2025-09-15-coi-cms-laenderinformationen-indien-version-9-afeb
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
melden wollen, wenn der Täter ein Polizist oder Beamter ist. Es wurde auch berichtet, dass Polizeibeamte sich weigerten, Vergewaltigungsfälle zu registrieren (USDOS 23.4.2024). Mit dem Gesetz zur Änderung des Strafrechts 2013 (Criminal Law (Amendment) Act 2013) steht die Verweigerung der Aufnahme einer Anzeige durch einen (Polizei-) Beamten und in weiterer Folge Ermittlungen einzuleiten unter Strafe (ÖB New Delhi 7.2023). Die Regierung wies die Gesundheitseinrichtungen an, dafür zu sorgen, dass Überlebende aller Formen sexueller Gewalt sofortigen Zugang zu Gesundheitsdiensten einschließlich Notfallverhü tung erhalten. Die Umsetzung der Richtlinien war aufgrund begrenzter Ressourcen und sozialer Stigmatisierung uneinheitlich. Organisationen der Zivilgesellschaft sensibilisierten die Überle benden von sexueller Gewalt und boten ihnen eine überlebensorientierte, nicht stigmatisierende, vertrauliche und kostenlose Betreuung an und erleichterten die Weiterleitung an tertiäre Pflege-, Sozial- und Rechtsdienste. Einige boten auch kurzfristige Unterkünfte für Frauen und Kinder, die eine Vergewaltigung überlebt hatten (USDOS 23.4.2024). Das Programm Swadhar Greh bietet Frauen, die Opfer schwieriger Umstände sind und institutio nelle Unterstützung für ihre Rehabilitation benötigen, Unterkunft, Nahrung, Kleidung, Gesundheit sowie wirtschaftliche und soziale Sicherheit. Es gibt 357 Swadhar Grehs in 30 Bundesstaaten. Die Informationen zu jedem Swadhar Greh sind online zugänglich. Diese Zentren bieten Frau en, die von Gewalt betroffen sind und sich in Not befinden, sowohl im privaten als auch im öffentlichen Raum integrierte Unterstützung und Hilfe durch eine Reihe von Dienstleistungen, einschließlich polizeilicher Unterstützung, medizinischer Hilfe, Rechtshilfe und -beratung, psy chologischer Unterstützung und vorübergehender Unterbringung unter einem Dach (CERD 27.10.2023). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.6.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Indien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093231/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_a syl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Indien_(Stand_April_2023),_05.06.2023.pdf , Zugriff 19.10.2023 [Login erforderlich] ■ BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (7.2024): Länderkurzinformation Indien, Frauen und Minderjährige, https://milo.bamf.de/otcs/cs.exe/fetchcsui/-30231447/Deutschlan d._Bundesamt_für_Migration_und_Flüchtlinge,_Indien_-_Frauen_und_Minderjährige,_01.07.2024 ._(Länderkurzinformation-_Öffentlich).pdf?nodeid=30234079&vernum=-2 , Zugriff 2.8.2024 [Login erforderlich] ■ CCPR - UN Human Rights Committee (CCPR) of the International Covenant on Civil and Political Rights (2.9.2024): Human Rights Committee - Concluding observations on the fourth periodic report of India, https://docstore.ohchr.org/SelfServices/FilesHandler.ashx?enc=FWgVcNI4OVyUckRlbEnbaDHOm/ VJRAevfxu95By/Jr9YGrTBH/xTYVrl8YtqU l q0N0QsGW1ag0v7qHmCRF8Q==, Zugriff 17.2.2025 ■ CERD - UN Committee on the Elimination of Racial Discrimination (27.10.2023): Combined twentieth and twenty-first periodic reports submitted by India under article 9 of the Convention, due in 2010, https://www.ecoi.net/en/file/local/2096433/G2322196.pdf, Zugriff 20.11.2023 ■ FH - Freedom House (2025a): Freedom in the World 2025 - India, https://freedomhouse.org/country /india/freedom-world/2025, Zugriff 4.3.2025 ■ Hindu - Hindu, The (22.6.2024): Bharatiya Nyaya Sanhita has no section dealing with rape of men, transgender persons, https://www.thehindu.com/news/national/gang-rape-of-up-man-highlights-n eed-for-section-377-in-bns-bill/article68320575.ece , Zugriff 10.3.2025 ■ HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 - India, https://www.ecoi.net/de/doku ment/2120041.html, Zugriff 22.1.2025 55

