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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
Schulkinder sind von den Angriffen von Boko Haram auf die säkulare Bildung betroffen. Angriffe auf Schulen durch Boko Haram und andere bewaffnete Gruppen haben zur Schließung oder Zerstörung von Tausenden von Grund-, Sekundar- und Hochschuleinrichtungen geführt. Auch die Entführung von Schülern durch bewaffnete Gruppen und Kriminelle, die Lösegeld fordern, ist ein ernstes Problem, insbesondere im Norden Nigerias. Im März 2024 griffen bewaffnete Männer zwei Schulen im Nordwesten Nigerias an und entführten fast 300 Schüler. Ebenso wurden Schüler in nicht regulierten islamischen Schulen, die seit Jahrzehnten bestehen, misshandelt. Einige Eltern haben diese Schulen als Erziehungshilfe in Anspruch genommen, da es in weiten Teilen Nigerias kein solides System für die Wiedereingliederung von Kindern und Jugendlichen gibt (FH 2025). Die Frauen und Mädchen werden im Bereich der Bildung nach wie vor stark diskriminiert und behindert, vor allem im Norden (USDOS 23.4.2024). Der Child Rights Act sieht bei einer Eheschließung ein Mindestalter von 18 Jahren vor (USDOS 23.4.2024; vgl. ÖB Abuja 10.2024). Zwangsheirat und Kinderheirat sind in Nigeria nach diesem Gesetz ein Verbrechen. Jedoch lassen Gewohnheits- und islamische Gesetze, insbesondere in den nördlichen Regionen, weiterhin Praktiken wie Zwangsverheiratungen zu. In einigen Bun desstaaten können Kinder bereits im Alter von elf Jahren nach gewohnheitsrechtlichen oder religiösen Gesetzen legal verheiratet werden, da die Pubertät als Zeitpunkt gilt, an dem ein Mäd chen alt genug ist, um verheiratet zu werden. Das formelle Recht bietet für Opfer von Kinderehen keinen ausreichenden Schutz (EUAA 6.2024). Vor allem die nördlichen Bundesstaaten halten sich nicht an das offizielle Mindestalter auf Bundesebene (USDOS 23.4.2024). Kinderehen, in denen Mädchen in jungen Jahren mit zumeist älteren Männern verheiratet werden, sind folglich vor allem im Norden des Landes verbreitet (AA 8.1.2025; vgl. ÖB Abuja 10.2024). Die Prävalenz von Kinder-, Früh- und Zwangsheiraten ist von Region zu Region sehr unterschiedlich und reicht von zehn Prozent im Südosten bis hin zu 76 Prozent im Nordwesten (ÖB Abuja 10.2024). Ins gesamt heiraten schätzungsweise 30 Prozent (im Norden 78 %) (AA 8.1.2025), nach anderen Angaben rund vier von zehn Mädchen vor dem 18. Geburtstag (ÖB Abuja 10.2024; vgl. EUAA 6.2024, FH 2025). Noch jüngere Daten weisen auf einen Rückgang der nationalen Prävalenz von 44 auf 30 Prozent hin. Trotz allem sind die Fortschritte schleppend und uneinheitlich (EUAA 6.2024). Kinderehen führen oft zu Schwangerschaften in jungem Alter mit gesundheitlichen Schädigungen sowie dem vorzeitigen Abbruch der Schulbildung (AA 8.1.2025). Armut, kultu relle Normen, religiöse Überzeugungen, aber auch mangelnde Sicherheit und Entführungen beeinflussen die Prävalenz von Kinder- und Zwangsehen. Boko Haram und andere bewaffnete Gruppen in der Nordostregion zwingen viele Frauen und Mädchen zur Heirat. In Nigeria gibt es NGOs, die sich auf die Verhinderung von Kinderheirat und die Unterstützung der Opfer kon zentrieren. Die Coalition of Civil Society to End Child Marriage (Koalition der Zivilgesellschaft zur Beendigung der Kinderheirat) beispielsweise besteht aus 60 Mitgliedern und arbeitet an Aktivitäten zur Beendigung der Kinderheirat in Nigeria und trägt zu diesbezüglichen nationalen und regionalen Strategien bei. Die International Federation of Women Lawyers (FIDA) bietet außerdem kostenlose Rechtsvertretung, Lobbyarbeit, Bildung und Unterstützungsdienste zum Schutz der Rechte und des Wohlergehens von Mädchen in Nigeria (EUAA 6.2024). 57

