2025-09-05-coi-cms-laenderinformationen-tuerkei-version-10-d827
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
oder diejenigen, die den Abschnitt „ Religion“ auf ihrem nationalen Personalausweis [vor 2016] leer gelassen haben, werden selten vom Religionsunterricht befreit (USDOS 30.6.2024). Religiöse Einstellungen der Bevölkerung Während ein Großteil der Bevölkerung an den von der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) geförderten Werten des sozialen Konservativismus und der religiösen Frömmigkeit festhält, gibt es auch einen großen Teil der Bevölkerung, der Religion in erster Linie als Privatsache betrachtet. Zu dieser Gruppe gehören Menschen mit sehr unterschiedlichen Hintergründen und Lebensstilen, wobei der Säkularismus der wichtigste gemeinsame Nenner ist. Sie fühlen sich durch staatliche Maßnahmen im Sinne einer Islamisierung zunehmend margina lisiert (MBZ 31.10.2019). In einer vom Ankara-Institut durchgeführten Studie wurde festgestellt, dass 92,3 % der türkischen Bevölkerung sich als Muslime bezeichnen, während 6 % Atheisten (2,7%) oder Deisten (3,2%) sind. Die Mehrheit der Teilnehmer, 86 %, glaubt an die Existenz Gottes, und 62 % glauben an die Erfüllung religiöser Anforderungen. Diejenigen, die sich als religiös bezeichnen, machten 70 % aus (BNN 7.11.2023). Den Ergebnissen einer Umfrage des KONDA-Instituts zufolge sank der Anteil der Befragten, die sich als streng gläubig oder fromm bezeichneten, von 55 % im Jahr 2008 auf 46 % im Jahr 2025. Im Gegensatz dazu stieg der Anteil der Menschen, die sich als Atheisten oder Nichtgläubige bezeichneten, im gleichen Zeit raum von 2 % auf 8 %. Der Anteil der Befragten, die sich als „ gläubig“ bezeichneten, sich aber nicht als „ streng gläubig“ betrachteten, stieg leicht von 31 % auf 34 %. Die einzige Gruppe, die unverändert blieb, waren die „ sehr streng Gläubigen“, deren Anteil in beiden Umfragen bei 12 % lag (TM 30.5.2025). Religiöse Minderheiten als Ziele staatlicher und gesellschaftlicher Anfeindungen Regierungsvertreter bedienen sich zunehmend einer Rhetorik, die auf religiöse Minderheiten abzielt oder diese ausgrenzt (USCIRF 5.2024, S. 70). Neben der Rhetorik gegen Minderhei tengruppen geben die aggressive Kampagne seitens der Regierung und der Medien gegen Israel im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt Anlass zur Sorge. Die Wortwahl hat sich seit dem Terrorangriff der Hamas vom 7.10.2023 und dem darauffolgenden Militäreinsatz Is raels in Gaza massiv verschärft. - Staatspräsident Erdoğan hat den Terrorangriff der Hamas als Freiheitskämpfer eingestuft. Ein anti-westliches, insbesondere gegen Europa gerichtetes Islamophobie-Narrativ dominiert den Diskurs. Das Zusammenspiel dieser Tendenzen begüns tigt eine gegenüber religiösen Minderheiten feindliche Stimmung, die auch in Hassreden in sozialen Medien Ausdruck findet. Letztere werden von den Justizbehörden oft als Ausdruck freier Meinungsäußerung toleriert, was implizit zu Gewalt und Aggression ermutigt (ÖB Ankara 4.2025, S.33; vgl. EC 30.10.2024, S. 31). Die Anfeindungen richten sich gegen Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften und deren Gotteshäuser, zugehörige Einrichtungen, religiö se/spirituelle Führer und Mitglieder, und diese Straftaten bleiben zumal ungestraft. Die derzeitige Gesetzgebung ist unzureichend, um gegen Hassverbrechen vorzugehen. Die Straftaten werden weder ausreichend gemeldet noch von den Behörden ausreichend erfasst (NHC-FBI 19.4.2022, S. 37). Es kommt zu Vandalismus und der Zerstörung von Gebetsstätten und Friedhöfen von Minderheiten (EC 30.10.2024, S. 31). Im Mai 2025 forderte das Europäische Parlament „ die 232