■ ÖB New Delhi - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (7.2023): Asylländerbericht 2023 - Indien ■ USDOS - United States Department of State [USA] (24.6.2024): 2024 Trafficking in Persons Report: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2111685.html, Zugriff 30.1.2025 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107729.html, Zugriff 3.5.2024 17.2 Ehen (arrangierte, Zwangsehen, Mischehen), Ehrenmorde, Mitgiftstreitigkeiten Letzte Änderung 2025-04-14 08:00 DasGesetz legt das Heiratsalter für Frauen auf 18 und für Männer auf 21 Jahre fest und ermäch tigt Gerichte, frühe und erzwungene Ehen zu annullieren. Die Behörden setzten das Gesetz nicht konsequent durch und gingen auch nicht gegen die Praxis vor, Vergewaltigungsopfer zur Heirat zu zwingen (USDOS 23.4.2024). Das fundamentale Recht auf freie Wahl des Ehepart ners wurde 2018 durch höchstrichterliche Rechtsprechung unterstrichen (AA 5.6.2023). Seit dem 31.7.2019 ist in Indien durch Parlamentsbeschluss die islamische Scheidung „Triple Talaq“ [Anm.: instant divorce, sofortige Scheidung] verboten und strafbar (AA 5.6.2023). In der Verfassung ist festgelegt, dass der Staat sich um ein einheitliches Zivilgesetzbuch be müht, das für Angehörige aller Religionen im ganzen Land gilt. Anstelle eines einheitlichen Zivilgesetzbuches gelten jedoch für Angehörige verschiedener Religionsgemeinschaften (der Hindu, Christen, Parsen, Muslime und der jüdischen Gemeinde) in Fragen der Eheschließung, Scheidung, Adoption und Erbschaft je nach Religion, Glauben und Kultur unterschiedliche Per sonenstandsgesetze. Beispiele hierfür sind das Hindu-Ehegesetz (Hindu Marriage Act), das Parsen-Ehe- und Scheidungsgesetz (Parsi Marriage and Divorce Act) und das Gesetz über christliche Eheschließungen (Indian Christian Marriages Act) (USDOS 30.6.2024). Familien rechtliche Streitigkeiten werden vor den örtlichen Gerichten entschieden, manchmal in freier Interpretation des vermuteten Rechts (ÖB New Delhi 7.2023). Alle Paare, die standesamtlich heiraten, darunter häufig auch Paare unterschiedlicher Religi onszugehörigkeit, müssen in der Regel 30 Tage vorher eine öffentliche Bekanntmachung mit Adressen, Fotos und Religionszugehörigkeit veröffentlichen, damit die Öffentlichkeit Stellung nehmen kann. Diese Anforderung variiert jedoch von Staat zu Staat. Hindus, Muslime, Buddhis ten, Sikhs und Jains, die außerhalb ihrer Religion heiraten, müssen damit rechnen, dass sie nach den für diese Gemeinschaften geltenden Personenstandsgesetzen ihre Eigentums- und Erbrechte verlieren. In zehn der 28 Bundesstaaten des Landes - Chhattisgarh, Gujarat, Haryana, Himachal Pradesh, Karnataka, Jharkhand, Madhya Pradesh, Odisha, Uttarakhand und Uttar Pradesh - gibt es Gesetze, die den religiösen Übertritt durch eine Heirat (die ausschließlich zum Zweck einer unrechtmäßigen Konvertierung erfolgt) einschränken (USDOS 30.6.2024) sowie interreligiöse Ehen und den sogenannten „ Love Jihad“ [Anm.: „ Liebesdschihad“] verhindern sollen (USCIRF 5.2024; vgl. FH 2025a). [Für weitere Informationen zu Anti-Konversionsgesetze und „ Liebesdschihad“ siehe Kapitel Religionsfreiheit.] 56

Religions- und kastenübergreifende Ehen Religions- und kastenübergreifende Ehen sind legal und kommen gelegentlich vor, aber viele in dische Familien bevorzugen immer noch arrangierte Ehen innerhalb ihrer eigenen Religion und Kaste. Die meisten Ehen in Indien sind arrangierte Ehen, bei denen die Familie des zukünftigen Ehepartners einen Ehepartner auf der Grundlage von Glauben und Kaste auswählt. Eine Heirat außerhalb dieses Systems wird als „ Liebesheirat“ bezeichnet. Diejenigen, die sich entscheiden, außerhalb ihrer Religion oder Kaste zu heiraten, können Ausgrenzung oder Gewalt durch ihre Familie erfahren, aber das Ergebnis hängt von der Familie ab und es gibt kein typisches Re aktionsmuster. Eine Heirat zwischen Kasten oder Religionen muss nicht, kann aber zu Gewalt führen (DFAT 29.9.2023). In einigen Fällen führt die weitverbreitete Praxis der arrangierten Ehen zu illegalen Zwangsehen. Es wird von Übergriffen auf Frauen berichtet, die sich weigerten zu heiraten (USDOS 23.4.2024). Die Formen möglicher familiärer Belästigung können unterschiedlich sein. Ehrenmorde, ein schließlich Säureangriffe und Tötungsdelikte, sind eine Möglichkeit. Während diese Verbrechen meist mit Gewalt gegen Frauen in Verbindung gebracht werden, können sie auch gegen Män ner verübt werden, insbesondere in Fällen von interreligiösen und kastenübergreifenden Ehen. Es gibt Berichte über Familien, die Betroffene physisch festgehalten oder eingesperrt