Mit traditionellen Glaubensvorstellungen verbundene Rituale und der in Bevölkerungsteilen verbreitete Glaube an Kinderhexen führen zu teils schwersten Menschenrechtsverletzungen (Ausgrenzung, Aussetzung, Mord) an Kindern, insbesondere an Kindern mit Behinderungen (AA 8.1.2025; vgl. USDOS 23.4.2024). Entsprechende Fälle werden überwiegend aus der südlichen Hälfte Nigerias berichtet, besonders gehäuft aus dem Südosten und den Bundesstaaten Akwa Ibom und Edo (AA 8.1.2025). Auch der eingeschränkte Zugang zur Gesundheitsversorgung gefährdet das Wohlergehen der Kinder. Im September 2020 gab UNICEF bekannt, dass Nigeria Indien als das Land mit den meisten Todesfällen bei Kindern unter fünf Jahren überholt hat (ÖB Abuja 10.2024). Unter ernährung ist ein immer größer werdendes Problem, rund 2,5 Millionen Kinder leiden an akuter Unterernährung. Insbesondere im Norden des Landes ist die Situation prekär, Unterernährung ist dort die häufigste Todesursache bei Kindern (SOS-Kd o.D.b). Rund elf Millionen Kinder unter 14 Jahren müssen in Nigeria Zwangsarbeit verrichten, viele von ihnen sind extrem gefährlichen Bedingungen ausgesetzt. Sie arbeiten gegen geringe Entloh nung oder völlig unentgeltlich und haben keine Chance auf eine ordentliche Bildung (SOS-Kd o.D.b). Im Jahr 2023 hat Nigeria minimale Fortschritte bei den Bemühungen um die Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit gemacht. Die Regierung hat im Rahmen des Projekts der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) „Accelerating Action for the Elimination of Child Labor in Supply Chains in Africa“ die Oke Agunla Community School renoviert und 110 von Kinderarbeit bedrohte Kinder eingeschult. Das nigerianische Mindestalter für die Aufnahme von Arbeit entspricht nicht den internationalen Standards, da es nicht für Kinder gilt, die selbständig oder in der Schattenwirtschaft tätig sind, und der Bundesstaat Kano verbietet nicht den Ein satz von Kindern für illegale Aktivitäten (USDOL 2024). Kinderarbeit ist stark verbreitet, nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) befinden sich ca. 25 Millionen Kinder unter 17 Jahren in Kinderarbeit. Ungefähr 14 Millionen Kinder verrichten besonders gefährliche Tätigkeiten unter arbeitsrechtlichen Bedingungen, die als Ausbeutung zu bezeichnen sind (AA 8.1.2025). Es gibt Gesetze gegen Kindesmissbrauch, die jedoch von jedem Staat ratifiziert werden müssen, und nicht alle Staaten haben sie ratifiziert (USDOS 23.4.2024). Kindesmissbrauch ist nach wie vor im ganzen Land verbreitet (USDOS 23.4.2024; vgl. ÖB Abuja 10.2024), aber die Regierung hat keine nennenswerten Maßnahmen zu seiner Bekämpfung ergriffen (USDOS 23.4.2024). Jedes zweite Kind hat körperliche Gewalt erfahren, jedes vierte Mädchen und jeder zehnte Junge hat sexuelle Gewalt erlebt. Zum Kindesmissbrauch gehören auch Fälle von Kinderarbeit, Kinderhandel und Opferritualen (ÖB Abuja 10.2024). Seit Beginn des Konflikts im Nordosten wurden Tausende von Kindern getötet, verletzt, entführt oder von ihren Familien getrennt. Im Nordosten sind 57 Prozent der Binnenflüchtlinge Kinder. Zahlreiche andere leiden aufgrund der Gewalt, die sie erlebt haben, unter psychosozialen Pro blemen und psychischen Störungen. Bewaffnete Gruppen haben alleine zwischen 2009 und 58

2019 schätzungsweise 9.400 Kinder rekrutiert, um Bombenanschläge, einschließlich Selbst mordattentate und Angriffe, zu verüben. Bis heute hält diese Rekrutierung weiter an (ÖB Abuja 10.2024). SOS-Kinderdorf schützt und unterstützt seit den frühen 1970er-Jahren bedürftige Kinder in Ni geria. An sieben Standorten in ganz Nigeria arbeitet SOS-Kinderdorf mit den lokalen Gemeinden und Organisationen zusammen, um sicherzustellen, dass die Familien zusammenbleiben kön nen. Für Kinder, die die elterliche Fürsorge verlieren, stehen SOS-Kinderdörfer zur Verfügung. Auch im Bereich der Bildung betreibt SOS-Kinderdorf verschiedene Projekte. Die hohe Arbeits losenrate erschwert es den jungen Menschen, selbstständig zu werden. SOS-Kinderdorf bietet jungen Menschen Unterstützung, Schulung und Beratung, bis sie ein selbstständiges Leben führen können (SOS-Kd o.D.b). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (8.1.2025): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Nigeria (Stand: September 2024), https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/app/nodes/30496494, Zugriff 23.5.2025 [Login erforderlich] ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.12.2023): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Nigeria (Stand: November 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2102769/Auswärtige s_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria,_21.12.2023.pdf , Zugriff 27.5.2024 [Login erforderlich] ■ EUAA - European Union Agency for Asylum (6.2024): Nigeria - Country Focus, https://www.ecoi.net /en/file/local/2112320/2024_07_EUAA_COI_Report_Nigeria_Country_Focus.pdf, Zugriff 29.7.2024 ■ FH - Freedom House (2025): Nigeria: Freedom in the World 2025, https://freedomhouse.org/count ry/nigeria/freedom-world/2025, Zugriff 12.5.2025 ■ ÖB Abuja - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2024): Asylländerbericht Nigeria Oktober 2024, https://www.ecoi.net/en/file/local/2116558/NIGR_ÖB-Bericht_2024_10.docx , Zugriff 24.10.2024 [Login erforderlich] ■ SOS-Kd - SOS-Kinderdorf (o.D.a): SOS-Kinderdörfer in Nigeria, https://www.sos-kinderdorf.at/so-h ilft-sos/wo-wir-helfen/afrika/nigeria , Zugriff 23.7.2024 ■ SOS-Kd - SOS-Kinderdorf (o.D.b): SOS Kinderdorf Nigeria, https://www.sos-kinderdoerfer.de/info rmieren/wo-wir-helfen/afrika/nigeria, Zugriff 23.7.2024 ■ USDOL - United States Department of Labor [USA] (2024): Findings on the Worst Forms of Child Labor - Nigeria, https://www.dol.gov/agencies/ilab/resources/reports/child-labor/nigeria , Zugriff 2.12.2024 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107771.html, Zugriff 3.6.2024 18.4 Homosexuelle Letzte Änderung 2025-08-08 07:18 Homosexuelle Handlungen jeglicher Art sind – unabhängig vom Geschlecht der betroffenen Personen – sowohl nach säkularem Recht als auch nach Scharia-Recht (Körperstrafen bis hin zum Tod durch Steinigung in besonderen Fällen) strafbar (AA 8.1.2025; vgl. ÖB Abuja 10.2024, EUAA 6.2024, HRW 16.1.2025). Nigeria ist eines der Länder, die auch Geschlechtsverkehr zwischen Frauen ausdrücklich unter Strafe stellen. In den Antidiskriminierungsgesetzen wird die sexuelle Ausrichtung nicht als eigener Schutzgrund genannt (EUAA 6.2024). 59

Der Criminal Code (Strafgesetz, südliche Staaten) aus dem Jahr 2004, das in den meisten südli chen Bundesstaaten als staatliches Gesetz gilt, sieht für einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen eine Freiheitsstrafe von 14 Jahren und für „ grobe Unsittlichkeit“ drei Jahre vor. In den nördlichen Bundesstaaten sieht der Penal Code (Strafgesetz, nördliche Staaten) von 1959 eine Freiheitsstrafe von 14 Jahren für einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen vor (EUAA 6.2024). Darüber hinaus gilt in zwölf nördlichen Bundesstaaten das Scharia Recht, wo ho mosexuelle Handlungen mit Tod durch Steinigung bestraft werden können (USDOS 23.4.2024; vgl. ÖB Abuja 10.2024, EUAA 6.2024). Obwohl dieses Gesetz von den Behörden aktiv ange wendet wurde, kam es im Laufe des Jahres 2023 zu keiner Hinrichtung (USDOS 23.4.2024). Der im Jänner 2014 verabschiedete Same Sex Marriage Prohibition Act (SSMPA) sieht vor, dass homosexuelle Paare, die heiraten oder öffentlich ihre Zuneigung zeigen, mit Haft bestraft werden können. Das Gesetz sieht bis zu 14 Jahre Haft für Eheschließungen und zivilrechtliche Partnerschaften zwischen zwei Frauen oder zwei Männern vor. Wer seine Liebesbeziehung zu einem Menschen des gleichen Geschlechts direkt oder indirekt öffentlich zeigt, soll dem Gesetz zufolge mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden können (ÖB Abuja 10.2024; vgl. HRW 16.1.2025, USDOS 23.4.2024). Die gleiche Strafe ist für die Gründung und Unterstützung von Clubs, Organisationen oder anderen Einrichtungen für Schwule und Lesben vorgesehen (ÖB Abuja 10.2024; vgl. AA 8.1.2025, HRW 16.1.2025). Im Jahr 2022 wurde ein Gesetzesentwurf des Parlaments zum Verbot von Crossdressing in zweiter Lesung als „ verfassungswidrig“ eingestuft. Im April 2024 zitierten Quellen den PR-Be auftragten der Polizei mit der Aussage, dass Menschen wegen Crossdressing nicht verhaftet werden können, da es sich nicht um eine Straftat handelt. In den nördlichen Bundesstaaten, in denen die Scharia gilt, ist Crossdressing jedoch nach wie vor illegal (EUAA 6.2024). Insgesamt gibt es keine systematische staatliche Verfolgung oder aktive Überwachung von An gehörigen sexueller Minderheiten (STDOK 15.9.2020; vgl. ÖB Abuja 10.2024). Die Rechtsände rung durch den SSMPA hat bisher nicht zu einer flächendeckenden verschärften Strafverfolgung geführt (AA 8.1.2025). Von Zeit zu Zeit wird von Verhaftungen ganzer Feiergesellschaften auf „ homosexuellen Geburtstagsparties“ berichtet. In diesen