"Löffeltrick" zur Verhinderung von Verschleppung zur Zwangsheirat und Genitalverstümmelung

Verwendetes Gesetz: Auskunftspflichtgesetz

In den sozialen Medien kursiert der sogenannte „Löffeltrick" als vermeintliche Hilfestellung für Mädchen, die befürchten, von ihren Familien ins Ausland verschleppt und dort zwangsverheiratet zu werden. Die Idee dahinter: Das Mädchen versteckt einen ungefährlichen Metallgegenstand, zum Beispiel einen Löffel, in ihrer Kleidung, bevor sie die Sicherheitskontrolle am Flughafen passiert. Der Gegenstand soll den Metalldetektor auslösen, was idealerweise dazu führt, dass das Mädchen zur weiteren Kontrolle in einen separaten Raum gebeten wird. Dort, so die Hoffnung, könnte sie sich dem Sicherheitspersonal anvertrauen und um Hilfe bitten.

Zwangsheirat ist eine massive Menschrechtsverletzung. Natürlich möchten empathische Menschen den Mädchen in Not helfen und verbreiten diese Information. Allerdings ist es wichtig, die möglichen Risiken und Gefahren zu bedenken, da nicht selten gut gemeinte Ratschläge in solchen Videos und Reels mehr Schaden als Nutzen anrichten.

Es ist jedenfalls besser für ein Mädchen, rechtzeitig eine kompetente Beratungsstelle aufzusuchen, von denen es in jedem Bundesland mehrere gibt. Doch nicht immer ist ein junges Mädchen bereit dazu und Videos zum Löffeltrick können Mädchen ein trügerisches Gefühl geben, in letzter Konsequenz habe sie noch diese ultimo ratio Möglichkeit.

Folgende Frage stelle ich Ihnen daher:
• Ist es richtig, dass ein Esslöffel oder Münzen bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen anschlagen?
• Sind die Beamt*innen geschult, den „Löffeltrick“ zu erkennen?
• Können Minderjährige ohne einen Elternteil mit den Beamt*innen reden?
• Wird umgehend die Unterstützung des Kinder- und Jugendhilfeträgers eingeholt, damit diese Einrichtung nach den Bestimmungen des AußerStrG das Reisedokument vorläufig beschlagnahmt?
• Wie geht es weiter? Wird tatsächlich die Ausreise gegen den Willen der Eltern und ohne Gerichtsbeschluss verhindert und kommt das Mädchen bestimmt in eine Not-Unterkunft?
• Wenn nein, ist es dann nicht sogar besser, einen gefährlichen Gegenstand zu verstecken, damit das Kind festgenommen wird und dadurch ganz bestimmt nicht die Auslandsreise anzutreten? (Ich weiß schon, eine Straftat darf keinesfalls beworben werden, aber man kann die Situation sachlich darstellen.)
• Kennen Sie Fälle in Österreich oder haben Sie im Wege der polizeilichen Zusammenarbeit gesichert davon gehört, dass der Löffeltrick schon funktionierte?
• Hat die Republik Österreich schon ein zwangsverheiratetes Mädchen aus dem Ausland aufgrund ihres Hilfeersuchen gegen den Willen der Eltern und des Ehemannes nach Österreich zurückgeholt?
• Wollen Sie mir etwas anderes zu diesem Thema mitteilen?

Zusatzfragen:
All diese Fragen habe ich Ihnen schon im Oktober gestellt. Warum antworten Sie auf Fragen besorgter und engagierter Bürger nicht? Interessiert Sie das Thema Zwangsverheiratung nicht? Sind Sie nicht daran interessiert, dass Multiplikatoren Aufklärung leisten? Wozu haben Sie eigentlich eine Medienstelle? Welche Maßnahmen werden Sie treffen, dass in Zukunft Anfragen von Bürger*innen beantwortet werden?

Ergebnis der Anfrage

Das Referat II/BPD/6/c des Innenministeriums und die unbeantwortete Frage zum Löffeltrick:

Das Referat II/BPD/6/c des Innenministeriums hat keine der gestellten Fragen inhaltlich beantwortet. Stattdessen wurde entweder auf eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht verwiesen oder behauptet, die Antwort unterliege keiner gesetzlichen Auskunftspflicht. Diese Entscheidung wurde offenbar maßgeblich von Abteilungsleiter Generalmajor Berthold Hubegger, BA, MA und Sachbearbeiter Mag. Volker Mais getroffen (siehe Rubrum und Unterschriftsfloskel). Der zuständige Innenminister, Gerhard Karner, trägt als oberster Vorgesetzter ebenfalls Verantwortung.