haben oder Betroffene, die sich versteckten, weil sie befürchteten, dass ihre Familien sie finden und töten würden. Paare aus ländlichen Gebieten, die kastenübergreifende oder interreligiöse Ehen eingehen, können versuchen, in die Anonymität der Städte zu ziehen. Manche nehmen Agenten unter Vertrag, die die Flucht arrangieren können. Zu den Faktoren, die den Umzug von kas ten- oder religionsübergreifenden Paaren in eine größere Stadt beeinflussen können, gehören ihre finanziellen Möglichkeiten, das Ausmaß, in dem ihre Familien die Macht haben, sie zu fin den, ihr Bildungsstand und ihre Beschäftigungsfähigkeit, die Verfügbarkeit eines persönlichen Unterstützungsnetzes und ob sie „ sichtbar anders“ sind (DFAT 29.9.2023). Ehrenmorde Ehrenmorde kommen Berichten zufolge vereinzelt in den nördlichen Bundesstaaten vor, wo die konservativen Khap Panchayats (Versammlung von Stammesältesten, die einen Jat-Clan oder eine Gruppe nordindischer Kasten oder Clans vertritt) noch Einfluss auf die Gemeinden ausüben (BAMF 7.2024). Jat sind eine traditionell ländliche Volksgruppe im Norden Indiens (Sikhs und Hindus) und Pakistans (mehrheitlich muslimisch) (EB 21.2.2025). Offizielle Statistiken zum The ma Ehrenmorde sind kaum verfügbar; es wird davon ausgegangen, dass diese Praxis in Indien nicht weit verbreitet ist (BAMF 7.2024). Andere Quellen berichten hingegen, dass die Praxis durchaus weiter verbreitet ist und die Zahl der Fälle tatsächlich viel höher sei als offiziell berichtet (ASU-GHRH 9.2.2024; vgl. OHRH 7.9.2022). So meldete Indiens Innenminister im Zeitraum von 2017-2019 für Gesamtindien 145 Ehrenmorde, während eine NGO im Zeitraum von 2014-2019 alleine für den Bundesstaat Tamil Nadu Informationen über 195 Fälle gesammelt hat (OHRH 7.9.2022). Die Erfassung zuverlässiger Daten (OHRH 7.9.2022; vgl. ASU-GHRH 9.2.2024) und die Ahndung von Ehrenmorden ist schwierig, da diese oft als Selbstmord oder natürlicher Tod ausgelegt werden (ÖB New Delhi 7.2023). In verschiedenen Teilen des Landes und in mehreren 57

Bundesstaaten Indiens wurden Zufluchtsorte für Paare verschiedener Religionen und Kasten eingerichtet, um sie vor ihren Familien und Gemeinschaften zu schützen, allerdings sind diese oft überfüllt und werden als kaum bewohnbar beschrieben (ASU-GHRH 9.2.2024). Mitgiftstreitigkeiten Auch ist die Praxis der nach dem Dowry Prohibition Act von 1961 verbotenen Zahlung einer Mitgift bei Eheschließungen vonseiten der Familie der Braut weiterhin Tradition. In diesem Zu sammenhang kommt es zur Tötung von Mädchen, geschlechtsselektiven Abtreibungen und Mitgiftmorden (Frauen werden bei unzureichender Mitgift entweder ermordet oder in den Selbst mord getrieben) (BAMF 7.2024). In den meisten Bundesstaaten wurden Mitgiftverbotskommis sare eingesetzt und Gerichte sind verpflichtet, in Fällen von Mitgiftmord die Angeklagten wegen Mordes zu verurteilen (BAMF 7.2024; vgl. USDOS 23.4.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.6.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Indien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093231/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_a syl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Indien_(Stand_April_2023),_05.06.2023.pdf , Zugriff 19.10.2023 [Login erforderlich] ■ ASU-GHRH - Arizona State University - Global Human Rights Hub (9.2.2024): In between honor, rebellion and patriarchy: Honor killings in India, https://newcollege.asu.edu/global-human-rights-h ub/fellows-program/ghr-fellows-blog/namrata , Zugriff 18.2.2025 ■ BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (7.2024): Länderkurzinformation Indien, Frauen und Minderjährige, https://milo.bamf.de/otcs/cs.exe/fetchcsui/-30231447/Deutschlan d._Bundesamt_für_Migration_und_Flüchtlinge,_Indien_-_Frauen_und_Minderjährige,_01.07.2024 ._(Länderkurzinformation-_Öffentlich).pdf?nodeid=30234079&vernum=-2 , Zugriff 2.8.2024 [Login erforderlich] ■ DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (29.9.2023): DFAT COUNTRY INFORM ATION REPORT INDIA, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-information-report-india .pdf, Zugriff 19.10.2023 ■ EB - Encyclopaedia Britannica (21.2.2025): Jat, Ethnic Group, https://www.britannica.com/topic/Jat, Zugriff 31.3.2025 ■ FH - Freedom House (2025a): Freedom in the World 2025 - India, https://freedomhouse.org/country /india/freedom-world/2025, Zugriff 4.3.2025 ■ ÖB New Delhi - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (7.2023): Asylländerbericht 2023 - Indien ■ OHRH - Oxford Human Rights Hub (7.9.2022): Addressing ’Honour Killings’ in India: The Need for New Legislation, https://ohrh.law.ox.ac.uk/addressing-honour-killings-in-india-the-need-for-new-l egislation, Zugriff 18.2.2025 ■ USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom [USA] (5.2024): USCIRF - Annual Report 2024 - India, https://www.ecoi.net/en/file/local/2112004/India.pdf, Zugriff 12.7.