Fällen kommt es auch zu Anklagen und Gerichtsverfahren, die jedoch nicht in Verurteilungen münden (ÖB Abuja 10.2024; vgl. EUAA 6.2024). Die Polizei geht häufig auch dann gegen Treffen von Homosexuellen vor, wenn es zu keinen sexuellen Handlungen gekommen ist und daher keine Rechtsgrundlage vorliegt (AA 8.1.2025). Die Anwendung von Strafgesetz und Scharia gestaltet sich schwierig, denn es gilt der Nachweis gleichgeschlechtlichen Sexualverkehrs. Auch unter dem SSMPA gab es kaum Anklagen. Üblicherweise verlaufen Gerichtsfälle unter diesen Gesetzen im Sand. Allerdings werden manchmal andere Vergehen vorgeschoben, um eine Verurteilung zu vereinfachen. Zu dem schafft die Existenz der spezifisch auf sexuelle Minderheiten anwendbaren Gesetze die Basis dafür, dass Personen von staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren drangsaliert, bedroht oder erpresst werden können. Verhaftungen wiederum ziehen kaum jemals Anklagen nach sich, sondern dienen in erster Linie der Erpressung (STDOK 15.9.2020). 60

Seit der Verabschiedung des SSMPA werden Angehörige sexueller Minderheiten noch häufi ger Opfer von Mob-Angriffen und Polizeigewalt (AA 8.1.2025). Die Menschenrechtsverletzun gen reichen von Massenverhaftungen unter dem Vorwand einer Ehe gleichgeschlechtlicher Partner, illegale Durchsuchungen, Erpressung, Entführung, Mob-Gewalt, Erpressung, Körper verletzung, Diebstahl, Vergewaltigung, Verletzung der Privatsphäre, Bekehrungspraktiken, ge waltsame Zwangsräumung, unrechtmäßige Entlassung, Diskriminierung in allen Bereichen der Gesellschaft bis zu verschiedenen Formen der Belästigung durch staatliche und nicht-staatliche Akteure. Der Standort und die sozioökonomische Schicht der betroffenen Personen haben einen erheblichen Einfluss auf den Umgang mit diesen und das Ausmaß dieser Übergriffe (TIERS 3.2024). Angehörige sexueller Minderheiten sind Gewalt durch die Polizei ausgesetzt, darun ter willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen, körperliche Misshandlungen und Erpressung (EUAA 6.2024). Die überwiegende Mehrheit von Menschenrechtsverletzungen gegenüber Angehörigen sexuel ler Minderheiten geht jedoch von nicht-staatlichen Akteuren aus. Staatlicher Schutz ist diesbe züglich nicht zu erwarten (TIERS 28.6.2021; vgl. STDOK 15.9.2020). Im aktuellen TIERS-Bericht für das Jahr 2023 wird erwähnt, dass in 137 Fällen von Menschenrechtsverletzungen im Be reich sexueller Minderheiten staatliche Akteure die Täter waren, in 854 Fällen nicht-staatliche Akteure (TIERS 3.2024). Zu Ermittlungen kommt es nicht. Dieses Phänomen betrifft aber nicht nur Angehörige sexueller Minderheiten, vielmehr ist der Standard der Polizei allgemein niedrig. Allerdings kommt es bei dieser Personengruppe mitunter sogar zur Nötigung oder Verhaftung des Opfers (STDOK 15.9.2020). Laut TIERS zeigen staatliche Beamte, einschließlich der Straf verfolgungsbehörden, oft einen Mangel an Bereitschaft oder Kapazität, Fälle zu bearbeiten, die sexuelle Minderheiten betreffen. Opfer suchen keine Hilfe aufgrund von Stigmatisierung und Diskriminierung oder aus Angst, angegriffen oder verhaftet zu werden (EUAA 6.2024). Eine andere Möglichkeit, Gerechtigkeit zu suchen, besteht in der Anrufung der National Hu man Rights Commission (NHRC). Zwar bleibt der offizielle staatliche Diskurs bezüglich sexueller Minderheiten von Homophobie geprägt. Trotzdem gibt es in staatlichen Bereichen Anknüpfungs punkte – v. a. im Gesundheitsbereich und eben bei der NHRC. Positive Trends sind hier sichtbar im Bereich der Kooperation mit der NHRC und der Anerkennung von Menschenrechtsverletzun gen durch diese Behörde (STDOK 15.9.2020). Im Jahresbericht der NHRC für das Jahr 2022 heißt es, dass sie mit NGOs zusammenarbeitet, um Schulungen für Strafverfolgungsbeamte zu Angelegenheiten sexueller Minderheiten abzuhalten, um deren Schutz zu verbessern (EUAA 6.2024). Die Zustimmung der Bevölkerung zum SSMPA und anderen Strafmaßnahmen gegenüber sexu ellen Minderheiten ist immer noch hoch, doch ist diese zugleich innerhalb weniger Jahre auch drastisch gesunken. Immer mehr Menschen sind zudem bereit, ein homosexuelles Familienmit glied zu akzeptieren. Mit vermehrter Toleranz sinkt die Radikalität der Homophobie. Allerdings ist die Gewaltschwelle in Nigeria generell niedrig. Während in den Medien eine negative Be richterstattung über sexuelle Minderheiten weiterhin vorherrscht, ist auch dort ein Trend zur Liberalisierung bemerkbar. Immer wieder kommt es nun zu sachlicher Berichterstattung, auch Filme zur Thematik wurden veröffentlicht (STDOK 15.9.2020). 61

