2025-09-15-coi-cms-laenderinformationen-indien-version-9-afeb
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Polizei angewiesen. Die NHRC arbeitet mit verschiedenen Akteuren zusammen, um Menschen rechtsverletzungen zu ahnden und zu verhindern und kooperiert mit NGOs (ÖB New Delhi 7.2023), von denen einige wiederum in NHRC-Ausschüssen vertreten sind (USDOS 23.4.2024). Im Mai 2024 verweigerte die mit den Vereinten Nationen verbundene Globale Allianz natio naler Menschenrechtsinstitutionen der indischen Nationalen Menschenrechtskommission für das zweite Jahr in Folge die Akkreditierung (HRW 16.1.2025), wodurch die NHRC nicht mehr berechtigt ist, das Land im UN-Menschenrechtsrat zu vertreten. Als Gründe für das Ausbleiben der Akkreditierung gelten, Bedenken hinsichtlich der Beteiligung der Polizei an den NHRC-Un tersuchungen, die politische Einflussnahme bei Ernennungen und unzureichende Maßnahmen zum Schutz marginalisierter Gruppen (USDOS 23.4.2024). Der Protection of Human Rights Act, 1993, empfiehlt, dass jeder Bundesstaat eine Menschen rechtskommission einrichtet (ÖB New Delhi 7.2023). Seit September 2023 gibt es bereits in 26 Bundesstaaten Menschenrechtskommissionen, die unter der Schirmherrschaft des NHRC unabhängig arbeiten (USDOS 23.4.2024). In manchen Fällen kann es vorkommen, dass Be schwerden, die an die NHRC gerichtet werden, an eine staatliche Kommission weitergeleitet werden (DFAT 29.9.2023). Menschenrechtsgruppen äußerten jedoch Bedenken, dass staat liche Ausschüsse von der Lokalpolitik beeinflusst werden können und dass diese weniger zu fairen Urteilen fähig sind als die NHRC (USDOS 23.4.2024). Kritiker behaupten, die NHRC und andere offizielle Menschenrechtsgremien auf nationaler und bundesstaatlicher Ebene sind politisch voreingenommen und ineffektiv. Die staatlichen Menschenrechtskommissionen sind von unterschiedlicher Qualität (DFAT 29.9.2023). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.6.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Indien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093231/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_a syl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Indien_(Stand_April_2023),_05.06.2023.pdf , Zugriff 19.10.2023 [Login erforderlich] ■ DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (29.9.2023): DFAT COUNTRY INFORM ATION REPORT INDIA, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-information-report-india .pdf, Zugriff 19.10.2023 ■ FH - Freedom House (2025a): Freedom in the World 2025 - India, https://freedomhouse.org/country /india/freedom-world/2025, Zugriff 4.3.2025 ■ FH - Freedom House (2025b): Freedom in the World 2025 - Indian Kashmir, https://freedomhouse .org/country/indian-kashmir/freedom-world/2025, Zugriff 7.3.2025 ■ HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 - India, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2120041.html, Zugriff 22.1.2025 ■ ICNL - The International Center for Not-for-Profit Law (13.2.2025): Civic Freedom Monitor: India, https://www.icnl.org/resources/civic-freedom-monitor/india, Zugriff 7.3.2025 ■ ÖB New Delhi - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (7.2023): Asylländerbericht 2023 - Indien ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107729.html, Zugriff 3.5.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (15.6.2023): 2023 Trafficking in Persons Report: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2093624.html, Zugriff 24.10.2023 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089116.html, Zugriff 31.10.2023 27

11 Meinungs- und Pressefreiheit, Freiheit im Internet Letzte Änderung 2025-04-14 08:00 Die Verfassung sieht zwar die Meinungs- (BAMF 9.2024; vgl. FH 16.10.2024) und Redefrei heit vor (FH 16.10.2024), erwähnt aber nicht ausdrücklich die Pressefreiheit; welche allerdings durch das Recht der freien Meinungsäußerung geschützt ist (BAMF 9.2024). In der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit 2024 der NGO Reporter ohne Grenzen (RSF) belegt Indien Platz 159 von 180 bewerteten Ländern, was eine Verbesserung um 2 Plätze im Vergleich zum Vorjahr darstellt (RSF 2024; vgl. BAMF 9.2024). Laut USDOS gibt es schwerwiegende Einschränkun gen der Meinungs- und Medienfreiheit, darunter Gewalt oder die Androhung von Gewalt gegen