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (30.6.2024): 2023 Report on International Reli gious Freedom: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2111881.html, Zugriff 11.7.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107729.html, Zugriff 3.5.2024 17.3 Kinder Letzte Änderung 2025-04-14 08:00 Bei der letzten Volkszählung 2011 gab es 472 Millionen Kinder im Alter von 1-17 Jahren, dies entspricht 39% der Gesamtbevölkerung. Über 30% der Kinder leben in extremer Armut. Die 58

indische Verfassung verleiht Kindern die gleichen Rechte wie allen Bürgern des Landes. Indien hat auch die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert (IOM 7.2024). Zu den Verfassungsgarantien, die speziell für Kinder gedacht sind, gehören: • Das Recht auf kostenlose und obligatorische Grundschulbildung für alle Kinder im Alter von 6-14 Jahren (Artikel 21 A), • das Recht, bis zum Alter von 14 Jahren vor jeder gefährlichen Beschäftigung geschützt zu werden (Artikel 24), • das Recht auf Schutz davor, missbraucht und durch wirtschaftliche Notwendigkeit gezwun gen zu werden, Berufe auszuüben, die ihrem Alter oder ihrer Stärke nicht entsprechen (Artikel 39(e)), • das Recht auf gleiche Chancen und Möglichkeiten, sich gesund und unter Bedingungen der Freiheit und Würde zu entwickeln, • sowie der Schutz vor Ausbeutung und vor moralischer und materieller Aussetzung (Artikel 39(f)), sowie das Recht auf frühkindliche Betreuung und Bildung für alle Kinder bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres (Artikel 45) (IOM 7.2024). Kinder ohne Staatsbürgerschaft oder Geburtsregistrierung haben möglicherweise keinen Zu gang zu öffentlichen Diensten, können sich nicht in der Schule anmelden oder später keine Ausweispapiere erhalten (USDOS 23.4.2024). Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden fallen in die Zuständigkeit der Bundesstaaten, die sie häufig an Gemeinderäte oder Dörfer übertragen. Die Registrierung ist obligatorisch, aber in der Praxis erfolgt die Registrierung und Ausstellung von Geburtsurkunden uneinheitlich und in ländlichen Gebieten ist die Registrierungsrate niedri ger. Doch selbst wenn Kinder registriert sind, fehlt vielen der Nachweis der Registrierung, wenn sie keinen Auszug oder keine Bescheinigung über ihre Geburt erhalten haben (DFAT 29.9.2023). Es gibt Berichte über die Vernachlässigung weiblicher Kinder nach der Geburt sowie über die verbotene Anwendung von pränatalen Tests zur Geschlechtsbestimmung, um weibliche Föten selektiv abzutreiben (FH 2025a). Um dem sinkenden Geschlechtsverhältnis in Indien entge genzuwirken, gibt es seit 1996 ein Gesetz über pränatale Diagnosetechniken (Regulierung und Verhinderung von Missbrauch). Im Jahr 2003 wurde das Gesetz als Gesetz über präkonzeptio nelle und pränatale Diagnosetechniken (Verbot der Geschlechtsselektion) (Pre-Conception and Pre-Natal Diagnostic Techniques (Prohibition of Sex Selection Act, PC-PNDT-Gesetz) überar beitet, und verbietet nun nicht nur die Bestimmung des Geschlechts des ungeborenen Kindes, sondern auch den Einsatz geschlechtsselektiver Technologien (Firstpost 22.10.2024). Zugang zu Bildung Theoretisch sind Dokumente wie die Aadhaar-Karte (eindeutige Identifikationsnummer) erfor derlich, um sich an einer Schule anzumelden (die Anforderungen variieren je nach Bundesstaat und Schule). In der Praxis können sich Personen in der Regel auch ohne diese Dokumente an Schulen einschreiben, die Dokumente werden möglicherweise nicht streng geprüft, oder es kommt zu Dokumentenbetrug undBestechung (DFAT 29.9.2023). 59

