2025-09-15-coi-cms-laenderinformationen-ukraine-version-17-e4d8
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Länderinformationsblätter“
■ Connection - Connection e. V. (2.10.2022): Flucht vor der Beteiligung am Krieg - Zahlen zu Russland, Belarus und Ukraine, https://de.connection-ev.org/article-3608, Zugriff 1.7.2024 ■ StGB UKRA - Strafgesetzbuch [Ukraine] (7.6.2025): Кримінальний кодекс України [Strafgesetzbuch der Ukraine], https://zakon.rada.gov.ua/laws/show/2341-14#Text, Zugriff 12.6.2025 9 Allgemeine Menschenrechtslage Letzte Änderung 2021-10-19 07:23 Der Schutz der Menschenrechte durch die Verfassung ist gewährleistet (AA 30.5.2021). 2021 klassifizierte Freedom House die Ukraine als „ teilweise frei“ (FH 3.3.2021a). Zu den gravie rendsten Menschenrechtsthematiken gehören u.a. rechtswidrige oder willkürliche Tötungen; Folter und andere Misshandlungen von Gefangenen durch Vollzugspersonal; schlechte Haftt bedingungen; willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen; Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz; Einschränkungen der Meinungs-, Presse- und Internetfreiheit; Korruption; und Ge walt gegen LGBTI-Personen. Die Regierung hat es im Allgemeinen verabsäumt, angemessene Schritte zu setzen, um Fehlverhalten von Beamten strafrechtlich zu verfolgen oder zu bestrafen. Menschenrechtsgruppen und die Vereinten Nationen stellten erhebliche Mängel bei den Ermitt lungen zu mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen durch staatliche Sicherheitskräfte fest (USDOS 30.3.2021a). Die Möglichkeit von NGOs, sich im Bereich Menschenrechte zu betätigen, unterliegt keinen staatlichen Restriktionen (AA 30.5.2021). Die Verfassung sieht eine vom Parlament bestellte Ombudsperson vor, den parlamentarischen Menschenrechtsbeauftragten (USDOS 30.3.2021a; vgl. WR 1.1.2020). Das Ombudsmannbüro arbeitet bei verschiedenen Projekten zur Überwa chung von Menschenrechtspraktiken in Gefängnissen und anderen staatlichen Institutionen mit NGOs zusammen. Die Ombudsperson bemühte sich in der Vergangenheit speziell um Krimta taren, IDPs, Roma, Menschen mit Behinderungen und um von Russland inhaftierte politische Gefangene (USDOS 30.3.2021a). Die Aktivitäten von Oppositionsparteien und -gruppen sowie die Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit unterliegen keinen nicht-rechtsstaatlichen Restriktionen (AA 30.5.2021). Die Me dienlandschaft zeichnet sich durch einen beträchtlichen Pluralismus sowie offene Kritik an der Regierung aus (FH 3.3.2021a). Meinungs- und Pressefreiheit leiden jedoch weiterhin unter der wirtschaftlichen Schwäche des unabhängigen Mediensektors und dem Übergewicht von Medien, welche Oligarchen gehören oder von ihnen finanziert werden. Die Anzahl der Repressionen und Angriffe gegenüber Journalisten ist insgesamt stabil; besorgniserregend bleiben aber die oftmals fehlenden Ermittlungserfolge und die daraus resultierende Straflosigkeit – selbst in schwerwie genden Fällen. Diverse russische soziale Medien und populäre Onlinedienste bleiben seit einem Dekret von Mai 2017 weiter verboten (AA 30.5.2021). Auf der Rangliste der Pressefreiheit 2021 von Reporter ohne Grenzen rangiert die Ukraine gegenwärtig auf Platz 97 von 180 Staaten. Rangmäßig befindet sich Usbekistan zwischen Ecuador und Liberia. Die Ukraine verschlech terte sich um einen Platz gegenüber der Reihung des Vorjahres (ROG o.D.). Verschiedene Sprachgesetze schreiben Nachrichtenagenturen vor, dass bestimmte Inhalte in ukrainischer Sprache verfasst sein müssen. Im April 2020 verlängerten der Nationale Sicherheitsrat und der ukrainische Präsident ein Verbot russischer sozialer Medien in der Ukraine (FH 3.3.2021a). Die 22

Regierung setzt die Praxis fort, bestimmte Werke russischer Schauspieler, Filmregisseure und Sänger zu verbieten und Sanktionen gegen pro-russische Journalisten zu verhängen (USDOS 30.3.2021a). Von einigen Ausnahmen abgesehen, können Einzelpersonen im Allgemeinen öffentlich und pri vat Kritik an der Regierung üben und Angelegenheiten von öffentlichem Interesse diskutieren, ohne offizielle Repressalien befürchten zu müssen. Gesetzlich sind jedoch Aussagen verboten, welche die territoriale Integrität des Landes bedrohen, kriegerische Auseinandersetzungen för dern, Rassen- oder Religionskonflikte befeuern oder die russische Aggression gegen das Land unterstützen. Die Regierung verfolgt Personen gemäß diesen Gesetzen (USDOS 30.3.2021a). Gewalt und