staatlichen Stellen der Türkei auf, Fälle von Hassdelikten, einschließlich Hetze, gegen Min derheiten wirksam zu untersuchen und die Verantwortlichen strafrechtlich zu verfolgen“ (EP 7.5.2025, Pt.27). Antisemitische und antichristliche Ressentiments gehören nicht nur in der (regierungsnahen) Boulevardpresse und in sozialen Medien zum Standardrepertoire. Auch hochrangige Politiker bis in die Staatsspitze und Führung der Opposition greifen in ihren öffentlichen Äußerungen gelegentlich auf antisemitische bzw. antiarmenische Verschwörungstheorien zurück(BMZ/AA 22.11.2023, S. 154; vgl. USDOS 30.3.2021, S.90). Siehe auch: Religionsfreiheit und religiöse Minderheiten / Christen und Juden Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (20.5.2024): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei (Stand: Januar 2024), https://www.ecoi.net/en/file /local/2110308/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_ der_Republik_Türkei,_20.05.2024.pdf, Zugriff 27.6.2024 [Login erforderlich] ■ ACN - Kirche in Not (2023): Türkei Report 2023, https://acninternational.org/religiousfreedomreport/ de/berichte/land/2023/turkei, Zugriff 6.12.2024 ■ AlMon - Al Monitor (12.4.2022): Turkey’s top court rules compulsory religion courses violate rights, https://www.al-monitor.com/originals/2022/04/turkeys-top-court-rules-compulsory-religion-courses -violate-rights, Zugriff 29.11.2023 ■ Bianet - Bianet (12.4.2022): Why Turkey’s minorities not able to elect their community leaders for nine years?, https://bianet.org/english/minorities/260380-why-turkey-s-minorities-not-able-to-elect -their-community-leaders-for-nine-years , Zugriff 29.11.2023 ■ BMI/BMLVS - Bundesministerium für Inneres [Österreich], Bundesministerium für Landesverteidi gung und Sport [Österreich] (2017): Atlas: Middle East & North Africa, https://www.ecoi.net/en/file/l ocal/1408000/90_1487770786_2017-02-bfa-mena-atlas.pdf , Zugriff 27.8.2024 ■ BMZ - Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung [Deutschland] (10.2020): Zweiter Bericht der Bundesregierung zur weltweiten Lage der Religionsfreiheit, https: //www.auswaertiges-amt.de/blob/2410402/9e394a9928461b6c4ac0d4368b7a26af/201028-zweiter -bericht-der-bundesregierung-zur-weltweiten-lage-der-religionsfreiheit-data.pdf , Zugriff 24.11.2023 ■ BMZ/AA - Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung [Deutschland], Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.11.2023): Dritter Bericht der Bundesregierung zur weltweiten Lage der Religionsfreiheit (Berichtszeitraum 2020 bis 2022), https://religionsfreiheit.bmz.de/resourc e/blob/190798/dritter-religions-und-weltanschauungsfreiheitsbericht.pdf , Zugriff 24.11.2023 ■ BNN - BNN Network (7.11.2023): Perception of Religiosity in Turkey: A Study by Ankara Institute, https://bnn.network/world/turkey/perception-of-religiosity-in-turkey-a-study-by-ankara-institute/ , Zugriff 30.11.2023 ■ Cumhuriyet - Cumhuriyet (20.2.2024): Feyza Altun’s release: Lawyer freed after social media de tention, https://www.cumhuriyetdaily.com/turkiye/feyza-altuns-release-lawyer-freed-after-social-m edia-detention-2134705, Zugriff 11.6.2025 ■ DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (16.5.2025): DFAT Country Information Report; Türkiye, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-information-report-turkey.pdf , Zugriff 21.5.2025 ■ DlF - Deutschlandfunk (12.7.2020): Religionsfreiheit - Schwere Zeiten für Protestanten in der Türkei, https://www.deutschlandfunkkultur.de/religionsfreiheit-schwere-zeiten-fuer-protestanten-in-der-100 .html, Zugriff 10.9.2024 ■ Duvar - Duvar (20.10.2024): Turkish top religious body demands 130 bln liras for 2025 budget, https://www.duvarenglish.com/turkish-top-religious-body-demands-130-bln-liras-for-2025-budge t-news-65129, Zugriff 6.12.2024 ■ Duvar - Duvar (19.2.2024): Famous Turkish lawyer Feyza Altun detained over sharia remark, https: //www.duvarenglish.com/famous-turkish-lawyer-feyza-altun-detained-over-sharia-remark-news-6 3861, Zugriff 11.6.2025 233