Journalisten, ungerechtfertigte Verhaftungen oder strafrechtliche Verfolgung von Journalisten, Zensur und die Anwendung oder Androhung der Anwendung von Verleumdungsgesetzen zur Einschränkung der Meinungsäußerung sowie schwerwiegende Einschränkungen der Freiheit im Internet (USDOS 23.4.2024). Das indische Gesetz kriminalisiert bestimmte Ausdrucksformen, die häufig als Grund für die Verhaftung oder Inhaftierung von Personen dienen, die sich online zu politischen und sozialen Themen äußern (FH 16.10.2024). Beleidigung und Verleumdung sind strafbar. Die Regierung nutzt Gesetze, um öffentliche Debatten einzuschränken und Ver geltungsmaßnahmen gegen Journalisten, Mitglieder marginalisierter Gruppen und politische Gegner zu ergreifen. Im Juli 2023 berichteten die Medien, dass die Polizei in Maharashtra in den zwei Jahren davor mehr als 600 Fälle von Beleidigung und Verleumdung gegen Nutzer sozialer Medien wegen anstößiger religiöser Inhalte eingeleitet hatte. Es gibt Berichte über grenzüberschreitende Repressionen der Regierung gegen Journalisten, Angehörige der Dia spora-Bevölkerung, Aktivisten der Zivilgesellschaft und Menschenrechtsverteidiger (USDOS 23.4.2024). Die Verfassung enthält zwar kein ausdrückliches Recht auf Privatsphäre, aber der Oberste Gerichtshof entschied 2017, dass die Privatsphäre ein „ Grundrecht“ ist. Es wird berichtet, dass die Behörden willkürlich oder unrechtmäßig auf private Kommunikation zugriffen, diese sammeln oder nutzen, um die Privatsphäre von Personen zu überwachen oder zu stören. Die Gesetze gestatten es der Regierung, Anrufe abzuhören, um die Souveränität und Integrität des Landes, die Sicherheit des Staates und die freundschaftlichen Beziehungen zu ausländischen Staaten zu schützen, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten und die Anstiftung zur Begehung einer Straftat zu verhindern (USDOS 23.4.2024). Das Strafgesetzbuch sieht eine Haftstrafe von zwei bis sieben Jahren für aufrührerische, obs zöne oder verleumderische Äußerungen vor; für Personen, die „ Feindschaft zwischen verschie denen Gruppen aufgrund von Religion, Volkszugehörigkeit, Geburtsort, Wohnort oder Sprache“ schüren; für Äußerungen, die als „ der Aufrechterhaltung der Harmonie abträglich“ angesehen werden oder aus Äußerungen, Gerüchten oder Berichten bestehen, die Angst oder Besorgnis hervorrufen, die öffentliche Ruhe stören oder Feindseligkeit oder Böswilligkeit schüren können. Das Gesetz über Amtsgeheimnisse (Official Secrets Act) kriminalisiert die Weitergabe von In formationen, die der Souveränität und Integrität Indiens schaden könnten. Das Gesetz über die nationale Sicherheit erlaubt es der Polizei, eine Person bis zu einem Jahr ohne Anklage festzu halten, und wird im Zusammenhang mit Äußerungen im Internet herangezogen (FH 16.10.2024). 28

Die Behörden beriefen sich auf Gesetze gegen Terrorismus oder zum Schutz der nationalen Si cherheit, um Kritiker der Regierung zu verhaften oder zu bestrafen. Medienbeobachtergruppen äußerten sich besorgt über die „ exzessive“ Anwendung des Gesetzes zur Verhinderung unge setzlicher Aktivitäten (Unlawful Activities Prevention Act, UAPA) gegen Journalisten (USDOS 23.4.2024). Einzelpersonen üben ihr Recht auf freie Meinungsäußerung aus, indem sie regelmäßig öffentlich und privat über Online-Plattformen, Fernsehen, Radio oder Printmedien Kritik an der Regierung üben (USDOS 23.4.2024; vgl. BAMF 9.2024). Unabhängige Medien sind aktiv und bringen im Allgemeinen ein breites Spektrum von Meinungen zum Ausdruck, darunter auch regierungs kritische. Einige Medien sehen sich jedoch zunehmenden Einschränkungen ausgesetzt und es gibt zahlreiche Fälle, in denen die Regierung oder regierungsnahe Akteure Druck auf re gierungskritische Medien ausüben oder diese schikanieren. Medienunternehmen und einzelne Journalisten, die regierungskritische Ansichten äußern, werden gelegentlich verhaftet, bedroht oder eingeschüchtert. Berichten zufolge durchsucht die Polizei Arbeitsplätze und Wohnungen von Journalisten und beschlagnahmt Telefone, Laptops und andere Ausrüstung. Es gibt auch Berichte über Aufständische und Extremisten, die Morde, Gewalt und Einschüchterungen gegen regierungskritische Journalisten verübten. Das Gesetz verbietet Inhalte, die religiöse Gefüh le verletzen oder Feindseligkeiten zwischen Gruppen schüren