Drohungen gegen Journalisten bleiben weiterhin ein Problem (USDOS 30.3.2021a; vgl. FH 3.3.2021a). Das Institut für Masseninformationen registrierte 2020 205 Verstöße gegen die Medienfreiheit, darunter 19 Fälle körperlicher Gewalt, 11 Cyberangriffe, 111 Fälle von Ein mischung, 18 Fälle von Bedrohung, 17 Fälle von Einschränkungen des Zugangs zu öffentlichen Informationen und 2 Fälle von Zensur (FH 3.3.2021a). Gesetzesvollzugsbehörden überwachen das Internet, zeitweise ohne entsprechende rechtliche Befugnisse, und unternahmen schwer wiegende Schritte, um den Zugang zu Websites aufgrund „ nationaler Sicherheitsbedenken“ zu blockieren. Es wird berichtet, dass Gerichte weiterhin den Zugang zu Websites aus anderen Gründen als der nationalen Sicherheit blockieren. Gemäß Berichten werden Einzelpersonen wegen ihrer Beiträge in sozialen Medien von der Regierung strafrechtlich verfolgt (USDOS 30.3.2021a). Die Verfassung sieht Versammlungsfreiheit vor (USDOS 30.3.2021a; vgl. WR 1.1.2020), und die Regierung respektiert dieses Recht im Allgemeinen. Veranstaltungen, welche von Frauen rechtsaktivisten organisiert werden, werden regelmäßig von Mitgliedern gewalttätiger radikaler Gruppen gestört. Bisweilen schützt die Polizei die Teilnehmer vor oder nach solchen Veran staltungen nicht ausreichend vor Angriffen. Auch kleinere Demonstrationen, insbesondere von Minderheiten oder oppositionellen politischen Bewegungen, werden nicht ausreichend geschützt (USDOS 30.3.2021a). Zu den Pflichten des Veranstalters friedlicher Versammlungen zählt unter anderem die Anmeldung der Veranstaltung im Vorfeld bei den örtlich zuständigen Behörden. Die Fristen, welche in diesem Zusammenhang anzuwenden sind, sind jedoch nicht klar geregelt und variieren je nach vertretener Auffassung zwischen drei und zehn Tagen. Diese Unklarheit lässt den öffentlichen Behörden einen relativ großen Freiraum, Versammlungen zu untersagen. Tatsächlich wird die Abhaltung friedlicher Versammlungen von den Behörden immer wieder ab gelehnt. Als gängige Begründungen dienen die zu späte Ankündigung der Demonstration, der Mangel an verfügbaren Polizisten zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, der gleichzei tige Besuch einer offiziellen ausländischen Delegation oder das gleichzeitige Stattfinden einer anderen Veranstaltung am selben Ort. Auch die Definition der „ Friedlichkeit“ einer Versammlung ist relativ umstritten (ÖB 5.2021). Die Verfassung und das Gesetz sehen Vereinigungsfreiheit vor, und die Regierung respektiert dieses Recht im Allgemeinen. Menschenrechtsorganisationen berichten über eine Zunahme der Angriffe auf Aktivisten, nachdem die Anzahl der Angriffe 2019 gesunken war (48 Angriffe im ersten Halbjahr 2020, gegenüber 39 im ersten Halbjahr 2019). Internationale und einheimische 23

Menschenrechts-NGOs sind nach wie vor besorgt über die mangelnde Rechenschaftspflicht bei Angriffen auf Mitglieder zivilgesellschaftlicher Organisationen (USDOS 30.3.2021a). Angriffe auf Journalisten, Aktivisten der Zivilgesellschaft und Mitglieder von Minderheitengruppen sind häufig, und die Reaktion der Polizei ist oft unzureichend (FH 3.3.2021a). Sowohl natürliche als auch juristische Personen können einen Verein gründen. Die Vereinsgründung kann nur aus im Gesetz eng definierten Gründen untersagt werden (ÖB 5.2021). Mit Ausnahme eines Verbots der Kommunistischen Partei gibt es keine formellen Hindernisse für die Gründung und Aktivitäten politischer Parteien. Neue politische Parteien entstehen häufig. Ein Gesetz aus dem Jahr 2016 sieht eine staatliche Finanzierung von im Parlament vertretenen Parteien vor, aber dadurch wer den etablierte Parteien gegenüber neu entstandenen Parteien bevorzugt. Oppositionsgruppen sind im Parlament vertreten, und ihre politischen Aktivitäten werden im Allgemeinen nicht durch administrative Beschränkungen oder rechtliche Schikanen behindert. Neue Kleinparteien haben Schwierigkeiten, mit etablierten Parteien zu konkurrieren, welche die Unterstützung und den finanziellen Rückhalt politisch vernetzter Oligarchen genießen (FH 3.3.2021a). Die Freiheit des religiösen Bekenntnisses und der ungestörten Religionsausübung wird von der Verfassung garantiert (AA 30.5.2021; vgl. WR 1.1.2020) und von der Regierung in ihrer Politik gegenüber Kirchen und Religionsgemeinschaften respektiert (AA 30.5.2021). Laut einer Um frage sind 62,3% der Ukrainer christlich-orthodox. Davon gehören 18,6% zur neu gegründeten Orthodoxen Kirche der Ukraine, 2,3% zur ukrainisch-orthodoxen Kirche des Kiewer Patriarchats (UOC-KP), 13,6% zur ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats (UOC-MP), und 27% bezeichnen sich als „ orthodox“. 