Das Gesetz verbietet die Diskriminierung durch staatliche oder nicht-staatliche Akteure aufgrund der sexuellen Ausrichtung oder der Geschlechtsidentität nicht. Angehörige sexueller Minderhei ten berichten von Diskriminierungen bei der Beschäftigung, bei der Wohnungssuche und beim Zugang zur Gesundheitsversorgung aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen sexuellen Ausrichtung oder Geschlechtsidentität oder -ausdruck (USDOS 23.4.2024). Gesellschaftliche Diskriminierung bei offenem Zurschaustellen der sexuellen Orientierung ist vorhanden (ÖB Abuja 10.2024) bzw. „ allgegenwärtig“ (EUAA 6.2024). Das gesellschaftliche Kli ma Homosexuellen gegenüber ist feindselig (AA 8.1.2025). Konservative religiöse gesellschaft liche Normen werden als Hauptgrund für die Homophobie in Nigeria beschrieben. Religiöse Institutionen und Persönlichkeiten verbreiten homophobe Botschaften. Homophobe Einstellun gen sind in der nigerianischen Gesellschaft tief verwurzelt (EUAA 6.2024). Es kann nach wie vor riskant sein, sich gegenüber der Familie als homosexuell zu outen. Es kann zum Verstoßen, zum Einsperren, zu Gewalt oder zur Zuführung zu einer „ Konversionstherapie“ („ conversion therapy“) kommen. Allerdings sinkt die Ablehnung homosexueller Familienmitglie der und gleichzeitig steigt deren Akzeptanz. Generell gehen viele Nigerianer mit ihrer Sexualität nicht offen um. Das gesellschaftliche Umfeld führt zur Geheimhaltung gleichgeschlechtlicher Beziehungen. Zahlreiche Angehörige sexueller Minderheiten sind „ normal“ verheiratet. Dies dient einerseits der Verschleierung, andererseits dem Entsprechen sozialer Normen (STDOK 15.9.2020). Angehörige sexueller Minderheiten werden durch eine kriminelle Praxis namens Kito ins Visier genommen, bei der sie über Online-Dating-Apps angelockt und später, meist von einer Gruppe von Männern, angegriffen und ausgeraubt werden. Die Angriffe werden manchmal gefilmt und zur Erpressung der Opfer verwendet. Einige dieser Videos werden im Internet veröffentlicht und können zum Verlust des Arbeitsplatzes, zur Räumung der Wohnung, zur Ablehnung durch Familienmitglieder und zur Verschlechterung der psychischen Gesundheit führen. TIERS be zeichnete Zwangsräumungen im Anschluss an Erpressungen als einen „ anhaltenden Trend“. Es handelt sich bei den Opfern meist um Schwule und queere Männer, aber auch Frauen, die se xuellen Minderheiten angehören, werden durch Kito ins Visier genommen, einschließlich Fälle, in denen der Täter vorgab, von der Polizei zu sein (EUAA 6.2024). Praktiken zur Änderung der sexuellen Orientierung sind in Nigeria üblich, einschließlich medi zinischer und religiöser Therapien. Laut TIERS praktizieren einige religiöse Führer Konversi onstherapien, um homosexuelle Personen zu „ heilen“, während CNN über die Geschichte einer lesbischen Frau berichtete, die von ihrer Familie in eine Kirche geschickt wurde, um sie „ von Dämonen zu befreien“. Zwischen Dezember 2022 und November 2023 dokumentierte TIERS 15 Fälle von Konversionspraktiken. Es gibt auch Berichte über unangemessene Operationen, die an intersexuellen Menschen vorgenommen wurden, manchmal ohne deren Zustimmung (EUAA 6.2024). In Nigeria gibt es weder eine transgenderbezogene Gesetzgebung noch eine entsprechende gesellschaftsbezogene Sensibilisierung (AA 8.1.2025). In mehreren Großstädten können Angehörige und Communities sexueller Minderheiten freier leben. Zudem gibt es dort ein größeres Ausmaß an möglicher Unterstützung. Der maßgebliche 62