Die Verfassung garantiert freie Bildung für Kinder von sechs bis 14 Jahren und es herrscht Schulpflicht in diesem Alter. Die Qualität der Schulbildung ist jedoch unterschiedlich. In Indien besuchen fast alle Kinder im Grundschulalter die Schule (DFAT 29.9.2023). Die letzten verfüg baren Zahlen stammen aus der periodischen Arbeitskräfteerhebung 2018/19 (Periodic Labour Force Survey, PLFS), wonach 93% der Kinder ausschließlich zur Schule gingen, 0,4% waren neben der Schule auch berufstätig, 1,8 % waren nur berufstätig und 4,8% waren weder in der Schule noch berufstätig. Die Daten zeigen, dass Jungen häufiger ausschließlich erwerbstätig waren als Mädchen, während Mädchen häufiger weder zur Schule gingen, noch erwerbstätig waren; auch mit zunehmendem Alter, bei Kindern aus ländlichen Haushalten sowie Kindern aus Gelisteten Kasten oder Stammesgemeinschaften [Anm. Scheduled Castes oder Scheduled Tribes] ist es eher wahrscheinlicher, dass Kinder Schule und Erwerbstätigkeit kombinieren, nur arbeiten oder weder zur Schule gehen noch arbeiten. Arbeitende Kinder sind meist Analpha beten oder verfügen nur über eine geringere Schulbildung (UNICEF 7.2024). Eltern investieren eher in die Bildung ihrer Söhne als in die ihrer Töchter, da in den meisten indischen Kulturen, Mädchen bei der Heirat die Familie verlassen und Teil der Familie des Ehemannes werden (DFAT 29.9.2023). In Indien stellen knappe Schulbudgets, unzureichende Transportmöglichkeiten für Kinder in ländlichen Gebieten, ein Mangel an getrennten und sanitären Waschräumen für Schülerinnen und eine unzureichende Infrastruktur in bestehenden Schulen Hindernisse für den Zugang zu Bildung dar. Hindukinder aus niedrigeren Kasten, Mitglieder von Stammesgemeinschaften und religiöse Minderheiten werden von Bildungsbeamten diskriminiert und schikaniert (USDOL 5.9.2024). In einigen Schulen werden Kinder aus niedrigeren Kasten von anderen Schülern getrennt, erhalten weniger Essen als Kinder aus höheren Kasten, werden auf die hinteren Plätze im Klassenzimmer verwiesen und müssen während des Schultages Aufgaben wie das Reinigen von Toiletten übernehmen (USDOL 5.9.2024; vgl. USDOS 23.4.2024). Kinderarbeit, sexuelle Ausbeutung von Kindern und Kindersoldaten Im Jahr 2023 machte Indien bei den Bemühungen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit moderate Fortschritte. Die Regierung erweiterte ihre Fast-Track-Sondergerich te, die das Gerichtsverfahren bei Sexualdelikten, einschließlich der kommerziellen sexuellen Ausbeutung von Kindern, beschleunigen (USDOL 5.9.2024). Das Gesetz verbietet Kinderpor nografie und setzt das gesetzliche Schutzalter auf 18 Jahre fest. Das Gesetz wird wirksam durchgesetzt. Es ist illegal, für Sex mit einem Kind zu bezahlen, ein Kind zu irgendeiner Form von „ unerlaubtem Geschlechtsverkehr“ zu verleiten oder ein Kind zum Zwecke der kommer ziellen sexuellen Ausbeutung oder des Kindersexhandels zu verkaufen oder zu kaufen. Bei Zuwiderhandlung drohen 10 Jahre Haft und eine Geldstrafe. Zwar verbietet das Gesetz Kindes missbrauch, erkennt aber körperliche Misshandlung durch Betreuungspersonen, Vernachlässi gung oder psychischen Missbrauch nicht als strafbare Handlungen an (USDOS 23.4.2024). Das Gesetz verbietet alle Formen von Zwangs- oder Pflichtarbeit, aber Zwangsarbeit, ein schließlich Schuldknechtschaft für Erwachsene und Kinder war weiterhin weit verbreitet (USDOS 60

24.6.2024). In Indien sind Migrantenkinder, Kinder aus niedrigen Kasten und religiöse Minder heiten anfällig für Kinderarbeit, kommerzielle sexuelle Ausbeutung und familiäre Schuldknecht schaft (USDOL 5.9.2024). Trotz empfindlicher Verschärfung der Strafen für die Beschäftigung von Kindern (AA 5.6.2023) und der Bemühungen der Regierung, umfassen die bestehenden Verbote für gefährliche Arbeiten nicht alle Berufe, in denen Kinder in unsicheren und ungesunden Umgebungen arbeiten, und sind die Strafen für die illegale Beschäftigung von Kindern weiter hin nicht ausreichend (USDOL 5.9.2024). Mit Gesetzesänderungen 2016/2017 wurde zwar ein grundsätzliches Beschäftigungsverbot für Kinder unter 14 Jahren eingeführt, diese Änderungen werden aber von der indischen Zivilgesellschaft aufgrund ihrer weitreichenden Ausnahmere gelungen kritisiert (AA 5.6.2023). So ist es Kindern unter 14 Jahren erlaubt „ Heimarbeit“ zu verrichten (FH 2025a). Berichten zufolge werden