9,6% der Ukrainer sind griechisch-katholisch, 0,1% jüdisch, 1,2% römisch-katholisch, 1,5% protestantisch und 0,5% muslimisch. Weitere 8,9% identifizie ren sich als „ Christen“, und 15,2% geben an, keiner religiösen Gruppe anzugehören (USDOS 12.5.2021). Kleinere religiöse Gruppen berichten weiterhin über eine gewisse Diskriminierung (FH 3.3.2021a). Gläubige der Russisch-Orthodoxen Kirche werfen dem ukrainischen Staat ver einzelt Verletzungen der Religionsfreiheit vor (AA 30.5.2021). Im Oktober 2018 erhielten ukrai nisch-orthodoxe Geistliche die Erlaubnis der religiösen Behörden in Istanbul, dem historischen Sitz der östlich-orthodoxen Kirche, zur Gründung einer eigenen autokephalen Kirche außerhalb der kanonischen Gerichtsbarkeit der russisch-orthodoxen Kirche. Im Dezember 2018 wurde diese neue orthodoxe Kirche der Ukraine gegründet, um die bestehenden Denominationen zu vereinigen. Der Kreml und die Kirchenführer in Moskau lehnten diesen Schritt entschieden ab. Jedoch kam es in den vergangenen Jahren zu einem Abbau der Spannungen zwischen der neu en Orthodoxen Kirche der Ukraine und dem ukrainischen Zweig der russisch-orthodoxen Kirche (FH 3.3.2021a). Die Gründung der Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU) hat zwar zu heftigen kircheninternen Auseinandersetzungen geführt, verlief insgesamt aber weitestgehend friedlich. Die OKU wurde inzwischen durch die orthodoxen Kirchen von Alexandrien, Griechenlands und Zyperns anerkannt (AA 30.5.2021). Quellen: ■ AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (30.5.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine (Stand: Februar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2053303/Ausw%C3 24

%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_ Ukraine_%28Stand_Februar_2021%29%2C_30.05.2021.pdf, Zugriff 5.7.2021 ■ FH – Freedom House (3.3.2021a): Freedom in the World 2021 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2046545.html, Zugriff 5.7.2021 ■ MRBP – Menschenrechtsbeauftragter des Parlaments [Ukraine] (15.3.2018): Омбудсман - Біографія [Ombudsperson - Biografie], https://ombudsman.gov.ua/ua/page/secretariat/ombudsman/biography /, Zugriff 19.7.2021 ■ ÖB – Österreichische Botschaften [Österreich] (5.2021): Asylländerbericht - Ukraine, https://www. ecoi.net/en/file/local/2055500/UKRA_%C3%96B_BERICHT_2020_05.docx, Zugriff 9.7.2021 ■ ROG – Reporter ohne Grenzen (o.D.): Rangliste der Pressefreiheit 2021, https://www.reporter-ohn e-grenzen.de/fileadmin/Redaktion/Downloads/Ranglisten/Rangliste_2021/Rangliste_der_Pressefr eiheit_2021_-_RSF.pdf, Zugriff 19.7.2021 ■ USDOS – US Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Free dom: Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2051579.html, Zugriff 8.7.2021 ■ USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021a): 2020 Country Report on Human Rights Practices - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048176.html, Zugriff 5.7.2021 ■ WR – Werchowna Rada [Parlament] [Ukraine] (1.1.2020): Конституція України [Verfassung der Ukraine] (in der Fassung vom 1.1.2020), https://zakon.rada.gov.ua/laws/show/254%D0%BA/96-% D0%B2%D1%80#Text, Zugriff 12.7.2021 10 Haftbedingungen Letzte Änderung 2025-06-26 07:41 Informationen über Gefängnisse sind schwer zugänglich, besonders nun, da Krieg herrscht. Die Situation ist von Region zu Region und je nach Haftanstalt sehr unterschiedlich. Mehrere Haftanstalten wurden von Bomben getroffen (Prison Insider 5.5.2022). Aufgrund der erfolgten Evakuierung von über 4.500 Inhaftierten aus den von Russland besetzten Gebieten haben sich die Überbelegung in Gefängnissen und damit die Haftbedingungen in einigen Gefäng nissen verschlechtert (ÖB Kyjiw 8.2024). In Haftanstalten, welche von ukrainischen Behörden kontrolliert werden, beteiligen sich Inhaftierte an der Unterstützung der ukrainischen Armee. Beispielsweise nähen weibliche Inhaftierte Uniformen. Der Zugang zu Informationen gestaltet sich für Inhaftierte in den verschiedenen Regionen unterschiedlich. Viele Inhaftierte beantragen eine bedingte Entlassung, jedoch ist aufgrund der derzeitigen Situation sowie der Korruption die Funktionsweise der Gerichte gestört, und es kommt zu erheblichen Verzögerungen (Pri son Insider 5.5.2022). Viele Untersuchungshaftanstalten sind sehr alt, schlecht belüftet, und es mangelt an angemessenen Sanitäranlagen. Die Versorgung mit Nahrung ist nicht adäquat. Ver urteilte Gefängnisinsassen haben einer Arbeit nachzugehen, wenn ihr Gesundheitszustand dies zulässt. Inhaftierte haben keinen gesetzlichen Anspruch auf regelmäßige medizinische Versor gung (GOV.UK 9.4.2024). Es herrscht ein Mangel an Allgemeinmedizinern und medizinischem Pflegepersonal in Hafteinrichtungen (CoE 26.4.2024). Die Haftbedingungen in der Ukraine sind unzureichend (USDOS 23.4.2024; vgl. EC 30.10.2024) und stellen zuweilen eine ernsthafte Bedrohung für Leben und Gesundheit der Gefangenen dar. Körperliche Misshandlungen, mangelnde medizinische Versorgung, Ernährungsdefizite, Hygienemängel und Mangel an Licht sind anhaltende Probleme. Es kommt zu körperlichen Missbrauchshandlungen, begangen durch Gefängnisaufseher. Obwohl Inhaftierte Beschwer den über Haftbedingungen bei der Ombudsperson einreichen dürfen, berichten Menschen rechtsorganisationen, dass Gefängnispersonal Beschwerden zensiert oder unterbindet und 25

Beschwerdeführer bestraft und misshandelt. Behörden gehen Beschwerden nicht immer ord nungsgemäß nach. Mehrere Haftanstalten verfügen über kein System, Beschwerden Inhaftierter entgegenzunehmen. Es gibt Berichte, dass Beamte trotz gesetzlicher Besuchsrechte manch mal Bestechungsgelder verlangen, um Personen Zugang zu inhaftierten Familienangehörigen zu gewähren (USDOS 23.4.2024). Die Anzahl von Gefängnisaufsehern ist unzureichend (CoE 26.4.2024). Internationale Menschenrechtsbeobachter haben Zugang zu ukrainischen Haft einrichtungen und können dort vertrauliche Gespräche mit russischen Kriegsgefangenen füh ren. Die Zahl der Berichte über Misshandlungen dieser Gefangenen ging deutlich zurück (AI 24.4.2024). Der Europarat zeigt sich besorgt über die Lage von Personen, welche eine le benslängliche Freiheitsstrafe verbüßen. Diese Personen werden systematisch isoliert und von anderen Gefängnisinsassen ferngehalten (CoE 26.4.2024). Zur Verbesserung der Haftbedin gungen fehlen budgetäre Mittel und das notwendige Personal (ÖB Kyjiw 8.2024). Die Ukraine ratifizierte 2006 das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (OHCHR o.D.; vgl. ÖB Kyjiw 8.2024) und verpflichtete sich, innerhalb eines Jahres einen Nationalen Präventi onsmechanismus (NPM) zu etablieren. Dies fand letztendlich durch die Verabschiedung eines Gesetzes am 2.10.2012 statt, wodurch die Ombudsperson als NPM namhaft gemacht wurde (ÖB Kyjiw 8.2024). Nach einer Unterbrechung aufgrund des Beginns des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 ist der NPM nun wieder voll funktionsfähig (CoE 26.4.2024). Der NPM führt unangekündigte (ÖB Kyjiw 8.2024) und regelmäßige Besuche von Haftanstalten durch (UNHRC 20.3.2024). Gemäß der EU-Kommission werden die Wirksamkeit und Leistungsfähigkeit des NPM durch eine inadäquate Methodologie für Gefängnisbesuche und die verzögerte Veröffentli chung von Berichten getrübt. Der NPM ist mit begrenzten finanziellen Ressourcen ausgestattet (EC 8.11.2023). Eine Überprüfung des NPM, in enger Konsultation mit spezialisierten Zivilge sellschaftsorganisationen, wurde bisher nicht durchgeführt (EC 30.10.2024). Die Regierung erlaubt im Allgemeinen ein unabhängiges Monitoring von Gefängnissen durch internationale und örtliche Menschenrechtsgruppen (USDOS 23.4.2024; vgl. ÖB Kyjiw 8.2024). Für Haftanstalten ist das Justizministerium verantwortlich (WPB 2024). In den vergangenen Jah ren ist die Gesamtanzahl der Gefängnisinsassen gesunken (WPB 2024; vgl. CoE 26.4.2024), jedoch gibt es verhältnismäßig viele Untersuchungshäftlinge (CoE 26.4.2024). Die Art der Haft anstalt, wo ein Verurteilter seine Haftstrafe zu verbüßen hat, wird vom Justizministerium auf grund gesetzlicher Vorgaben festgelegt und hängt von der Art der verhängten Haftstrafe ab. Es gibt Haftanstalten mit maximalem Sicherheitsniveau, Haftanstalten mit mittlerem Sicherheitsni veau sowie Haftanstalten mit niedrigem Sicherheitsniveau. Männliche Strafgefangene, welche Ersttäter sind und schwere oder besonders schwere Verbrechen begangen haben, werden in Haftanstalten mit mittlerem Sicherheitsniveau untergebracht. Haftanstalten mit maximalem Si cherheitsniveau sind für Personen, die eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßen, sowie für Personen, die schwere oder besonders schwere Verbrechen begangen haben und keine Erst täter sind, vorgesehen (ÖB Kyjiw 19.6.2024). 26