Vorteil ist die Anonymität. Diese sinkt naturgemäß im ländlichen Raum – aber auch in den Slums der Großstädte. Es gibt aber auch konträre Meinungen, wonach nämlich die Gesellschaft in bestimmten ländlichen Gebieten toleranter sei als in der Stadt. Die meisten dokumentierten Fälle von Menschenrechtsverletzungen betreffen Städte. Dies kann aber freilich auch damit zu tun haben, dass dort Vorfälle eher gemeldet und dokumentiert werden (STDOK 15.9.2020). Homosexuellen-NGOs arbeiten weiter, die Netzwerke sind sogar ausgebaut und sichtbarer ge worden. Die Zahl an Organisationen hat sich nahezu verdreifacht. Nur in seltenen – dokumen tierten – Ausnahmefällen kam es zu staatlichen Maßnahmen gegen NGOs. Fördergelder werden weiterhin gezahlt und sind nach Angaben einer Quelle sogar gestiegen (STDOK 15.9.2020). Lokale NGOs sammeln Informationen zu Menschenrechtsverletzungen an Angehörigen sexuel ler Minderheiten. Ein Beispiel für eine umfangreiche Datensammlung dieser Art stellt der jährlich aktualisierte Menschenrechtsbericht von TIERs und kooperierenden NGOs dar. Einige NGOs betreiben Hotlines bzw. stellen Telefonnummern für Notfälle zur Verfügung. Die meisten Quellen gehen davon aus, dass etwa in Polizeigewahrsam geratene Personen wissen, wen sie zur Unter stützung anrufen können. Die Unterstützung wird in erster Linie zwecks Kautionszahlung („ bail out“) geleistet (STDOK 15.9.2020). Dennoch sind Organisationen, die sich für die Rechte sexu eller Minderheiten einsetzen, in Nigeria faktisch verboten, mit Ausnahme von Organisationen, die Rechtsberatung anbieten oder über HIV und AIDS aufklären. Die Initiative für Frauenge sundheit und Gleichberechtigung (Women’s Health and Equal Rights Initiative, WHER) bietet psychosoziale Unterstützung für lesbische, bisexuelle und queere Frauen, während Love Is a Crime auch rechtliche und psychologische Unterstützung für Angehörige sexueller Minderheiten bietet, die Opfer von Menschenrechtsverletzungen sind (EUAA 6.2024). Einige Anwälte und Vereinigungen stellen Angehörigen sexueller Minderheiten Rechtshilfe zur Verfügung. Diese kommt u. a. beim sogenannten „ bail out“ aus dem Polizeigewahrsam zu tragen. Gelangt ein Fall tatsächlich vor Gericht, kommt es üblicherweise zur (juristischen) Intervention von NGOs (STDOK 15.9.2020). Netzwerke sexueller Minderheiten sind v. a. in großen Städten präsent und aktiv. Vormals gab es im ländlichen Bereich wenn, dann aus dem Gesundheitsbereich heraus aktive Organisatio nen. Nunmehr versuchen einige städtische Netzwerke, ihre Arbeit auch auf ländliche Gegenden auszudehnen. Insgesamt hat sich die Reichweite der Netzwerke in den letzten Jahren verbes sert. Sprachgrenzen und Infrastruktur stellen allerdings Barrieren dar. In den meisten Fällen wissen Angehörige sexueller Minderheiten, wen bzw. welche Organisation sie bei Bedarf kon taktieren können. Angehörige sexueller Minderheiten können sich durch einen Umzug in eine (andere) Stadt oder einen anderen Stadtteil aus einer direkten Risikolage befreien. Netzwerke und NGOs der Community unterstützen Personen bei diesem Schritt. In einigen Städten gibt es auch von NGOs organisierte Notquartiere (safe house / shelter). Es kommt mitunter auch zu „ Zuweisungen“ bedrohter Personen von einer Stadt in eine andere (STDOK 15.9.2020). Grundsätzlich ist weibliche Homosexualität weniger stark tabuisiert als männliche. Homosexu elle Frauen sind in geringerem Ausmaß von Verhaftungen und Menschenrechtsverletzungen 63

bedroht und betroffen. Allerdings sind ihre Netzwerke schwächer. Mitunter kommt es zu Ver gewaltigungen und anderen Formen von Gewalt. Manche Frauen werden von ihren Familien eingesperrt oder zwangsweise zu „Therapien“ gezwungen (STDOK 15.9.2020). Sichtbarkeit im Auftreten und im Verhalten stellt einen Risikofaktor dar. Dies betrifft insbesondere Männer, die sich feminin geben, doch auch Frauen, die diesbezüglich gegen gesellschaftliche Normen verstoßen, können betroffen sein. Das gemeinsame Wohnen alleine stellt für gleich geschlechtliche Personen kein Problem dar, dies ist in Nigeria – von der Wohnung bis hin zum Hotelzimmer – aus Kostengründen nicht unüblich. Der Einfluss des Alters oder des Familienstan des auf die Frage des persönlichen Risikos von Angehörigen sexueller Minderheiten ist unklar. Einen maßgeblichen Einfluss hat hingegen der sozio-ökonomische Status einer Person. Mit zunehmender Finanzkraft, Bildung und Vernetzung – also mit zunehmenden Privilegien – sinkt das Risiko gegen null. Hauptrisikogruppe sind hingegen jene Personen, deren Alltag in einem Umfeld mit niedrigem sozialen und ökonomischen Status verankert ist (STDOK 15.9.2020). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (8.1.2025): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Nigeria (Stand: September 2024), https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/app/nodes/30496494, Zugriff 23.5.2025 [Login erforderlich] ■ EUAA - European Union Agency for Asylum (6.2024): Nigeria - Country Focus, https://www.ecoi.net /en/file/local/2112320/2024_07_EUAA_COI_Report_Nigeria_Country_Focus.pdf, Zugriff 29.7.2024 ■ HRW - Human Rights Watch (16.1.2025): World Report 2025 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/do kument/2120043.html, Zugriff 20.1.2025 ■ ÖB Abuja - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2024): Asylländerbericht Nigeria Oktober 2024, https://www.ecoi.net/en/file/local/2116558/NIGR_ÖB-Bericht_2024_10.docx , Zugriff 24.10.2024 [Login erforderlich] ■ STDOK - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (15.9.2020): Analyse zur Lage sexueller Minderheiten unter Hinzunahme der Informationen der FFM Nigeria 2019, Update der Analyse sexuelle Minderheiten vom 30.9.2016, https://www.ecoi.net/en/fi le/local/2038276/NIGR_Analyse_Homosexuelle_2020_09_15_KE.pdf, Zugriff 24.7.2024 ■ TIERS - The Initiative for Equal Rights Nigeria (3.2024): 2023 Human Rights Violations Report - based on real or perceived sexual orientation, gender identity / expression and sex characteristics in Nigeria, https://theinitiativeforequalrights.org/wp-content/uploads/2024/03/2023-Human-Rights-V iolation-Report-2.pdf, Zugriff 24.7.2024 ■ TIERS - The Initiative for Equal Rights Nigeria (28.6.2021): Answer via E-Mail ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107771.html, Zugriff 3.6.2024 19 Bewegungsfreiheit Letzte Änderung 2025-08-08 07:18 Die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2025) sowie Auslandsreisen, Emigration und Wie dereinbürgerung. Die Behörden respektieren diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 23.4.2024). In Gebieten, die häufig von Angriffen oder Plünderungen durch Boko Haram, ISWAP (Islami scher Staat Westafrika Provinz), mit ihnen verbundenen Gruppen, oder aber von Kriminellen betroffen sind, sehen sich die Bewohner häufig Straßensperren, Durchsuchungen und anderen 64

restriktiven Sicherheitsmaßnahmen durch Behörden und andere bewaffnete Gruppen ausge setzt (USDOS 23.4.2024; vgl. FH 2025). Bürger dürfen sich in jedem Teil des Landes niederlassen (USDOS 23.4.2024). Grundsätz lich besteht in den meisten Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung, Repressionen Dritter sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen (AA 8.1.2025). In den vergangenen Jahrzehnten hat eine fortgesetzte Durchmi schung der Wohnbevölkerung auch der „ Kern“-Staaten der drei Hauptethnien (Hausa-Fulani, Yoruba, Igbo) stattgefunden. So ist insbesondere eine starke Nord-Süd-Wanderung feststellbar, wodurch Metropolen wie Lagos heute weitgehend durchmischt sind. Es bestehen daher inner staatliche Fluchtalternativen (ÖB Abuja 10.2024). Ein innerstaatlicher Umzug kann allerdings mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn sich Einzel personen an einen Ort begeben, an dem keine Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder der Dorfgemeinschaft leben. Angesichts der Wirtschaftslage, ethnischem Ressentiment und der Bedeutung großfamiliärer Bindungen in der Gesellschaft ist es für viele Menschen schwer, an Orten ohne ein bestehendes soziales Netz erfolgreich Fuß zu fassen. Für alleinstehende Frauen besteht zudem die Gefahr, bei einem Umzug in die Großstadt von der eigenen Großfamilie keine wirtschaftliche Unterstützung mehr zu erhalten (AA 8.1.2025). Bundesstaats- und Lokalregierungen diskriminieren regelmäßig ethnische Gruppen, die in ihrem Gebiet nicht einheimisch sind. Dies nötigt gelegentlich Personen dazu, in jene Regionen zu rückzukehren, aus denen ihre ethnische Gruppe abstammt, obwohl sie dort über keine familiäre Bindung mehr verfügen (USDOS 23.4.