Minderjährige von separatistischen Gruppierungen in Jammu und Kaschmir und im Nordosten (Bihar, Odisha, Westbengalen) (BAMF 7.2024) oder auch Manipur, für direkte Kampfhandlungen rekrutiert (ÖB New Delhi 7.2023). Auch bei den maoistischen Rebellen in Chhattisgarh und Jharkhand werden Kinder zwangsrekrutiert (USDOL 5.9.2024; BAMF 7.2024), um sie als Kämpfer, menschliche Schutzschilde, Köche, Träger und Informanten einzusetzen (USDOL 5.9.2024). In Bastar [Anm.: Bezirk im Bundesstaat Chhattisgarh] wurde im März 2025 ein handgeschriebener Brief eines Maoisten mit den Namen von 80 minderjäh rigen Rekruten gefunden. In dem Brief heißt es auch, diese Rekruten würden eine Ausbildung in Guerillakriegsführung, Waffenhandhabung und Herstellung von Sprengsätzen erhalten (ToI 28.3.2025). Kinderehe Das Gesetz legt das gesetzliche Heiratsalter für Frauen auf 18 und für Männer auf 21 Jahre fest und ermächtigt die Gerichte, Früh- und Zwangsehen aufzuheben. Das Gesetz stuft eine Ehe zwischen einem Mädchen unter 18 und einem Jungen unter 21 Jahren nicht als illegal ein, sondern erkennt solche Verbindungen als anfechtbar an. Das Gesetz legt auch Strafen für Personen fest, die Kinderehen durchführen, arrangieren oder an ihnen teilnehmen. Mit dem Ge setz wird in jedem Bundesstaat ein hauptamtlicher Beauftragter für das Verbot von Kinderehen eingesetzt, um Kinderehen zu verhindern. Diese Personen sind befugt, bei Kinderehen einzu greifen, Verstöße gegen das Gesetz zu dokumentieren, Anklage gegen die Eltern zu erheben, Kinder aus gefährlichen Situationen zu befreien und sie den örtlichen Kinderschutzbehörden zu übergeben (USDOS 23.4.2024). Obwohl die Heirat unter 18 Jahren in Indien illegal ist, können Mädchen dennoch früh verheiratet werden, was ihre Ausbildung unterbricht (DFAT 29.9.2023). Nach Schätzungen von UNICEF werden in Indien jedes Jahr mindestens 1,5 Millionen Mädchen unter 18 Jahren verheiratet, womit das Land weltweit die meisten Kinderbräute hat (ÖB New Delhi 7.2023). Die höchsten Raten von Kinderheiraten sind in den Bundesstaaten Uttar Pradesh, Bihar, Westbengalen, Ma harashtra und Madhya Pradesh zu verzeichnen. Kinderheiraten sind in ländlichen Gebieten und in den unteren sozioökonomischen Schichten weiter verbreitet (DFAT 29.9.2023). Die Praxis der Frühverheiratung ist in Indien heute aber weniger verbreitet als noch in früheren Generationen. 61

In ländlichen Gebieten lebende, aus ärmeren Haushalten stammende Mädchen ohne Bildung gelten als besonders gefährdet (BAMF 7.2024). (Nicht-) staatliche Akteure für das Wohl und die Rechte der Kinder • Childline India Foundation: Childline ist Indiens erster kostenloser 24-Stunden-Notrufdienst für Kinder, die Hilfe und Unterstützung benötigen. • Child Rights and You (CRY): CRY ist eine renommierte Organisation, mit Standorten in Mumbai, Bangalore, Delhi, Chennai und Kalkutta, die sich seit 1970 für das Wohlergehen von Kindern einsetzt und dabei hilft, sie zu erziehen. Außerdem setzt sich die Organisation gegen Kinderarbeit und Kindesmissbrauch ein. • Save The Children: Die Organisation ist in 19 Bundesstaaten vertreten und führt in ent legenen und städtischen Gebieten Programme durch, um Kindern hochwertige Bildung, Gesundheitsversorgung, Schutz vor Schaden und Missbrauch sowie lebensrettende Hilfe in Notsituationen zu bieten (IOM 7.2024). Durch die verstärkte Durchsetzung des Foreign Contribution Regulation Act widerrief die Regie rung weiterhin die Lizenzen von Nichtregierungsorganisationen und Organisationen der Zivilge sellschaft, von denen einige sich für die Bekämpfung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit einsetzen (USDOL 5.9.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (5.6.