Quellen ■ AI - Amnesty International (24.4.2024): Amnesty International Report 2023/24; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Ukraine 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2108011.html , Zugriff 14.6.2024 ■ CoE - Council of Europe (26.4.2024): Report to the Ukrainian Government on the visit to Ukraine carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 16 to 27 October 2023, https://rm.coe.int/1680af632a, Zugriff 14.6.2024 ■ EC - Europäische Kommission (30.10.2024): Commission Staff Working Document - Ukraine 2024 Report, https://enlargement.ec.europa.eu/document/download/1924a044-b30f-48a2-99c1- 50edeac14da1_en?filename=Ukraine Report 2024.pdf, Zugriff 19.5.2025 ■ EC - Europäische Kommission (8.11.2023): Commission Staff Working Document - Ukraine 2023 Re port, https://neighbourhood-enlargement.ec.europa.eu/document/download/bb61ea6d-dda6-4117- 9347-a7191ecefc3f_en?filename=SWD_2023_699 Ukraine report.pdf, Zugriff 20.6.2024 ■ GOV.UK - Government Digital Service [United Kingdom] (9.4.2024): Information pack for British nationals arrested or detained in Ukraine, https://www.gov.uk/government/publications/ukraine-l egal-and-prison-systems/information-pack-for-british-nationals-arrested-or-detained-in-ukraine , Zugriff 12.6.2024 ■ ÖB Kyjiw - Österreichische Botschaft Kyjiw [Österreich] (8.2024): Asylländerbericht - Ukraine, https:// www.ecoi.net/en/file/local/2120801/Asylländerbericht Ukraine 2024_kommentierte Fassung_geg_- 2024.docx, Zugriff 28.5.2025 ■ ÖB Kyjiw - Österreichische Botschaft Kyjiw [Österreich] (19.6.2024): Auskunft des Vertrauensanwalts, per E-Mail ■ OHCHR - Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (o.D.): Ukraine - Status of Ratification - Interactive Dashboard, https://indicators.ohchr.org, Zugriff 12.6.2025 ■ Prison Insider - Prison Insider (5.5.2022): Ukraine : „ les prisons sont laissées pour compte“ [Ukraine: „ die Gefängnisse sind alleingelassen“], https://www.prison-insider.com/articles/ukraine-les-prisons -sont-laissees-pour-compte , Zugriff 14.6.2024 ■ UNHRC - United Nations Human Rights Council (20.3.2024): Visit to Ukraine - Report of the Special Rapporteur on torture and other cruel, inhuman or degrading treatment or punishment, Alice Jill Edwards (A/HRC/55/52/Add.1), https://digitallibrary.un.org/record/4050214/files/A_HRC_55_52_A dd.1-EN.pdf?ln=en, Zugriff 12.6.2025 ■ USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107670.html, Zugriff 12.6.2024 ■ WPB - World Prison Brief (2024): World Prison Brief data - Ukraine - Overview, https://www.prison studies.org/country/ukraine, Zugriff 21.5.2025 11 Todesstrafe Letzte Änderung 2025-06-26 07:41 Gemäß der ukrainischen Verfassung hat jeder Mensch das Recht auf Leben (Verfassung UKRA 1.1.2020). Das Strafgesetzbuch sieht folgende Bestrafungsformen vor (die Todesstrafe be findet sich nicht darunter): Geldstrafe; Entziehung militärischer bzw. besonderer Dienstgrade; Entziehung von Auszeichnungen, Preisen usw.; Berufsverbote; gemeinnützige Arbeiten; Straf vollzugsarbeiten; Beschränkungen für Militärbedienstete; Beschlagnahmung des Vermögens; Bewährungsstrafe; Arrest; Freiheitsbeschränkungen; Festhaltung in einem militärischen Diszi plinarbataillon; zeitlich befristeter Freiheitsentzug; lebenslange Haft (StGB UKRA 7.6.2025). Die Todesstrafe wurde 1999 vom Verfassungsgerichtshof für verfassungswidrig erklärt, im Jahr 2000 abgeschafft und durch lebenslange Haft ersetzt (AA 30.5.2021; vgl. AI 8.4.2025). Rati fiziert wurden von der Ukraine das Zweite Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe (OHCHR o.D.) sowie das 27

6. (CoE 13.6.2025a) und 13. Protokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) über die Abschaffung der Todesstrafe (CoE 13.6.2025b). Das 13. Protokoll spricht sich gegen die Todesstrafe unter allen Umständen aus, auch zu Kriegszeiten (AI 8.4.2025). [Die Aussagen in diesem Kapitel beziehen sich ausdrücklich nur auf diejenigen Landesteile, welche unter Kontrolle der ukrainischen Regierung stehen; Anm. der Staatendokumentation.] Quellen ■ AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (30.5.