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Zahl von zehn bis 25 Millionen hin (USCIRF 3.2025, S.67; vgl. MRG 6.2018a, DFAT 16.5.2025, S.15). Die Aleviten haben traditionell ein problematisches Verhältnis zum türkischen Staat. - Ein Grund sind die historischen staatlichen oder gesellschaftlichen Gewalttaten. Tragische Höhepunkten waren die Zerstörung der alevitischen Provinz Dersim (heute Tunceli) 1938, die Tausende Todes opfer forderte, die Pogrome in Kahramanmaraş 1978 und Çorum 1980 (BPB 14.9.2014) sowie das Massaker von Sivas am 2.7.1993, bei dem, während eines alevitischen Festivals, ein Hotel durch sunnitische Fundamentalisten in Brand gesetzt wurde, in dessen Folge 37 Menschen den Tod fanden (BPB 14.9.2014; vgl. DFAT 16.5.2025, S.16). In dieser Beziehung lassen sich zwei Hauptthemen, nämlich Anerkennung der Aleviten als Religionsgemeinschaft und die Befreiung vom Religionsunterricht ausmachen (MBZ 2.2025a, S. 68). - Aleviten werden nicht als religiöse Minderheit anerkannt und genießen daher keine Minderheitenrechte (BMZ/AA 22.11.2023, S. 151; vgl. GfbV o.D., USCIRF 5.2024, S. 70). Die türkische Regierung stuft das Alevitentum als eine Glaubensrichtung innerhalb des sunnitischen Islam ein, daher werden Aleviten in den Meldeämtern offiziell als „ islamisch“ gekennzeichnet (BMZ/AA 22.11.2023, S. 151; vgl. GfbV o.D., DFAT 16.5.2025, S.16, USCIRF 3.2025, S. 66). Viele Aleviten sind auch ethnische Kurden, wobei die Schätzungen ihrer Anzahl zwischen einer halben und mehreren Millionen liegen (DFAT 16.5.2025, S.15). Einer anderen Quelle zufolge, welche von der Sprache ausgeht, sind ungefähr zwei Drittel türkischsprachig, das restliche Drittel spricht eine der beiden nordwestiranischen Sprachen Kurmanci [eine der Varianten des Kurdischen] und Zazaki [Anm.: gilt laut manchen Linguisten als eigene Sprache, getrennt vom Kurdischen] (BPB 14.9.2014). Kurdische Aleviten identifizieren sich primär eher als Aleviten (DFAT 16.5.2025, S.15). Politisch stehen die kurdischen Aleviten vor dem Dilemma, ob sie ihrer ethnischen oder ihrer religiösen Gemeinschaft gegenüber loyal sein sollen. Einige kümmern sich mehr um die religiöse Solidarität mit den türkischen Aleviten als um die ethnische Solidarität mit den Kurden, zumal viele sunnitische Kurden sie missbilligen (MRG 6.2018a). Während die Aleviten über die ganze Türkei verstreut sind, konzentrieren sich die alevitischen Kurden auf Zentral- und Ost-Anatolien, Istanbul und andere Großstädte. Tunceli (Dersim) [östliche Zentraltürkei] ist das Zentrum des alevitischen Glaubens. Seine Bevölkerung ist überwiegend (zu 95 %) alevitisch. Durchschnittliche Aleviten verhalten sich in der Gesellschaft in der Regel unauffällig und betonen ihre religiöse Identität nicht (DFAT 16.5.2025, S.15f.). Aleviten sind von einer systemischen Diskriminierung in Schulen und im öffentlichen Bereich betroffen (FH 26.2.2025, F4; vgl. USCIRF 5.2024, S. 70). Aktivitäten alevitischer Vereine und Stiftungen werden nicht selten durch bürokratische Hürden erschwert. In Regierung, Verwal tung und Parlament sind Aleviten unterrepräsentiert. Ihre Bemühungen, sich politisch Gehör zu verschaffen, werden oft als Versuch gewertet, künstlich eine Minderheit zu schaffen und die territoriale Einheit und Integrität der türkischen Nation zu gefährden (BAMF 4.11.2024c, S. 1). Religionspolitik bez. alevitischer Kultstätten - Cemevis 236