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Indien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093231/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_a syl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Indien_(Stand_April_2023),_05.06.2023.pdf , Zugriff 19.10.2023 [Login erforderlich] ■ BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (7.2024): Länderkurzinformation Indien, Frauen und Minderjährige, https://milo.bamf.de/otcs/cs.exe/fetchcsui/-30231447/Deutschlan d._Bundesamt_für_Migration_und_Flüchtlinge,_Indien_-_Frauen_und_Minderjährige,_01.07.2024 ._(Länderkurzinformation-_Öffentlich).pdf?nodeid=30234079&vernum=-2 , Zugriff 2.8.2024 [Login erforderlich] ■ DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (29.9.2023): DFAT COUNTRY INFORM ATION REPORT INDIA, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-information-report-india .pdf, Zugriff 19.10.2023 ■ FH - Freedom House (2025a): Freedom in the World 2025 - India, https://freedomhouse.org/country /india/freedom-world/2025, Zugriff 4.3.2025 ■ Firstpost - Firstpost (22.10.2024): Why India’s top medical body wants to ’legalise’ gender tests for unborn child, https://www.firstpost.com/explainers/ima-legalise-sex-determination-tests-unborn-chi ld-india-law-13828026.html , Zugriff 31.3.2025 ■ IOM - International Organization for Migration (7.2024): Indien - Länderinformationsblatt 2024, https: //files.returningfromgermany.de/files/CFS_India_2024_DE.pdf, Zugriff 29.1.2025 ■ ÖB New Delhi - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (7.2023): Asylländerbericht 2023 - Indien ■ ToI - Times of India, The (28.3.2025): Outgunned Maoists recruiting even 9-year-olds as soldiers, https://timesofindia.indiatimes.com/india/outgunned-maoists-recruiting-even-9-year-olds-as-soldier s/articleshow/119618729.cms, Zugriff 31.3.2025 ■ UNICEF - United Nations International Children’s Emergency Fund (7.2024): Child Labour and Schooling in India, https://www.unicef.org/innocenti/media/9356/file/UNICEF-Innocenti-Child-labou r-schooling-India-Report-2024.pdf , Zugriff 11.2.2025 62

■ USDOL - United States Department of Labor [USA] (5.9.2024): 2023 Findings on the Worst Forms of Child Labor: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2116189.html, Zugriff 28.10.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (24.6.2024): 2024 Trafficking in Persons Report: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2111685.html, Zugriff 30.1.2025 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: India, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107729.html, Zugriff 3.5.2024 17.4 Sexuelle Minderheiten Letzte Änderung 2025-04-14 08:00 Das Gesetz verbietet die Diskriminierung durch staatliche und nicht staatliche Akteure aufgrund der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität, des Geschlechtsausdrucks oder der Ge schlechtsmerkmale. Die Regierung setzt diese Gesetze jedoch nicht konsequent durch. Im Jahr 2018 erklärte die Indische Psychiatrische Gesellschaft, dass Homosexualität keine Krankheit ist, und 2022 wies die nationale Ärztekommission alle Landesärztekammern an, die sogenannte Konversionstherapie zu verbieten, und bezeichnete sie als „ berufliches Fehlverhalten“.Im All gemeinen verbietet das Gesetz die medizinische oder psychologische Zwangsbehandlung von Erwachsenen (USDOS 23.4.2024). Dennoch werden in Indien nach wie vor Konversionsthera pien für Homosexuelle praktiziert. Das Spektrum der eingesetzten Maßnahmen umfasst Medi kamente, Elektroschocktherapien sowie physische Gewaltanwendung (Sky News 28.7.2023). Im Jahr 2018 entkriminalisierte der Oberste Gerichtshof [Anm. Supreme Court of India] gleich geschlechtliche Beziehungen (USDOS 23.4.2024; vgl. BAMF 4.2024, ÖB New Delhi 7.2023) bzw. Geschlechtsverkehr (AA 5.6.2023; vgl. DFAT 29.9.2023) und 2022 wies das Obergericht [Anm. High Court] von Madras die Regierungen der Bundesstaaten und der Union an, Pläne für Reformen zum Schutz der Rechte von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgender, quee ren oder intersexuellen (LGBTQI+) Personen zu entwickeln (USDOS 23.4.2024; vgl. BAMF 4.2024). Im Jahr 2022 erweiterte der Oberste Gerichtshof die offizielle Definition der Familie um gleichgeschlechtliche Eltern und andere Haushalte, die zuvor als „ atypisch“ eingestuft wor den waren (FH 2025a). Die öffentliche Unterstützung für die gleichgeschlechtliche Ehe nimmt weiter zu (USDOS 23.4.2024). Im Oktober 2023 lehnte es der Oberste Gerichtshof ab, gleich geschlechtliche Ehen zu legalisieren, und nahm stattdessen das Angebot der Regierung an, ein Gremium einzurichten, das die Gewährung bestimmter mit der Ehe verbundener Vorteile für gleichgeschlechtliche Paare prüfen soll (BAMF 4.2024; vgl.HRW 16.1.2025, AI 24.4.2024). Im September 2024 kündigte die Zentralregierung mehrere Maßnahmen zur Integration