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine (Stand: Februar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2053303/Auswärtige s_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Ukraine_(Stand_Febr uar_2021),_30.05.2021.pdf, Zugriff 10.6.2024 [Login erforderlich] ■ AI - Amnesty International (8.4.2025): Death sentences and executions in 2024, https://www.amne sty.org/en/documents/act50/8976/2025/en/, Zugriff 21.5.2025 ■ CoE - Council of Europe (13.6.2025a): Chart of signatures and ratifications of Treaty 114 - Protocol No. 6 to the Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms concerning the Abolition of the Death Penalty (ETS No. 114), https://www.coe.int/en/web/conventions/full-list? module=signatures-by-treaty&treatynum=114, Zugriff 13.6.2025 ■ CoE - Council of Europe (13.6.2025b): Chart of signatures and ratifications of Treaty 187 - Protocol No. 13 to the Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms, concerning the abolition of the death penalty in all circumstances (ETS No. 187), https://www.coe.int/en/web/c onventions/full-list?module=signatures-by-treaty&treatynum=187 , Zugriff 13.6.2025 ■ OHCHR - Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (o.D.): Ukraine - Status of Ratification - Interactive Dashboard, https://indicators.ohchr.org, Zugriff 12.6.2025 ■ StGB UKRA - Strafgesetzbuch [Ukraine] (7.6.2025): Кримінальний кодекс України [Strafgesetzbuch der Ukraine], https://zakon.rada.gov.ua/laws/show/2341-14#Text, Zugriff 12.6.2025 ■ Verfassung UKRA - Verfassung [Ukraine] (1.1.2020): Конституція України [Verfassung der Ukraine], https://zakon.rada.gov.ua/laws/show/254к/96-вр#Text, Zugriff 11.6.2024 12 Ethnische Minderheiten Letzte Änderung 2021-10-19 09:03 Misshandlungen Angehöriger von Minderheitengruppen und die Belästigung von Ausländern nicht-slawischen Aussehens bleiben problematisch. 2019 kam es zu 61 fremdenfeindlichen Vor fällen (Angriffe, Vandalismus und öffentliche fremdenfeindliche Aussagen) (USDOS 30.3.2021a). Diskriminierungen von Roma sind in der gesamten Ukraine weit verbreitet. Vereinzelt kam es vor allem 2018 zu Angriffen auf Siedlungen oder Unterkünfte von Roma, meist durch rechts-na tionalistische Gruppierungen. Diese haben seither stark abgenommen (ÖB 5.2021). Polizei und Staatsanwaltschaften verfolgen weiterhin rassistisch motivierte Straftaten nach den Gesetzen gegen Rowdytum oder ähnliche Delikte (USDOS 30.3.2021a). Bezüglich staatlicher Diskriminierung der Roma gehen die Quellen auseinander: Während die einen dazu keine Erkenntnisse vorliegen haben (AA 30.5.2021), betrachten andere Quellen staatliche und gesellschaftliche Diskriminierung als gegeben (USDOS 30.3.2021a). 2012 wurde per Gesetz eine nicht-abschließende Liste von Gründen eingeführt, aus welchen Diskriminie rung verboten ist. Diese Schutzmaßnahmen werden jedoch uneinheitlich umgesetzt, und die Minderheit der Roma wird in der Praxis erheblich diskriminiert. Roma erhalten im Allgemeinen 28

nur dann Schutz durch Polizei oder Justiz, wenn starker zivilgesellschaftlicher Druck aufgebaut wird (FH 3.3.2021a). Die Anzahl der Roma im Land beträgt laut offiziellen Angaben 48.000 Personen, nach Schätzungen von Roma-NGOs sollen es 400.000 sein. Diese Diskrepanz ist lediglich zum Teil erklärbar durch das Bedürfnis vieler sozial integrierter Roma, sich nicht zu erkennen zu geben. Unstrittig ist, dass große Teile der Roma-Bevölkerung sozial marginalisiert und benachteiligt sind. Prägend sind nach wie vor Probleme nicht-registrierter und auch staa tenloser Roma, fehlende Integration in Gemeindestrukturen, Isolation und Stigmatisierung durch die ukrainische Bevölkerung. Ein weiteres Problem sind die patriarchischen Strukturen innerhalb der Roma-Gemeinschaften. Der Polizei werden regelmäßig unzureichende Ermittlungsbestre bungen bei Übergriffen auf Roma vorgeworfen (AA 30.5.2021). Roma sind von gesellschaftlicher Gewalt betroffen. Sie sehen sich weiterhin mit Diskriminierung und erheblichen Barrieren beim Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung, sozialen Diensten und Beschäftigung konfrontiert. Nach Angaben von Experten des Europarates sind 60% der Roma arbeitslos, 40% haben keine Dokumente, und 1% verfügt über einen Universitätsabschluss (USDOS 30.3.2021a). Im Wes ten des Landes kommt es teilweise zur Segregation von Roma in Schulen und medizinischen Einrichtungen. In einigen Fällen wurde ihnen medizinische Versorgung verweigert, was einen Verstoß gegen ukrainisches Recht darstellt (ÖB 5.2021; vgl. EASO 2.2021). Es gibt keine formalen Restriktionen in Bezug auf die politische Partizipation von Minderhei tengruppen. In der Praxis wird dieses Recht jedoch