Das Alevitentum wird offiziell weiterhin als heterodoxe muslimische „ Sekte“ oder kulturelle Grup pe behandelt, nicht jedoch als religiöses Bekenntnis anerkannt. Dies führt dazu, dass alevitische Gebetshäuser (Cemevis oder Cemevleri) in vielen Gemeinden nicht als Gotteshäuser anerkannt sind, und dies trotz anderslautender Urteile des Obersten Berufungsgerichtes (Kassationsge richt) vom November 2018 und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) (USDOS 30.6.2024; vgl. ÖB Ankara 4.2025, S.37, AA 20.5.2024, S. 11). Infolgedessen stehen die Gebetshäuser nicht unter dem Schutz des türkischen Strafgesetzes (ÖB Ankara 4.2025, S.37). Ende September 2021 sah das Ministerkomitee des Europarates laut eigenen Angaben in der ungerechtfertigten und diskriminierenden Weigerung, den Glauben der alevitischen Ge meinschaft als Religion anzuerkennen, einen Grund, das Monitoring der Türkei fortzusetzen (CoE 15.6.2023, S.2). Führungspersönlichkeiten der Aleviten nannten die Anzahl der 2.500 bis 3.000 Gebetshäuser als unzureichend, um die Bedürfnisse der Gläubigen zu befriedigen. Die Regierung erklärte wei terhin, dass die vom Religionsamt Diyanet finanzierten sunnitischen Moscheen den Aleviten und allen Muslimen zur Verfügung stünden, unabhängig von ihrer religiösen Überzeugung (USDOS 30.6.2024). Diyanet gibt das staatlich zugeteilte Geld ausschließlich zugunsten des sunnitischen Islam aus. Da die Aleviten von der türkischen Regierung nicht als Religionsgemeinschaft aner kannt werden, kann die alevitische Gemeinschaft eben nicht auf die finanzielle Unterstützung von Diyanet zählen (MBZ 2.2025a, S. 68). - Abweichend von der Regierungslinie, wurden den Aleviten vereinzelt auf lokaler Ebene Rechte und Unterstützung eingeräumt. In İzmir erhielten sieben Cemevis den Status einer Kultstätte. In Istanbul wurden kostenlose kommunale Dienst leistungen wie den anderen Religionsgemeinschaften auch den Gebetshäusern der Aleviten zugestanden (USDOS 12.5.2021). Der Stadtrat von Istanbul hat im September 2024 Cemevis (und Gebetsstätten anderer Religionen) als Teil der Verantwortlichkeiten der zuständigen Abtei lung der Stadtverwaltung offiziell anerkannt, trotz der Gegnerschaft seitens der AKP-Fraktion in der Stadtvertretung (Duvar 13.9.2024; vgl. USCIRF 3.2025, S. 67). Die Regierung hat den Aktionsplan betreffend die Entscheidungen des EGMR über Cem-Häu ser und obligatorischen Religionsunterricht, der 2016 dem Ministerkomitee des Europarates vorgelegt worden war, bis heute nicht umgesetzt (ÖB Ankara 4.2025, S.37; vgl. AA 20.5.2024, S. 11). Andere Urteile des EGMR, wonach nur alevitische Führer über die Religionszugehörig keit ihrer Gemeinschaft entscheiden dürfen und dass alevitische Schüler vom obligatorischen Religionsunterricht durch sunnitische Imame befreit werden sollten, wurden laut Vertretern der alevitischen Gemeinschaft nicht umgesetzt (DFAT 16.5.2025, S. 16). Durch das Präsidialdekret Nr. 112 (vom 9.11.2022) wurde ein Präsidium für Alevitische Kul tur und Gebetshäuser im Ministerium für Kultur und Tourismus eingerichtet, das u.a. für die Koordinierung der effektiven und effizienten Durchführung von Dienstleistungen in Cemevleri zuständig ist. Parallel dazu wurde Gesetz Nr. 7421 (vom 8.11.2022) vom Parlament beschlossen, durch welches die Errichtung, Instandhaltung und Reparatur von Cemevleri durch Gemeinden übernommen werden können und die Kosten für Beleuchtung der Cemevleri vom Ministerium für Kultur und Tourismus übernommen werden. Dagegen wurde von zahlreichen alevitischen Ver bänden und CHP- und HDP-Abgeordneten protestiert. Hauptkritikpunkt ist, dass die alevitische 237

