Sehr geehrter Herr Salm!
Sie haben am 2. Jänner 2023 ein Auskunftsersuchen gemäß §§ 2 und 3 Auskunftspflichtgesetz (AuskunftspflichtG) [
https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10000916] gestellt und für den Fall einer (teilweisen) Nichterteilung der Auskunft gemäß § 4 AuskunftspflichtG [
https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10000916] die Ausstellung eines Bescheides beantragt. Ihr Auskunftsersuchen betrifft das Interpellationsrecht, konkret die Frage, welche Maßnahmen der Präsident des Nationalrates in der jetzigen Legislaturperiode ergriffen habe bzw. zu ergreifen plane, um Beantwortungen im Sinne des Geschäftsordnungsgesetzes des Nationalrates (GOG-NR) sicherzustellen. Dazu können wir Ihnen Folgendes mitteilen:
Vielen Dank für Ihre Ausführungen und Gedanken zum Interpellationsrecht, es ist ein wichtiges Instrument der politischen Kontrolle. Im Hinblick auf Ihre Bezugnahme auf das AuskunftspflichtG ist zunächst aus formeller Sicht Folgendes festzuhalten:
Das AuskunftspflichtG regelt die Auskunftspflicht der Verwaltungsorgane des Bundes. Der Präsidentin bzw. dem Präsidenten des Nationalrates kommt in einem bestimmten Umfang auch die Funktion eines Verwaltungsorganes zu. Dieser Umfang bemisst sich nach Art. 30 Abs. 3 bis 6 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) [
https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/1930/1/A30/NOR40087979], meist in Verbindung mit einfachgesetzlichen Vorschriften. Nur soweit die Präsidentin bzw. der Präsidenten des Nationalrates als oberstes Verwaltungsorgan Verwaltungsaufgaben wahrnimmt (das ist beispielsweise im Bereich der Personalverwaltung, bei Vollziehung des Klubfinanzierungsgesetzes und bezügerechtlicher Vorschriften der Fall), ist sie:er gemäß Art. 20 Abs. 4 B-VG [
https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/1930/1/A20/NOR40245775] und § 1 AuskunftspflichtG [
https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10000916] zur Erteilung von Auskünften verpflichtet. Betrifft das Auskunftsersuchen hingegen nicht den beschriebenen Bereich der Verwaltung, so besteht keine Auskunftspflicht nach dem AuskunftspflichtG (vgl. dazu die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes [VwGH] vom 11. November 1998, 98/01/0152 [
https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Vwgh/JWT_1998010152_19981111X00/JWT_1998010152_19981111X00.pdf] und vom 11. Dezember 2012, 2012/05/0199 [
https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Vwgh/JWT_2012050199_20121211X00/JWT_2012050199_20121211X00.pdf]).
Jegliche Handlungen, die die Präsidentin oder der Präsident des Nationalrates im Zusammenhang mit dem Interpellationsrecht setzt, erfolgen in Ausübung von Aufgaben als Organ der Gesetzgebung, das den Nationalrat nach außen vertritt, und unterliegen daher nicht der Auskunftspflicht nach dem AuskunftspflichtG.
Ist die Präsidentin bzw. der Präsident des Nationalrates in ihrer:seiner Eigenschaft als Organ der Gesetzgebung nicht zur Auskunftserteilung verpflichtet, so kann sie:er auch nicht zur Erlassung eines die Auskunft verweigernden oder zurückweisenden Bescheides verpflichtet sein bzw. ist es gar nicht möglich, einen solchen zu erlassen (vgl. dazu ebenfalls die Entscheidungen des VwGH vom 11. November 1998, 98/01/0152 [
https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Vwgh/JWT_1998010152_19981111X00/JWT_1998010152_19981111X00.pdf] und vom 11. Dezember 2012, 2012/05/0199 [
https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/Vwgh/JWT_2012050199_20121211X00/JWT_2012050199_20121211X00.pdf]).
Unabhängig davon, ob eine Anfrage dem AuskunftspflichtG unterliegt, wird sie – soweit möglich – von Seiten der Parlamentsdirektion beantwortet.
Zum Themenbereich Ihrer Frage gab es in der aktuellen Gesetzgebungsperiode bereits eine parlamentarische Anfrage an den Präsidenten des Nationalrates (20/JPR [
https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/JPR/20]). In Rahmen der Beantwortung betont der Präsident des Nationalrates, dass es sich beim Interpellationsrecht um ein wesentliches parlamentarisches Kontrollinstrument handle, für dessen Wahrung er eintrete. Die Qualität von Anfragebeantwortungen sei immer wieder Thema in der Präsidialkonferenz, also dem beratenden Gremium bestehend aus den drei Präsident:innen des Nationalrates und den Klubobleuten. Zudem stehe er in ständigem Austausch mit den Mitgliedern der Bundesregierung, um eine korrekte und respektvolle Zusammenarbeit zwischen Bundesregierung und Nationalrat sicherzustellen.
Es obliege den Mitgliedern des Nationalrates und nicht dem Präsidenten zu prüfen, ob der Verpflichtung zur Beantwortung oder Bekanntgabe der Gründe für die Nichtbeantwortung einer Anfrage ausreichend entsprochen worden sei. Es gebe die Möglichkeit, dass fünf Abgeordnete eine Anfragebeantwortung zum Gegenstand einer Kurzen Debatte im Plenum machen (§ 57a iVm § 92 GOG-NR [
https://www.parlament.gv.at/dokument/unterlagen/GOG-NR_Taschenbuch_2023_01_01.pdf]). Der Nationalrat habe dann die Möglichkeit zu beschließen, die Anfragebeantwortung nicht zur Kenntnis zu nehmen (§ 92 Abs. 3 GOG-NR [
https://www.parlament.gv.at/dokument/unterlagen/GOG-NR_Taschenbuch_2023_01_01.pdf]).
Der Präsident des Nationalrates weist in seiner Anfragebeantwortung weiters darauf hin, dass sich das Geschäftsordnungskomitee immer wieder mit Fragen des Interpellationsrechts beschäftige. Es sei allerdings parlamentarische Praxis, in Geschäftsordnungsfragen möglichst den Konsens aller Klubs zu finden. Dieser sei zur angesprochenen Thematik noch nicht erreicht worden, es bestehe jedoch Einvernehmen, die Diskussionen zu einer etwaigen Änderung des Geschäftsordnungsgesetzes fortzuführen.
Weitere Details etwa hinsichtlich des Problems ausgegliederter Unternehmen oder zum Verhältnis des Interpellationsrechts zur Amtsverschwiegenheit können Sie direkt in der genannten Anfragebeantwortung auf der Website des Parlaments nachlesen: (20/ABPR [
https://www.parlament.gv.at/gegenstand/XXVII/ABPR/20]).
Wir hoffen, dass Ihnen diese Informationen weiter helfen!
Mit freundlichen Grüßen,