durch Faktoren wie Diskriminierung, den Konflikt im Osten, das Fehlen von Ausweispapieren (betrifft häufig Roma) und Vorschriften gegen unabhängige Kandidaturen auf lokaler und regionaler Ebene behindert (FH 3.3.2021a). Weitere ethnische bzw. sprachliche Minderheiten in der Ukraine sind laut der letzten Volks zählung von 2001 (ÖB 5.2021; vgl. SSD o.D.) Weißrussen (0,6% der Bevölkerung), Moldauer (0,5%), Bulgaren (0,4%), Ungarn, Polen, Rumänen (jeweils 0,3%) und Juden (0,2%). Vor allem die Ereignisse rund um den sogenannten Euromaidan 2014 führten in der Ukraine zu einem verstärkten Bestreben, sich von Russland abzugrenzen und die eigene Identität als Nation zu stärken. In diesem Zusammenhang wurden auch zahlreiche Gesetze zur Stärkung der Rolle der ukrainischen Sprache, z.B. in Hochschulen und im Sekundarschulbereich, verabschiedet. Diese Initiativen wurden und werden zum Teil auch von manchen westlichen Nachbarn der Ukraine heftig kritisiert, allen voran von Ungarn, welche darin eine Einschränkung ihrer verfassungs mäßigen Minderheitenrechte sehen (ÖB 5.2021; vgl. WR 1.1.2020, EN 12.8.2020, RFE/RL 8.7.2021, UA 28.10.2020). Antisemitische Gewalt ist selten oder wird selten berichtet (USCIRF 2021). Antisemitische Vorfäl le bewegen sich auf einem stabil niedrigen Niveau. Der ukrainische Staat bezieht offen Stellung gegen Antisemitismus und unterhält Institutionen, welche explizit der Bekämpfung von Antise mitismus und weiterer Formen von Rassismus und Xenophobie gewidmet sind (AA 30.5.2021; vgl. USDOS 12.5.2021). Quellen: ■ AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (30.5.2021): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine (Stand: Februar 2021), https://www.ecoi.net/en/file/local/2053303/Ausw%C3 29

%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_ Ukraine_%28Stand_Februar_2021%29%2C_30.05.2021.pdf, Zugriff 5.7.2021 ■ EASO – European Asylum Support Office [EU] (2.2021): Ukraine FFM report – healthcare reform and economic accessibility (Medical Country of Origin Information Report), https://www.ecoi.net/en/ file/local/2045259/2021_02_EASO_MedCOI_Ukraine_FFM_report_healthcare_system_and_econ omic_accessibility.pdf, Zugriff 13.7.2021 ■ EN – Eurasianet (12.8.2020): Ukraine’s census attempt crashes and burns yet again, https://www. ecoi.net/de/dokument/2036000.html, Zugriff 19.7.2021 ■ FH – Freedom House (3.3.2021a): Freedom in the World 2021 - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/ dokument/2046545.html, Zugriff 5.7.2021 ■ ÖB – Österreichische Botschaften [Österreich] (5.2021): Asylländerbericht - Ukraine, https://www. ecoi.net/en/file/local/2055500/UKRA_%C3%96B_BERICHT_2020_05.docx, Zugriff 9.7.2021 ■ RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (8.7.2021): RFE/RL Investigation: Why Is Hungary Funding Diaspora Communities In Western Ukraine?, https://www.ecoi.net/de/dokument/2055590.h tml, ■ SSD – Staatlicher Statistikdienst [Ukraine] (o.D.): Всеукраїнський перепис населення [Landesweite Volkszählung in der Ukraine], http://ukrcensus.gov.ua/, Zugriff 19.7.2021 ■ UA – Ukraine-Analysen (Nr. 241) / Dmytro Tuschanskyj (28.10.2020): Wie die ukrainisch-ungarischen Beziehungen in die Krise gerieten – und warum sie nicht aus der Sackgasse kommen, https://www. laender-analysen.de/ukraine-analysen/241/UkraineAnalysen241.pdf, Zugriff 19.7.2021 ■ USCIRF – US Commission on International Religious Freedom [USA] (2021): Antisemitism in Europe - Implications for U.S. Policy, https://www.ecoi.net/en/file/local/2050010/Antisemitism+in+Europe.pdf, Zugriff 19.7.2021 ■ USDOS – US Department of State [USA] (12.5.2021): 2020 Report on International Religious Free dom: Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2051579.html, Zugriff 8.7.2021 ■ USDOS – US Department of State [USA] (30.3.2021a): 2020 Country Report on Human Rights Practices - Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2048176.html, Zugriff 5.7.2021 ■ WR – Werchowna Rada [Parlament] [Ukraine] (1.1.2020): Конституція України [Verfassung der Ukraine] (in der Fassung vom 1.1.2020), https://zakon.rada.gov.ua/laws/show/254%D0%BA/96-% D0%B2%D1%80#Text, Zugriff 12.7.2021 12.1 Ethnische Russen / russischsprachige Personen Letzte Änderung 2021-10-19 09:05 Die Verfassung der Ukraine garantiert in Art. 10 die freie Entwicklung, Verwendung und Schutz der russischen Sprache sowie anderer Sprachen nationaler Minderheiten. Gemäß der Verfas sung fördert der Staat das