Das Verhalten dieser Beamten lässt alle Fragen unbeantwortet. Am 1. September 2025 wird die Amtsverschwiegenheit in Österreich abgeschafft. Zu diesem Zeitpunkt werde ich meine Anfrage erneut stellen.

Die Tatsache, dass Abteilungsleiter Generalmajor Berthold Hubegger, BA, MA, und Sachbearbeiter Mag. Volker Mais es unterlassen haben, auf diese dringende und menschenrechtlich relevante Frage einzugehen, spricht für sich.
An dieser Stelle will ich aber einen sehr bemerkenswerten Widerspruch aufzeigen:

Wie aus der Anfrage hervorgeht, hatte ich bereits zuvor meine Fragen an das BMI via E-Mail gestellt. Nach meiner Anfrage über FragDenStaat.at am 27.11.2024 erhielt ich eine Antwort von einer anderen Abteilung des Innenministeriums, der Abteilung III-S.1. (Grund- und menschenrechtliche Angelegenheiten). Die Antworten der Abteilungsleitern dieser Abteilung, Frau Mag. Johanna Eteme, sind völlig andere:

Erstens schreibt Frau Mag. Johanna Eteme ehrlich - und dafür danke ich ihr sehr !!! - wörtlich: "Nach Befassung unterschiedlicher Abteilungen und dem Austausch mit Expertinnen und Experten kann seitens des Innenministeriums leider nicht abschließend beurteilt werden, inwieweit der von Ihnen beschriebene ‚Löffeltrick‘ eine sinnvolle Hilfestellung darstellt und Betroffenen dadurch geholfen werden kann."

Zweitens klärt mich die Abteilungsleiterin auf: "Den Sicherheitsbehörden ist bis dato kein solch gelagerter Fall bekannt.“

Diese Widersprüche wirft schwerwiegende Fragen auf. Wenn die Antworten auf meine Fragen einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegen, hätte auch die Abteilung III-S.1. mir keine Antwort geben dürfen, weil es bei einem gesetzlichen Antwortsverbot nicht darauf ankommen kann, ob das Ministerium einer Privatperson mit E-Mail oder via Internetplattform antwortet. Zudem ging ja aus meiner E-Mail-Anfrage hervor, dass ich die Antwort des Ministeriums für einen Blogbeitrag verwenden will, um gefährdete Mädchen zu warnen.

Dieser Sachverhalt deutet darauf hin, dass innerhalb des Innenministeriums keine einheitliche Auffassung zur gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht existiert und auch, dass die linke Hand nicht weiß, was die rechte Hand tut. Beide Abteilungsleiter sprechen aber "Für den Bundesminister:". Offenbar hat das BMI ein Koordinierungs- bzw. Organisationsproblem, wenn sie unterschiedliche Antworten auf Bürgeranfragen liefert.

Die Verantwortung der Beamten:

Hinter der Anwendung der Gesetze stehen Beamte. Das sind Menschen wie du und ich. Und von Menschen gibt es welche von solcher und solcher Art. Aber jeder Beamter, egal in welcher Position er sich befindet, trägt Verantwortung. Ein Referent weniger als ein Abteilungsleiter, aber trotzdem auch. Beamte wie Generalmajor Berthold Hubegger, BA, MA und Mag. Volker Mais tragen Verantwortung für die Art und Weise, wie sie mit solchen Anfragen der Bürger*innen umgehen. Jeder Beamte hat die Möglichkeit, im Rahmen seiner Kompetenzen Entscheidungen zu treffen, die gesetzenkonform, aber auch von Empathie und Menschlichkeit geprägt sind.