Hauptforderung, Cemevleri als Gebetsstätten anzuerkennen, nicht enthalten ist (ÖB Ankara 4.2025, S. 37; vgl. (BMZ/AA 22.11.2023, S.153). Alevitische Verbände sehen die Entwicklung außerdem teils sehr kritisch, da sie eine staatliche Kontrolle des Alevitentums befürchten (BMZ/ AA 22.11.2023, S.153). Im Jänner 2025 traf sich Staatspräsident Erdoğan mit Ahmet Uğurlu, einer führenden Persön lichkeit der alevitischen Gemeinde. Uğurlu äußerte mehrere Wünsche, darunter die Einrichtung von Schulen, in denen alevitische Geistliche ausgebildet werden könnten und die Bereitstel lung finanzieller Mittel zur Bezahlung des Personals von Cemevis (DS 22.1.2025; vgl. AnA 23.1.2025). Religionsunterricht Der nationale Lehrplan schreibt einen obligatorischen Religionsunterricht vor, und obwohl Alevi ten (und nicht-muslimische Schüler) offiziell von diesen Kursen befreit sind, können sie sich in der Praxis nicht abmelden (FH 26.2.2025, D2). - Alevitische Eltern sind nach wie vor mit Proble men konfrontiert, wenn sie ihre Kinder vom sunnitischen Religionsunterricht abmelden wollen, da die Behörden die Aleviten nicht als religiöse Minderheit anerkennen (USCIRF 12.2022, S. 3). Im April 2024 stellte das Bildungsministerium sein neues Bildungssystem mit einer Reihe von Reformen der Lehrpläne für Grund- und weiterführende Schulen vor. Hierzu äußerten sich eini ge alevitische Gruppen besorgt über eine falsche Darstellung ihrer Tradition (USCIRF 3.2025, S. 67). Beispiele für Übergriffe Als zweitgrößte religiöse Gruppe des Landes werden die Aleviten von Teilen der Mehrheitsgesell schaft als fremd und unzuverlässig angesehen (BMZ 10.2020). Hassreden und Hassverbrechen gegen Aleviten hielten an (EC 30.10.2024, S. 35; vgl. FH 26.2.2025, D2, DFAT 16.5.2025, S. 16). Im Jahr 2022 nahmen die gewalttätigen Übergriffe gegen alevitische Einrichtungen deutlich zu. Zwischen Juli und August 2022 wurden mindestens fünf alevitische NGOs und Gotteshäuser angegriffen und verwüstet (FH 10.3.2023, D2). Nebst Angriffen auf Cem-Häuser wurden auch alevitische Religionsführer attackiert (EC 8.11.2023, S.32). Am 30.7.2022, dem ersten Tag des für die Aleviten heiligen Monats Muharram, wurden in An kara gleichzeitig Angriffe auf die alevitschen Gebetshäuser und Vereine Tuzluçayır Ana Fatma Djemevi, Ege Mahallesi Şah-ı Merdan Djemevi, Gökçebel Village Association sowie die turk menisch-alevitische Bektashi-Stiftung verübt. Beim Angriff auf die Bektashi-Stiftung wurde eine Frau durch Messerstiche verletzt und in ein Krankenhaus gebracht. Die übrigen Einrichtun gen wurden mit Steinen und Stühlen beworfen. Ein Verdächtiger wurde festgenommen (Duvar 31.7.2022; vgl. BAMF 8.8.2022, S. 10, USDOS 15.5.2023, USCIRF 5.2023, S.66). Am 5.8.2022 wurde Selami Sarıtaş, der Leiter der alevitischen Gemeinde Kartal-Cemevi, von zwei unbekann ten Tätern vor seinem Wohnhaus in Istanbul körperlich angegriffen und verletzt (BAMF 8.8.2022, S. 11; vgl. HDN 8.8.2022). Die Polizei reagierte mit der Aufstellung eines Spezialteams, um die Angreifer zu fassen (HDN 8.8.2022). Ein Cemevi und Häuser von Aleviten wurden im November 2022 mit Schimpfwörtern besprüht (ÖB Ankara 28.12.2023, S.34). Das Gerichtsverfahren im 238