könnten (USDOS 23.4.2024). Menschen laufen Gefahr, wegen politischer, gesellschaftlicher oder religiöser Äußerungen oder anderer Online-Inhalte, die die Behörden als anstößig oder abwertend erachten, festgenommen und inhaftiert zu werden, insbesondere bei großen politischen Ereignissen (FH 16.10.2024). Die Behörden berufen sich auf diese Bestimmungen, um Print- und Rundfunkmedien, digitale Me dienplattformen einschließlich Streaming-Dienste sowie die Veröffentlichung oder Verbreitung von Büchern einzuschränken. Organisationen der Zivilgesellschaft äußerten die Befürchtung, dass regierungsnahe Geschäftsinteressen, die Anteile an Medienorganisationen erwerben, die Unabhängigkeit der Medien gefährden können. Die Presse und andere Medien berichten, dass sie aus Angst vor Repressalien der Regierung Selbstzensur üben. Die Verstümmelung oder Beschädigung der Nationalflagge wird mit bis zu drei Jahren Haft bestraft (USDOS 23.4.2024). Freiheit im Internet Die Regierung schränkte den Internetzugang ein, unterbrach ihn in einigen Fällen und zensierte Online-Inhalte (USDOS 23.4.2024; vgl. AI 24.4.2024). Die indischen Behörden verhängen nach wie vor die weltweit meisten Internetsperren (HRW 16.1.2025; vgl. BAMF 9.2024) und verstoßen damit gegen indische Gesetze und internationale Menschenrechtsstandards. Die Abschaltun gen treffen sozial und wirtschaftlich marginalisierte Bevölkerungsgruppen unverhältnismäßig stark, da ihnen der Zugang zu kostenlosen oder subventionierten Lebensmittelrationen und Lebensgrundlagen verwehrt wird (HRW 16.1.2025). Aufgrund der Digitalisierung öffentlicher Dienstleistungen ist das Internet unverzichtbar für den Zugang zu staatlichen Sozialprogram men, wie der Arbeitsgarantie durch den Mahatma Gandhi National Rural Employment Gua rantee Act (NREGA), dem öffentlichen Verteilungssystem im Rahmen des Food Security Act und für E-Government im ländlichen Raum. Seit Januar 2023 verlangt die Regierung von al len NREGA-Beschäftigten eine digitale Anwesenheitskontrolle. Zu diesem Zweck werden die 29

Beschäftigten mit einem Geo-Tag versehen und zweimal täglich fotografiert. Dies erfolgt über eine Online-Anwesenheits-App, die die Transparenz erhöhen und die Kontrolle der Bürger über die NREGA-Arbeiten verbessern soll. Auch für die Lohnzahlung im Zuge des NREGA sind die Menschen auf Internetzugang angewiesen. Zudem gibt es Berichte, dass für die Beschaffung von Lebensmittelrationen eine biometrische Authentifizierung notwendig ist (HRW 14.6.2023). Laut Anweisungen des Obersten Gerichtshofs darf der Internetzugang nur in unvermeidbaren Situationen gesperrt und Sperranordnungen müssen veröffentlicht werden (USDOS 23.4.2024). Die Behörden begründen Internetsperren in der Regel damit, dass es sich um Vorsichtsmaß nahmen zur Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung, zur Eindämmung potenzieller Gewalt oder sozialer Spannungen, zur Eindämmung von Protesten, zur Verhinderung der Verbreitung falscher Informationen oder von Betrug bei Schulprüfungen handelt (FH 16.10.2024). Es wird auch berichtet, dass die Regierung häufig Nutzer digitaler Medien wie Chatrooms und persön liche Kommunikation überwacht (USDOS 23.4.2024). Berichten zufolge betreibt die indische Regierung mehrere verschiedene technische Überwachungssysteme im Interesse der nationa len Sicherheit und der Strafverfolgung. Das Central Monitoring System (CMS) ermöglicht es den Regierungsbehörden, sämtliche Online-Aktivitäten, einschließlich Telefongespräche, Textnach richten und VoIP-Kommunikation (Voice over Internet Protocol), abzufangen (FH 16.10.2024). Das Gesetz erlaubt es der Regierung, Internetseiten und -inhalte zu sperren, und stellt das Versenden von Nachrichten, die die Regierung als aufrührerisch oder beleidigend erachtet, un ter Strafe. Sowohl die Zentralregierung als auch die Regierungen der Provinzen sind befugt, Anordnungen zum Blockieren, Abfangen, Überwachen oder Entschlüsseln von Computerinfor mationen zu erlassen. Gerichtsurteile und Gesetze legen die Bedingungen und Verfahren für die Sperrung des Internetzugangs fest. Zivilgesellschaftliche Organisationen behaupten, dass die Behörden diese Anforderungen nicht konsequent erfüllen (USDOS 23.4.2024). Quellen ■ AI - Amnesty International (24.4.2024): Amnesty International Report 2023/24; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Indien 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2108022.html , Zugriff 10.7.2024 ■ BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (9.2024): Länderkurzinformation Indien, Meinungs- und Pressefreiheit, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Inf ormationszentrum/Laenderkurzinformationen/2024/laenderkurzinfo-indien-09-24.pdf?