An dieser Stelle fällt mir ein jüngst ergangenes Urteil eines dt. Gerichts ein. Ich möchte vorausschicken, dass ich die Sachverhalte keinesfalls vergleichbar finde, es geht mir einzig und allein um den Rechtsgrundsatz, der sich aus dem dt. Urteil ableiten lässt. Das dt. Gericht hat zutreffend erkannt, dass auch ein kleines Rädchen, wie eine junge Sekretärin, eine Mitschuld für den Massenmord in einem KZ trägt. Ich möchte nicht, dass sich die öffentliche Debatte aber nur um diesen KZ-Vergleich dreht. Daher nochmals: Ich betone, dass die Tragweite der Sachverhalte völlig unterschiedlich ist und keinerlei moralische oder historische Gleichsetzung von mir intendiert ist. Es geht mir allein um den allgemeinen Rechtsgrundsatz, der in jenem Urteil Anwendung fand: Jeder Einzelne, unabhängig von seiner Position, trägt Verantwortung für seine Handlungen und Unterlassungen im Rahmen seines Dienstes.

Meine Anfragen via E-Mail und fragdenstaat.at zielten darauf ab, Mädchen in Not zu helfen. Ich wollte abklären, ob es sinnvoll ist, sich auf den Löffeltrick zu verlassen oder ob die TikTok-Videos Unsinn sind und sich für die Mädchen die Situation sogar verschlechtern könnte. Generalmajor Berthold Hubegger, BA, MA und Mag. Volker Mais haben nichts beigetragen, um diese Fragen zu klären. Im Gegensatz dazu ist Frau Abteilungsleiterin Mag. Johanna Eteme von der Abteilung III-S.1. ein Beispiel dafür, wie es auch anders geht. Mit ihrer ehrlichen und hilfreichen Antwort hat sie gezeigt, dass sie versteht, dass hinter den Paragrafen menschliche Schicksale stehen, die es zu schützen gilt. Ich danke ihr nochmals dafür!

Fazit
Mein Ziel ist es nicht, einzelne Beamte zu diffamieren, sondern Bewusstsein bei diesen zu schaffen. Wenn ich die öffentlich bereits bekannten Namen Generalmajor Berthold Hubegger, BA, MA und Mag. Volker Mais nochmals anführe, dann nur, um diese Herren zu sensibilisieren. Es ist mir wichtig, dass alle Beamte verstehen, dass ihre Entscheidungen die Welt außerhalb des Beamtenapparats beeinflusst und sie daher Verantwortung übernehmen müssen. Abteilungsleiter und Sachbearbeiter tragen entscheidend dazu bei, wie Gesetze interpretiert und umgesetzt werden. Die Antwort der Abteilungsleiterin Frau Mag. Johanna Eteme zeigt, dass ein verantwortungsvoller Umgang möglich ist – und sollte anderen Beamten im Innenministerium und in anderen öffentlichen Einrichtungen als Vorbild dienen.

Ich werde diesen Beitrag auf vielen Plattformen veröffentlichen, um Mädchen und ihre Familien über die Realität des Löffeltricks aufzuklären und die Diskussion über die Verantwortung von Beamten anzustoßen.