Zusammenhang mit den Angriffen vom Juli 2022 in Ankara wurde im Juli 2023 in erster Instanz abgeschlossen, wobei der Haupttäter wegen Beschädigung von Gebetsstätten und vorsätzlicher Körperverletzung zu drei Jahren Haft verurteilt wurde (EC 8.11.2023, S.32). Laut Quellen des australischen Außenministeriums gab es auch 2023 religiös motivierte Übergriffe auf Häuser von Aleviten (DFAT 16.5.2025, S. 16). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (20.5.2024): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und ab schiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei (Stand: Januar 2024), https://www.ecoi.net/en/file /local/2110308/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_ der_Republik_Türkei,_20.05.2024.pdf, Zugriff 27.6.2024 [Login erforderlich] ■ AnA - Anadolu Agency (23.1.2025): 96 yaşındaki Alevi dedesi Ahmet Uğurlu, Cumhurbaşkanı Erdo ğan ile görüşmesini anlattı, https://www.aa.com.tr/tr/insana-dair/96-yasindaki-alevi-dedesi-ahmet-u gurlu-cumhurbaskani-erdogan-ile-gorusmesini-anlatti/3459988 , Zugriff 20.3.2025 ■ BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (4.11.2024c): Länderkurzinformation: Türkei - Religiöse und ethnische Minderheiten, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Beho erde/Informationszentrum/Laenderkurzinformationen/2024/laenderkurzinfo-tuerkei-10-24-religion. pdf?__blob=publicationFile&v=3, Zugriff 21.11.2024 ■ BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (8.8.2022): Briefing Notes, KW 32, Gewaltsamer Übergriff auf ein alevitisches Gemeindemitglied, https://www.bamf.de/SharedDocs/A nlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2022/briefingnotes-kw32-2022.pdf?__bl ob=publicationFile&v=3, Zugriff 5.12.2023 ■ BMZ - Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung [Deutschland] (10.2020): Zweiter Bericht der Bundesregierung zur weltweiten Lage der Religionsfreiheit, https: //www.auswaertiges-amt.de/blob/2410402/9e394a9928461b6c4ac0d4368b7a26af/201028-zweiter -bericht-der-bundesregierung-zur-weltweiten-lage-der-religionsfreiheit-data.pdf , Zugriff 24.11.2023 ■ BMZ/AA - Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung [Deutschland], Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.11.2023): Dritter Bericht der Bundesregierung zur weltweiten Lage der Religionsfreiheit (Berichtszeitraum 2020 bis 2022), https://religionsfreiheit.bmz.de/resourc e/blob/190798/dritter-religions-und-weltanschauungsfreiheitsbericht.pdf , Zugriff 24.11.2023 ■ BPB - Bundeszentrale für politische Bildung [Deutschland] (14.9.2014): Die Aleviten, https://www. bpb.de/themen/europa/tuerkei/184986/die-aleviten/#node-content-title-1 , Zugriff 10.9.2024 ■ CoE - Council of Europe (15.6.2023): Turkey - main issues before the Committee of Ministers - ongoing supervision, https://rm.coe.int/mi-turkey-eng/1680a23cae#page=1&zoom=auto,-275,848 , Zugriff 9.1.2024 ■ DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (16.5.2025): DFAT Country Information Report; Türkiye, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-information-report-turkey.pdf , Zugriff 21.5.2025 ■ DS - Daily Sabah (22.1.2025): Alevi community seeks new rights as top figure meets Erdoğan, https://www.dailysabah.com/politics/alevi-community-seeks-new-rights-as-top-figure-meets-erdog an/news, Zugriff 20.3.2025 ■ Duvar - Duvar (13.9.2024): Istanbul Municipality recognizes cemevis as places of worship, https://ww w.duvarenglish.com/istanbul-municipality-recognizes-cemevis-as-places-of-worship-news-64953 , Zugriff 20.3.2025 ■ Duvar - Duvar (31.7.2022): Five Alevi institutions attacked on same day in Ankara, https://www. duvarenglish.com/five-alevi-institutions-attacked-on-same-day-in-ankara-news-61082 , Zugriff 5.12.2023 ■ EC - Europäische Kommission (30.10.2024): Türkiye 2024 Report [SWD(2024) 696 final], ht tps://neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/document/download/8010c4db-6ef8-4c85-aa06- 814408921c89_en?filename=Türkiye Report 2024.pdf, Zugriff 5.11.2024 ■ EC - Europäische Kommission (8.11.2023): Türkiye 2023 Report [SWD (2023) 696 final], https:// neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/system/files/2023-11/SWD_2023_696 Türkiye report.pdf, Zugriff 9.11.2023 ■ FH - Freedom House (26.2.2025): Freedom in the World 2025 - Turkey, https://www.ecoi.net/de/do kument/2125459.html, Zugriff 20.5.2025 239