__blob=publi cationFile&v=2, Zugriff 24.9.2024 ■ FH - Freedom House (16.10.2024): Freedom on the Net 2024 - India, https://www.ecoi.net/en/docu ment/2116546.html, Zugriff 10.2.2025 ■ HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 - India, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2120041.html, Zugriff 22.1.2025 ■ HRW - Human Rights Watch (14.6.2023): “No Internet Means No Work, No Pay, No Food”, https: //www.hrw.org/report/2023/06/14/no-internet-means-no-work-no-pay-no-food/internet-shutdowns -deny-access-basic , Zugriff 19.3.2025 ■ RSF - Reporter ohne Grenzen (2024): Rangliste der Pressefreiheit 2024 - Indien, https://www.repo rter-ohne-grenzen.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/Ranglisten/Rangliste_2024/RSF_Rangliste_ der_Pressefreiheit_2024.pdf, Zugriff 3.5.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107729.html, Zugriff 3.5.2024 30

12 Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition Letzte Änderung 2025-04-14 08:00 Das Gesetz sieht die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit vor. Während die Regierung das Recht auf Versammlungsfreiheit oft respektiert (ÖB New Delhi 7.2023; vgl. USDOS 23.4.2024), kommt es dennoch zu gelegentlichen Einschränkungen der Vereinigungsfreiheit, insbesondere für Mitglieder zivilgesellschaftlicher Organisationen, Minderheitengruppen, Menschenrechtsver teidiger und regierungskritische Personen (USDOS 23.4.2024) sowie in Konfliktregionen (AA 5.6.2023). Die politische Partizipation ist grundsätzlich frei, wird aber in einigen Regionen durch die Gewalt der Aufständischen behindert. Unabhängig davon versuchen einige politische Akteu re, lokale Spannungen zu schüren, um ihre eigenen Anhänger zu mobilisieren, und gleichzeitig ihre Gegner einzuschüchtern (FH 2025a). Das Versammlungsrecht ist gesetzlich eingeschränkt. Eine Bestimmung der Strafprozessord nung erlaubt es den Behörden, öffentliche Versammlungen einzuschränken und Ausgangssper ren zu verhängen, wenn dies zur „ unmittelbaren Verhinderung oder schnellen Unterbindung“ erforderlich ist (FH 2025a). Die Behörden verlangten häufig eine Genehmigung und Anmeldung für Paraden oder Demonstrationen, und die lokalen Regierungen respektierten im Allgemeinen das Recht, sich friedlich zu versammeln und seine Meinung zu äußern (USDOS 23.4.2024; vgl. ÖB New Delhi 7.2023). Obwohl es regelmäßig zu friedlichen Demonstrationen kommt, sind die Regierungen des Landes und einiger Bundesstaaten dafür bekannt, Versammlungsverbote zu verhängen, das Internet zu stören, Gewalt anzuwenden, um Proteste zu unterdrücken oder den Zugang zu Rechtsbeistand zu verwehren (FH 2025a). NGOs berichteten, dass diejenigen, die gegen die Regierungspolitik oder Gesetze protestieren, mit Einschränkungen, Repressali en oder Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden konfrontiert sind (USDOS 23.4.2024). Im Februar 2024 beriefen sich die Behörden in mehreren Regionen auf Artikel 144 des Strafgesetz buchs, der unter bestimmten Umständen Versammlungen von mehr als vier Personen verbietet (FH 2025a). Die indischen Behörden nutzten Gesetze gegen ausländische Finanzierung wie das Gesetz zur Regulierung ausländischer Beiträge (Foreign Contribution Regulation Act - FCRA) (HRW 16.1.2025; vgl. FH 2025a, USDOS 23.4.2024), Antiterrorgesetze, fingierte Finanzermittlungen und andere Mittel, um gegen zivilgesellschaftliche Gruppen und Aktivisten vorzugehen (HRW 16.1.2025). Den Behörden wird vorgeworfen, diese Macht gezielt gegen vermeintliche politische Gegner einzusetzen (FH 2025a). Im Januar 2024 entzogen die Behörden dem Forschungsin stitut Centre for Policy Research und der christlichen Wohltätigkeitsorganisation World Vision India, die humanitäre Hilfe für Kinder in einkommensschwachen Gemeinden leistet, die FCRA- Lizenzen. Die neuen Strafgesetze, die im Juli 2024 in Kraft traten, erweitern die Befugnisse der Polizei und geben Anlass zu Bedenken hinsichtlich der Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit, friedliche Versammlung und faires Gerichtsverfahren (HRW 16.1.2025) [siehe NGOs und Menschenrechtsaktivisten]. 31

