zudem droht der Partei eine Zwangsverwaltung oder aber die Rückkehr ihres vorherigen Vorsitzenden Kemal Kılıçdaroğlu (RND 2.7.2025; vgl. SRF 30.6.2025, DS 30.6.2025). Verfolgung von lokalen CHP-Amtsträgern 2024: Die Generalstaatsanwaltschaft in Istanbul gab am 30.10.2024 die Verhaftung des CHP- Bürgermeisters der Istanbuler Gemeinde Esenyurt, Ahmet Özer, bekannt. Die Staatsanwalt schaft führte Telefonaufzeichnungen, Überwachungen und Finanzdaten als Beweis für Özers „ intensive und anhaltende organische Verbindungen“ mit der PKK an. In einer Erklärung hieß es außerdem, Özer habe in den letzten zehn Jahren mehrfach mit Remzi Kartal, dem Ko-Vorsit zenden der PKK-nahen Organisation KONGRA-GEL, gesprochen und sei an Diskussionen über 175

das „ demokratische Autonomieprojekt“ der PKK beteiligt gewesen. Der stellvertretende Gouver neur von Istanbul, Can Aksoy, wurde als Treuhänder von Esenyurt ernannt. (HDN 31.10.2024; vgl. Evrensel 31.10.2024, Bianet 31.10.2024). Danach wurden auch alle bis auf einen gewähl ten Gemeinderat durch Treuhänder in Form von Beamten des Gouverneuramtes ersetzt (Duvar 5.11.2024; vgl. Haberler 4.11.2024). Am 6.11.2024 wies das 11. Strafgericht erster Instanz in Istanbul die Berufung zur Enthaftung Ahmet Özers zurück (Duvar 7.11.2024). Im November 2024 wurde der CHP-Bürgermeister von Ovacık (in der Provinz Tunceli/Dersim), Mustafa Sarıgül, wegen vermeintlicher Mitgliedschaft in der einer terroristischen Organisation zu sechs Jahren und drei Monaten verurteilt (Duvar 21.11.2024; vgl. ANF 20.11.2024a, Cumhuriyet 20.11.2024, Rudaw 22.11.2024). 2025: Die Behörden haben am 13.1.2025 Jänner den CHP-Bürgermeister des Istanbuler Be zirks Beşiktaş, Rıza Akpolat, festgenommen. In Istanbul wurde eine strafrechtliche Untersuchung gegen ein Verbrechersyndikat eingeleitet, dem vorgeworfen wird, Bürgermeister und hochran gige Kommunalbeamte bestochen zu haben, um Ausschreibungsverfahren zu manipulieren und sicherzustellen, sodass Aufträge an ihre eigenen Unternehmen vergeben werden (Duvar 14.1.2025; vgl. Spiegel 13.1.2025, BIRN 13.1.2025). Anfang März 2025 wurde der CHP-Bür germeister des Istanbuler Stadtteils Beykoz, Alaattin Köseler, inhaftiert und abgesetzt. Laut In nenministerium werde Köseler Einflussnahme auf Ausschreibungen vorgeworfen (FR 4.3.2025; vgl. HDN 4.3.2025). Mitte April wurden elf städtische Beamte im von der CHP regierten Istanbuler Stadtteil Beşiktaş wegen mutmaßlicher Angebotsabsprachen zugunsten krimineller Netzwerke festgenommen, darunter auch der stellvertretende Bürgermeister von Beşiktaş, Ali Rıza Yılmaz (TM 17.4.2025; vgl. TR-Today 17.4.2025). Nachdem am 26.4.2025 die Behörden Haftbefehle gegen 53 Personen im Rahmen der Korrupti onsermittlungen erlassen hatten, wurden unmittelbar danach bei Razzien in Istanbul, Ankara und der nordwestlichen Provinz Tekirdağ 52 Personen verhaftet, darunter Mitarbeiter und Funktionä re der CHP-geführten Istanbuler Stadtverwaltung (AlMon 28.4.2025; vgl. Zeit Online 26.4.2025, Spiegel 27.4.2025). Zur gleichen Zeit hat die Staatsanwaltschaft in Istanbul 25, im März 2025 festgenommene, ehemalige und amtierende städtische Beamte aus vier von der CHP geführten Gemeinden (Ataşehir, Maltepe, Sarıyer und Şişli) wegen Terrorismusfinanzierung angeklagt, weil sie zwischen 2014 und 2016 die Revolutionäre Volksbefreiungspartei/Front (DHKP/C) finanziell unterstützt hätten. Den Angeklagten drohten Haftstrafen zwischen sieben und 15 Jahren. Zu den Angeklagten gehören der ehemalige Bürgermeister von Sarıyer, Şükrü Genç, der ehemalige Bürgermeister von Şişli, Hayri İnönü, der ehemalige stellvertretende Bürgermeister von Ataşehir, Abdullah Der, sowie die ehemaligen stellvertretenden Bürgermeister von Şişli, Emir Sarıgül und Erdoğan Yıldız (TM 28.4.2025; vgl. Hürriyet 29.4.2025). Anfang Juni 2025 enthob das Innenministerium fünf CHP-Bürgermeister ihres Amtes, nachdem im Rahmen von Korruptionsermittlungen Haftbefehle gegen sie erlassen wurden. Betroffen waren die Bürgermeister der Istanbuler Bezirke Avcilar, Büyükçekmece, Gaziosmanpaşa sowie die Bezirksbürgermeister von Ceyhan und Seyhan aus der südlichen Provinz Adana (L’essentiel 5.6.2025; vgl. AP 5.6.2025, Zeit Online 11.6.2025). 176

