Sehr
geehrtAntragsteller/in
Unter Bezug auf Ihre Anfrage vom 5. September 2015 darf ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Wir sind aktuell mit der größten Flüchtlingskrise seit Ende des Zweiten Weltkrieges konfrontiert. Allein im September haben rund 200.000 Kriegsflüchtlinge Österreich durchquert, im Oktober kamen bisher mehr als 120.000 Kriegsflüchtlinge hinzu. Es ist nicht nur für Österreich und die österreichische Polizei eine völlig neue Situation mit völlig neuen Herausforderungen, sondern für ganz Europa. Besonders betroffen von den Auswirkungen der Migrationsströme ist die Bevölkerung, die direkt in den Grenzregionen lebt. Aber auch die vielen freiwilligen Hilfsorganisationen, die seit Wochen an ihr Limit gehen und helfen, stehen vor größten Herausforderungen.
Gerade um die in den letzten Monaten sukzessive angestiegenen Migrationsströme nach/in/durch Österreich zu koordinieren, die einreisenden Drittstaatsangehörigen zu kontrollieren und gegebenenfalls zu registrieren wurde mit 16. September 2015 die vorübergehende Wiedereinführung der Grenzkontrollen an den Binnengrenzen gemäß Artikel 25 Schengener Grenzkodex verordnet.
Ein verfassungskonformes exekutives Vorgehen ist jedoch nur bei Einhaltung der Verhältnismäßigkeit – bei der insbesondere darauf zu achten ist, dass der angestrebte Erfolg in einem vertretbaren Verhältnis zu den voraussichtlich bewirkten Schäden und Gefährdungen steht (siehe § 29 Sicherheitspolizeigesetz) – gewährleistet. Bei polizeilichem Einschreiten gegenüber oftmals nicht kooperativen Großgruppen kann der angestrebte Erfolg (ordnungsgemäßer Vollzug des Fremdenrechts) möglicherweise unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht erreicht werden und ist sodann entsprechend § 13 des Fremdenpolizeigesetzes die Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt zu beenden. In solchen Fällen beschränkt sich das polizeiliche Handeln daher auf die Erste allgemeine Hilfeleistungspflicht, den Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit.
Weiters darf das polizeiliche Einschreiten selbst die Ordnung an öffentlichen Orten - wie etwa Bahnhöfen - nicht beeinträchtigen (Massenpaniken müssen daher jedenfalls vermieden werden).
In den letzten Wochen ist es daher vermehrt zu Fällen gekommen, in denen der ordnungsgemäße Vollzug des Fremdenrechts unter Beachtung der Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht erreicht werden konnte, weil
a) der Schutz des Lebens von Menschen absoluten Vorrang hat,
b) die Erste allgemeine Hilfeleistungspflicht zu leisten ist, falls ein Fall von Hilfsbedürftigkeit besteht (§ 19 Sicherheitspolizeigesetz) und
c) der angestrebte Erfolg nur unter massivem Personaleinsatz bzw. durch massive Eingriffe in die Rechte dieser Personen zu erreichen
gewesen wäre.
In Gesundheitsangelegenheiten haben die Sicherheitsbehörden allerdings keine Zuständigkeit. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes werden in Gesundheitsangelegenheiten nur über Ersuchen der örtlich zuständigen Gesundheitsbehörde tätig. Ich darf diesbezüglich jedoch auf die vom Bundesministerium für Gesundheit unter
http://www.bmg.gv.at/home/Startseite/ak… zusammengestellten Informationen hinweisen.
Man kann jedoch mit Sicherheit davon sprechen, dass Österreich die Herausforderungen seit Beginn dieser Flüchtlingsbewegung in Kooperation aller eingebundenen Ministerien, Länder, Hilfs- und Einsatzorganisationen sowie tausender Freiwilliger sehr gut bewältigt hat.
Mit freundlichen Grüßen