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Monate in einem bestimmten Gebiet gewohnt haben, unabhängig davon, ob dort überhaupt andere Angehörige ihrer Glaubensgemeinschaft leben. Z. B. haben die griechisch-orthodoxen Gemeinden zum Teil nur wenige Wähler und erreichen nicht die Vorgaben der neuen Wahl ordnung. Damit können sie kein eigenes Leitungsgremium einsetzen und müssen ihre Stiftung notgedrungen aufgeben. Assyrische und jüdische Gemeinden stehen vor demselben Problem, weil ihre Stiftungen nicht am gleichen Ort wie die Gemeinden angesiedelt sind. Die fehlenden Ausbildungsstätten für Priester sind ein weiteres großes Problem aller christlichen Glaubens gemeinschaften in der Türkei (ACN 2023). Diese Entwicklungen verursachen bei Angehörigen der christlichen Minderheiten ein Gefühl permanenter Unsicherheit und der Bedrohung. Sie verstärken zudem die Befürchtung, dass der Raum für christliche Religionsgemeinschaften in der Türkei weiter schrumpft (Christen machen weniger als 1 % der Bevölkerung aus) (ÖB Ankara 4.2025, S.36). Nicht-sunnitische Personen haben in der Praxis erschwerten Zugang zu einer Laufbahn im öffentlichen Dienst (BMZ/AA 22.11.2023, S.153). Der Zugang zu Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst, dem Sicherheitsapparat des Staates und den Ordnungskräften wird Christen verwehrt, ebenso wie Beförderungen in der Armee. Generell haben Christen nur begrenzten Zugang zu ei ner Anstellung im öffentlichen Dienst; und in der privaten Wirtschaft erfahren sie Diskriminierung, insbesondere wenn Arbeitgeber Verbindungen zur Regierung unterhalten. Die Religionszuge hörigkeit wird auf den neuen Ausweisen zwar nicht mehr sichtbar angezeigt, sie wird aber weiterhin auf dem Chip in der Karte registriert. Somit ist es ein Leichtes, christliche Bewerber zu diskriminieren (OpD 1.2024, S. 7, 39). Nach einem Beschluss des türkischen Hochschulrates von 1990 sind nur Kinder aus christlichen und jüdischen Familien vom islamischen Religionsunterricht befreit. Das Recht auf Befreiung kann nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Religionszugehörigkeit im Bevöl kerungsregister offengelegt wird. Die Angabe hierzu ist somit obligatorisch. Die wesentlichen Grundsätze und Praktiken des Christentums und des Judentums sind zwar im Lehrbuch der 11. Klasse weitgehend enthalten, doch beruhen diese, nicht zuletzt infolge einer Interpretation aus islamischer Sicht, nach Ansicht von christlichen und jüdischen Theologen auf Ungenau igkeiten und sind mit den grundlegenden Lehren des Christentums und des Judentums nicht vereinbar (NHC-FBI 19.4.2022, S. 56f). Es kommt immer noch zu Vandalenakten gegen religiöse Stätten. Obwohl viele Angriffe auf Friedhöfe in der Türkei offenbar das Werk nicht-staatlicher Akteure sind, ist auch die türkische Regierung in die Zerstörung von Grabstätten religiöser Minderheiten verwickelt. Darüber hinaus gelingt es den Behörden oft nicht, nicht-staatliche Akteure, die für diese Taten verantwortlich sind, zu fassen oder strafrechtlich zu verfolgen, wodurch ein Klima der Straflosigkeit entsteht. Ebenso versäumt es die türkische Regierung häufig, Bauprojekte zu stoppen, die Friedhöfe bedrohen (USCIRF 12.2021, S. 2f.). [Anm.: zum Punkt Konversion, siehe Kapitel Religionsfreiheit und religiöse Minderheiten.] Christen 241