Bei einem groß angelegten Einsatz gegen die CHP geführte Stadtverwaltung von Izmir wurden Anfang Juli 2025 126 Personen festgenommen, darunter der ehemalige Oberbürgermeister Tunç Soyer sowie der CHP-Provinzvorsitzende Şenol Aslanoğlu. Insgesamt wurden 157 Haft befehle im Rahmen von Korruptionsermittlungen der Staatsanwaltschaft Izmir angeordnet (TA 1.7.2025; vgl. HDN 1.7.2025, Standard 1.7.2025a). Und am 5. Juli sind drei weitere CHP-Bür germeister festgenommen worden. Der Bürgermeister von Antalya, Muhittin Böcek, kam wegen Korruptionsermittlungen in Gewahrsam. Die Bürgermeister der südtürkischen Großstädte Adana, Zeydan Karalar, und Adıyaman, Abdurrahman Tutdere, sind wegen des Vorwurfs der Erpres sung festgenommen worden, teilte die Generalstaatsanwaltschaft in Istanbul mit (DW 5.7.2025; vgl. FAZ 5.7.2025, MEE 5.7.2025). Vorgehen gegen die DEM-Partei und ihre Vorgängerin HDP Angesichts des Wiederaufflammens des Konflikts mit der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) be gannen 2016 Staatspräsident Erdoğan und seine Regierung der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) vermehrt die HDP zu bezichtigen, der verlängerte Arm der PKK zu sein, die in der Türkei als Terrororganisation gilt (NZZ 7.1.2016). Beispielsweise bezeichnete Erdoğan im November 2020 den inhaftierten Ex-Ko-Vorsitzenden, Selahattin Demirtaş, als Terroristen (TM 25.11.2020) und Anfang November 2021 als Marionette der PKK (Ahval 6.11.2021). Der damalige Innenminister Süleyman Soylu bezichtigte die HDP, dass sie ihre Parteibüros als Re krutierungsstellen für die PKK nütze und mit dieser in stetem Kontakt stünde (DS 30.12.2019). Dazu beigetragen hat, dass sich Vertreter der HDP sowohl gegen das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte in den Kurdenregionen der Türkei als auch gegen die ersten militärischen Interventionen in Syrien geäußert hatten. Die Behörden leiteten infolgedessen Ermittlungen gegen HDP-Politiker ein und begannen, diese systematisch aus ihren politischen Ämtern zu entfernen (MEI/Koontz 3.2.2020). Regierungsnahe Medien, wie beispielsweise die Tageszeitung „ Daily Sabah“ oder das staatliche Fernsehen TRT haben, auch unter Berufung auf Regierungsvertreter, die HDP und ihre gewähl ten Vertreter als Unterstützer der PKK und terroristischer Aktivitäten dargestellt. Daily Sabah verwendete durchgehend die Bezeichnung „ pro-PKK HDP“ (DS 3.4.2023; vgl. TRT 25.1.2018). Auch die Grüne Linkspartei (YSP) und die DEM-Partei als Nachfolgerin der HDP wurden als „ pro-PKK“ dargestellt (DS 3.4.2024; vgl. DS 5.11.2024). [Anmerkung: Allerdings verschwanden diese Attribute im Zuge der (indirekten) Gespräche zwi schen der türkischen Regierung und der PKK, insbesondere der Person Abdullah Öcalans, die durch Vertreter der DEM-Partei vermittelt wurden, welche letztendlich in der Auslösung der PKK mündeten.] Mehr als 15.000 HDP-Mitglieder wurden seit 2015 inhaftiert und etwa 5.000 befinden sich noch immer in Haft (Medya 3.7.2022; vgl. EC 8.11.2023, S. 14, AA 20.5.2024, S.7), gemäß dem jüngsten Bericht der Europäischen Kommission sogar 8.000 (EC 30.10.2024, S. 19). Eine Quelle des niederländischen Außenministeriums schätzt die Zahl der Inhaftierten nunmehrigen DEM- Partei-Mitglieder ebenfalls auf 7.000 bis 8.000. Anfang Jänner 2025 hatte die DEM-Partei 14.741 177