Anfrage teilweise erfolgreich

  • Datum
    27. November 2024
  • Frist
    22. Januar 2025
  • Ein:e Follower:in
Clemens Lintschinger (Autor)
Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit beantrage ich gem §§ 2, 3 AuskunftspflichtG die Erteilung folgender Ausku…
An Bundesministerium für Inneres Details
Von
Clemens Lintschinger (Autor)
Betreff
"Löffeltrick" zur Verhinderung von Verschleppung zur Zwangsheirat und Genitalverstümmelung [#3251]
Datum
27. November 2024 15:17
An
Bundesministerium für Inneres
Status
Warte auf Antwort — E-Mail wurde erfolgreich versendet.
Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit beantrage ich gem §§ 2, 3 AuskunftspflichtG die Erteilung folgender Auskunft:
In den sozialen Medien kursiert der sogenannte „Löffeltrick" als vermeintliche Hilfestellung für Mädchen, die befürchten, von ihren Familien ins Ausland verschleppt und dort zwangsverheiratet zu werden. Die Idee dahinter: Das Mädchen versteckt einen ungefährlichen Metallgegenstand, zum Beispiel einen Löffel, in ihrer Kleidung, bevor sie die Sicherheitskontrolle am Flughafen passiert. Der Gegenstand soll den Metalldetektor auslösen, was idealerweise dazu führt, dass das Mädchen zur weiteren Kontrolle in einen separaten Raum gebeten wird. Dort, so die Hoffnung, könnte sie sich dem Sicherheitspersonal anvertrauen und um Hilfe bitten. Zwangsheirat ist eine massive Menschrechtsverletzung. Natürlich möchten empathische Menschen den Mädchen in Not helfen und verbreiten diese Information. Allerdings ist es wichtig, die möglichen Risiken und Gefahren zu bedenken, da nicht selten gut gemeinte Ratschläge in solchen Videos und Reels mehr Schaden als Nutzen anrichten. Es ist jedenfalls besser für ein Mädchen, rechtzeitig eine kompetente Beratungsstelle aufzusuchen, von denen es in jedem Bundesland mehrere gibt. Doch nicht immer ist ein junges Mädchen bereit dazu und Videos zum Löffeltrick können Mädchen ein trügerisches Gefühl geben, in letzter Konsequenz habe sie noch diese ultimo ratio Möglichkeit. Folgende Frage stelle ich Ihnen daher: • Ist es richtig, dass ein Esslöffel oder Münzen bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen anschlagen? • Sind die Beamt*innen geschult, den „Löffeltrick“ zu erkennen? • Können Minderjährige ohne einen Elternteil mit den Beamt*innen reden? • Wird umgehend die Unterstützung des Kinder- und Jugendhilfeträgers eingeholt, damit diese Einrichtung nach den Bestimmungen des AußerStrG das Reisedokument vorläufig beschlagnahmt? • Wie geht es weiter? Wird tatsächlich die Ausreise gegen den Willen der Eltern und ohne Gerichtsbeschluss verhindert und kommt das Mädchen bestimmt in eine Not-Unterkunft? • Wenn nein, ist es dann nicht sogar besser, einen gefährlichen Gegenstand zu verstecken, damit das Kind festgenommen wird und dadurch ganz bestimmt nicht die Auslandsreise anzutreten? (Ich weiß schon, eine Straftat darf keinesfalls beworben werden, aber man kann die Situation sachlich darstellen.) • Kennen Sie Fälle in Österreich oder haben Sie im Wege der polizeilichen Zusammenarbeit gesichert davon gehört, dass der Löffeltrick schon funktionierte? • Hat die Republik Österreich schon ein zwangsverheiratetes Mädchen aus dem Ausland aufgrund ihres Hilfeersuchen gegen den Willen der Eltern und des Ehemannes nach Österreich zurückgeholt? • Wollen Sie mir etwas anderes zu diesem Thema mitteilen? Zusatzfragen: All diese Fragen habe ich Ihnen schon im Oktober gestellt. Warum antworten Sie auf Fragen besorgter und engagierter Bürger nicht? Interessiert Sie das Thema Zwangsverheiratung nicht? Sind Sie nicht daran interessiert, dass Multiplikatoren Aufklärung leisten? Wozu haben Sie eigentlich eine Medienstelle? Welche Maßnahmen werden Sie treffen, dass in Zukunft Anfragen von Bürger*innen beantwortet werden?
Für den Fall einer vollständigen oder teilweisen Nichterteilung der Auskunft (zB Verweigerung) beantrage ich die Ausstellung eines Bescheides gem § 4 AuskunftspflichtG. Clemens Lintschinger Anfragenr: 3251 Antwort an: <<E-Mail-Adresse>> Laden Sie große Dateien zu dieser Anfrage hier hoch: https://fragdenstaat.at/a/3251/ Postanschrift Clemens Lintschinger << Adresse entfernt >> << Adresse entfernt >>
Mit freundlichen Grüßen Clemens Lintschinger (Autor)
Bundesministerium für Inneres
2024-0.918.737 Auskunftsbegehren, Herr Clemens Lintschinger betreffend Zwangsverheiratung im Zusammenhang mit der …
Von
Bundesministerium für Inneres
Betreff
2024-0.918.737 Auskunftsbegehren, Herr Clemens Lintschinger betreffend Zwangsverheiratung im Zusammenhang mit der Ausreise über dem Luftweg
Datum
8. Januar 2025 12:26
Status
Anfrage abgeschlossen
Die zuständige Stelle für Rückfragen und Rückmeldungen entnehmen Sie bitte der Erledigung. Bundesministerium für Inneres Sektion I Präsidium Ministerialkanzleidirektion +43 1 53126-0 Herrengasse 7, 1010 Wien, Österreich <<E-Mail-Adresse>><mailto:<<E-Mail-Adresse>>> www.bmi.gv.at