Erlernen von Sprachen der internationalen Kommunikation (WR 1.1.2020). Laut Schätzungen aus dem Jahr 2001 (2001 fand die letzte Volkszählung statt) (CIA 14.7.2021; vgl. ÖB 5.2021) leben in der Ukraine u.a. 77,8% ethnische Ukrainer und 17,3% ethnische Russen. Geschätzt sprachen 2001 29,6% der Bevölkerung in der Ukraine Russisch, 67,5% Ukrainisch und 2,9% andere Sprachen, darunter Krimtatarisch, Moldauisch/Rumänisch und Ungarisch (CIA 14.7.2021). Aktuell wird neben der Staatssprache Ukrainisch (AA 1.6.2021a; vgl. WR 1.1.2020) als Verkehrssprache auch Russisch gesprochen (AA 1.6.2021a). Tatsächlich ist die Ukraine aufgrund der früher [zu Zeiten der Sowjetunion; Anm. der Staatendokumentation] stattgefundenen Russifizierung des öffentlichen Lebens ein zweisprachiges Land mit den zwei Sprachen Ukrainisch und Russisch. Beide Sprachen werden im Allgemeinen gesprochen und im Großteil der Ukraine verstanden. Die russische Sprache beherrscht das Leben in den meisten Städten, wohingegen Ukrainisch in ländlichen Regionen und im Westen dominierend ist (AC 25.6.2020). 30

Vor allem die Ereignisse rund um den sogenannten Euromaidan 2014 führten in der Ukraine zu einem verstärkten Bestreben, sich zunehmend von Russland zu distanzieren und die eigene Identität als Nation zu stärken (ÖB 5.2021). Gemäß einer landesweiten Meinungsumfrage aus dem Jahr 2020 halten 72% der Befragten die ukrainische Sprache für ein wichtiges Merkmal der Unabhängigkeit der Ukraine (SDI 10.9.2020). Der Konflikt mit Russland hat u.a. zu Verboten russischer Medien, Cyber-Belästigungen und Prozessen wegen Staatsverratsanschuldigungen geführt (RSF o.D.). Das 2019 verabschiedete Gesetz „ Über die Gewährleistung des Funktionierens der ukraini schen Sprache als Staatssprache“ stärkt die Verwendung des Ukrainischen in nahezu allen öffentlichen Bereichen (AA 30.5.2021). Verschiedene Sprachgesetze schreiben Nachrichten agenturen vor, dass bestimmte Inhalte in ukrainischer Sprache verfasst sein müssen. Im April 2020 verlängerten der Nationale Sicherheitsrat und der ukrainische Präsident ein Verbot russi scher sozialer Medien in der Ukraine. Mehreren russischen Nachrichtenagenturen bzw. deren Journalisten wird die Einreise in die Ukraine verwehrt (FH 3.3.2021a). Im Februar 2021 wur den die drei Fernsehsender eines Vertrauten eines Kreml-nahen Oligarchen gesperrt. Diese TV-Sender waren für pro-russische Propaganda bekannt (AA 30.5.2021; vgl. BAMF 8.2.2021, IWPR 25.2.2021). Die Regierung setzt die Praxis fort, bestimmte Werke russischer Schauspie ler, Filmregisseure und Sänger zu verbieten und Sanktionen gegen pro-russische Journalisten zu verhängen. Gemäß der staatlichen Filmagentur sind seit 2014 in etwa 808 Filme und Fern sehshows aus Gründen der nationalen Sicherheit verboten worden (USDOS 30.3.2021a). Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte (OHCHR) berichtet über Drohungen und Hass ge genüber Personen, welche das Gesetz über die Staatssprache offen kritisieren oder sich positiv über die russische Sprache äußern. Die Behörden haben diese Vorfälle nicht öffentlich verurteilt, und in einigen Fällen wurden trotz medialer Berichterstattung keine Untersuchungen eingeleitet (OHCHR 3.2021). 2017 wurde ein neues Bildungsgesetz verabschiedet, welches als Unterrichtssprache in den meisten öffentlichen höheren Schulen die Staatssprache (das Ukrainische) festlegt (UA 28.10.2020; vgl. FH 3.3.2021a). Den ethnischen Minderheiten wird weiterhin das Recht ein geräumt, bis zur vierten Klasse in der Muttersprache unterrichtet zu werden. 2020 wurde ein neues Sekundarbildungsgesetz verabschiedet, welches Folgendes vorsieht: Bis zur vierten Klasse sollen Kinder ethnischer Minderheiten verpflichtend die ukrainische Sprache erlernen. Alle anderen Fächer können in der jeweiligen Muttersprache unterrichtet werden. In der 5. Klasse soll der Anteil des ukrainischsprachigen Unterrichts mindestens 20% betragen und sich bis zur 9. Klasse auf 40% erhöhen. In den höheren Klassen (Klassen 10 und 11) soll der Unterricht zu 60% in ukrainischer Sprache erfolgen (UA 28.10.2020). Die 2017 und 2020 verabschiedeten Bildungsgesetze werden von Minderheitenangehörigen als Beschneidung des Rechts nationaler Minderheiten auf muttersprachlichen Unterricht kritisiert. Empfehlungen der Venedig-Kommission des Europarats wurden inzwischen teilweise aufgegriffen, so etwa längere Übergangsfristen und Ausnahmen für Privatschulen (AA 30.5.2021). 31