Gewerkschaften Obwohl Arbeitnehmer in der formellen Wirtschaft regelmäßig ihr Recht auf Tarifverhandlungen und Streiks wahrnehmen, ermöglichten Gesetze wie das Gesetz zur Aufrechterhaltung der Grundversorgung (Essential Services Maintenance Act) der Regierung, bestimmte Streiks zu verbieten (FH 2025a). Das Gesetz sieht das Recht auf die Gründung von und den Beitritt zu Gewerkschaften sowie das Recht auf Tarifverhandlungen vor (USDOS 23.4.2024). Allerdings haben öffentliche Angestellte eingeschränktere Organisationsrechte (FH 2025a) und private Arbeitgeber sind gesetzlich nicht verpflichtet, Gewerkschaften anzuer kennen oder Verhandlungen zu führen (FH 2025a; vgl. USDOS 23.4.2024). Gewerkschaftsführer können im Allgemeinen frei von Drohungen und Gewalt seitens der Regierung und der Arbeit geber agieren. Die Arbeitgeber weigern sich nur selten, mit den Gewerkschaften zu verhandeln (USDOS 23.4.2024). Gewerkschaften spielen in Indien jedoch eine relativ geringe Rolle, da nur etwa 10 % der arbeitenden Bevölkerung im formellen Sektor beschäftigt sind und nur ca. 8 % der indischen Arbeitnehmer gewerkschaftlich organisiert sind (ÖB New Delhi 7.2023). In J&K werden die Gewerkschaftsrechte in der Praxis nicht konsequent gewahrt. Im Februar 2024 verhaftete die Polizei von J&K 50 Gewerkschaftsmitglieder, die sich auf eine Protestkundgebung zur Unterstützung der laufenden Bauerndemonstrationen vorbereiteten (FH 2025b). Opposition Die Parteienlandschaft ist vielfältig und die politische Opposition kann sich frei betätigen (AA 5.6.2023). Politische Parteien können sich in der Regel ungehindert bilden (FH 2025a; vgl. USDOS 23.4.2024), und in der Praxis konkurrieren zahlreiche Parteien mit unterschiedlichen Ansichten und Interessen (FH 2025a). Neben den großen nationalen Parteien, wie die hindu- konservative Partei Bharatiya Janata Party (BJP), die seit 2014 an der Macht ist, und die säkulare Kongresspartei Indian National Congress (INC) (ÖB New Delhi 7.2023; vgl. AA 5.6.2023), eins tige Regierungspartei und nun führende Oppositionspartei (ÖB New Delhi 7.2023), gibt es auch überregional wirkende kommunistische Parteien sowie eine Vielzahl von Regionalparteien, die in einzelnen Bundesstaaten allein oder in Koalitionen die Landesregierungen bilden, aber auch auf nationaler Ebene zunehmend nach politischer Bedeutung streben (AA 5.6.2023). Die Wahlen zu Gemeindeversammlungen, Stadträten und Parlamenten auf bundesstaatlicher wie nationaler Ebene sind frei, gleich und geheim. Sie werden - ungeachtet von Problemen, die aus der Größe des Landes, verbreiteter Armut bzw. hoher Analphabetenrate und örtlich vorkommender Manipulationen resultieren - nach Einschätzung internationaler Beobachter kor rekt durchgeführt (AA 5.6.2023). Wahlberechtigt ist jeder indische Staatsbürger ab 18, sofern er nicht aus bestimmten Gründen (Unzurechnungsfähigkeit, Verbrechen, etc.) ausgeschlossen ist. Die Wahlbeteiligung ist generell hoch und zeugt vom ausgeprägten politischen Bewusstsein der indischen Bürger (ÖB New Delhi 7.2023). Es gibt keine Beschränkungen für die Teilnahme von Einzelpersonen jeglicher Gemeinschaft an den Wahlen, doch berichteten Mitglieder der politischen Oppositionsparteien von Hindernissen, darunter Repressalien für Kritik an Regie rungsbeamten oder der Politik, Desinformationsangriffe und die Unmöglichkeit, soziale Medien frei für Wahlkampfzwecke zu nutzen (USDOS 23.4.2024). Die regierende BJP hat verschiedene 32

Instrumente eingesetzt, um den Wahlkampf der Oppositionsparteien einzuschränken. Die Re gierung hat durch das Central Bureau of Investigation (CBI) und das Enforcement Directorate (ED), das für die Untersuchung von Finanzkriminalität zuständig ist, gezielte Korruptionsermitt lungen gegen Oppositionspolitiker durchgeführt, während Vorwürfe gegen politische Verbündete ignoriert werden (FH 2025a). Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikale (z. B. maoistisch-umstürzlerische) Auffassungen anhängen, geht die Regie rung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeits gruppen können sich politisch frei betätigen (AA 5.6.2023). Es gibt keine Berichte der Regierung über politische Gefangene oder Inhaftierte. Allerdings berichten Organisationen der Zivilge sellschaft, Angehörige von Randgruppen und politische Minderheitenparteien mehrfach über politische Gefangene. Sie machen geltend, dass es sich bei denjenigen, die wegen Terrorismus, Verleumdung oder Aufwiegelung inhaftiert oder angeklagt sind, um politische Gefangene han delt, die häufig wegen ihrer Rede, ihres Eintretens oder ihrer gewaltlosen Kritik an der Regierung festgehalten werden (USDOS 23.4.2024). Auslandsaktivitäten bestimmter Gruppen (radikale Sikhs, Kashmiris) werden von der Regierung durch den Geheimdienst beobachtet. Aktivisten, die im Ausland eine in Indien verbotene terroristische Vereinigung unterstützen, werden hierfür nach ihrer Rückkehr strafrechtlich verfolgt (AA 5.6.2023). Menschenrechtsaktivisten berichten, dass die Regierung Spionageprogramme gegen Oppositionspolitiker, Journalisten und andere Personen von Interesse einsetzt (USDOS 23.4.2024). Die in Indien weitverbreitete Praxis der „ Resortpolitik“ [Anm.: „ Luxus Hotel Politik“], bei der politische Führer Abgeordnete unter Druck setzen oder isolieren, um gesetzgeberische oder andere politische Entscheidungen zu beeinflussen, hat zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich der demokratischen Integrität geführt. In früheren Berichten wurden Fälle geschildert, in denen Dutzende von Abgeordneten in Luxushotels gebracht wurden, wo sie blieben, während an einem anderen Ort wichtige Gesetzgebungs- oder andere Sitzungen stattfanden (FH 2025a; vgl. NYT 23.11.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.6.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Indien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093231/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_a syl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Indien_(Stand_April_2023),_05.06.2023.pdf , Zugriff 19.10.2023 [Login erforderlich] ■ FH - Freedom House (2025a): Freedom in the World 2025 - India, https://freedomhouse.org/country /india/freedom-world/2025, Zugriff 4.3.2025 ■ FH - Freedom House (2025b): Freedom in the World 2025 - Indian Kashmir, https://freedomhouse .org/country/indian-kashmir/freedom-world/2025, Zugriff 7.3.2025 ■ HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 - India, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2120041.html, Zugriff 22.1.2025 ■ NYT - New York Times, The (23.11.2024): Formula for Power in Modi’s India: Cash, Detentions and Luxury Resorts, https://www.nytimes.com/2024/11/23/world/asia/india-resort-politics-maharashtra -election.html, Zugriff 14.3.2025 ■ ÖB New Delhi - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (7.2023): Asylländerbericht 2023 - Indien 33

■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107729.html, Zugriff 3.5.2024 13 Haftbedingungen Letzte Änderung 2025-04-14 08:00 Die Haftbedingungen sind häufig lebensbedrohlich (USDOS 23.4.2024; vgl. ÖB New Delhi 7.2023) und entsprechen nicht den westlichen Standards (ÖB New Delhi 7.2023), vor allem wegen der extremen Überbelegung, der unzureichenden sanitären Bedingungen und der mangelnden medizinischen Versorgung (USDOS 23.4.2024; vgl. AA 5.6.2023). Nach Re gierungsangaben ist ein großer Teil der Todesfälle in den Gefängnissen auf Krankheiten wie Tuberkulose und HIV/Aids zurückzuführen, deren Verlauf durch die Haftbedingungen und mangelhafte Versorgung verschlimmert bzw. beschleunigt wird (AA 5.6.2023). Darüber hinaus wurden Vorwürfe über die Tötung von Häftlingen durch Polizisten oder Gefängniswärter erho ben, wobei diese Tötungen in einigen Fällen fälschlicherweise als Selbstmorde oder Todesfälle natürlichen Ursprungs eingestuft wurden (USDOS 23.4.2024). Misshandlungen von Inhaf tierten (FH 2025a; vgl. USDOS 23.4.2024) durch das Gefängnispersonal, insbesondere von Angehörigen marginalisierter Gruppen, sind weit verbreitet (FH 2025a). Das Gesetz verlangt eine gerichtliche Untersuchung jedes Todesfalls in der Haft. Laut Menschenrechtsorganisatio nen wie Human Rights Watch hält sich die Polizei bei Festnahmen, Todesfällen in Gewahrsam oder Folter nicht an die vorgeschriebenen Verfahren. Dies führt dazu, dass die tatsächliche To desursache bei Untersuchungen zu verdächtigen Todesfällen nicht eindeutig ermittelt werden kann und die Statistiken somit