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (8.1.2025): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Nigeria (Stand: September 2024), https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/app/nodes/30496494, Zugriff 23.5.2025 [Login erforderlich] ■ FH - Freedom House (2025): Nigeria: Freedom in the World 2025, https://freedomhouse.org/count ry/nigeria/freedom-world/2025, Zugriff 12.5.2025 ■ ÖB Abuja - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2024): Asylländerbericht Nigeria Oktober 2024, https://www.ecoi.net/en/file/local/2116558/NIGR_ÖB-Bericht_2024_10.docx , Zugriff 24.10.2024 [Login erforderlich] ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107771.html, Zugriff 3.6.2024 19.1 Meldewesen Letzte Änderung 2025-08-08 07:18 Ein Meldewesen ist nicht vorhanden (ÖB Abuja 10.2024; vgl. AA 8.1.2025). Straßennamen und Hausnummern sind nur in großen Städten und dort auch nicht flächendeckend zu finden. Üblicherweise dienen bei Wegbeschreibungen und Adressangaben bedeutende Gebäude oder Wegpunkte in der Nähe (z. B. Kirchen, Moscheen oder Kreuzungen) als Orientierungspunkte. Eine Erfassung einzelner Personen unter Angabe von Namen und Anschrift erfolgt nicht. Die Lokalisierung von Einzelpersonen ist ohne genaue Angabe des Aufenthaltsortes oder einer präzisen Wegbeschreibung in Nigeria daher erheblich erschwert bis unmöglich (AA 8.1.2025). 65

Auch ein funktionierendes nationales polizeiliches Fahndungssystem existiert nicht (ÖB Abu ja 10.2024; vgl. AA 8.1.2025). Verschiedene staatliche nigerianische Behörden führen eigene Strafverfolgungsdatenbanken, die untereinander nicht adäquat vernetzt sind, um effektiv In formationen zwischen ihren Strafregisterdatenbanken auszutauschen (AA 8.1.2025). Daraus resultiert, dass eine Ausforschung einmal untergetauchter Personen kaum mehr möglich ist. Das Fehlen von Meldeämtern und bundesweiten polizeilichen Fahndungsbehörden ermöglicht es in den allermeisten Fällen, bereits in der näheren Umgebung unterzutauchen (ÖB Abuja 10.2024). Im Sheriffs and Civil Process Act Chapter 407, Laws of the Federation of Nigeria 1990 sind Ladungen vor Gericht geregelt. Der Sheriff oder von ihm bestellte Gerichtsvollzieher (Bailiffs) müssen die Ladungen in ganz Nigeria persönlich zustellen (ÖB Abuja 10.2024). Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (8.1.2025): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Nigeria (Stand: September 2024), https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/app/nodes/30496494, Zugriff 23.5.2025 [Login erforderlich] ■ ÖB Abuja - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2024): Asylländerbericht Nigeria Oktober 2024, https://www.ecoi.net/en/file/local/2116558/NIGR_ÖB-Bericht_2024_10.docx , Zugriff 24.10.2024 [Login erforderlich] 20 IDPs und Flüchtlinge Letzte Änderung 2025-08-08 07:18 In Nigeria lebten mit Stand 1.5.2025 rund 3.680.000 IDPs [Anm. Intern Vertriebene] (UNHCR 1.5.2025). Im Jahr 2024 wurden schätzungsweise 295.000 Binnenvertriebene im Zusammen hang mit Konflikten und Gewalt gemeldet. Wie in den letzten Jahren waren die nordwestlichen Bundesstaaten Katsina, Sokoto und Zamfara Schauplatz krimineller Gewalt im Zusammenhang mit Viehdiebstahl, Entführungen und Erpressung, die zu fast 123.000 Vertreibungen geführt ha ben. Konflikte und Gewalt in mehreren Bundesstaaten, darunter Borno, Katsina und Yobe, lösten 57.000 Vertreibungen aus, kommunale Gewalt in Benue 43.000. Vertreibungen aufgrund von Naturkatastrophen wurden in allen Bundesstaaten verzeichnet, alle infolge von Überschwem mungen, die sich teilweise mit Konflikten überschnitten (IDMC 14.5.2025). Der nordöstliche Bundesstaat Borno, wo rund 121.000 Menschen vertrieben wurden, war ein typisches Beispiel dafür und warf die Bemühungen um eine dauerhafte Lösung für Binnenver triebene zurück. Etwa die Hälfte der Vertreibungen ereignete sich in der Hauptstadt Maiduguri statt, nachdem heftige Regenfälle und strukturelle Schäden im September 2024 den Alau-Damm überflutet und etwa 40 Prozent der Stadt überschwemmt hatten. Einige Vertriebenenlager wa ren tagelang von der Außenwelt abgeschnitten, während in anderen neue Menschen ankamen, was zu Überbelegung und einer Verschärfung der Ernährungsunsicherheit sowie zu Problemen mit der Wasserversorgung und der sanitären Versorgung geführt hat. Die Überschwemmun gen ereigneten sich vor dem Hintergrund einer Initiative der Regierung, alle Vertriebenenlager in Borno bis Ende 2024 zu schließen. Bis Juni 2024 waren 17 Lager geschlossen worden, 66