von Paaren unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität an. Dazu gehör ten eine Richtlinie, Partner in LGBTQI+-Beziehungen bei der Ausgabe von Lebensmittelkarten als Teil desselben Haushalts zu behandeln, keine Einschränkungen bei der Eröffnung eines gemeinsamen Bankkontos und die Benennung eines Partners, der im Todesfall das Kontogutha ben erhält (HRW 16.1.2025). Allerdings sind in den Richtlinien keine Maßnahmen in Bezug auf Erbrechte, Unterhaltszahlungen und steuerliche Vergünstigungen oder Rechte aus dem Arbeits verhältnis, wie Abfindung, Familienpension oder -versicherungen, enthalten (Hindu 5.2.2025). Angehörige sexueller Minderheiten stoßen weiterhin auf Vorurteile und vielfältige Formen der Diskriminierung und werden vereinzelt auch Opfer von Gewalttaten (AA 5.6.2023; vgl. ÖB New 63

Delhi 7.2023, FH 2025a)und Erpressungen (AA 5.6.2023), insbesondere in ländlichen Gebie ten (USDOS 23.4.2024). Quellen des DFAT berichteten von einem Mangel an angemessenem Schutz für sexuelle Minderheiten, von schlechten Bildungs- und Gesundheitschancen und von Intoleranz, Missbrauch und Gewalt in ihrem täglichen Leben. Gespräche über Sexualität sind in Indien generell tabu, sodass LGBTI oft im Verborgenen leben. Obwohl die Gesellschaft im Allgemeinen konservativ ist und LGBTI-Vielfalt ausschließt, gibt es in der Oberschicht, insbe sondere in den Großstädten (vor allem in Delhi und Mumbai), Bereiche der Akzeptanz. Berichten zufolge ist es für gebildete homosexuelle Männer der Oberschicht (weniger für Frauen) möglich, in eine Großstadt zu ziehen und dort ein relativ freies Leben zu führen. In der traditionellen indischen Gesellschaft haben Frauen nicht das gleiche Maß an Handlungsfreiheit wie Männer. Eltern erwarten von ihren Töchtern, dass sie (einen Mann) heiraten und Teil seiner Familie wer den (DFAT 29.9.2023). Dies führt zu einer gewissen „ Unsichtbarkeit“ [Anm.: in der Gesellschaft] für lesbische und bisexuelle Frauen (DFAT 29.9.2023). Sexuelle Minderheiten, insbesondere lesbische, bisexuelle und transgender Frauen sind einem höheren Risiko für Zwangsehen, Ver gewaltigung in der Ehe, emotionaler Erpressung und korrektiver Vergewaltigung seitens ihrer Familien ausgesetzt (ILGA Asia 19.4.2022). Laut Quellen des DFAT habe die Entkriminalisierung 2018 zwar eine Verbesserung für das Le ben sexueller Minderheiten gebracht, da weniger oft Erpressungen von Bestechungsgeld durch Polizeibeamte erfolgt, allerdings wird auch berichtet, dass sich noch immer viele Menschen im Land, einschließlich Polizisten, der Gesetzesänderungen nicht bewusst sind, und es noch immer dazu komme, dass Polizisten auf Basis der aufgehobenen Gesetze Ermittlungen durch führen oder Personen erpressen (DFAT 29.9.2023). Berichten zufolge verübten Polizeibeamte Straftaten gegen Angehörige sexueller Minderheiten und zwangen die Opfer unter Androhung von Verhaftung, die Vorfälle nicht zu melden. Mithilfe von NGOs boten mehrere Bundesstaaten der Polizei Aufklärungs- und Sensibilisierungsschulungen an. Experten räumten ein, dass einige Strafverfolgungsbeamte dazu neigen, sich auf die Seite der Familieninteressen gegen Mitglie der sexueller Minderheiten zu stellen (USDOS 23.4.2024). Gewalt durch Familien gegenüber Angehörigen sexueller Minderheiten kommt häufig vor (DFAT 29.9.2023). Es gab keine Berichte über Einschränkungen bei der Äußerung von LGBTQI+-Themen oder bei der Möglichkeit, entsprechende Veranstaltungen legal zu registrieren oder einzuberufen (USDOS 23.4.2024). Es gibt immer mehr Online-Räume für die LGBT+-Gemeinschaft und eine gewisse Repräsentation von LGBT+-Personen in der digitalen Mainstream-Werbung, im Fernsehen und in den Medien. Zivilgesellschaftliche Organisationen bemerken jedoch, dass sexuelle Minderheiten und ihre Erfahrungen in der Online-Berichterstattung nicht angemessen berücksichtigt werden (FH 16.10.2024). Situation von Transgender-Personen Indien hat seiner Transgender-Bevölkerung besondere Rechte eingeräumt. Seit 2014 werden diese offiziell als drittes Geschlecht (z. B. auch in Dokumenten) anerkannt. Die Gründe dafür sind aber nicht Toleranz gegenüber nicht-binären Formen der Sexualität, sondern die Tradition der Hijras (ÖB New Delhi 7.2023), eine Bezeichnung für Transgender-Personen, Intersexuelle 64