unzuverlässig sind (DFAT 29.9.2023). Die internationale Datenbank World Prison Brief beziffert die Zahl der Inhaftierten im Dezember 2022 auf 573.220, davon 75,8 % in Untersuchungshaft und 4,1% Frauen, bei einer offiziel len Kapazität des Gefängnissystems von 436.266 Haftplätzen in 1.330 Haftanstalten (WPB 31.12.2022). Medienberichten zufolge trägt die hohe Zahl der Untersuchungshäftlinge zur Über füllung der Gefängnisse bei (USDOS 23.4.2024). Auf Geschlechtertrennung wird geachtet (ÖB New Delhi 7.2023). Das Gesetz schreibt die Inhaftierung von Jugendlichen in Rehabilitationsein richtungen vor, doch manchmal hielten die Behörden Jugendliche in Erwachsenengefängnissen fest, insbesondere in ländlichen Gebieten (USDOS 23.4.2024; vgl. ÖB New Delhi 7.2023). Die Gefängnisse und Haftanstalten gelten als unterfinanziert und personell unterbesetzt, und es fehlt an ausreichender Infrastruktur. Trinkwasser ist nicht flächendeckend verfügbar (USDOS 23.4.2024). Die Bedingungen variieren von Gefängnis zu Gefängnis, obwohl die Einrichtungen in den zentralen Gefängnissen im Allgemeinen besser sind als die der Bezirksgefängnisse (DFAT 29.9.2023). Es gibt drei Klassen der Unterbringung, wobei die Kategorie A gewisse Privilegien (Einzelzelle, Transistorradio, Verpflegung durch Angehörige) bietet. Der Großteil der Gefange nen (Kategorie C) muss sich allerdings mit spärlichen Verhältnissen zufriedengeben. Hier ist es die Regel, dass sich bis zu 50 Inhaftierte eine Großraumzelle teilen müssen, keine Betten zur Verfügung stehen und im Winter Decken fehlen (ÖB New Delhi 7.2023). Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet, für die Hygiene sind die Häftlinge selbst verantwortlich und rudimentäre ärztliche Versorgung ist ebenfalls regelmäßig gewährleistet (AA 5.6.2023). Doch 34

kann jeder Häftling die Haftbedingungen hinsichtlich Unterbringung, Hygiene, Verpflegung und medizinischer Behandlung durch Geldzahlungen verbessern. Auch ist es üblich, dass Häftlinge von Verwandten zusätzlich versorgt werden (AA 5.6.2023). Berichten zufolge halten sich Polizei und Gefängnispersonal häufig nicht an die Anordnung des Obersten Gerichtshofs zur Durchführung regelmäßiger Kontrollen zur Überwachung der Gewalt in den Gefängnissen. Die Behörden gestatten Häftlingen Beschwerden bei nationalen und [bundes-]staatlichen Menschenrechtskommissionen, deren Befugnisse sich jedoch dar auf beschränken, Empfehlungen auszusprechen. Die Nationale Menschenrechtskommission (NHRC) erhält laufend Beschwerden von Gefangenen über Menschenrechtsverletzungen und führt Untersuchungen durch. Laut Vertretern der Zivilgesellschaft reichen nur wenige Häftlin ge Beschwerde ein, weil sie Vergeltungsmaßnahmen von Gefängniswärtern oder Beamten befürchten (USDOS 23.4.2024). Jeder indische Bundesstaat hat seine eigene Gefängnisordnung. Demnach müssen alle Ge fängnisse sowohl offizielle als auch inoffizielle Besucher empfangen. Offizielle Besucher sind Bezirksbeamte, Richter, Mitglieder der gesetzgebenden Versammlungen und oft auch staatliche Menschenrechtskommissionen. Inoffizielle Besucher sind angesehene Einwohner. Zusammen bilden sie einen Besucherausschuss (Board of Visitors), der die Gefängnisse inspiziert, sich trifft und Lösungen für Probleme im Zusammenhang mit der Gefängnisverwaltung und dem Wohl ergehen der Gefangenen diskutiert (CwHRI o.D.). Die NHRC führte in mehreren Bundesstaaten unangekündigte Besuche zur Überwachung staatlicher Gefängnisse durch. Weder die NHRC noch die Boards of Visitors, beides staatliche Institutionen, die unabhängig arbeiten sollen, wa ren verpflichtet, Berichte über ihre Ergebnisse zu veröffentlichen. Die Zuständigkeit des NHRC erstreckte sich nicht auf militärische Haftanstalten (USDOS 23.4.2024). Das Nationale Sicherheitsgesetz erlaubt es Familienangehörigen und Anwälten, Personen zu besuchen, die aus Gründen der nationalen Sicherheit inhaftiert sind. Außerdem verpflichtet es die Behörden, die Inhaftierten innerhalb von fünf Tagen, in Ausnahmefällen bis zu 15 Tagen, über die Haftgründe zu informieren. Menschenrechtsaktivisten berichten von Fällen, in denen diese Bestimmungen nicht eingehalten werden. Es wird berichtet, dass Gefängniswärter manchmal Schmiergelder von Familien verlangen, um die Inhaftierung ihrer Angehörigen zu bestätigen. Eine Ausnahme gibt es in Jammu und Kaschmir, hier ist es den Behörden erlaubt, Personen ohne Anklage oder gerichtliche Überprüfung bis zu zwei Jahre lang festzuhalten, ohne dass Familienangehörige sie besuchen dürfen (USDOS 23.4.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.6.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Indien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093231/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_a syl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Indien_(Stand_April_2023),_05.06.2023.pdf , Zugriff 19.10.2023 [Login erforderlich] ■ CwHRI - Commonwealth Human Rights Initiative (CHRI) (o.D.): Prison Visiting System, https://hu manrightsinitiative.org/content/prison-visiting-system, Zugriff 5.2.2025 ■ DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (29.9.2023): DFAT COUNTRY INFORM ATION REPORT INDIA, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-information-report-india .pdf, Zugriff 19.10.2023 35

■ FH - Freedom House (2025a): Freedom in the World 2025 - India, https://freedomhouse.org/country /india/freedom-world/2025, Zugriff 4.3.2025 ■ ÖB New Delhi - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (7.2023): Asylländerbericht 2023 - Indien ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107729.html, Zugriff 3.5.2024 ■ WPB - World Prison Brief (31.12.2022): World Prison Brief Data - India, https://www.prisonstudies. org/country/india, Zugriff 5.2.2025 14 Todesstrafe Letzte Änderung 2025-03-19 08:06 Am 1.7.2024 traten drei neue Strafgesetze in Kraft: das Bharatiya Nyaya Sanhita (BNS) [Anm.: Indian Judicial Code / Indisches Gerichtsgesetzbuch], das Bharatiya Nagrik Suraksha Sanhita (BNSS) [Anm.: Indian Civil Defence Code / Indisches Zivilschutzgesetzbuch], das Bharatiya Sak shya Adhiniyam (BSA) [Anm.: Indian Evidence Act / Indisches Beweisgesetz]. Diese Gesetze ersetzen das Indische Strafgesetzbuch (Indian Penal Code, IPC) von 1860, die Strafprozess ordnung (Criminal Procedure Code, CrPC) von 1973 und das Indische Beweisgesetz (India Evidence Act) von 1872 (BAMF 1.7.2024; vgl. P39A 1.2025). Die neuen Strafgesetzbücher führen neue Straftatbestände ein, die mit der Todesstrafe ge ahndet werden können, und schaffen einen Verfahrensrahmen für die Einreichung und Be arbeitung von Gnadengesuchen für zum Tode Verurteilte. Durch das BNS erhöhen sich die mit der Todesstrafe bedrohten Straftaten auf 18 (von zuvor 11 im IPC) (P39A 1.2025), darun ter z.B. Vergewaltigung und Gruppenvergewaltigung von Minderjährigen, Mord (einschließlich Lynchmord mit Todesfolge), Entführung, terroristische Handlungen mit Todesfolge, organisierte Kriminalität mit Todesfolge, Raubüberfälle, Anstiftung zu Straftaten, die mit dem Tode bestraft werden, und falsche Beweise, die zur Verurteilung/Hinrichtung einer unschuldigen Person füh ren (P39A 12.2024). Im Jahr 2024 verabschiedete die Staatsversammlung des Bundesstaates Westbengalen ein Gesetz zur Änderung des Strafrechts in Westbengalen (West Bengal Criminal Laws Amendment Bill, 2024), das die Todesstrafe für die Vergewaltigung erwachsener Frauen und eine obligatorische Todesstrafe für Vergewaltigung mit Todesfolge oder einem anhaltenden vegetativen Zustand vorsieht. Das Gesetz wartet derzeit [Anm.: Stand Februar 2025] auf die Genehmigung durch die Präsidentin (P39A 1.2025). Ende 2024 gab es 564 zum Tode verurteilte Personen in Haft in Indien. Todesurteile werden von Strafgerichten (Sessions Court) verhängt und müssen vom High Court des betreffenden Bundesstaates bestätigt werden. Der High Court kann das Urteil entweder bestätigen, die Strafe umwandeln, das Urteil aufheben oder den Fall an das erstinstanzliche Gericht zurückschi cken. Bei einer Bestätigung des Urteils durch den High Court kann beim Supreme Court [Anm.: Obersten Gerichtshof Indiens] Berufung eingelegt werden (P39A 1.2025). Während Gerichte der ersten Instanz regelmäßig die Todesstrafe verhängen, insbesondere bei sexueller Gewalt und Mord, wandeln höhere Gerichte die meisten Urteile in lebenslange Haftstrafen um (DFAT 29.9.2023). Bei der Umwandlung der Urteile stützen sich sowohl der High Court als auch der Supreme Court auf die lebenslange Haftstrafe ohne Möglichkeit einer vorzeitigen Entlassung aus der Haft. Im Gegensatz dazu können bei einer lebenslangen Haftstrafe verurteilte Personen 36
